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EÍMEAR NOONE
Sie ist ganz grosse Oper! Abends gibt die Dirigentin & Komponistin zu Mozart den Takt vor, tagsüber schreibt sie selbst Klassiker: nämlich Soundtracks von Games wie «World of Warcraft» – die sie nun mit Orchester auf die Bühne bringt.
Bereits Eímear Noones Kindheit war von zwei Leidenschaften geprägt: klassische Musik und – Nintendo. Mit sieben sah sie im Fernsehen einen weisshaarigen Dirigenten, der ein Orchester leitete und erkannte ihre Bestimmung. Sie lernte zunächst die regionale «Tin Whistle», Flöte und Klavier und studierte später Komposition am Trinity College Dublin. Mit 21 zählte Noone zu den Begründerinnen des Dublin City Concert Orchestra und dirigiert seitdem renommierte Orchester auf der ganzen Welt. 2020 war sie die erste weibliche Dirigentin, die das Orchester bei der Oscar-Zeremonie leitete. Noone hat ihre beiden Leidenschaften verbunden und wurde zu einer der einflussreichsten Komponistinnen in der Gamingbranche geworden: Sie hat die Soundtracks zu zahlreichen Klassikern wie «World of Warcraft» oder «The Legend of Zelda» komponiert – und geht damit nun auf Orchester-Konzerttour.
The Red Bulletin: Worin bestanden deine ersten Gaming-Erfahrungen?
Eímear Noone: Da es in Irland viel regnet und oft Indoor-Wetter herrscht, bringen wir viele Künstler hervor – und es wird viel gezockt. Ich bin mit drei Brüdern in einem Nintendo-Haushalt aufgewachsen. Ich habe «The Legend of Zelda» geliebt. Beim Gamen wie auch bei der Musik lässt man sich voll auf etwas ein und vertieft sich darin. Ich habe ADHS, und die einzige Entspannung ist für mich, wenn ich dirigieren kann oder an einem Kompositionsprojekt arbeite.
Und dein erster Kontakt mit einem Orchester?
Ich spielte Flöte in einer Aufführung von Jean Sibelius’ «Finlandia», einer sinfonischen Dichtung aus der Spätromantik, in einer Kirche in Galway City an der irischen Westküste – und ich war hin und weg!
War Dirigieren dann der logische nächste Schritt?
Als ich fünf zehn war, spielte ich in einem Konzert mit einer Militärkapelle. Der Dirigent drehte sich plötzlich zu mir um und sagte: «Du bist als Nächste dran.» Ich sollte da rauf aufs Podium und mit den Armen herumfuchteln und meine Klassenkameraden zum Lachen bringen – aber ich werde nie vergessen, wie ich auf die Partitur schaute und mich auf einmal ganz, ganz ruhig fühlte. Alles kam in Einklang, alles verlangsamte sich. Ich hatte das Gefühl, dass ich meinen Platz gefunden hatte.
Worauf muss man achten, wenn man den Soundtrack für ein Videospiel komponieren soll?
Es kommt ganz auf die Kreativen an und darauf, was sie in ihrem Plot ausdrücken wollen. Es gibt so viele Möglichkeiten. Ich sage immer: Wenn Mozart heute leben würde, würde er Musik für Videospiele komponieren. Es gibt Beweise dafür, dass er bewusst musikalische Rätsel und versteckte Botschaften einbaute – und auch vieles an der Vertonung von Spielen ist wie ein Rätsel. Wir tun im Grunde das, was Komponisten schon immer getan haben, nur dass dies nun eben die Version des 21. Jahrhunderts ist. Bei Videospielen gibt es ja unzählige Einsatzmöglichkeiten für Musik: Wenn etwa ein Player einen Raum betritt, kann Grammophonmusik erklingen oder Sounds und Melodien wie aus einem Nachtclub oder einer Hotellobby. Es macht wirklich Spass, diese Vielfalt an Musik zu komponieren, weil ich da in allen möglichen Stilen arbeiten kann. Auf diese Weise hat sich auch viel irische Musik in «Zelda» eingeschlichen.
Was war die grösste Herausforderung deiner Karriere?
Das Ganze ist eher ein Marathon als ein Sprint. Am Anfang war die grösste Herausforderung, dass ich eine Frau bin. Ich musste im Musikbusiness um meine Rechte kämpfen. Ich hatte ja keinerlei Kontakte. Ich bin eine klassische Musikerin, hatte ein Stipendium fürs Konservatorium, aber ich kannte niemanden aus der Gaming- oder Filmbranche. Also musste ich mir jeden Kontakt persönlich erarbeiten.
Was können wir uns von deiner «Video Games in Concert»-Tour erwarten?
Ich frage meine Besucherinnen und Besucher immer, ob es das erste Mal ist, dass sie ein Orchester live sehen – und mehr als die Hälfte sagt ja. Ich liebe es, Leute zu sehen, die so begeistert von der Musik in ihrem Lieblingsspiel sind, aber nicht wissen, dass es Millionen andere gibt, die genauso fühlen. Ich fnde es toll, dass Gaming so eine Art Gleichmacher ist: Es ist völlig egal, wo man lebt oder wie ft man ist, es gibt keine Länder- oder Kulturgrenzen. Ich bin so gerührt, wenn ich am Pult stehe und sehe, dass alle so überwältigt und dankbar sind.