Zeitung zur Ausstellung "Revolution macht Republik" im Abgeordnetenhaus

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1. EXTRAAUSGABE

DIENSTAG, DEN 11. DEZEMBER 19

REVOLUTION MACHT REPUBLIK! DAS PREUSSISCHE ABGEORDNETENHAUS

IN DER REVOLUTION 1918/19

AUSSTELLUNG IM ABGEORDNETENHAUS VON BERLIN

11. DEZEMBER 18 BIS 25. JANUAR 19

Ausrufung der Republik am Reichstag, 9. November 1918 © National Library of Scotland, CC-BY-NC-SA

DIE REVOLUTION 1918/ 19 BERLIN, 9.11.18 –18.3.19 Krieg, Hunger, Diktatur: Im Herbst 1918 war die Geduld der Menschen mit Kaiser und Militär am Ende. Der Krieg war verloren und der Herrschaftsapparat hatte jedes Vertrauen verspielt. Der Befehl an die Flotte in Kiel und Wilhelmshaven, zu einem Selbstmordkommando gegen die britische Marine auszulaufen, brachte das Fass zum Überlaufen. Die Meuterei im Norden entfachte einen Aufstand, der zur Revolution im ganzen Land wurde. Kasernen, Rathäuser und Schlösser wurden gestürmt und besetzt, die alten Machthaber abgesetzt. Die Kontrolle übernahmen Arbeiter- und Soldatenräte, die sich aus gewählten Vertreter*in-

nen der Betriebe und Kompanien zusammensetzten. Die wichtigsten Ziele der Revolution waren die Beendigung des Krieges und die Errichtung der Republik. Bezeichnend hierfür war die Parole: „Frieden, Brot und Demokratie“. Sie wurde im Herbst 1918 von der überwiegenden Mehrheit der Deutschen geteilt. Die Revolution 1918/19 begann nicht in Berlin, aber die Hauptstadt war ihr entscheidender Schauplatz. Hier lagen die Zentren der Macht des überkommenen und handlungsunfähigen Kaiserreichs. Hier wurde um die wichtigsten Entscheidungen gerungen, die bedeutendsten Erfolge erreicht. Aber auch die tragischsten Entwicklungen nahmen hier ihren Ausgang. Hier rief Philipp

Scheidemann am 9. November 1918 die Republik aus, hier wurde das Ende des Ersten Weltkriegs bekannt gegeben, hier wurde das Wahlrecht für Frauen beschlossen, der Weg in die parlamentarische Demokratie geebnet, die Sozialpartnerschaft zwischen Unternehmern und Gewerkschaften ausgehandelt. In Berlin kam es aber auch zu den blutigen Aufständen, bei denen die sich die Anhänger*innen der gespaltenen Arbeiterbewegung als unversöhnliche Feinde gegenüberstanden, hier wurden Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht ermordet, hier fanden hunderte politische Morde statt, wurde mit schwerer Artillerie auf Wohngebiete geschossen, geriet die junge Demokratie in ernste Gefahr.

29.9.18 NIEDERLAGE!

UND WAS HAT DAS MIT DEM ABGEORDNETENHAUS VON BERLIN ZU TUN? REVOLUTION MACHT REPUBLIK, 11.12.18–24.1.19 Die Geschichte des Gebäudes, heutiger Sitz des Berliner Abgeordnetenhauses, ist unmittelbar mit der Revolution 1918/19, ihren Leistungen und Ergebnissen verknüpft. Viele wichtige Ereignisse fanden genau hier statt: Die Ablösung der preußischen Monarchie und der Übergang zur Republik, die entscheidenden Weichenstellungen hin zur parlamentarischen Demokratie auf dem Reichskongress der Arbeiter- und Soldatenräte, die endgültige Spaltung der Arbeiterbewegung mit der Gründung der KPD oder das erste auch von Frauen gewählte Preußische Parlament. In diesem Gebäude kristallisiert sich die Geschichte der Revolution 1918/19 wie fast nirgendwo sonst in Berlin. Revolution ist prinzipiell partizipativ und dynamisch, sie findet auf der Straße statt und lebt

von der Mitwirkung der Menschen. Aufrufe mobilisierten auch 1918/19 zum Aufbruch in den Frieden und die Demokratie. Hieran orientiert sich die Ausstellung „REVOLUTION MACHT REPUBLIK“. Themen wie die Ausrufung der Republik, der „Fahrplan“ für die Demokratie, die Macht der Räte und die (Ohn-) Macht des Räte-Gedankens als politisches System, die Spaltung der Arbeiterbewegung oder das Frauenwahlrecht können so dargestellt und in größere Zusammenhänge eingebettet werden. „Versammelt Euch!“, „Macht Frieden!“, „Mischt Euch ein!“, „Keine Gewalt!“, „Informiert Euch!“, „Beteiligt alle!“ und „Solidarisiert Euch!“ heißen die Kapitel, an denen die Geschichte der Revolution und die Rolle des Preußischen Abgeordnetenhauses darin gezeigt werden. Die Gestaltung mittels Holz-Bauzäunen, auf die aufrufartig die Inhalte plakatiert werden,

nimmt diese Dynamik auf und gibt der Revolution als weitgehend unfertigem Prozess einen visuellen Ausdruck. Er erinnert historisierend an tatsächliche Plakat-Aufrufe der Revolutionszeit und schlägt gleichzeitig thematisch die Brücke ins Heute. Somit ist die Ausstellung einerseits auch optisch in der Revolutionszeit verwurzelt. Andererseits kann eine solche Ästhetik auch die Aktualität der Inhalte betonen: Demokratie ist eine dauerhafte Baustelle, an der es immer und immer wieder neu zu bauen gilt. Ihr Fundament – in diesem Fall das heutige Abgeordnetenhaus von Berlin – steht fest, umso wichtiger ist es jedoch, die Gestaltung und den Ausbau stets in demokratischen Händen zu lassen und die Baustellen, die sich dabei ergeben, nicht den Feinden der Demokratie zu überlassen.

Die deutsche Militärführung, die Oberste Heeresleitung (OHL), gibt den Ersten Weltkrieg verloren und fordert von der Reichsregierung ein sofortiges Waffenstillstandsangebot an die US-Amerikaner. Deutsche Kriegsgefangene im französischen Abbeville am 2. Oktober 1918. © ullstein bild – mirrorpix


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