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Meilensteine in der Medizin
Immer mehr gentherapeutische Verfahren stehen vor einer Zulassung in der EU. Sie könnten gerade für Menschen mit genetisch bedingten Erkrankungen einen Durchbruch bedeuten. Allerdings kostet die Behandlung sehr viel Geld. Deswegen müssen die Verantwortlichen im Gesundheitssystem schon heute Vorbereitungen treffen, damit neue Lösungen nicht nur einigen wenigen Wohlhabenden zur Verfügung stehen.
Gentherapien zählen in der Medizin zu den großen Hoffnungsträgern. Mit welcher Dynamik neue Erkenntnisse in diesem sich schnell entwickelnden Gebiet generiert werden, zeigt schon die Zahl englischsprachiger Publikationen zu dem Thema. Sie hat sich in den letzten 20 Jahren auf mehr als 35.000 Veröffentlichungen vervierfacht. Dagegen ist die Zahl der von der EU zugelassenen Gentherapeutika aktuell noch sehr gering. Laut dem Paul-Ehrlich-Institut liegt diese Zahl bei 14. Der Grund dafür: Die Entwicklung neuer Gentherapeutika ist kompliziert, teuer und langwierig.
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Gendefekt präzise beheben Grundsätzlich bezeichnet man als Gentherapie die medizinische Methode der Einbringung von Nukleinsäuren (DNA oder RNA) in Körperzellen (Gentransfer), um deren Erbgut zu verändern und somit in erster Linie gezielt genetisch verursachte Krankheiten zu behandeln. Beispiele für Erbkrankheiten, bei denen die
Behandlungslösung im Ersetzen eines fehlerhaften Gens im Erbgut durch ein gesundes Gen besteht, sind Chorea Huntington, eine Erkrankung des zentralen Nervensystems, oder die zu Muskelschwund führende spinale Muskelatrophie. Beide Krankheiten können in die Knochenmarkzellen des Patienten eingeschleust. Anschließend produzieren die Knochenmarkzellen dann das fehlende Enzym, und Patientin oder Patient kann wieder normal bluten. Auch andere Erbkrankheiten wie die Sichelzellanämie, bei der die roten Blutkörperchen verklumpen und nicht mehr richtig Sauerstoff transportieren, stehen im Fokus neu entwickelter gentherapeutischer Lösungen.
Großer Einsatzbereich nicht mit klassischen Medikamenten behandelt werden und enden ohne Therapie tödlich. Zu den bekanntesten Gentherapien zählt auch die Behandlung der Bluterkrankheit. Bei dieser Krankheit fehlt dem Körper ein Enzym, das für die Blutgerinnung wichtig ist. Bei der Gentherapie wird das Gen für dieses Enzym
Der potenzielle Einsatzbereich von Gentherapien als moderne pharmazeutische Therapieform ist jedoch noch umfangreicher und kann sich mitunter auch auf die Behandlung von Krankheiten richten, die erst im Laufe des Lebens entstehen. So wird die Gentherapie derzeit zur Behandlung einer Reihe anderer Krankheiten untersucht, darunter Krebs, Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder die
Stilles Erbe – Genmutationen und Krebs
Kennen Sie die Begriffe „BRCA“, „CHEK“, „RAD“ oder „HRD“? Diese spielen eine Rolle, wenn Krebserkrankungen unter anderem aufgrund einer familiären Veranlagung entstehen, weiß das Forum Gyn Onkologie die Abkürzung für „Breast Cancer Antigene“. Dies sind Gene, die alle Menschen von Geburt an in ihrer Erbinformation tragen. BRCA-Gene besitzen wichtige Funktionen bei der Reparatur von Schäden an der DNA (Erbinformationen), die jeden Tag Tausende Mal in einer Zelle auftreten und ganz normal sind. Auf diese Weise verhindern die BRCA-Gene, dass Zellen entarten und Krebs entsteht.

Auch Männer können betroffen sein. Wenn sie eine Veränderung im BRCA1- oder BRCA2-Gen tragen, haben sie ein erhöhtes Risiko, im Laufe des Lebens an Brustkrebs oder Prostatakrebs zu erkranken.
Für die Entstehung von Brust- und/ oder Eierstockkrebs wie auch Prostatakrebs sind vor allem die „BRCA“-Gene relevant. „BRCA“ ist
Wenn in den BRCA-Genen eine Veränderung (Mutation) auftritt, können wichtige Reparaturfunktionen beeinträchtigt werden. Der Fachausdruck dafür lautet „homologe Rekombinationsdefizienz (HRD)“. Frauen, die eine Mutation im BRCA1- oder BRCA2-Gen tragen, haben ein stark erhöhtes Risiko, im Laufe des Lebens an Brustund Eierstockkrebs zu erkranken. Nach heutigem Wissensstand liegt die Wahrscheinlichkeit, bei einer derartigen Genveränderung an Brustkrebs zu erkranken, bei bis zu 85 Prozent, für Eierstockkrebs bei bis zu 53 Prozent.
Veränderte BRCA-Gene können Eierstockkrebs begünstigen. Bei zehn bis fünfzehn Prozent der Patientinnen spielt die genetische Veranlagung durch veränderte BRCA-Gene eine Rolle bei der Entstehung von Eierstock-, Eileiter- oder Bauchfellkrebs. Bei weiteren neun Prozent werden spontan erworbene Mutationen der BRCA-Gene festgestellt. „Deshalb sollte jeder Patientin mit Eierstockkrebs eine genetische Beratung und Testung angeboten werden, um einerseits eine geeignete Therapiestrategie zu eruieren, andererseits alle Familienmitglieder zu einer genetischen Testung aufzuklären“, so Professor Jalid Sehouli von der Charité. Das Digitalformat „BRCAplus Themenreis e“ des Forum Gyn Onkologie und der
Deutschen Stiftung Eierstockkrebs geht der Thematik auf den Grund. Expertinnen und Experten klären zu Diagnostik-, Prophylaxe- und Therapieoptionen auf und beantworten relevante Fragen Betroffener und ihrer Familien. Das BRCA-Netzwerk als Kooperationspartner steht zudem mit deutschlandweiten Gesprächskreisen Ratsuchenden zur Seite.
BRCAplus Themenreise www.forum gyn onkologie.de www.stiftung eierstockkrebs.de www.brca infotour.de
Alzheimer-Krankheit. Die Ergebnisse dazugehöriger Studien sind vielversprechend, aber es ist noch zu früh, um zu sagen, ob die Gentherapie für diese Krankheiten eine wirksame Therapie sein wird. Klar muss auch sein: Da gentherapeutische Verfahren in erster Linie auf Therapieformen abzielen, die nicht die Symptome einer Erkrankung, sondern die Krankheitsursache selbst behandeln, gehen die potenziellen Einsatzbereiche insgesamt weit über die Behandlungsmöglichkeiten durch die meisten herkömmlichen Medikamente hinaus.
Neue Genschere entwickelt
Zu den herausforderndsten Schritten bei einer Gentherapie zählt die effiziente Einbringung des gewünschten Gens bzw. des Werkzeugs zur Reparatur von Genen in die richtigen Zellen. Diese können direkt im Organismus anvisiert werden. Eine weitere Variante besteht darin, Zellen zu entnehmen und sie nach genetischer Modifikation wieder in den Organismus einzubringen. Ein anderer Ansatz der Gentherapie ist die Korrektur fehlerhafter Gene mithilfe von Genscheren. Die bekannteste Genschere ist Crispr/Cas9. Genscheren können zur Reparatur von DNA-Schäden, zur Entfernung von schädlichen Genen oder zur Einführung neuer Gene in Zellen eingesetzt werden und sind gerade deswegen ein vielversprechendes Werkzeug für die Gentherapie, da sie es ermöglichen, genetische Veränderungen gezielt und präzise zu machen. Ein Team aus Forschenden am Massachusetts Institute of Technology (MIT) um Feng Zhang hat eine neue Genschere entwickelt, die präzise Veränderungen an DNA-Strängen vornehmen kann. Das neue Werkzeug heißt „Fanzor“. Laut Angaben der Forschenden erzeugt Fanzor im unerwünschte Sequenz gewünschte Sequenz
Wie funktioniert Crispr/Cas9?

Crispr/Cas9 ist ursprünglich ein in der Natur vorkommender Abwehrmechanismus von Bakterien gegen Viren, den sich die Gentechnik zunutze macht.
Cas9 ist dabei ein Enzym, das mithilfe von Führungs-DNA eine Zielsequenz zerschneiden kann.
Im molekularbiologisches Verfahren angewendet, können so Gene verändert, entfernt oder eingefügt werden.
Gegensatz zu Crispr/Cas9 keine sogenannten Kollateralschäden. So nennt man es, wenn Genscheren bei der Arbeit auch benachbarte DNA und RNA abbauen.
Ethische Fragen klären Insgesamt hat die Gentherapie das Potenzial, die Behandlung vieler Krankheiten zu revolutionieren. Allerdings sind noch einige Herausforderungen zu bewältigen, bevor die Gentherapie zum Standard in der Medizin werden kann. Dazu gehört die weitere Entwicklung sicherer Gentherapieverfahren, die Reduzierung der hohen Kosten oder auch die Klärung ethischer Fragen, die mit der Gentherapie verbunden sind. Trotz dieser Herausforderungen ist zu erwarten, dass die Gentherapie in den kommenden Jahren weiter an Bedeutung gewinnen wird.
DNA-Zielsequenz
Cas9-Enzym
Führungs-RNA
PAM (protospacer adjacent motif) Erkennungssequenz für das Crispr/Cas-System Zielsequenz wird aufgeschnitten gewünschte DNA-Sequenz wird eingefügt ursprünglicher DNA-Abschnitt veränderter DNA-Abschnitt