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IST DAS WASSERSCHLOSS BEDROHT?

Der Sommer 2022 war geprägt von Hitze und Trockenheit. Geht es nach den Experten, werden sich solche klimatisch bedingten Veränderungen in der Schweiz in Zukunft verschärfen. Was das für unseren Wasserhaushalt heisst.

Ausgetrocknet: Bilder wie dieses vom Lac des Brenets 2022 dürften laut Forschern in der Schweiz künftig zu einer Sommerrealität werden.

Die Schweiz gilt als eines der wasserreichsten Länder Europas. Grosse Wasserspeicher in Form von Flüssen, Seen, Gletschern und schneebedeckten Gipfeln, dazu der Regenreichtum aufgrund der geografischen Lage in den Alpen und der Nähe zu Atlantik und Mittelmeer – Probleme mit dem Wasser schienen über lange Jahre in weiter Ferne.

Doch der letzte Sommer zeigte, dass selbst das Wasserschloss Schweiz nicht unantastbar ist. Die lange Trockenzeit sowie der zuvor schneearme Winter setzten den Reserven zu, der Wasserstand von Flüssen und Seen sank massiv, so etwa die Pegel am Vierwaldstättersee, am Bodensee oder am Lago Maggiore. Bilder von ausgetrockneten Bächen oder auch des «verschwundenen» Lac des Brenets im Kanton Neuenburg zeichneten ein dramatisches Bild.

Ob der angelaufene Sommer 2023 ebenfalls wieder so trocken wird, lässt sich noch nicht mit absoluter Sicherheit sagen. Die trockene und warme erste Junihälfte sowie Wettermodelle für Juli und August deuten es zumindest an. Der bekannte Hydrologe Christian Massari twitterte sogar, 2023 könne doppelt so trocken werden wie 2022.

40 Prozent weniger Wasser Doch ungeachtet der aktuellen Wetterlage: Für Experten ist klar, dass der Sommer 2022 kein Einzelfall bleibt, mittel- und langfristig gar zur Regel werden könnte. Dies zeigen Forschungsergebnisse eines Projekts des Bundesamts für Umwelt (BAFU) zu den Auswirkungen des Klimawandels auf den Wasserhaushalt der Schweiz. Die Forscher gehen davon aus, dass ohne Klimaschutz bis Ende unseres Jahrhunderts im Sommer 40 Prozent weniger Wasser in den Flüssen sein könnte als bisher. Die Temperatur der Fliessgewässer steigt laut diesem Szenario in der gleichen Zeit um 5,5 Grad Celsius an. Weil die Niederschlagsmengen sinken, die Verdunstung zunimmt und immer weniger Schmelzwasser in die Gewässer gelangt, droht ein Rückgang des verfügbaren Wasservolumens. Verschärft wird das Ganze durch den massiven Rückgang der Gletscher. Glaziologe Matthias Huss geht gegenüber SRF davon aus, dass bis Ende des Jahrhunderts 1100 bis 1200 der aktuell 1400 Gletscher der Schweiz geschmolzen sein werden. «Die Auswirkungen sind viel grösser als bisher angenommen», kommentiert das BAFU diese hydrologi- sche Entwicklung. Generell gesehen werde es in der Schweiz auch mit Klimawandel zwar etwa gleich viel Wasser geben wie bisher. Aber die saisonale Verfügbarkeit werde sich zuungunsten des Sommers entwickeln. Wasser werde zeitweise und regional derart knapp oder warm werden, dass die Natur leide – und dass wir Menschen uns einschränken müssten.

Umdenken ist gefragt

Sofern sich der Klimawandel ungebremst fortsetzt, wird es laut den Forschern grosse Veränderungen in den Gewässern geben, mit starken negativen Auswirkungen auf Gewässerökologie und Wasserwirtschaft. «Gesellschaft und Wirtschaft müssen sich auf die neuen klimatischen Bedingungen einstellen und der Natur Rechnung tragen», so BAFU-Direktorin Katrin Schneeberger.

Betroffen und zugleich gefordert ist zum Beispiel die Landwirtschaft. Die Szenarien des Bundesamts für Umwelt sehen vor, dass sich der landwirtschaftliche Wasserbedarf im Agrarsektor bis Ende des Jahrhunderts verdoppeln könnte. Gefragt seien deshalb clevere, spar same Bewässerungssysteme sowie der Umstieg auf Kulturen und Pflanzensorten, die wenig Wasser benötigen. Aber auch Industrie und Gewerbe müssen umdenken. Hier wären wassersparende Techniken und Verfahren die Lösung. Zudem seien regionale Wasserversorgungsplanungen über alle Nutzungssektoren hinweg notwendig, um lokalen Engpässen vorzubeugen.

Wasser messen und sparen

Der Bundesrat hat angesichts der häufigeren Trockenheit die drei Bundesämter für Umwelt, Meteorologie und Klimatologie, Meteo Schweiz und Landestopografie Swisstopo damit beauftragt, bis 2025 ein nationales Früherkennungsund Warnsystem aufzubauen. Dieses soll mehrere Wochen im Voraus aufzeigen, wenn sich eine kritische Situation anbahnt, damit betroffene Sektoren wie Landwirtschaft, Wasserkraft, Trinkwasserversorgung, Schifffahrt oder Naturschutz geeignete Massnahmen ergreifen können. In seinem Bericht zu Wasserversorgungssicherheit und Wassermanagement empfiehlt der Bundesrat den Kantonen zudem, den Wasserverbrauch umfassend zu messen.

Für Hydrologen ist klar: Die Schweiz wird in Zukunft zumindest im Sommer Wasser sparen müssen. Wie wenig es für einen behutsameren Umgang mit unserem Trinkwasser braucht, zeigen die Tipps für den Haushalt in der Box auf dieser Seite.

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