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SIMONE GIERTZ

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EÍMEAR NOONE

EÍMEAR NOONE

Sie ist die Erfnderin des Absurden: Sie konstruiert Ohrfeigenwecker, Zahnbürstenhelme und Lippenstiftverschmierer. Weil es die unperfekten Dinge sind, die ihr Mut machen. Und 2,6 Millionen Follower begeistern!

Die Herausforderung, etwas Perfektes zu erschaffen, kann Menschen überfordern. «Aber etwas komplett Bescheuertes er finden, das kann ich», sagt Simone Giertz, 33. Ihre «Erfindungen», die sie auf ihrem YouTube­Kanal mehr als 2,6 Millionen Abonnenten präsentiert, sind Dinge, von denen du nicht wusstest, dass du sie eigentlich brauchst. Sie hat einen Wecker gebaut, der dir zum Aufwachen eine Ohrfeige verpasst, oder Roboter, die Lippenstift auftragen und ihn verschmieren.

Geboren 1990 in Schweden, heute zu Hause in Los Angeles, ist Giertz in Sachen Technik eine Autodidaktin – was sie aber nicht davon abhält, ihren Tesla in einen Truck umzubauen oder ein skelettartiges Stützkorsett für ihren dreibeinigen Hund zu konstruieren. Und da sich Humor zur Gnadenlosigkeit steigern kann, veröffentlichte sie 2018 Videos zu ihrem frisch diagnostizierten Hirntumor, den sie Brian nannte, und über ihre Genesung.

Was als Ventil der Kreativität begann, hat sich zu einer Produktdesign­Firma und dem Onlineshop Yetch entwickelt. Denn die selbst ernannte «Königin der Shit­Robots» wendet sich gelegentlich auch von ihren skurrilen Erfindungen ab, um nützliche Dinge zu erschaffen.

The Red Bulletin: Hast du schon als Kind ständig etwas erfunden?

Simone Giertz: Ich habe mir immer Projekte vorgenommen, etwas aus Holz geschnitzt oder komische Figuren aus Müll gebaut. Für Technik habe ich mich damals noch nicht interessiert. Aber ich wollte Astronautin werden.

Warum hast du später dein Physikstudium abgebrochen?

Weil ich angefangen hatte, mit Elektronik zu basteln und programmieren zu lernen. Reale Dinge steuern zu können fühlte sich nach immenser Macht an – und die wollte ich sofort einsetzen. Okay, mein erstes Werk war lächerlich: Gitarrensaiten, die ich aus dem Handy ziehen konnte, um dann per selbst programmierter App ihren Klang zu simulieren.

Wie ging es weiter?

Als Nächstes habe ich den Zahnbürstenhelm gebaut (einen Skateboardhelm samt Roboterarm, der seiner Trägerin die Zähne putzt; Anm.). Das Video erhielt 50 000 Aufrufe. Und von da an wurde die Sache immer grösser.

Was fasziniert dich an Spielereien wie dem Zahnbürstenhelm?

Zunächst hilft mir dieser humorvolle Ansatz, meinen Perfektionismus zu unterdrücken. Einerseits habe ich mich selbst damit zum Lachen gebracht, andererseits war es auch eine Art Abwehrstrategie: Am Anfang war ich ja keine Technikexpertin und musste also zwangsläufig scheitern. Heute, nachdem ich acht Jahre Dinge gebaut habe, fühle ich mich selbstbewusster und versuche, meine Selbstironie auch mal abzulegen.

Wie wirkt sich das aus?

Früher knöpfte ich mir ein gewöhnliches Problem vor und löste es auf die lächerlichste Weise. Dann hatte ich einen Gehirntumor, was auf jeden Fall hilft, die Dinge nüchterner zu betrachten. Während meiner Genesung hatte ich so wenig Energie, dass ich mich fragte, wofür ich meine Zeit eigentlich nutzte. Machte ich, was ich wollte? Heute will ich immer noch Alltagsprobleme lösen – aber durchdachter.

Wie mit deinem leuchtenden Kalender?

Den habe ich erfunden, weil ich täglich meditieren wollte, aber es einfach nicht schaffte – oder mir einbildete, es nicht zu schaffen. Ich wollte etwas bauen, das an der Wand hängt und zu einem dunklen Schandfeck wird, wenn ich eine Session auslasse. Es ist ein Kalender, dessen Tage nur aufleuchten, wenn du sie antippst. Das darfst du aber nur machen, wenn du deine Aufgabe erledigt hast. Dank ihm verpasste ich nur eine Meditation. Eigentlich logisch, oder?

Erfindest du jetzt nur noch wirklich nützliche Dinge?

Ich habe gerade drei Jahre lang einen faltbaren Kleiderbügel für kleine Schränke entwickelt und bin sehr stolz darauf. Gleichzeitig baue ich immer noch ziemlich verrückte Sachen, etwa eine Nudelmaschine in einer Schminkpuppe – wo sonst die Haare sind, sollten die Nudeln herauskommen. Die Puppe ist schrecklich.

Was lehrt dich deine Arbeit übers Problemlösen?

Erfinden fühlt sich oft an wie Puzzeln mit lauter falschen Teilen. Umso schöner ist es, wenn es gelingt.

Instagram: @simonegiertz

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