HELFEN IN DER REGION
s34_ra914_menschen-crescenda:Layout 1
26.8.2014
10:18 Uhr
Seite 34
«Plötzlich bewegt sich was, öffnet sich eine Perspektive» Am ersten September feierte der Verein Crescenda sein zehnjähriges Bestehen. Crescenda unterstützt Migrantinnen in ihrem Bestreben, ein selbständigeres Leben zu führen und Kleinstunternehmen zu gründen. Béatrice Speiser, Initiantin und Präsidentin des Vereins, verspürt auch nach zehn Jahren Tätigkeit im Verein noch immer ein inneres Feuer für die damit verbundene Arbeit: nämlich andere Menschen zu unterstützen und ihr Anderssein als Gewinn anzusehen.
Das Crescenda-Modell Vor wenigen Tagen wurde das zehnjährige Bestehen des Vereins Crescenda in der Pauluskirche gefeiert und gewürdigt – dies in Anwesenheit von Bundesrätin Simonetta Sommaruga und Regierungspräsident Guy Morin. Zum feierlichen Anlass wurde das Fachbuch «Das Crescenda Modell. Migrantinnen als Unternehmerinnen» von Annika Bangerter und Béatrice Speiser herausgegeben. Erschienen ist es im Verlag rüffer&rub. Es ist 320 Seiten stark und kostet 44 Franken.
9-2014
D
er Name stammt aus der Musikwelt. Crescendo bedeutet in einem dynamischen Sinne «lauter werdend». «Crescere» lässt sich mit «wachsen» übersetzen. Und in diesem Sinne sieht Béatrice Speiser auch die Bedeutung des Vereins Crescenda, der in Basel an der Bundesstrasse 5 domiziliert ist und dessen Initiantin und Präsidentin sie ist. «Wir wollen den Frauen hier einen Humus bieten, wo sie wachsen können.» Dabei handelt es sich um Migrantinnen, die sich bei Crescenda weiterbilden wollen, dabei in Arbeit kommen oder selbst ein Kleinstunternehmen gründen. «Dadurch schaffen es viele Frauen besser, an der Gesellschaft zu partizipieren.» Frauen, die sich bei Crescenda anmelden, besuchen zunächst einen Standortbestimmungskurs. Dabei wird herausgearbeitet, wo sie stehen, wie ihre Lebenssituation ist, wie die Deutschkenntnisse sind. Der Potenzialansatz wird ins Zentrum gerückt. Ein umfassendes Lern-, Beratungsund Coaching-Programm befähigt die Teilnehmerinnen dazu, ihre Potenziale und Ressourcen individuell und ökonomisch zu nutzen. Sie lernen, sich in die hiesigen Netzwerke einzugliedern und ein eigenes Unternehmen aufzubauen. Dadurch erlangen sie mehr berufliche und persönliche Selbstbestimmung. In der Folge wird ein Gründungs- oder Gastronomiekurs besucht. «In dieser Zeit lernen die Frauen, sich besser in Deutsch auszudrücken. Und sie merken, dass es sinnvoll ist, die Sprache besser zu lernen», so Béatrice Speiser. Schliesslich stehen sie am Ende ihrer Ausoder Weiterbildung vor einem grösseren Publikum, um ihr Projekt oder Unternehmen vorzustellen.
www.regioaktuell.com
!
Frauen bauen sich etwas auf Seit dem Gründungsjahr haben 150 Frauen aus rund fünfzig Nationen eine Crescenda-Weiterbildung besucht. 67 Frauen davon haben den Gründungs- beziehungsweise Gastronomiekurs mit Diplom abgeschlossen. Insgesamt wurden in den vergangenen zehn Jahren über vierzig Unternehmen gegründet. Finanziell unterstützt werden die Frauen von Crescenda nicht. «Die meisten Kleinbetriebe brauchen für die Gründung eines Mikro-Unternehmens 34 oftmals nur wenig Startkapital. Gleich, ob
es sich dabei um Sprachschulen, um Unternehmen im Internetbereich oder um kleine Putzinstitute handelt.» Wichtig sei, so Speiser, dass die Lebenshaltungskosten gesichert sind. Viele Frauen bauen sich parallel zu ihrer Arbeit etwas auf, etwa im Cateringbereich. Hierfür steht ihnen die Küche in der Villa Crescenda zur Verfügung (Känguru-Konzept). Das Jugendstilgebäude an der Bundesstrasse wird dem Verein von einer Privatperson mietfrei zur Verfügung gestellt. Die Räume werden sowohl als Geschäftsräume für Jungunternehmerinnen benutzt als auch für Anlässe und Seminare an Dritte vermietet. Das Bistrot Crescenda im selben Haus wurde 2009 gegründet. Die Speisekarte bietet «exotische Spezialitäten aus Mutters Kochtopf» an. Seit der Gründung hat sich das Bistrot zu einem integrierten Lehrbetrieb mit Gastronomiekurs und Lernatelier entwickelt.
Sorge tragen Der Erfolg von Crescenda dürfe nicht ausschliesslich an der Anzahl Firmengründungen gemessen werden, betont Speiser. Es gibt zahlreiche Frauen, die nach dem Gründungskurs überhaupt erstmals eine Stelle finden. «Plötzlich bewegt sich was, öffnet sich eine Perspektive.» Für Béatrice Speiser ist ihr Engagement für Crescenda eine Herzensangelegenheit. Die Advokatin, die etwa auch im Verwaltungsrat der Migros Basel einsitzt, brachte für diese Arbeit teilweise bis zu fünfzig Prozent ihrer Arbeitszeit auf. Und noch hat sie nicht genug: «Ich finde es wunderbar, andere Menschen und ihr Potenzial zu fördern. Ausserdem gebe ich der Gesellschaft damit etwas zurück. Das tue ich sehr gern. Auch weiterhin. Das Feuer ist nach wie vor vorhanden.» Man dürfe dabei einfach nicht vergessen, auch für sich selbst Sorge zu tragen. cf !