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MEIN ERSTES MAL

SEBASTIAN FITZEK

„Langeweile ist wichtig für unsere Kreativität“

Hier erzählt Deutschlands Thriller-König, wie ihn ein Arztbesuch zu seinem ersten Roman inspirierte – und wie du deine eigenen Ideen mit Gedankenspielen beflügelst.

Er ist der erfolgreichste deutsche Schriftsteller der Gegenwart: Über zwölf Millionen verkaufte Bücher, 25 Bestseller, die in 24 Sprachen übersetzt wurden, 2016 bekam er den Europäischen Preis für Kriminalliteratur. Was Sebastian Fitzeks Thriller so attraktiv macht? Sie beginnen mit einer vertrauten Alltagssituation: Der Protagonist steht zum Beispiel an der Ampel oder bekommt ein Paket zugestellt. Dann passiert etwas – ein kurzer Störimpuls, der das Leben der Hauptfgur aus der Bahn wirft –, und für den Leser beginnt eine wilde Achterbahnfahrt.

Im Gespräch erzählt der 50jährige Berliner, wie ihm im Jahr 2000, als er beim Radio arbeitete und noch längst nicht daran dachte, Schriftsteller zu werden, das erste Mal die Idee für einen Roman kam. Das dazugehörige Buch erschien sechs Jahre später unter dem Titel „Die Therapie“ und verkaufte sich acht Millionen Mal. „Ich begleitete meine damalige Freundin zum Orthopäden. Nachdem sie aufgerufen worden war, saß ich in dem Wartezimmer – eingeklemmt zwischen anderen Wartenden, die alle in etwas veralteten Zeitschriften blätterten. Nach einer Dreiviertelstunde, die sich wie zwei Stunden anfühlte, dachte ich mir: Wo ist die denn? Ich wusste nicht, dass es ein zweites Wartezimmer gab, in dem meine Freundin vor der Behandlung noch einmal zwischengeparkt wurde. Und irgendwann dachte ich mir, um mir die Zeit zu vertreiben – denn Langeweile ist ganz wichtig für unsere Kreativität –, was wäre eigentlich, wenn alle Mitwartenden sagen würden: ‚Auf wen warten Sie? Auf Ihre Freundin? Sie sind doch allein gekommen.‘ Und die Assistentin am Empfang würde sagen: ‚Nö, für diesen Namen haben wir keinen Termin heute und auch sicher niemanden aufgerufen.‘

Das war nicht etwa Wunschdenken, dass meine Freundin da nicht wieder rauskommt, sondern meine allererste ThrillerIdee. Ich fand diese ‚Was wäre, wenn …?‘Frage total faszinierend. Davon ausgehend fng ich an, über Figur und Handlung nachzudenken. Dann nahm die Geschichte immer mehr Form an, und ich brachte sie zu Papier. Der Prolog meines ersten Romans ist fast identisch: Ein Mädchen verschwindet aus dem Behandlungszimmer des Arztes. Man will dem Vater, der gewartet hat, weismachen, sie sei da gar nicht erst reingegangen. So beginnt seine Suche nach ihr. Bis heute inspirieren mich Alltagssituationen am meisten. Neulich hatte ich eine Lesung 0:00 –42:36 Sebastian Fitzek in Berlin. Als ich auf der Bühne Mein erstes Mal – der Podcast saß mit meinem Buch, dachte ich beim Aufschlagen: Was wäre, wenn da jetzt etwas ganz anderes drinnen stünde? Wenn die etwas „Wie wäre es, wenn anderes gedruckt hätten? War natürlich nicht der Fall, aber es plötzlich ein Mensch sind solche Drehs, ganz kleine verschwinden würde?“ Irritationen, die ich bewusst in Alltagssituationen einbaue, um

Thriller-Autor Sebastian Fitzek wirft gern meine Kreativität anzukurbeln. den Alltag seiner Figuren über den Haufen. Weil sich aus solchen Gedanken zwangsläufg weitere Fragen ergeben: Was stünde denn da drinnen? Wer ist der Schriftsteller, der statt mir auf der Bühne sitzt? Eine Idee führt zur nächsten – und mit etwas Glück sitzt man irgendwann vor einem neuen Roman.“

„MEIN ERSTES MAL“ IST DIE RED BULLETIN-PODCAST-SERIE, in der Heldinnen und Helden über ihre Anfänge sprechen. Die Folge mit Sebastian Fitzek, dessen neuer Roman „Playlist“ gerade erschienen ist, gibt’s im Podcast-Kanal von The Red Bulletin. Zu finden auf allen gängigen Plattformen wie Spotify und auf redbulletin.com/podcast

TALKIN’ ’BOUT MY GENERATION

Planung? Vergiss es! Drück drauf, wenn alles passt. Wie der Spanier CARLOS BLANCHARD, 38, das Lebensgefühl der Snowboarder in lässige Fotos verwandelt.

Protokoll ANDREAS WOLLINGER

„Das ist eines meiner aktuellen Lieblingsbilder, weil es alles zeigt, was ich an unserem Sport so mag: Dynamik, Feeling und jede Menge Spaß.“

Airolo, Schweiz, 2018

Der deutsche Snowboarder Elias Elhardt fetzt über eine Schneekuppe. Das Foto entstand bei Dreharbeiten zu Elhardts erstem Filmprojekt „Contraddiction“.

„Wenn du mit Typen wie Elias Elhardt unterwegs bist, weißt du, dass es spontan und lustig wird. Alles andere ergibt sich von selbst. Planung ist ohnehin überbewertet.“

Lofoten, Norwegen, 2018

Elias in der Luft bei einem Frontside 720, einer zweifachen Drehung um die Hochachse

„In diesem abgelegenen Resort mussten wir zum Abendessen zu Fuß gehen. Alex Tank nahm sein Board, um schneller da zu sein – für mich zeigt das Bild die Ausgesetztheit des Menschen in der Natur.“

Brezovica, Kosovo, 2019

Der deutsche Snowboarder Alex Tank stapft aus dem Hotel in den Schneesturm – Sekunden bevor er anschnallt.

„Als ich dieses Bild aufnahm, hatte es minus 25 Grad. Ich hatte schon Angst um meine Kamera.“

Pyhä, Finnland, 2021

Die Niederländerin Lisa Bunschoten bei einem Boardercross-Rennen. Das Bild stammt aus Carlos Blanchards Buch „Dreams“ über paralympische Snowboarder.

„Eine Splitboard-Tour zu so einem Aussichtspunkt kann anstrengend sein. Aber die Aussicht war sie allemal wert.“

Lofoten, Norwegen, 2018

Ein Bergrücken auf der Inselgruppe der Lofoten. An manchen Stellen ragen die steinernen Giganten bis zu 1200 Meter hoch aus dem Meer. Splitboards lassen sich für den Aufstieg auseinandernehmen, was Snowboardern Skitouren ermöglicht.

„Das ist Knut Eliassen, das kreative Hirn des SnowboardTeams Nitro. An diesem Tag suchten wir bei Regen eine interessante Location. Knut ist so voller Energie, dass er selbst bei der Kälte kein T-Shirt braucht.“

Lofoten, Norwegen, 2018

Snowboard-Marketing-Manager Knut Eliassen posiert für ein Porträt. Fotograf Blanchard sagt: „Seine Quirligkeit ist ansteckend.“

„Spannender als die Gesichter der Teilnehmer fand ich hier die mit Tape an die Beine geklebten Startnummern.“

Mount Baker, Washington (Staat), USA, 2019

Teilnehmer am Start des „Legendary Banked Slalom“. Das Rennen wird seit 1985 durchgeführt und gilt als Mekka für Snowboarder.

Titel

Ort, Datum

„Faccullentio. Ita pro dolore doloraectur? Bearum et eatiusa antecea arum nullaccus, sus. Rum ducia venis magnihit utemFaccullentio. Ita pro dolore doloraectur? Bearum et eatiusa antecea arum nullaccus, sus. Rum ducia venis magnihit utem vitionsequi doluptas niandel et anda venihil latur, cum que nus vitionsequi doluptas niandel et anda venihil latur, cum que nus“

„Mach es für die Show, heißt es. Wenn einer der besten Snowboarder der Welt loslegt, steht er wie hier sofort im Mittelpunkt.“

Brezovica, Kosovo, 2019

Elias Elhardt entzückt das Publikum mit einem Sprung vom Dach der Hütte (rechts im Bild).

„Was man hier nicht sieht: Lisa Bunschoten trägt eine Prothese unterhalb des linken Knies. Das verändert ihre Bewegung, nicht aber das Tempo und den Hunger nach Erfolg.“

Flachauwinkl, Österreich, 2020

Die paralympische Snowboarderin Lisa Bunschoten aus den Niederlanden bei einem Trainingslauf

„Das habe ich nach einem langen Tag beim letzten Licht aufgenommen. Was kann man mehr verlangen als so einen Sonnenuntergang an einem derart fantastischen Ort?“

Nationalpark Torres del Paine, Chile, 2017

Bergsilhouette mit Wolkenhintergrund. Blanchards Glück: Das Foto war das allerletzte einer Filmrolle.

„Ich liebe es, Menschen in einem unvorbereiteten Moment zu erwischen. Man sieht dann mehr von ihrer Persönlichkeit.“

Kitzsteinhorn, Österreich, 2018

US-Snowboarderin Hailey Langland kurz nach einem Shooting auf dem Parkplatz, noch ganz in Konzentration gefangen

„Ein Bild, das meinen Zugang zu Fotografie erklärt. Klar ist die Gegend schön – aber alles, was am Ende zählt, ist die Action.“

Lofoten, Norwegen, 2018

Elias Elhardt bei einem Sprung nah am Wasser vor der malerischen Kulisse der Kapelle von Sildpollnes

DER FOTOGRAF CARLOS BLANCHARD

Das Talent zum Fotograferen liegt bei Carlos Blanchard in der Familie: Schon sein Großvater und Vater waren passionierte Lichtbildner. Bereits als Jugendlicher begeisterte er sich dank der vom Großvater überlassenen Nikon-Kamera

für diese Ausdrucksform. Trotzdem fand Carlos, geboren im spanischen Saragossa, mit Anfang zwanzig erst relativ spät zu seiner Berufung. In der Folge erhielt er eine gediegene Ausbildung und etablierte sich als Snowboard-Fotograf. Als er vor zehn Jahren nach Innsbruck übersiedelte, hob seine Karriere richtig ab. Der heute 38-Jährige ist immer bestrebt, seinen eigenen, unverwechselbaren Stil zu etablieren und ein gutes Auge für oft übersehene Details zu entwickeln, die ein Foto erst jene Geschichten erzählen lassen, die uns inspirieren. „Ich glaube an die Kommunikation zwischen der Realität und der Vorstellungskraft“, sagt Carlos. „Ich möchte den Betrachter weder verstören noch beeinfussen, ich will nur meine Freude an der Suche nach und dem Einfangen von speziellen Momenten teilen.“

Snowboard-Fotokünstler Blanchard im Nationalpark Torres del Paine, Chile

Benedict Cumberbatch

kastriert in seinem neuen Film ein Rind. Weil er muss. Privat? Ist er super soft. Und demnächst Buddhist.

Interview RÜDIGER STURM

Ein Hubschrauber donnert vorbei, im Hintergrund klimpert ein Pianist, aber Benedict Cumberbatch bleibt beim Interview auf der Terrasse des venezianischen Hotels Excelsior cool und spricht konzentriert und mit unerschütterlicher Ruhe. Das mag daran liegen, dass der 45-Jährige in seinen Rollen schon wesentlich intensivere Herausforderungen gemeistert hat. Auch in dem Cowboy-Drama „The Power of the Dog“ (auf Netfix) lässt er sich auf physische Strapazen und aufreibende Psychoduelle ein. Vielleicht hat es aber auch damit zu tun, dass er für seine mentale Ruhe eine ganze Menge unternimmt.

the red bulletin: Herr Cumberbatch, Ihre Rolle in „The Power of the Dog“ scheint nicht gerade gemütlich gewesen zu sein.

benediCt CuMberbAtCh: Ich verstehe das als Kompliment. Ich will Jobs, die mir das Ungewohnte bieten. Nur so kann ich dabei Spaß haben. Das dürfte auch für das Publikum interessanter sein, als wenn ich immer das Gleiche mache.

Sie müssen in dem Film den Job eines Cowboys erledigen: reiten, Rinder zusammentreiben und kastrieren. Haben Sie dabei etwas gelernt, was Sie im Alltag brauchen können?

Ja, ich kann jetzt mit Kühen umgehen. Kürzlich waren wir im Urlaub und spazierten auf einem Pfad zum Strand, als uns Leute mit angsterfüllten Gesichtern entgegenrannten. Der Pfad war von einer Gruppe Kühe blockiert. Dank meiner neuen Kenntnisse konnte ich sie wegtreiben – natürlich sanfter als im Film.

Also ist der knallharte Macho bei Ihnen nur gespielt?

Wir leben in anderen Zeiten als früher. Heute willst du mit anderen Menschen mitfühlen, ihren Blickwinkel verstehen. Es ist doch so viel schöner, wenn du die Gemeinsamkeit mit anderen Menschen spüren kannst. Dazu gehört auch, dass du diese toxische Männlichkeit bekämpfst. Wann immer dir Chauvinismus begegnet, solltest du ihn beim Namen nennen und dagegen auftreten.

Sie wirken sehr fortschrittlich. Wie haben Sie Ihr Weltbild entwickelt?

Mir hilft Meditation sehr. Das ist ein Instrument, mit dem du die Stille in dir spüren kannst. Sie befreit dich vorübergehend von deinen Gedanken und gibt dir die Möglichkeit, dich komplett zu entspannen. Das ist ideal, um Stress abzustreifen.

Wie oft meditieren Sie?

Ich versuche, es einmal täglich zu tun, normalerweise am Morgen. Aber es hilft mir auch, mich zu beruhigen, bevor ich schlafen gehe.

Abgesehen vom Meditieren interessieren Sie sich angeblich auch für den Buddhismus. Für die Buddhisten ist das Leben Leiden. Stimmen Sie dem zu?

Ja, unbedingt.

Ist das nicht eine ziemlich pessimistische Weltsicht?

Das hängt davon ab, was man unter Leiden versteht. Viele denken, das ist der Schmerz, wenn man einen Unfall hat oder Gewalt erfährt. Aber eigentlich ist dieses Leiden nur Anspannung. Und die entsteht oft, weil wir mit den Veränderungen des Lebens nicht klarkommen. Das Leben ist ständig im Fluss, was wir mit all unseren Sinnen wahrnehmen. Wenn wir das akzeptieren, können wir uns von unseren Schmerzen befreien. Wir müssen begreifen, dass alles im Leben vergeht. Was aufsteigt, fällt, und was fällt, steigt wieder auf.

Liegt in dieser Erkenntnis auch der Schlüssel zum Glück?

Der Schlüssel zum Glück ist, dass du gar nicht erst danach suchst. Und auch nicht die Frage stellst, wo es liegt. Wenn du ihm hinterherjagst, kannst du es nicht fnden. Erlebe einfach nur das Sein. In jedem beliebigen Moment. Das ist die Wahrheit. Oder man könnte sagen, der Topf Gold befndet sich am Ende des Regenbogens.

Haben Sie eigentlich auch schon Unglück erlebt?

Ich war dieses Jahr beim Finale der Fußball-EM im Wembley-Stadion (England verlor 3:4 im Elfmeterschießen gegen Italien; Anm). Muss ich noch mehr sagen?

„The Power of the Dog“: ab 1. Dezember bei Netflix

„EM-Finale. WembleyStadion. Muss ich noch mehr sagen?!“

Benedict Cumberbatch, 45, über tiefes Unglück, das er mit östlichen Weisheiten lindert

Henriette Confurius

sagt: „Nur in der Natur entdeckst du dein volles Potenzial.“ Deshalb badet der Berliner Netfix-Star in Eiswasser, melkt Kühe und wandert allein durch Georgien.

Interview RÜDIGER STURM

Nein, auf dieses Wortspiel wollen wir nicht verzichten: 2021 war für die Berliner Schauspielerin Henriette Confurius ein furioses Jahr. Sie war – und ist – in der Netfix-Serie „Tribes of Europa“ ebenso zu sehen wie in zwei mehrfach ausgezeichneten Kinoflmen: Sowohl im Drama „Das Mädchen und die Spinne“ als auch in der Bestseller-Verflmung „Generation Beziehungsunfähig“ spielt sie eine Hauptrolle. Die Kraft, die sie für ihr Spiel braucht, holt sie sich in der Natur. Im Gespräch erklärt sie, wie ihr diese Erfahrungen geholfen haben, ihr Potenzial auszuschöpfen.

the red bulletin: Ein Blick zurück – deine beiden Filme sind dieses Jahr beinahe gleichzeitig gestartet. Gibt es einen gemeinsamen Nenner?

henriette Confurius: Vielleicht die Angst, Gefühle zuzulassen und sie dann ehrlich auszudrücken. Und auch die Angst vor dem Schmerz des Verlassenwerdens.

Was ist deine Erfahrung? Kann man solche Ängste überwinden?

Ängste sind ja prinzipiell nichts Schlechtes. Angst kann auch ein Antrieb sein. Ein Problem wird sie nur, wenn sie einen davon abhält, das Leben zu führen, das man führen will.

Wie hast du herausgefunden, welches Leben du führen willst?

Eine wichtige Erfahrung war, dass ich mit siebzehn ein Jahr auf einer Farm in Irland gelebt habe. Ich hatte mit zehn mit dem Schauspielen angefangen und wollte nicht mehr weitermachen. Die Schule hatte ich auch abgebrochen – so habe ich mir eine Pause von meinem Leben genommen.

Was hat das mit dir gemacht?

Ich habe mich besser kennengelernt – und gemerkt, was mir guttut: frühes Aufstehen, eine feste Struktur und körperliche Arbeit – wie Kühemelken. Viele Menschen wissen gar nicht mehr, wie es sich anfühlt, physisch zu arbeiten.

Aber du melkst ja auch nicht mehr jeden Tag Kühe.

Nein, aber ich stehe noch immer früh auf, um den Sonnenaufgang zu erleben. Im Alltag hinterfragt man vieles, und das löst ein Grundrauschen an Sorgen und Stress aus. Das verschwindet in solchen Momenten. Wenn ich früh genug draußen war und frische Luft hatte, dann befnde ich mich in einem Rhythmus, der zu mir passt. Eine ganz ähnliche Wirkung hat es, wenn ich durch den Wald gehe oder am Meer sitze.

Was war bis jetzt deine intensivste Naturerfahrung?

Ich bin vor etwa sechs Jahren einen Monat lang durch Georgien gewandert – und zwar ohne wirklich gut Karten lesen zu können. Einmal war ich zwei Tage durchgehend in der Natur unterwegs, ohne einen Menschen zu treffen. Aber ich habe nicht daran gedacht, dass mir etwas passieren könnte. Ich bin einfach davon ausgegangen, dass ich schon jemandem begegnen werde.

Woher hast du diese Sicherheit genommen?

Ich muss zugeben, dass da ein bisschen Naivität dabei war. Aber ich bin jemand, der sich in vermeintlich gefährlichen Situationen sicher fühlen kann. Ich glaube, speziell aus meinen Naturerfahrungen habe ich gelernt, mit meinen Ängsten umzugehen. Vieles ist Kopfsache.

Wie hast du das gelernt?

Mit Eisbaden zum Beispiel. Normalerweise löst die Vorstellung von eiskaltem Wasser Angst aus, zum Beispiel vor dem Krankwerden. Wir denken, wir sind da in Gefahr. Aber du darfst deine Empfndungen nicht bewerten. Das ist wie in einer Meditation – du beobachtest nur. Und sagst dir: Das ist Kälte, und sie macht das und das mit meinem Körper. Mein Herzschlag wird erst sehr, sehr schnell und dann plötzlich sehr langsam. Die Farben, die ich sehe, verändern sich. Das, was ich höre, verändert sich, und auch mein Zeitgefühl. Ein ähnliches Beispiel habe ich beim Dreh zu „Das Mädchen und die Spinne“ erlebt, als ich eine Spinne über meine Hand laufen lassen musste. Zuerst hat sich der Körper aus spontanem Ekel heraus verkrampft, aber dann habe ich ihr einfach nur zugeschaut und alles geschehen lassen, schon war ich ruhig.

Henriette Confurius ansehen: Die erste Staffel von „Tribes of Europa“ läuft auf Netflix.

„Ich konnte nicht mal Karten lesen. Ich ging einfach los.“

Schauspielerin Henriette Confurius, 30, marschierte einen Monat lang durch Georgien.

Aksel Lund Svindal

wäre die ultimative Challenge am Heiratsmarkt: Der Norweger ist nicht nur Ski-Ass, Olympionike und Charismatiker – jetzt rettet der Kerl auch noch die Welt!

Interview HANNES KROPIK Foto RAINER HOSCH

Aksel Lund Svindal, 38, beendete seine Rennfahrer-Karriere 2019 würdig – mit WM-Silber in der Abfahrt. Doch der zweifache Olympiasieger, fünffache Weltmeister und zweifache Gesamtweltcupsieger hat nach seiner aktiven Zeit fast noch mehr Stress als zuvor. Nach der 2020 veröffentlichten Autobiografe „Größer als ich“ kommt nun auch sein Film „Aksel“ in die Kinos. „Ursprünglich wollte ich in der Ski-Pension ein ruhiges, beschauliches Leben führen“, sagt er. „Ich hatte sogar Angst, dass zu wenig los sein könnte. Ich gebe zu: Da habe ich mich getäuscht.“

THE RED BULLETIN: In deiner Autobiografe erklärst du, dass du als Abfahrer in Gedanken immer vierzig Meter vor deinem Körper warst, um rechtzeitig auf Gefahren reagieren zu können.

AKSEL LUND SVINDAL: So ist es. Dieses vorausschauende Denken wurde durch meine Skikarriere geschärft. Wenn ich heute beim Radfahren mit Freunden in eine unerwartete Situation komme und schnell eine Alternative fnden muss, schaltet mein Hirn in den Analysemodus. Wenn ich mich dann umdrehe, sehe ich, dass ich ihnen mehrere hundert Meter abgenommen habe. Ich kalkuliere Risiken schneller als andere und treffe rascher Entscheidungen.

Als Rennfahrer wusstest du, dass Niederlagen unvermeidlich sind. Sind dir die fnanziellen Risiken in deinem neuen Leben als Investor genauso bewusst?

Mir ist klar, dass ich nach falschen Entscheidungen Lehrgeld bezahlen werde. Diese Verluste sehe ich jedoch als Investition in meine Ausbildung. Zum Glück habe ich als Skifahrer so viel Geld verdient, dass ich mir Risiken leisten kann.

Du bist schon 2014 bei Douchebag, der hippen SporttaschenFirma deines Ski-Kumpels Jon Olsson eingestiegen, besitzt ein Hotel und investierst in zahlreiche Start-ups – nach welchen Kriterien gehst du da vor?

Am wichtigsten ist, dass ich selbst verstehe, worum es geht. Und wenn ich es nicht verstehe, frage ich Menschen, die sich auskennen. Mein Bekanntheitsgrad hilft mir dabei: Wenn ich jemanden kennenlernen möchte, zum Beispiel Norwegens führende Experten auf dem Gebiet der künstlichen Intelligenz, dann ist die Wahrscheinlichkeit sehr groß, dass wir uns auf eine Tasse Kaffee treffen.

Was fasziniert dich an der Hightech-Welt und ihren Vorreitern?

Ich habe mich schon während meiner Skikarriere damit beschäftigt; 2014 habe ich eine Verletzungspause genützt, um im Silicon Valley Leute von Google und Facebook zu treffen. Wir haben auf der Erde so viele Probleme, die wir mithilfe technologischer Entwicklungen lösen müssen. Wir wissen, dass wir morgen nicht mehr so leben können, wie wir es gestern getan haben. Unsere Zukunft hängt davon ab, welche Lösungen uns jetzt einfallen.

Du bist Partner in der InvestmentGruppe Norselab. An welchen Lösungen arbeitest du konkret?

Wir halten verschiedenste Beteiligungen an Start-ups. Etwa bei DoMore Diagnostics – die haben einen Algorithmus entwickelt, mit dem eine Maschine Krebs genauer diagnostizieren kann als die besten Ärzte. Und mit meiner eigenen Firma Airthings beschäftige ich mich intensiv mit Luftqualität in geschlossenen Räumen. Rund um Corona ist das leider sehr aktuell geworden.

Wie man auch in deiner Doku „Aksel“ sieht, hast du im Lauf deiner Karriere viele schwere Verletzungen erlitten – beeinträchtigen sie dein Leben heute noch?

In meiner letzten Saison waren die Schmerzen im rechten Knie so stark, dass ich Stiegen seitwärts hinuntersteigen musste. Heute geht es mir wesentlich besser, ich habe zehn Kilo Muskelmasse abgenommen. Leider kann ich nicht mehr so gut laufen und muss mich beim Fußball- oder Tennisspielen sehr zurückhalten.

Skifahren geht noch?

Ich gehe wahnsinnig gerne Ski fahren. Leider ist das aber das Allerschlechteste für mein Knie. Ich fahre jetzt also nur noch am Vormittag und setze mich dann an den Computer. Arbeit habe ich ja genug.

Mehr über Aksels Arbeit: norselab.com, airthings.com Die Doku „Aksel“ ist ab 12. November in den Kinos.

„Ruhige Kugel in der Ski-Rente? Mann, da habe ich mich getäuscht.“

Aksel Lund Svindal, 38, über seine Arbeit mit Start-ups, die unsere Zukunft sichern

TEAM-MEETING

E-Sports-Trainer Fabian Lohmann, 25, mit den Pappfiguren seiner Profi-Gamer in Berlin. Sein Team brilliert im Echtzeit-Strategie-Spiel „League of Legends“.

Was wird hier gespielt, Herr Lohmann?

Wie tickt die Welt des E-Sports? FABIAN LOHMANN hat es uns verraten. Europas erfolgreichster „League of Legends“-Trainer über MillionenPreisgelder, Shitstorms aus China und Stars, die mit 25 in Pension gehen.

ERFOLGSCOACH

Lohmann im Pokalraum des Hauptquartiers seines E-Sports-Teams G2 in Berlin

E-Sports boomt, weltweit und auch in Österreich. Die Spieler messen sich in Sportsimulationen, aber auch in Egoshootern wie „Call of Duty“ oder „CounterStrike“. Das bei weitem beliebteste Wettbewerbsspiel ist allerdings das Echtzeit-Strategiespiel „League of Legends“ („LoL“). Nur um die Dimensionen einmal zu verdeutlichen: Ein Startplatz in der höchsten europäischen „LoL“-Liga wurde kürzlich um 25 Millionen Euro verkauft.

E-Sports ist nicht nur für Spieler attraktiv, es zieht auch immer mehr Zuschauer an: Inzwischen füllen die Turniere auch die größten Stadien. Die große Masse der Fans schaut aber auf dem Online-Streaming-Dienst Twitch oder via YouTube zu.

Während viele Top-Teams und Superstars in Asien daheim sind, ist bei den E-Sports-Trainern ein Deutscher in der Weltspitze vertreten: Fabian Lohmann, 25, Kampfname „GrabbZ“, aus Wolfsburg, kam mit seiner Mannschaft G2, formiert aus europäischen Top-Spielern, 2019 bis ins WM-Finale von „League of Legends“. Wir haben uns von ihm die Welt von E-Sports erklären lassen.

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Warum ist ausgerechnet das Echtzeit-Strategiespiel „League of Legends“ bei E-Sports-Turnieren das beliebteste Game der Welt?

Im Mai feierte „League of Legends“ („LoL“) einen Zuschauerrekord bei Twitch: Die User streamten das Spiel mehr als 174 Millionen Stunden. Dabei ist die Spielidee von „LoL“ gar nicht so originell: Zwei Teams mit je fünf Spielern treten gegeneinander an. Jetzt, zwölf Jahre nach der Markteinführung, ist die Beliebtheit des Online-Multiplayer-Games immer noch ungebrochen. Im Gegenteil: Sie wächst sogar noch.

Warum? „LoL“ ist einfach zu spielen, aber schwer zu meistern. Es gibt 150 Helden zur Auswahl: Jeder von ihnen hat unterschiedliche Fähigkeiten, Stärken und Schwächen – nicht einmal ein Proftrainer wie Fabian „GrabbZ“ Lohmann kann sich die Eigenschaften aller Figuren merken, wie er gerne zugibt.

Die ultimative Herausforderung besteht jedoch darin, dass die Entwickler von Riot Games, Erfnder von „LoL“ und in L.A. beheimatet, alle zwei Wochen ein Update („Patch“) herausbringen, das das Spiel jedesmal stark verändert. So, als würde der Fußballweltverband beschließen, dass Kopfballtore plötzlich doppelt zählen. „Wir hatten bis Mitte 2020 einen sehr aggressiven Spielstil, ich wusste damals genau, welche Helden wir wählen mussten. Dann kam ein Patch, mit dem die Entwickler entschieden, dass dieser sehr offensive Stil deutlich schwieriger zu spielen ist – und wir mussten uns total umstellen“, erinnert sich Lohmann.

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Was müssen HobbyGamer mitbringen, um unter 100 Millionen aktiven Spielern zur Weltelite aufzusteigen?

Wer wirklich sein Geld mit E-Sports verdienen möchte, muss schnell sein, vor dem Bildschirm wie im Leben: Mit 17 Jahren darf man Prof werden, mit Mitte 20 enden die meisten Karrieren schon wieder. Der Weg zur Spitze sieht bei „LoL“ zum Beispiel so aus: Erst einmal gilt es, sich auf Level 30 hochzuspielen, um überhaupt Ranglistenspiele machen zu können. Und dann reiht man sich in eine sehr lange Schlange ein: „Wir haben fünf Millionen Ranglistenspieler in Europa, davon werden vielleicht 50 Prof“, sagt Fabian Lohmann. Trotzdem sind Hunderttausende bereit, jeden Tag bis zu zwölf Stunden zu spielen, um richtig, richtig gut zu werden.

Bis die Profmannschaften auf einen Spieler aufmerksam werden, muss der in der Rangliste in den niedrigen dreistelligen Bereich hinaufklettern. Lohmann: „Unsere Mannschaft G2 trainiert 12, 13, 14 Stunden – jeden Tag.“ Und die „LoL“-Saison ist lang, elf Monate am Stück.

Unter den Millionen RanglistenSpielern sind nur – geschätzt – tausend Frauen, so Lohmann. „Aber es kommen immer mehr Frauen dazu. Die Türen stehen ihnen offen, sofern sie bereit sind, den exzessiven ‚LoL‘Lebensstil zu führen.“

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Kochen, Fitness, Stress: Wie wird man eigentlich E-Sports-Trainer?

„Bei Videospielen habe ich zwei linke Hände“, sagt Fabian Lohmann. Im Jahr 2010, im Alter von 14 Jahren, spielte er erstmals „LoL“, „ich war spät dran als E-Sportler“. Gleichzeitig aber hatte er einen guten Zeitpunkt erwischt, um in die noch junge Szene hineinzurutschen: Ein paar Jahre später arbeitete Lohmann neben dem BWL-Studium als Analyst für ‚LoL‘-Teams. Die dynamische, junge E-Sports-Szene begeisterte ihn mehr als das theoretischere Studium. Im Februar 2016, mit knapp zwanzig, wurde er erstmals Cheftrainer.

Fabian Lohmanns große Stärken sind Motivation und Stressmanagement. „Früher habe ich jede Niederlage öffentlich auf meine Kappe genommen, um das Team zusammenzuhalten“, erzählt Lohmann. 50 Prozent seines Jobs seien Psychologie, 20 Prozent Organisatorisches und 30 Prozent taktisches Arbeiten am Spiel. Außerdem muss er am Ende seiner randvollen Arbeitstage noch schauen, was die koreanische oder chinesische Liga so treiben. GrabbZ leitet auch ein Team von mehreren Analysten, einem Fitnesstrainer und einem sehr gesundheitsbewussten Koch – man muss ja nicht jedes E-SportlerKlischee erfüllen.

Lohmanns Spieler wissen oft nicht, was sie gestern gegessen haben – können aber drei Jahre alte Partien analysieren. 4

Wie formt man aus chaotischen Charakterköpfen ein eingeschworenes E-Sports-Team?

Im Wettbewerb agieren seine Spieler messerscharf analytisch, brillieren mit hohem mathematischem Verständnis, berechnen blitzschnell Schadenspunkte und richten ihre Taktik danach aus. „Aber wo sie ihr Handy wieder haben liegen lassen, ist dann als Information nicht mehr gespeichert“, erzählt Fabian Lohmann lachend. Seine Spieler wissen oft nicht, was sie gestern gegessen haben, aber sie können dir sagen, wie vor drei Jahren eine unwichtige „LoL“-Partie abgelaufen ist.

Als Fabian Lohmann vor fünf Jahren als Coach anfng, hatte der ehemalige Landesliga-Fußballer ein ganz klares Bild davon, wie ein Trainer sein sollte – „aber das hat sich dann gleich erledigt, weil E-Sportler andere Bedürfnisse und Vorstellungen haben als Fußballer“. Er merkte außerdem, dass seine sehr deutsche Vorstellung von Disziplin weder modern noch umsetzbar ist in E-Sports – mit Spielern aus Slowenien, Polen, Dänemark oder Schweden.

Der erste Schritt war, zu verstehen, warum seine Spieler manche Dinge so und nicht anders haben wollten, und um diese Erkenntnisse herum funktionierende Strukturen zu schaffen. „Für die einen Spieler ist ein strukturierter Tagesablauf sehr wichtig, für andere ist so was eher schlecht. Da muss ich als Trainer herausfnden, wie ich diese Wünsche unter einen Hut bringen kann.“ Lohmanns Leitfaden geht so: Vertrauen schaffen, offen über alles reden können, konstant sein in Entscheidungen und berechenbar bleiben.

Zocken nach Zahlen

Herzrasen wie im Formel-1-Cockpit, Marktwerte wie Top-Fußballer, eine Gaming-Community fast so groß wie Japan: Hier sind die Fakten zum E-Sports-Boom.

Platz 1 China 1434 Mio.

IMMER MEHR ZUSCHAUER

5,41 Millionen Menschen verfolgten 2021 vor ihren Bildschirmen die erste Finalrunde der „Free Fire World Series“, ein Turnier in einem mobilen Game aus der AdventureAbteilung. Kein ESportsEvent hatte bis dahin mehr Zuschauer. Zwei Jahre vorher war es gerade einmal die Hälfte gewesen (2.016.157).

LAND DER SPIELER

115 Millionen Menschen spielen „League of Legends“. Würden sie alle in einem Land wohnen, bildeten sie die zwölftgrößte Nation der Welt.

Platz 3 USA 331 Mio. Platz 9 Russland 146 Mio. Platz 11 Japan 126 Mio.

Platz 12 „League of Legends“Spieler 115 Mio.

Platz 17 Deutschland 84 Mio. Platz 96 Österreich 9 Mio. Platz 99 Schweiz 8,7 Mio.

410.000.000

MONUMENTALE MARKTWERTE

410 Millionen Euro beträgt der Marktwert des E-Sports-Teams „TSM“ – etwa so viel wie jener des europäischen Fußball-Topklubs Ajax Amsterdam.

BLITZARTIGE REAKTIONEN

Erst wirkt der Wert gering: Die Reaktionszeit von E-Sportlern ist nur 21 Millisekunden kürzer als bei Normalsterblichen – so viel Zeit braucht ein Airbag, um sich aufzublasen. Aber im Spiel unterscheidet genau das zwischen Weltklasse und Amateuren.

HERZKLOPFEN

Bis zu 180-mal pro Minute schlägt das Herz eines E-Sportlers im Spiel – so eine Studie der Deutschen Sporthochschule Köln über Strategie-Spieler. Auf so einen Wert kommen Formel-1-Fahrer, wenn sie auf die erste Kurve zurasen.

FLIEGENDE FINGER

Bis zu 600 Fingerbewegungen pro Minute führen E-Sportler während der Kämpfe bei Real-Time-Strategiespielen an der Maus, am Controller oder am Keyboard aus.

PRÄCHTIGE PREISGELDER

13,18 Millionen Euro kassierte das E-Sports-Team „OG“ 2019 für einen Turniersieg im MultiplayerOnline-Game „DOTA 2“. Zum Vergleich: TennisAss Novak Djokovic bekam für seinen WimbledonSieg im selben Jahr 2,73 Millionen Euro.

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Busfahrt im Gucci-Bademantel: Wie ticken Stars in E-Sports?

E-Sports-Superstars sind nicht so reich wie junge Proffußballer, die mit achtzehn oder neunzehn oft bereits Multimillionäre sind. Aber die besten Spieler bei „League of Legends“ bekommen ein Gehalt, das sich viele Menschen wünschen würden. Teilweise sechsstellig im Jahr. Lohmann: „Wenn ich merke, dass ein Spieler unnötigen Luxus kauft, dann rede ich mit ihm. Mein Team ist da sehr vernünftig, gleich mehrere haben sich Häuser oder Wohnungen gekauft, die Eltern achten da drauf“, sagt Lohmann. Aber klar, ein bisschen Protzen kommt schon einmal vor – zwei Spieler haben sich etwa zum Spaß GucciBademäntel für 5000 Euro das Stück gekauft. Es gab dann ein Foto von den beiden, wie sie im Bademantel aus dem Teambus steigen – ein großer Spaß! Lohmanns bekanntester Spieler hat eine halbe Million Follower auf Twitter.

Die Leute in E-Sports defnieren sich sehr über den Erfolg in sozialen Medien und auf Streamingdiensten wie Twitch. Aber nur viele Follower zu haben und wenig Leistung zu zeigen geht in E-Sports nicht: „Die Fans lassen einen sonst schnell fallen“, weiß Lohmann. Nachsatz: „Superstars sind auch die besten Spieler, weil sie für besondere Momente sorgen.“

Und: Sie kennen ihren Wert. „Früher war ich bei schwächeren Teams, da konnte ich sagen: ‚Verbessert euch, oder ihr spielt nicht mehr‘“, sagt GrabbZ. „Jetzt arbeite ich mit fünf Stars, die genau wissen, dass man sie nicht so leicht austauschen kann.“

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Warum sind Chinesen, Südkoreaner und Japaner in E-Sports überlegen?

In China und Korea trainieren die Profs 16 Stunden am Tag, das ist dort die Erwartungshaltung. „Es gibt kulturell große Unterschiede bei E-Sports – in Asien wird sehr autoritär gearbeitet, die haben ja schon als Schüler viel mehr Leistungsdruck“, meint Fabian Lohmann. „Ich kann von meinen Spielern nicht verlangen, den knallharten asiatischen Weg zu gehen.“ Kleiner Einschub: In China hat die Regierung vor kurzem autoritär eingegriffen. Unter 18-Jährige dürfen künftig nicht mehr als drei Stunden pro Woche Computer spielen, was die E-Sports-Szene hart treffen wird.

„Wir Europäer werden von den Asiaten ‚die Künstler‘ genannt, weil wir Konventionen nicht so ernst nehmen und unser eigenes Ding machen“, sagt GrabbZ. In Turnieren sind die Europäer anfangs hinten. Aber weil sie nicht ganz so hart trainieren, haben sie dann noch Reserven, um sich im Turnier zu steigern. Darum war die Verblüffung der Koreaner groß, als sie erstmals gegen Europäer verloren. Lohmann weiß noch, wie Superstar Lee „Faker“ Sang-hyeok bei einem Turnier an ihm vorbeigelaufen ist. „Ich merkte: Der weiß gar nicht, wer wir sind. Seit wir gegen sein Team gewonnen haben, ist sein Lächeln anders – er nimmt uns jetzt ernst.“

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Wie gehen E-Sportler mit Shitstorms um?

Wenn GrabbZ und sein Team ein Spiel verlieren, müssen sie nicht fürchten, am nächsten Tag in der „Bild“-Zeitung in der Luft zerrissen zu werden. Klassische Medien berichten selten über E-Sports. Feedback bekommen die E-Sportler auf Reddit, Twitch und Twitter. Vor allem Lob und Unterstützung. Aber auch das Gegenteil davon: Lohmann hatte einen Spieler, der im Spaß sagte, die Chinesen würden unter sich ihre Strategien absprechen – „und dann haben ihm über Nacht 20.000 Chinesen auf Twitter ein paar nicht so nette Kommentare dagelassen“.

Das muss er seinen jungen Spielern ebenfalls beibringen: souverän durch einen Shitstorm zu segeln. Lohmanns Tipp für alle, die Ärger im Netz haben: relativieren, was wirklich passiert. „Man weiß ja, wie ein paar Leute die Anonymität nutzen, um Dampf rauszulassen.“

Vorsicht bei Scherzen über Gegner: Über Nacht antworten 20.000 chinesische Fans auf Twitter.

Nachhaltig handeln bedeutet, mit Ressourcen so verantwortungsvoll umzugehen, dass wir auch morgen noch gut leben können. Und das müssen wir heute anpacken. Die neue OMV forscht schon jetzt an mechanischen und chemischen Recycling-Lösungen für morgen und investiert in innovative Projekte wie ReOil®. Damit verwandeln wir Plastikmüll zurück in einen hochwertigen Rohstoff und fördern eine ressourcenschonende Kreislaufwirtschaft. Und das ist nur eines unserer Recycling-Projekte. Denn wir wollen dazu beitragen, den Großteil der Kunststoffabfälle in Österreich zurück in wertvolle Rohstoffe zu verwandeln und so CO2 einzusparen. Mehr dazu: omv.com/neue-omv

ALLES IM GRIFF

50 Prozent seines Jobs, sagt E-Sports-Trainer Lohmann, bestehen aus Psychologie.

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Warum gehen die meisten E-Sportler schon mit Mitte 20 in Pension?

Einer Studie zufolge nimmt die Reaktionsfähigkeit bei Männern erst mit 30 Jahren ab, so lange könnte man theoretisch als ESportsProf an der Weltspitze mithalten. Aber der Lebensstil ist fordernd: Viele Spieler sagen mit 25, 26 Jahren, sie wollen nicht mehr 14 Stunden am Tag – jeden Tag! – ein Computerspiel spielen. Schließlich verpasst man als ESportsProf einiges, was Gleichaltrige als Teenager oder mit Anfang zwanzig erleben und ausprobieren. Würden Spieler auch einen Coach akzeptieren, der 40 oder 50 Jahre alt ist? „Ich denke, das einzige Problem wäre, dass die Schere der emotionalen Reife zu groß wird. Dass man als Trainer irgendwann zu alt ist, um die Spieler zu verstehen.“

Fabian Lohmann bereitet sein Team auch auf das Leben nach der eher kurzen Karriere vor und ermuntert sie, Eigeninitiative zu entwickeln: „Nutzt Sponsorentermine, zeigt euch in der Öffentlichkeit.“ Infuencer zeigten ja, dass viele Follower ein Standbein für später sein können. Viele ExSpieler bleiben in ESports, werden Trainer, Kommentatoren, betreiben eigene Streams. Andere Spieler suchen bewusst den Bruch, machen die Schule fertig, studieren oder wollen endlich die Welt sehen.

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Was könnte der Fußball von E-Sports lernen?

Der Weltfußballverband schaut genau auf die ESportsSzene, denn das reale Spiel verliert in der Zielgruppe der 15 bis 21Jährigen beständig Zuschauer an ESports. Einen Machtwechsel in der Zuschauergunst sieht Fabian Lohmann aber nicht: „Es mag einzelne Spiele geben, wo die Zuschauerzahlen in ESports an die eines FußballBundesligaspiels herankommen. Aber es wäre vermessen zu glauben, dass ESports auf Augenhöhe mit Fußball oder American Football ist.“

Viele ältere Menschen, gerade in Deutschland, sind noch nicht so frm in der digitalen Welt, dass sie ESports auf dem Schirm hätten. „Es gibt aber tatsächlich schon ESportsFans, die schon so lange dabei sind, dass sie mit ihren Kindern Partien oder Turniere schauen – das fnde ich ultrasüß“, sagt Fabian Lohmann.

In welcher Hinsicht sich traditionelle Sportarten – vor allem der Proffußball – von ESports eine Scheibe abschneiden könnten, ist die Nähe zum Fan. Auf Twitter können ESportsFans etwa jeden Spieler anschreiben und haben eine reelle Chance, Antwort zu bekommen. Vorbildlich auch die digitalen „Ask me anything“Fragerunden für Fans, bei denen man wirklich etwas von den Profs erfährt – und nicht einstudierte Floskeln.

Den Reiz eines mit echten Fans gefüllten Stadions hat Fabian Lohmann aber auch am eigenen Leib erfahren: „2019 haben wir den koreanischen Meister im WMHalbfnale in einer Stierkampfarena in Spanien besiegt, da war eine Atmosphäre wie beim Fußball, Fangesänge inklusive. Und nach den Presseterminen haben immer noch tausende Fans auf uns gewartet.“

E-Sports-Coach Fabian Lohmann beim Training über die Schulter schauen? Scanne den QR-Code für unsere Video-Doku.

Die Kärntnerin ANNA GASSER, 30, ist die Königin unter den Snowboardern. Dennoch hat sie noch immer nicht genug vom Besserwerden. Schriftstellerin Doris Knecht hat für The Red Bulletin ein literarisches Porträt verfasst: Es ist die Geschichte einer Frau, die niemals aufgibt.

ANNA GASSER Queen of Snow

Ein Wintermärchen

Von Doris Knecht

Die Königin trägt keine Krone; sie trägt eine dicke Wollhaube auf ihrem langen blonden Haar: Haare in der Farbe eines Weizenfeldes in der Hitze des Sommers, sie schauen unter der Krone hervor, manchmal zu schlampigen Zöpfen gefochten. Die Königin sieht aus wie eine Prinzessin: Aber Vorsicht, das täuscht.

Die Königin ist ein Sommerkind, geboren im August. Sie verbrachte ihre Kindheit im Süden des Landes, es sei eine gute, idyllische Kindheit gewesen. Sie erzählt von schönen Momenten und Erinnerungen, ihre Lieblingsflme handelten von anderen kleinen Mädchen auf grünen Bergen und in klirrender Kälte: Heidi und Elsa, die Eisprinzessin. Sie erzählt von intensivem Familienzusammenhalt und davon, dass ihre Eltern ihr Chips verboten; und das Moped, das sie sich mit sechzehn wünschte und auf das sie bis zu ihrem 25. Geburtstag warten musste. Die Königin wuchs auf in einem grünen Tal, in mildem Klima, an einem sommerwarmen See, der sich in ihren Augen zu spiegeln scheint.

Wenn sie nicht gerade durch ihr Königreich aus schneebedeckten Bergen ridet, zieht sie sich dorthin zurück, in ihr Etagenschloss, das viel Sonne hereinlässt und dessen Möblierung mit ihrem Haar harmoniert. Es hat einen großen Balkon, dessen gläserne Balustrade den Blick über Millstatt durchlässt, auf den See und die bewaldeten Hügel

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dahinter, auf das Blau des Himmels. Manchmal kommt die Schwester der Königin auf Besuch, dann stemmen und schwingen sie sich auf dem Balkon in die Luft, gegenseitig, die eine auf der anderen, wie Akrobatinnen im Zirkus, und mit einer solchen Kraft, dass man es mit der Angst zu tun bekommt, es würde eine der Frauen vom Balkon katapultieren. Sie sagen, es sei Yoga; okay. Es gibt Bildchroniken davon, auf dem königlichen Instagram-Account, auf dem überhaupt sehr viel Atemberaubendes zu sehen ist, vieles davon ungeeignet für schwache Nerven.

Denn Anna Gasser, die Königin, regiert ihr Reich nicht mit einem Zepter, sondern mit einem Brett aus dünnem, gebogenem, bunt bemaltem Holz und mit der Kraft ihres schmalen, zähen Körpers, dessen durchtrainierte Muskulösität unter den vielen Schichten der königlichen Gewänder verborgen bleibt, außer sommers, wenn sie in die glatte Oberfäche des Sees taucht, manchmal hoch von einem Baumstamm, der über das Wasser ragt, weil die Königin einfach gerne in der Luft ist.

* Die Königin hat Vertraute, auf die sie sich verlässt: ihre Mutter, die ihr vor jedem Kampf ein goldenes Armketterl mit einem Glücksbringer schenkt, den die Königin immer trägt, ihr Vater, ihre Schwester Eva, ihr Manager Sani Alibabic, ein paar enge Freunde. Es gibt auch einen König mit hellen Augen und rötlichen Locken, die unter seiner Strickkrone hervorringeln. Der König heißt Clemens Millauer, und er ist immer an der Seite seiner Königin, und, das sieht man, er liebt, bewundert und verehrt sie. Und er sorgt dafür, dass die Welt in Berichten und Bildern von ihrem Wirken erfährt: Er verfolgt die Königin mit seiner Videokamera auf Schritt und Tritt. Was nicht einfach ist und nicht jeder kann, denn die Königin ist unglaublich schnell, unvorstellbar wendig, sie kennt viele Tricks, und sie kann fiegen. Wer an ihrer Seite bleiben will, sollte das besser auch können. Der König kann es, und deswegen kann man den Moment, den die Königin als den einen in ihrem Leben beschreibt, an dem sie am liebsten zurückdenkt, immer

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„Die Königin ist unglaublich schnell, sie kennt viele Tricks, und sie kann fiegen.“

Anna Gasser als Queen of Snow – fotografiert für The Red Bulletin von Corinne Rusch in einer Inszenierung von Bühnenbildnerin Katharina Heistinger und Make-up-Artistin Sophie Kaspar.

Wer jetzt umblättert, sieht sie so wie nie zuvor.

wieder anschauen: im Internet und jetzt auch in „The Spark Within“, dem Film über die Königin, der demnächst zu sehen ist. Es ist der Moment, in dem die Königin ihren ersten Triple Underfip schaffte, und den ersten, den je eine Frau geschafft hat, sie beschloss ganz plötzlich, dass es nun so weit sei, und machte es einfach, und zum Glück war der König da mit seiner Kamera. Es ist ein beeindruckender Moment, und es ist auch schön, dabei zuzuhören, wie ekstatisch der König in dem Film diesen einzigartigen Sieg seiner Königin feiert.

Daneben gibt es noch einen Zauberer, der der Königin hilft, runterzukommen, abzuschalten, sich vorübergehend auszuklinken aus dem Stress und der Anspannung, den ihre Regentschaft mit sich bringt. Der Zauberer heißt Harry Potter und spricht zu ihr aus ihren Kopfhörern.

* Die Königin hat ihren Thron, ihr Reich nicht von einem Königvater ererbt oder mit einem Prinzen angeheiratet. Die Königin fng schon als Kind an, sich auf den Thron vorzubereiten: Sie sprang von hohen Brettern in den See, sie turnte in Wettkämpfen, schwang sich schon als kleines Mädchen furchtlos in die Luft. Sie hat sich den Thron erobert, in vielen Kämpfen, von denen sie einige verlor und viele gewann, immer öfter, immer mehr, und in denen sie schließlich auch die siegreichsten, stärksten, zähesten Kriegerinnen und Krieger bezwang und besiegte. Sie nennen sie einen Warrior: Anna the Warrior.

Die blonde, seeäugige, rotwangige Prinzessin, das süße, blonde Mädchen, das aus dem Süden kam, die kleine Turnerin: Sie wurde erst belächelt, nicht ernst genommen, unterschätzt, nicht als Konkurrenz gesehen. Bis sie nicht mehr zu übersehen, nicht mehr zu ignorieren war: wie sie nach jedem noch so brutalen Sturz wieder aufstand und es wieder versuchte, noch einmal, und noch einmal. Bis sie es konnte, bis sie es beherrschte, bis sie die Stärkste war, die Beste war, die Zähste, die Mutigste, die, die das Gold eroberte. Eine, die neue Standards setzte in den Kämpfen, eine Stehaufprinzessin, angetrieben von einer Kraft, die schwer zu besiegen ist: dem unbändigen Willen, stetig besser zu werden, immer, wie sie sagt, das Beste rauszuholen, immer noch ein bisschen mehr. Es ist eine Kraft, die die Kapitulation nicht kennt, das Aufgeben, das Verharren im Mittelmaß, das Ausruhen im good enough. Die Königin ist Perfektionistin, sie gibt sich nicht mit dem Zweitbesten zufrieden. Das brachte ihr erst den Respekt der anderen Kriegerinnen ein, dann den der Männer, jetzt sprechen sie alle von der Königin mit Bewunderung und einer gewissen Ehrfurcht. Es fällt auch oft das Wort „crazy“.

Sie selber will sich nicht verrückt nennen, sagt die Königin, sondern so, wie es viele andere tun: mutig, furchtlos und fokussiert. Fokussiert: Das Wort beschreibt die Königin am besten.

Denn in diesem Sport bekommt man nichts umsonst, und man wird nicht auf Rosen gebettet, auch die Königin schlief im Auto, zwischen den Kämpfen. Sie wurde verwundet, sie hat geblutet, sie hat sich blau gehauen, sie hat sich Knochen gebrochen; wenn auch überraschend viel seltener, als man glauben würde, wenn man ihr in den Videos in „The Spark Within“ beim Stürzen zusieht und beim Fallen.

Wie es sie in dem Film hinprackt, wieder und wieder und wieder, das ist alles andere als königlich. Das ist nicht so ein bisschen umfallen. Das ist: wirklich aus der Luft, aus hoher Höhe, buchstäblich ungespitzt auf die Piste knallen. Man sieht, wie sie voll auf die Schnauze fiegt, man sieht, wie sie aufsteht, wieder springt, wieder auf die Schnauze fiegt, wie sie wieder aufsteht, wie sie es mit blutiger Nase noch einmal macht.

Es gibt ein Video, da sieht man die junge Königin in einen steilen Tiefschneehang stürzen, nach einem Sprung über eine Schanze, die aussieht, als sei sie aus

„Sie wurde belächelt, nicht ernst genommen, unterschätzt – bis sie nicht mehr zu übersehen war.“

„Sie ist rücksichtslos gegen sich selbst, extrem disziplinert, ohne Angst vor der Gefahr.“

Anna Gasser zeigt beim Spring Battle 2021 in Flachauwinkl einen „Cab Double 1080 Frontside Grab“. Den Event hat sie übrigens gewonnen.

Schneeziegeln selbst gebastelt worden. Man hört sie Scheiße! rufen, nein: SCHEISSEEEE, auf ihre weiche kärntnerische Art, und auch nicht zornig oder frustriert, es ist eher so ein sonniger Oje-Tonfall. Dann steigt sie durch den Tiefschnee wieder auf. Sie sei „relativ schmerzresistent“, sagt Anna Gasser. Man glaubt es, anders wäre es schwer zu erklären, wie sie es schafft, sich wieder und wieder sich von einer Schanze zu schwingen und etwas zu probieren, das im besten Fall irgendwann eine Weltsensation wird, aber jetzt gleich wahrscheinlich mit einem harten Aufprall im Schnee enden wird, mit verdrehten Extremitäten, geprellten Knochen, Hämatomen. * Die Königin hat offenbar extrem stabile Knochen, nur zwei Mal hat sie sich etwas gebrochen: Ihr Handgelenk und ihren Talus, den kurzen Knochen zwischen Fuß und Bein, das war, wie Gasser sagt, ihre langwierigste Verletzung. Die Verletzung, die sie beinahe gestoppt hätte, sie um ein Haar in den Rollstuhl gezwungen hätte, war ein bei einem Sturz verschobener Halswirbel, der ihr, wie sie erzählt, Lähmungserscheinungen bescherte, und fast hätte sie kapitulieren müssen, ihre Karriere beenden. Aber die Königin heilte, und sie machte weiter. Sie stand wieder auf, sie kämpfte weiter. Sie ist rücksichtslos gegen sich

Der Sprung, mit dem Anna in neue Dimensionen vorstieß: Knapp zwei Jahre nachdem sie erstmals den „Cab Triple Underflip“ geschafft hatte, wiederholte sie den spektakulären Sprung am Ort seiner Premiere –beim Trainigscamp „Prime Park Session“ am Stubaier Gletscher.

Ein „Backside 180 Melon Grab“ bei Sonnenaufgang. Der Jump, also die Schanze, wurde in Zusammenarbeit von ÖSV und Kaunertaler Gletscherbahnen auf dem Kaunertaler Gletscher errichtet, um während des Lockdowns im Mai 2020 Trainingsmöglichkeiten zu schaffen.

„Ich werde in zehn Jahren immer noch das machen, was mich glücklich macht, und am Snowboard stehen.“

Anna auf die Frage, was sie in zehn Jahren in der ersten Stunde nach dem Aufstehen machen wird.

selbst, extrem diszipliniert, ohne Angst vor der Gefahr, ohne Mitleid für sich. Wenn sie trotzdem wütet, manchmal weint, zürnt, bei Stürzen, bei neuen Verwundungen, dann aus Sorge darüber, dass dieser Sturz, diese Verletzung sie am weiteren Training hindern könnte, daran, das zu tun, was sie in ihrem Leben am liebsten tut und immer weiter tun will: snowboarden. Durch die Luft fiegen, denn ja, wie fiegen fühle es sich mitunter tatsächlich an, „unbeschreiblich, schon fast wie ein Rausch“.

* So geht das Märchen von der Königin, der Queen of Snow. Das Besondere an diesem Märchen: Es ist keins. Man muss nichts erfnden, nichts dazudichten. Es ist höchstens so, dass man Anna Gasser nicht einmal im Märchen zu fassen bekommt: eine junge Frau, die sich bis zu zehn Meter hoch in die Luft schrauben und 35 Meter weit springen kann, die Goldmedaillen sammelt und Firsts – Sprünge, die keine Frau vor ihr wagte und schaffte. Und von denen sie noch mehr schaffen will, man werde sehen, denn natürlich gäbe es noch „den einen oder anderen Trick, den ich gerne meistern würde“. Dabei die erste Frau zu sein sei immer was Besonderes.

Es ist auch ein Märchen über das Scheitern, wieder und wieder. Und das TrotzdemnichtAufgeben. Und das Nochmalscheitern, mitunter vor hunderten, tausenden Zusehern. Und wieder aufstehen und es noch mal versuchen, mit der Möglichkeit, erneut zu scheitern. * Die Königin weiß, was sie will. Sie trainiert, muss sich um ihre Sachen kümmern, sie will sich auch, sagte sie, wenn man mit ihr spricht, nicht mehr so verzetteln. Sie hat zu viel gemacht im letzten Jahr, zu viele unterschiedliche Dinge, sie will das jetzt nicht mehr. Ihre Haare fallen ihr ins Gesicht, während sie spricht, sie lächelt, sie ist freundlich und unkompliziert. Aber sie war in der Schweiz, in SaasFee, ganz auf ihr Training fokussiert. Sie trainiert hart, fast täglich, vielleicht noch härter als früher. Sie will weiterhin einfach das Beste rausholen.

Die Königin ist vor ein paar Wochen dreißig geworden, aber sie ist nicht fertig damit, noch besser zu werden. Sie hat in ihrem Sport so gut wie alles erreicht, und sie ist noch lange nicht am Ende. „Das große Ziel ist schon noch einmal Olympia“, sagt sie: Im Februar fnden in Peking die Olympischen Winterspiele statt, sie sagt, sie hoffe natürlich wieder auf eine Medaille, auch wenn sie da nicht wie bei den letzten Winterspielen als TopFavoritin hinfahre, mit diesem riesigen Vorsprung auf alle anderen, mit all den auf sie gerichteten Augen und Erwartungen. Damals, 2018 in Korea, fuhr sie mit olympischem Gold heim, es ist der andere beste Moment in ihrem Leben. Jetzt sei das FavoritinnenFeld größer geworden, das nehme Druck raus, sagt die Königin. Glaubt man ihr nicht ganz. Es ist klar, wo sie hinwill, an die Spitze wie immer, sie will das Gold erobern, und dafür wird sie alles geben und alles riskieren.

Deswegen überrascht auch nicht die Antwort auf die Frage, wo sie sich in zehn Jahren sieht, in der ersten Stunde nach dem Aufstehen. Nicht auf der Fahrt in ein Büro, nicht auf dem Weg in Kindergarten oder Schule, mit links und rechts einem Kind an der Hand, „ich werde“, sagt die Königin, „immer noch das tun, was mich glücklich macht, und am Snowboard stehen. Die erste Stunde nach dem Aufstehen wird wahrscheinlich nicht viel anders aussehen als heute.“

Die Königin wird ihr Reich aus Bergen und Schnee so schnell nicht aufgeben. Sie wird sich in die Luft schrauben, einmal, zweimal, vielleicht dreimal, mit ihrem Brett unter den Füßen, sie wird fiegen, sie wird weiterfiegen.

Mehr aus Annas wunderbarer Welt: anna-gasser.com, @annagassersnow

GoldAnna bei den Olympischen Spielen in Pyeongchang, Südkorea

Anna Gasser Best of Karriere

Am 13. November 2018 steht Anna Gasser am Stubaier Gletscher einen Sprung, den zuvor noch nie eine Frau geschafft hat: einen „Cab Triple Underflip“ – etwas vereinfacht erklärt: einen dreifachen Rückwärtssalto, inklusive einer Drehung um 180 Grad. Es ist einer von vielen Höhepunkten in einer beeindruckenden Karriere. Anna Gasser ist Olympiasiegerin, Weltmeisterin und Goldmedaillengewinnerin bei den X Games. Aktuell bereitet sich die Kärntnerin intensiv auf die Olympischen Spiele in Peking vor.

Heimatbewusste Weltenbürgerin: Anna mit österreichischer Fahne Anna bei einem „Nose Press“ am Stubaier Gletscher

„ANNA GASSER – THE SPARK WITHIN“ Revolution von oben

Ein Film über Anna und wie sie die Welt des Snowboardens verändert hat

Wir verraten hier nicht, welche Gänsehautmomente „The Spark Within“ („Der Funke in dir“) birgt, wie nahe wir Anna Gasser, 30, in diesem eindringlichen Porträt kommen und welche überraschenden Details enthüllt werden. Was wir hier aber vorab verraten, vor allem für alle, die mit der Welt des Snowboardens nicht völlig vertraut sind, ist die Rolle, die Anna Gasser in dieser speziellen Welt spielt.

Anna hat diese Welt, in der das Höher, Weiter und Spektakulärer von entscheidender Bedeutung ist, revolutioniert. Und zwar ohne große Worte – einfach, indem sie, unbekümmert von jedem Drumherum, getan hat, was sie tun musste, weil Snowboarden ihr Leben ist: „Nichts anderes gibt mir dieses besondere Gefühl.“

Eine ihrer Konkurrentinnen, die Kanadierin Spencer O’Brien, 33, bringt es in „The Spark Within“ auf den Punkt: „Sie hat unseren Sport verändert. Es ging mit einem Mal nicht mehr darum, zu sagen, der Sprung war gut für eine Frau, sondern der Sprung war gut für einen Snowboarder.“ Und der slowenische Snowboarder Marko Grlic, 38, sagt: „Anna schafft dieselben Tricks, die auch die Männer machen.“

Tatsächlich hat Anna Gasser Sprünge geschafft (MiniSpoiler: Ja, sie sind alle im Film zu sehen), die vor ihr keiner Frau gelungen waren. Und sie hat so dafür gesorgt, dass sie und ihre Kolleginnen so wahrgenommen werden, wie sie es verdienen – auf Augenhöhe.

Wenn Anna springt, nimmt sie übrigens nur Anfang und Ende wahr. Was dazwischen – also in der Luft – passiert ist, weiß sie erst, wenn sie das Video gesehen hat. Weil sie in diesen wenigen Augenblicken in ihrer ganz eigenen Welt ist – der Film bringt sie uns näher.

„The Spark Within“ ist ab 16. November zu sehen. redbull.com/ annagasser

FLU ¨ U ¨ U ¨ GEL FU ¨ R JEDEN GESCHMACK.

NEU NEU

Santiagos größter Sieg

Drei Olympia-Medaillen, vier WM-Titel, ein halbes Jahrhundert auf dem Wasser: Der argentinische Segler SANTIAGO LANGE, 60, ist ein Vorbild in Sachen Kampfgeist. Ein Jahr vor seiner letzten Goldmedaille hat er auch den Tod besiegt.

Text ALEXANDER NEUMANN-DELBARRE Fotos GIANFRANCO TRIPODO

VOLLE KRAFT VORAUS

Santiago und seine SegelPartnerin Cecilia Carranza (hinter ihm) beim Training auf ihrem Katamaran im Mittelmeer vor Barcelona.

HINTERANSICHT

Von seinem Boot aus sah unser Fotograf den Katamaran von Santi und Cecilia wie die meisten ihrer Gegner: von hinten.

„Wenn ich in ein Boot steige, geschieht genau das: Alles fällt von mir ab.

Ich lebe ganz in der Gegenwart.“

D

as Beeindruckendste ist nicht die irre Geschwindigkeit, mit der Santiago Lange an der Seite seiner Segelpartnerin Cecilia Carranza über das Meer vor Barcelona rauscht. Gut 20 Knoten, das sind fast 40 km/h, erreichen sie, und was das hier draußen bedeutet, versteht man erst, wenn man im Motorboot hinterherrast. Das Beeindruckendste ist auch nicht der Lärm, der anschwillt, das Flattern, Peitschen und Schlagen, wenn ihr Katamaran, mehr Hengst als Boot, Tempo aufnimmt und über Wellen und Gischt jagt. Das Beeindruckendste ist noch nicht mal, dass Santiago, im Trapez über dem Wasser hängend und tausend Dinge gleichzeitig steuernd, nebenher auch noch den Wind liest. Das Beeindruckendste ist: Santiago sieht bei all dem seelenruhig aus. Als sei er völlig bei sich, als gehe er ganz in dem auf, was er tut. Das ist es wohl, was Psychologen Flow nennen.

Logisch: Nach sieben Olympia-Teilnahmen und drei Medaillen, nach zig Weltmeisterschaften und vier WM-Titeln, nach Extrem-Erfahrungen bei America’s Cup und Ocean Race, nach mehr als fünf Jahrzehnten auf dem Wasser, kann man sich auf einem rasenden Katamaran schon mal im Flow fühlen. Nur: Im Fall von Santiago Lange war es eher andersrum. Erst war da der Flow, dann kamen Erfahrung und Erfolg.

Ein paar Stunden vor dem Training auf dem Meer sitzt Santiago – Jeans, Sneakers, Baseballcap – in einem Lokal am kleinen Yachthafen neben dem Barcelona International Sailing Center. Dass er fast sechzig Jahre alt ist (inzwischen ist er sechzig), darauf deuten höchstens ein paar Fältchen in seinem Gesicht hin. Seine Körperspannung, seine Energie – all das lässt ihn viel jünger wirken.

Zu Hause ging es früher streng zu, auf dem Wasser war Santiago frei Am Nebentisch trinken Fischer ihr mittägliches Feierabendbier, Santiago bestellt Cappuccino, dann beginnt er zu erzählen. Über ein Leben voller Höhen, wie dem Goldtriumph in Rio 2016, und Tiefen, wie seine Krebserkrankung im Jahr davor, und über Erfahrungen, die ihn viel gelehrt haben. Dass man vor allem Freiheit braucht, um zu lernen, zum Beispiel. Dass es ein großes Glück ist, eine Passion zu haben. Und: dass ein Tisch nicht immer vier Beine haben muss.

Seit einigen Jahren schon verbringt Santiago die Sommerhälfte des Jahres in Cabrera, einem Dorf nahe Barcelona. Aufgewachsen ist er aber in San Isidro, einem idyllischen Vorort von Buenos Aires, gelegen an der gigantischen Meeresbucht, die den etwas irreführenden Namen Rio de la Plata trägt. Sie wird früh zu Santiagos Abenteuerspielplatz. Zu Hause geht es streng zu, draußen auf dem Wasser ist er frei. „Am Freitag nach der Schule fuhr ich zum Segelclub und kam Sonntagabend wieder heim“, erzählt er. „Ich liebte es schon immer, draußen auf dem Meer zu sein. Heute ist oft davon die Rede, wie wichtig es sei, im Hier und Jetzt zu leben. Wenn ich in ein Boot steige, geschieht genau das. Alles fällt von mir ab. Ich lebe ganz in der Gegenwart. So war das schon immer.“

Mit seinem Kumpel Martin erkundet er in jeder freien Stunde segelnd den Rio

OH, CAPTAIN!

An Bord überzeugt Santiago mit Weitblick. Hier posiert er für uns im Parc del Fòrum von Barcelona.

Die 80er-Jahre sind eine aufregende Zeit für ihn. Santiago lebt in einem besetzten Haus in Southampton. Im Sommer reist er, obwohl fast pleite, zu Segelwettbewerben durch Europa.

de la Plata. Sie sind noch Kinder, machen Fehler, geraten in Gefahr, aber sie können sich nichts Schöneres vorstellen. Wie Abenteurer fühlen sie sich, und mit jedem Abenteuer lernen sie dazu. „Wir hatten das Privileg, allein gelassen zu werden. Und das ist die beste Art, etwas zu lernen, glaube ich: Fang einfach an, mach deine eigenen Erfahrungen und Fehler. Vom Wissen anderer kannst du später immer noch lernen. Und das gilt nicht nur fürs Segeln.“

Mit Martin hat er einen Freund, der talentierter ist als er selbst. Auch das ein

„Damals verstand ich eines“, sagt Santiago, „wenn ich meine Träume für ein normales Leben aufgebe, werde ich nicht glücklich.“

großes Glück. Martin wird für ihn Weggefährte und Konkurrent zugleich. Von ihm lernt er, besser zu segeln – und härter zu arbeiten. Bei den Jugendmeisterschaften 1976 gewinnt Santiago seinen ersten nationalen Titel in Argentinien – im Optimist, einem Ein-Mann-Segelboot. Bis heute ist das einer seiner schönsten Triumphe: Santiago ist damals 15 Jahre alt und lernt zwei Lektionen: Mit Willen und Köpfchen lässt sich vieles schaffen. Und die Zufriedenheit, ein Ziel zu erreichen, fühlt sich fantastisch an.

Wilde Jahre in England Santiago weiß früh, was seine Passion ist: segeln, an Wettkämpfen teilnehmen, besser werden. Die Frage, die ihn lange beschäftigt, ist jedoch: Wie konsequent folge ich ihr? Zunächst läuft alles auf einen Kompromiss hinaus. Da sein Vater darauf pocht, dass er ein Studium absolviert, zieht er Anfang der 1980er-Jahre nach England und studiert in Southampton Schiffsbau. Es ist eine aufregende Zeit, er lebt in einem besetzten Haus, reist im Sommer, wiewohl fast pleite, zu Segelwettbewerben durch Europa, sperrt sich im Winter zum Lernen ein. Ein Spagat, den er nach dem Studium fortsetzt: Tagsüber arbeitet er in einem Schiffsbauatelier in Buenos Aires, abends trainiert er für die 1985 in Argentinien stattfndende Weltmeisterschaft in der Snipe-Klasse, bei der er seinen ersten WM-Titel holt. Bald kommt zu den Polen Leistungssport und Arbeit noch ein dritter hinzu: die eigene Familie. Santiago heiratet, wird Vater, lebt nun ein Leben in drei Rollen: Er versucht seine berufliche Karriere, das Familienleben mit bald vier Kindern und die Teilnahme an Olympia 1988 in Seoul („Danach wusste ich, dass ich das Potenzial habe, eine Medaille zu gewinnen“) und 1996 in Atlanta (wo er nach Platz neun im Laser enttäuscht ist) unter einen Hut zu bekommen. Es sind zu viele Rollen. Nach der Scheidung verspricht er sich, seiner Berufung zu folgen Seiner Frau und der Familie zuliebe gibt er das Segeln auf, nimmt einen Job im Vertrieb von Tiefkühlprodukten an, sitzt im Büro statt im Boot. Lange hält er das nicht aus. Die Ehe scheitert, die Trennung von den Kindern bricht ihm das Herz. Doch es ist auch ein Neuanfang. In der kommenden Lebensphase, das verspricht er sich, soll nichts seine Berufung als Segler aufhalten. „Damals verstand ich eines“, sagt Santiago am Hafen in Barcelona, „wenn ich meine Träume aufgebe für ein ‚normales‘ Leben, werde ich nicht glücklich sein; und die Menschen um mich herum in der Folge auch nicht. Heute glaube ich, das ist die wichtigste Lehre, die ich meinen Söhnen mitgeben kann: Sei frei, fnde deine Passion und folge ihr. Einer Sache musst du dir dabei aber bewusst sein: Wenn du deiner Leidenschaft folgst, ist dein Leben wie ein Tisch mit nur drei Beinen – es ist nicht perfekt ausbalanciert. Das ist der Preis, den du zahlst. Den musst du akzeptieren.“

Auf dem Höhepunkt seiner Karriere: auf zu neuen Abenteuern! Bei den Olympischen Spielen im Jahr 2000 in Sydney tritt Santiago Lange in der schnelleren Tornado-Klasse an. Mit seinem Partner verpasst er auf dem Katamaran einen Medaillenplatz, aber er ist sicher, nun das richtige Boot für sich gefunden zu haben. Und tatsächlich: 2004 in Athen gewinnt er Bronze, seine erste olympische Medaille. Vier Jahre später, 2008 in Peking, wiederholt er diesen Erfolg sogar. Mit mittlerweile 46 Jahren glaubt er den Höhepunkt seiner olympischen Laufbahn erreicht zu haben – und beschließt, sich von den Spielen zurückzuziehen. Schließlich gibt es in der Welt des Segelns noch eine Reihe weiterer spannender Herausforderungen.

Eine Legende nimmt Fahrt auf

Die größten Erfolge von Santiago Lange im Überblick

1976

Erster Rückenwind: Bei den Jugendmeisterschaften in Argentinien gewinnt er im Ein-Mann-Segelboot.

1983

Theoretisch gut: In England schließt er sein Schiffbau-Studium ab.

1985

Praktisch noch besser: In der Bootsklasse Snipe holt er in Argentinien seinen ersten WM-Titel.

1986

Familienglück: Santi heiratet seine Verlobte Silvina. Insgesamt bekommen sie vier Söhne. Yago und Klaus werden ebenfalls olympische Segler.

Alle an Bord: Santiago (re.) 2004 in Athen mit seinen Söhnen Yago, Klaus und den Zwillingen Theo und Borja (v.li.)

2004

Edles Metall: In Athen holt er in der Bootsklasse Tornado seine erste Olympia-Medaille (Bronze).

LANDGANG Nach knapp zwei Stunden im Meer ziehen Santiago und Cecilia den Katamaran aus dem Wasser.

2008

Treppchen zum Zweiten: In Peking tritt Santiago erneut in der Bootsklasse Tornado an – und holt wieder die Bronzemedaille.

2013

Große Fahrt: Als Crew-Mitglied bei Team „Artemis“ nimmt er am legendären America’s Cup teil.

2016

Comeback: Nach überstandener Krebs-OP gewinnt er mit Cecilia Carranza Olympia-Gold in Rio.

Schon 2005 arbeitet er erstmals bei einem Team mit, das am renommierten America’s Cup teilnimmt, der Formel 1 des professionellen Segelns. 2008, kurz nach den Spielen von Peking, tritt er – zum zweiten Mal nach 2001 – auch wieder beim dritten großen Wettstreit des Segelsports an: dem Ocean Race, einem monatelangen Rennen um die Welt. Kaum Schlaf, Stürme, ständige Lebensgefahr. „Das Ocean Race steht vor allem für die abenteuerliche Seite des Sports“, sagt Santiago. „Eine großartige Herausforderung. Genauso wie der America’s Cup, bei dem es vor allem um Technologie und Management geht. Die Essenz des Sports aber, das sind für mich die Olympischen Spiele.“ Dass er eines Tages zu ihnen zurückkehren wird, erwartet er dennoch nicht. Bis ihn 2012 eine EMail erreicht. „Hallo Santi, ich hoffe, es geht dir gut. Kommst du in den nächsten Monaten nach Buenos Aires?“, schreibt ihm die damals 25jährige argentinische Seglerin Cecilia Carranza. Bei den Spielen in Rio 2016 soll erstmals ein Wettbewerb in der Bootsklasse „Nacra 17“, einem schnellen Katamaran, stattfnden, die Teams bestehen aus einer Frau und einem Mann. Cecilia möchte in dieser Klasse antreten und Santiagos Rat für die Planung einholen. Sie ist überrascht, als er sie bald darauf bei einem persönlichen Treffen fragt: „Wie wäre es, wenn wir zusammen anträten?“

Erst kann Santiago die Diagnose Lungenkrebs nicht glauben Santiago weiß, dass ihm in seinem Alter nun eine riesige Herausforderung bevorsteht. Wie groß sie tatsächlich wird, ahnt er nicht.

Das Training mit Cecilia für Olympia läuft bereits, als die Ärzte bei ihm 2015 einen Knoten in der Lunge fnden. Er kann es kaum glauben und lange nicht akzeptieren. Er hat sein Leben lang Sport gemacht, an der frischen Meeresluft gelebt – und soll nun Lungenkrebs haben? Doch der Rat der Ärzte ist klar. Er muss operiert werden. Im September 2015 entnehmen sie ihm in einer siebenstündigen Operation 80 Prozent seiner linken Lunge.

Mit Judoka Paula Pareto bei den Olympischen Jugendspielen in Buenos Aires 2018

2021

Große Ehre: Zusammen mit Cecilia Carranza darf er bei den Olympischen Spielen in Tokio die Fahne für das argentinische Team tragen.

Das Ocean Race führt Santiago einmal rund um die Welt. Kaum Schlaf, heftige Stürme: Er nennt das „eine großartige Herausforderung“.

AUF EIN WORT

Santiago (li.), Cecilia und Trainer Juan de la Fuente bei der Besprechung des nächsten Trainings

Die Ärzte versprechen ihm, er werde seine volle Lungenkapazität wiedererlangen. Doch Santiago ist skeptisch. Er liegt im Krankenhausbett, pustet in ein Trainingsgerät für seine Lunge – drei kleine Bällchen soll er mit der Kraft seines Atems in der Luft halten – und denkt an die Olympischen Spiele, die in nicht einmal einem Jahr beginnen. „Ein Athlet zu sein, ein Segler, das half mir in dieser Zeit ungemein“, sagt Santiago. „Erstens trainierst du als Sportler dein Leben lang, Widerstände zu überwinden. Zweitens hast du als Segler gelernt, die Natur zu akzeptieren – du weißt, es geschehen Dinge, die du nicht kontrollieren kannst. Und drittens war der Wunsch, in Rio dabei zu sein, eine riesige Motivation.“ Neun Monate nach seiner Operation gewinnt Santiago mit Cecilia die Goldmedaille in Rio. Es ist der größte sportliche Erfolg seiner Karriere. „Ich habe mich oft gefragt, warum es gerade in Rio mit Gold geklappt hat. Die Antwort, die ich darauf fnde, ist: Wir hatten diesen besonderen Willen und Glauben. Wir gingen als Team durch sehr harte Zeiten, das gab uns Kraft und machte uns zu einer Einheit. Wir wussten: Wir können jeden Gipfel besteigen.“

Dass es bei den Spielen in Tokio im Sommer nur Platz 7 geworden ist, fndet er „schmerzhaft“, wie er sagt. Etwas Trost fndet er darin, dass er und Cecilia immerhin das fnale Medaillenrennen gewannen. Auch wenn dieser Sieg ihnen im Gesamtergebnis nicht mehr zum erhofften Platz auf dem Treppchen verhalf, sei es „keine kleine Sache“ gewesen.

Die achten Olympischen Spiele? Nicht ausgeschlossen … Wie es nun weitergeht? Santiago weiß es noch nicht. Er kann sich nun, mit sechzig, vieles vorstellen. Sein Leben stärker auszubalancieren, „den Tisch etwas mehr auf vier Beine zu stellen“, wie er sagt. Aber auch, noch einmal an Olympia teilzunehmen. Die Motivation ist weiterhin da. „Ich liebe den Wettbewerb“, sagt Santiago, „und ich genieße es, Arbeit in etwas zu stecken, um besser darin zu werden. Auch weil mir das die Chance gibt, noch glücklicher zu sein, wenn es zum Erfolg führt. Und diese großen Emotionen, die mir der Sport schenkt – Freude, Adrenalin, auch Frustration –, sind ein wesentlicher Teil meines Antriebs.“ Und dann ist da natürlich noch diese andere Sache: „Ich spüre heute draußen auf dem Meer noch immer das Gleiche wie damals als Kind“, sagt Santiago. „Das Gefühl, ganz bei mir zu sein und den Moment zu genießen.“

„Wind: Meine Triumphe, meine Gedanken, mein Leben“: Unter diesem Titel erzählt Santiago Lange seine inspirierende Lebensgeschichte. Pantauro Verlag, 24 €

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