INNOVATOR by The Red Bulletin AT 02/21

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Ideas for a better future

LEBT  DIESER  MANN

IDEAS FOR A BETTER FUTURE

DAS  PERFEKTE  LEBEN?  Biohacking-Pionier  Ben Greenfield sagt nein.  Aber er tut verdammt viel,  um sehr alt zu werden.  Und dabei sehr jung  zu bleiben.

02 2021

AUSGABE ÖSTERREICH

3,50 EURO

INNOVATOR BY THE RED BULLETIN 02/2021

Das Magazin f ür Innovation von The Red B ulletin

DAS SE G R O SK I N G C IB O H AO S S I E R D  Es geht um Licht,  Ernährung, Atmung,  Wärme, Kälte  und Schlaf.  Und vor allem geht es  um Eigenverantwortung.



omegawatches.com NUR IM KINO

JAMES BOND’S CHOICE Auf den Spuren eines geheimnisvollen Bösewichts stellt sich Bond seiner neuesten Mission in Keine Zeit zu sterben mit der OMEGA Seamaster Diver 300M am Handgelenk. Dieser

Zeitmesser

im leichten Titandesign ist jederzeit einsatzbereit, mit

einem

Höchstmaß

an

Präzision

und

Antimagnetismus, auf das man sich dank Master Chronometer Zertifizierung immer verlassen kann.


EDITORIAL

Stefan Wagner In unserer Schwesterzeitschrift carpe diem berichtet er als ­Kolumnist aus dem Leben eines Hobby-Biohackers. Bei uns durfte Wagner ausführlich ran: Gemein­ sam mit Top-Biohacker Andreas Breitfeld optimierte er unsere Sonderstrecke, die Ihnen Lust dar­auf macht, Ihr Leben zu ver­ bessern. Und die Welt obendrein. AB SEITE 27

Ben Greenfield Der einflussreichste Biohacker der Welt eröffnet dieses Special als Interviewgast. Sein Gespräch mit The Red Bulletin Innovator fand Greenfield so spannend, dass er es seinem Millionen­ publikum sogar als Podcast zur Verfügung stellte. AB SEITE 30

RESET YOUR LIFE! Michael Greve arbeitet daran, Krebs, Alzheimer, Diabetes, Herzinfarkt zu besiegen. Wieso der deutsche Internet-Milliardär das tut, wie atemberaubend weit die Wissenschaft schon heute ist und was Sie jetzt tun können, um ein Alter zu erreichen, das Sie niemals für möglich ge­ halten hätten: ab Seite 56. Greves Story ist Herzstück unseres Biohacking-Schwerpunkts, der randvoll mit spannenden Fragen und ebenso erstaun­lichen Antworten ist. Können Sie Ihr ­Gehirn trainieren wie einen Muskel? (Antwort: Ja, Sie können.) Macht es Sie gesünder, barfuß im Wald zu spazieren? Und was hat das alles mit einer besseren Welt zu tun? Biohacking-­ Special, Seite 27 bis Seite 77. Fitness steigern, Pandemien bekämpfen, ­Sprachen lernen – spielend! Darum geht es ab Seite 78: Zehn Gaming-Pioniere verraten, welche Computerspiele unser Leben (und unsere Skills) auf geniale Art verbessern können. Viel Vergnügen mit diesem Heft!

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INNOVATOR

JOE PUGLIESE/AUGUST (COVER), MARTIN KREIL, BEN GREENFIELD FITNESS

CONTRIBUTORS

I N N O V AT O R


Nachhaltig handeln bedeutet, mit Ressourcen so verantwortungsvoll umzugehen, dass wir auch morgen noch gut leben können. Und das müssen wir heute anpacken. Die neue OMV forscht schon jetzt an mechanischen und chemischen Recycling-Lösungen für morgen und investiert in innovative Projekte wie ReOil®. Damit verwandeln wir Plastikmüll zurück in einen hochwertigen Rohstoff und fördern eine ressourcenschonende Kreislaufwirtschaft. Und das ist nur eines unserer Recycling-Projekte. Denn wir wollen dazu beitragen, den Großteil der Kunststoffabfälle in Österreich zurück in wertvolle Rohstoffe zu verwandeln und so CO2 einzusparen. Mehr dazu: omv.com/neue-omv


INHALT

BULLEVARD 10 12 14 16 17

Emission Impossible Die Luftfahrt kommt dem klimaneutralen Fliegen einen großen Schritt näher.

Ade, PVC!

Über diese Yogamatte freut sich dein Karma – und auch die Umwelt.

Modul-Auto

Camper oder lieber Pick-up? Der XBUS ist vielseitig wie ein Schweizer Taschenmesser.

Mini-Lebensretter

Tiefster Dschungel, Sahara oder Nordpol: Dieses Handy hat immer Empfang.

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E-Netzwerker Die Einwohner dieser Gemeinde produzieren eigenen Strom – und machen damit Kohle.

Guardian Angel Ein Satellitenbeobachtungssystem spürt aus großer Höhe Waldbrände auf.

Full Metal Jacket Die Jacke der Zukunft ist aus Kupfer – und desinfiziert sich von selbst.

Recycling neu Wie die OMV ein revolutionäres System zur Wiederverwertung von Plastik entwickelt hat.

Band fürs Leben

Das smarte Armband Bluefox erkennt die Wassertiefe und rettet Ertrinkenden das Leben.

GUIDE 90 94

SAVE THE DATE

Geh da hin! Die besten innovativen Events im In- und Ausland. WE T TBE WERB

Kampf der Ideen Red Bull Basement fördert junge Vordenker.

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KOLU MNE

Besser statt mehr Ein Plädoyer für Minimalismus in unserem Alltag. TECH - HIGHLIGHT

Heißer als heiß Dieser Kernreaktor könnte die Energiewende einläuten.

FEATURE 78

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G AMIN G

Smartes Zocken Diese Videospiele sind alles andere als sinnloser Zeitvertreib. INNOVATOR


I N N O V AT O R

DAS BIOHACKING SPECIAL

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ESSAY

Biohacking – ein Plädoyer für Selbstoptimierung Warum Sie Ihr Leben jetzt in die eigene Hand nehmen sollten. Und wie Sie ­damit sogar die Welt besser machen. PORTR ÄT

Lebt dieser Mann das perfekte Leben? Gentests, High Intensity Workouts und Eisbäder: Ben Greenfield ist der einflussreichste Biohacker der Welt. KÖRPER

Smart Brain Dein Gehirn ist viel klüger, schneller, ausdauernder und leistungs­fähiger, als du denkst. ALTERN

Wie Sie jünger älter werden Michael Greve ist Milliardär und möglicherweise der Mann, der Sie 150 Jahre alt werden lässt. NATUR

Danke, Mama Hitze, Kälte, Wasser, Wald und Co: die zehn großzügigsten Biohacking-­ Geschenke von Mutter Natur.

GADGETS

NORMAN KONRAD

Richtig aufgedreht Mikrostrom, Blutzucker-­ Monitore und viele mehr: die besten Bio­hackingGadgets, die es bereits zu kaufen gibt.

INNOVATOR

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BULLEVARD

I N N O V AT O R

JOHANNES LANG

IDEEN FÜR EINE BESSERE WELT

INNOVATOR

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B U L L E VA R D Flugzeug, neu gedacht: Der ZEROe-Wasserstoffantrieb erlaubt revolutionäre Designs mit neuer Innenraumaufteilung – wie hier in der „Blended Wing Body“-Variante.

FLI EG E N O H N E C O²

ALEX LISETZ

JOHANNES LANG

EMISSION IMPOSSIBLE 10

AIRBUS

Killt Fliegen das Klima? Ja. Präziser: Flugreisen, wie wir sie bisher kennen. Denn der Airbus ZEROe, das erste emissionsfreie Passagierflugzeug, soll Fliegen ab 2035 klimaneutral machen.

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I N N O V AT O R

WA S S E R M A R S C H

Wer fliegt, sündigt. Ein­ mal München – New York bläst pro Person so viel CO² in den Himmel wie die Heizung eines Haushalts über ein Jahr. Ein Inlandsflug zum Business­ lunch verursacht zwanzigmal so viel Treibhausgase wie die gleiche Strecke per Bahn. Doch bald könnte Fliegen die umweltfreundlichste Fort­ bewegungsart sein. Unter den Kerosin-Sündern der Gegen­ wart hat Airbus als Erster die Zeichen der Zeit erkannt. Der ­europäische Luftfahrt-Gigant (Umsatz 2020: 50 Mrd. Euro) entwickelt gerade das welt­ weit erste Passagierflugzeug, das keine Abgase produziert. Richtig gelesen: null. Eine ­Lockerungsübung für Inge­ nieure, die kreativen Auslauf erhalten? Ganz und gar nicht. Der Airbus ZEROe soll 2035 serienreif sein und könnte ­eine neue Ära der Luftfahrt­ industrie einläuten.

Während Airbus für andere Prototypen auch schon mit nachhaltigen und umwelt­ freundlichen Kerosin-Alter­ nativen experimentierte, setzt der ZEROe komplett auf Wasserstoffantrieb. Airbus ­arbeitet dafür in Bremen und Nantes an drei Konzepten: ­einem Propellerflugzeug für 100 Passagiere und zwei Jets mit je zwei Turbofan-Trieb­ werken für bis zu 200 Passa­ giere. Am aufregendsten sieht das tropfenförmige Jet-Kon­ zept „BWB“ (Blended Wing Body) aus. Hier könnte die Raumaufteilung zwischen Passagier-, Gepäcks- und Motor­bereich völlig neu ge­ dacht werden, die Wasser­ stofftanks wären wahrschein­ lich unterhalb der Flügel. Pa­ rallel dazu entwickelt Airbus gemeinsam mit Europas wich­ tigsten Flughäfen die nötige Infrastruktur. Das „Hydrogen Hubs at Airports“-Projekt sieht die flächendeckende Er­ richtung von Wasserstofftanks vor, die auch Servicefahrzeuge nützen können. Wenn die Konkurrenz da nur keinen Zeitenwandel verschläft … airbus.com

Im klima­ neutralen Airbus ZEROe könnte sogar Greta T. mit ruhigem Gewissen nach Malle jetten.

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R ECYC L I N G

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JOHANNES LANG

Wer Yoga praktiziert, lebt automatisch nach­ haltig? Von wegen! Denn in den ­allermeisten Fällen wer­ den Übungen wie Kopfstand, ­Krähe und Kobra auf zwar ­billigen, aber auch ziemlich giftigen Matten aus PVC ge­ übt. Und diese werden am Ende ihrer Tage nur allzu oft ein Teil des Großen Pazi­ fischen Müllstrudels. Den beiden Nürnbergerin­ nen Anna Souvignier, 28, und Sophie Zepnik, 26, wurde das

Im Netz suchten sie nach einer nachhaltigen Alter­ native, doch sie fanden nichts. Deshalb beschlossen die beiden, selbst eine Matte zu ent­wickeln. „Was gar nicht so einfach war“, sagt ­Sophie. Naturkautschuk? Killt den Regenwald. Baum­ wolle? Braucht zum Wachsen viel Wasser und oft auch ­Pestizide. Warum also nicht auf ein M ­ aterial setzen, das im Über­fluss vorhanden ist? Nämlich Müll! Die hejhej-mats bestehen aus Schaumstoffschnipseln, wie sie zum Beispiel in der ­Autoindustrie als Abfall­ produkt anfallen. Pro Matte (Preis: 129 Euro) sparen sie so 1,5 Kilogramm Müll ein.

Sophie Zepnik und Anna Souvi­gnier, die hejhejmats-Gründe­rinnen, mit einer Matte und e ­ iner ­hejhej-bag aus recycelten PET-Flaschen

WENN DIE HEJHEJMATTE DAS ENDE IHRER TAGE ERREICHT HAT, BEGINNT IHR LEBEN VON NEUEM. INNOVATOR

GÜNTHER KAST

Zwei Frauen aus Nürnberg haben mit ihrem Start-up eine Trainingsmatte aus recyceltem Schaumstoff entwickelt.

SCHAUMSTOFFRESTE A L S A LT E R N AT I V E

LENA LICHTBLICK

YOGA MIT REINEM GEWISSEN

im schwedischen Malmö be­ wusst, wo die jungen Frauen Nachhaltigkeitsmanagement studierten. „Wir fühlten uns regelrecht ertappt“, gesteht Sophie. „Wir hatten uns bis dahin überhaupt keine Ge­ danken darüber gemacht, aus welchem Material solche Dinger bestehen.“


I N N O V AT O R

Lediglich die hauchdünne oberste Schicht besteht aus einem neuen, medizinisch konformen Spezial­material (aus Thermoplas­tischem ­Polyurethan, kurz: TPU). „So kommt die Haut nicht mit altem Schaumstoff in Kontakt“, erklärt Sophie, „aber auch das TPU ist hundert­ prozentig recycelbar.“ Das ­Ergebnis: langlebige, 186 mal 65 Zentimeter große, zwei ­Kilogramm schwere Matten. Sie sind fünf Millimeter dünn und garantieren dank einer strukturierten Oberfläche hohe Rutschfestigkeit. G E B R A U C H T E M AT T E E I N FA C H R E T O U R N I E R E N

Am Ende ihrer Tage wird eine hejhej-mat selbst wieder ­re­cycelt – und zu einer neuen Yoga-Unterlage. Wie das geht? Das Konzept heißt ­„Return to Sender“, und das bedeutet: Die gebrauchte Matte wird einfach zurück an die beiden Gründerinnen ge­ schickt. In Bayern (und nicht etwa in Billiglohnländern) entstehen daraus neue Unter­ lagen für Yoga-Begeisterte. Kreislaufwirtschaft eben, ­perfekt vorexerziert. hejhej-mats.com

Yoga-Übungen in freier Natur: dank der Matte aus Schaumstoffschnipseln ein mehrfach nachhaltiges Vergnügen INNOVATOR

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B U L L E VA R D

M O B I L I TÄT

BASIC INSTINCT

JOHANNES LANG

Mit dem Projekt XBUS hat das deutsche Unternehmen Electric Brands die Grund­ linie des Autos neu vermessen. Heraus­ gekommen ist ein lustiges, extrem wandlungsfähiges Gefährt mit 20 PS.

ELECTRICBRANDS.DE

ANDREAS WOLLINGER

Tolle Kiste: Der 3,65 Meter lange XBUS hat den gleichen Spirit wie einst der Citroën 2CV, die legendäre „Ente“.

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I N N O V AT O R

Die individuelle Mobili­ tät verändert sich aus ­gegebenem Anlass gerade massiv, da sind frische Ideen gefragt. Die großen Player der Autobranche tun sich mit radikalen Ansätzen schwer. Zu lang waren ihre Rezepte erfolgreich, und gewachsene Strukturen widersetzen sich revolutionären Bestrebungen für gewöhnlich heftig. DIE GRETCHENFR AGE

Das erst 2017 in Münster ge­ gründete Unternehmen Elec­ tric Brands hingegen hatte überhaupt kein Problem da­ mit, das Auto zu hinterfra­ gen. Wichtigster ­Zugang war die Frage: Was brauchen wir ­eigentlich wirklich, um un­ ser Mobilitäts­bedürfnis zu be­ friedigen? L E I C H T   &   S PA R S A M

Mittlerweile hat das, was bei diesen Überlegungen heraus­ gekommen ist, Gestalt an­ genommen: Der XBUS, der nach dem „Lego-Prinzip“ ent­ wickelt worden ist, sieht aus wie eine Zeichentrick-Version des alten VW-Busses, hat aber das Zeug dazu, unser Welt­ bild in Sachen Auto nach­ haltig zu verändern: Das ab Dezember dieses Jahres in ­Serienproduktion gehende Gefährt ist extrem leicht (Ge­ wicht der Basisversion ohne Batterien: 450 Kilo) und hat Solar­zellen auf dem Dach, INNOVATOR

die  Strom für eine zusätz­ liche Reichweite­von bis zu 200 Kilometern pro Tag ­erzeugen. Der Energie­ verbrauch liegt ungefähr bei einem Drittel von dem eines konventionellen Elektroautos, die Reichweite eher darüber: bis zu 800 Kilometer.

DIE SOLARZELLEN ERZEUGEN PRO TAG 200 KILOMETER REICHWEITE. M O D U L-SYS TEM

Dazu kommt noch seine Wandlungsfähigkeit – ein smartes Modul-System, das die verschiedensten Einsatz­ zwecke zulässt: vom Bus über einen Transporter (Zuladung: eine Tonne) und einen Pickup bis hin zum luxuriös aus­ gestatteten Campingbus. Die Preise sind moderat: zwischen 15.800 und 26.800 Euro. TOP-SPEED: 100 KM/H

Gewöhnungsbedürftig ist, dass der Antrieb nur 20 PS ­leistet; genug, um 100 km/h Höchst­geschwindigkeit zu erreichen. Aber ehrlich: Braucht man an der mobilen Basis wirklich mehr? electricbrands.de

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B U L L E VA R D

Es ist kein Ruck­ sack nötig, um das Garmin inReach Mini mit auf die Reise zu nehmen. Die Hosen­ tasche reicht.

Wenn die Wildnis ruft, bleibt das Smartphone meistens stumm. Der nächste Handy­mast ist einen Tagesmarsch entfernt. Häufig kein Problem, manchmal aber eben doch: Bein gebrochen, von Wölfen umzingelt, Liebeskummer. Es gibt Momente, in denen es einfach gut- und nottut, mit jemandem kommunizieren zu können. G E B A L LT E K L E I N I G K E I T

Dieses Kommunikations­ gerät kann Ihnen bei ihren Abenteuern in der Wildnis das Leben retten. Denn es hat immer und überall Empfang.

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Hosentaschenformat herausgebracht: 5 ×  10 Zentimeter groß, 100 Gramm leicht, stoß- und wasserfest. Der Lithium-Ionen-Akku hat bis zu 50 Stunden Laufzeit und hält im Energiesparmodus sogar 20 Tage durch. Um 350 Euro plus Kosten fürs SatellitenAbo (ab € 15 mtl.) steckt man das Ding in die Tasche. garmin.com

GÜNTHER KRALICEK

HALLO, WELT!

Tag und Nacht mit 66 Satelliten in Verbindung: das inReach Mini von Garmin

GARMIN

K O M M U N I K AT I O N

Mit dem neuen Garmin-Modell inReach Mini geht das. Immer. Denn es braucht dafür kein Handynetz, Textnachrichten werden direkt via Satellit (Iridium) versendet und empfangen. Egal ob Mobilfunknummer oder E-Mail-­ Adresse, die Kommunikation funktioniert in beide Rich­ tungen. An jeder beliebigen Koordinate dieses Planeten. Die US-Firma Garmin ist Weltmarktführer bei der Herstellung technischer OutdoorGadgets für Kletterer, Tourengeher, Segler und andere Freiluft-Aficionados. Mit dem inReach Mini hat man nun ­einen echten Lebensretter in

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B U L L E VA R D

Jährlich verlieren etwa 320.000 Menschen ihr Leben im Wasser, schätzt die WHO. Dabei zeigen Statisti­ ken, dass sich die Unfälle oft nahe am Ufer oder bei einem Boot ereignen und die meis­ ten ­Opfer als gute Schwimmer galten. Viel mehr braunge­ brannte, muskulöse Rettungs­

schwimmer täten also not – doch es wäre zu aufwendig, an allen nahe am Wasser ge­ bauten Orten einen Hochsitz zu installieren, der auch noch rund um die Uhr besetzt ist. Hilfe verspricht jetzt ein klei­ nes buntes Armband aus Schweizer Produktion. EINZIGARTIGE S SYSTEM

Lange Jahre sammelte die Deep Blue AG Erfahrung mit Unterwasser-Technologien – etwa mit der Entwicklung von Sicherheitssoftware für Motorund Segelyachten – und brachte dann ein weltweit einzigartiges System zum Schutz vor Ertrinken auf den Markt: BlueFox. BALLON MIT SIRENE

N O T FA L L S Y S T E M

BAY-WATCH

in ­flüssigem Zustand, bläst binnen Sekunden einen Bal­ lon auf. Der drückt die Not­ fallkapsel aus dem Armband, findet seinen Weg an die ­Wasseroberfläche und schlägt Alarm: Eine Sirene kreischt drei Minuten mit 100 Dezibel unüberhörbar um Hilfe. KO M P L E T T L Ö S U N G

BlueFox lässt sich ganz indi­ viduell programmieren, es werden aber auch Lösungen z. B. für öffentliche Schwimm­ bäder angeboten. Dieses Arm­ band wacht nicht nur über Schwimmende, sondern dient gleich als Zahlsystem sowie als Türöffner am Eingang und an den Garderobekästchen. bluefox-swiss.com

BlueFox: ein Armband, das im Notfall ganz laut um Hilfe schreien kann

BLUEFOX-SWISS.COM

GÜNTER KRALICEK

JOHANNES LANG

Ertrinken ist die dritthäufigste Unfall-Todesursache weltweit – eine Gruppe von Schweizer Ingenieuren hat jetzt etwas dagegen entwickelt: BlueFox.

Herzstück ist ein 70 Gramm leichtes Armband mit einge­ bautem Mikrocomputer und einer Kapsel, die eine lebens­ rettende Safety-Einheit ent­ hält. Während des Aufent­ halts im Wasser überwacht das System permanent die Tiefe, in der sich die badende Person befindet. Bleibt diese zu lang unter einer bestimm­ ten Wassertiefe, wird der ­Notfall ausgelöst: Ein Ventil öffnet sich. Gas, gespeichert

DIE MEISTEN ERTRINKEN NAHE AM UFER ODER BEI BOOTEN.

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B U L L E VA R D

Ein steirisches Technologie-Projekt spielt die Zukunft innovativer Strommärkte durch: mehr sauberer Strom, der weniger kostet – und künftig sogar den Blackout verhindern könnte.

In der kleinen südsteirischen Gemeinde Heimschuh läuft ein wegweisendes Testprojekt, in dem die globale Stromversorgung der Zukunft geprobt wird. „Blockchain Grid“ ist der Name des ambitionierten Projekts, das aus Mitteln des Klima- und Energiefonds gefördert wird. Der Ansatz ist revolutionär. Es geht um nicht weniger als die Neuordnung des Umgangs mit dem Rohstoff Energie. Was bisher geschah: 2017 wurde in Heimschuh ein lokaler, gemeinschaftlicher Stromspeicher errichtet. Er bildet das Herzstück des Projekts, an dem dreizehn Haushalte aktiv als Prosumer (Produzenten und Konsumenten) betei18

B L O C KC H A I N R E C H N E T

Für ein ökologisch ausgerichtetes Energienetz genügt es nämlich nicht, dass Haushalte selbst Strom produzieren. Die Energie sollte möglichst auch lokal verbraucht werden, denn längeres Speichern ist teuer, und Transport bedeutet Energieverlust. Die komplexe Steuerung des Grid erfolgt über eine Blockchainbasierte Plattform, Kunden, die lokal Strom handeln wollen, bekom­men eine zusätz­ liche Hardware zur Verfügung gestellt, die Messung und Ab-

rechnung automatisch organisiert. Mit allen Maßnahmen konnte der von der Energiegemeinschaft extern bezogene Strom auf fast die Hälfte gesenkt werden. Der Nutzungsgrad der PV-Anlagen erhöhte sich von 30 auf über 70 Prozent. Sobald die rechtlichen Rahmenbedingungen in Form des „Clean Energy Package“ der EU stehen, könnten Prosumer laut Modellrechnung jährlich bis zu 550 Euro sparen. Positiver Nebeneffekt: Kleine, regionale Stromnetze (Microgrids), die sich im Notfall vom übergeordneten Netz abkoppeln lassen, funktionieren auch während eines großflächigen Stromausfalls. Bei intelligenter Planung können Microgrids dazu beitragen, das Risiko eines kontinentalen Blackouts zu minimieren. greenenergylab.at

GÜNTHER KRALICEK

WIN-WIN-WINSTRATEGIE

ligt sind. Die Testfamilien haben Photovoltaikanlagen auf ihren Dächern oder im Garten installiert. Wer zu viel Strom erzeugt, der speist den Überschuss in den Gemeinschaftsspeicher ein – oder verkauft ihn direkt an die Nachbarn.

Power-Sharing: Den gemeinsamen Stromspeicher speisen die Einwohner von Heimschuh selbst. INNOVATOR

E-NETZE.AT

ENERGIE

JOHANNES LANG

Schritt zur Energiewende: 20 Haushalte testen in der Gemeinde Heimschuh den Handel von selbst erzeugtem Solarstrom.


#THECRAFTOFSAFT shot @rauchjuicebar Neubaugasse, Wien

ZUM WOHLE R! Mit Vitaminen und Zink für dein Immunsystem Zink und die Vitamine C und D tragen zu einer normalen Funktion des Immunsystems bei. Empfohlene Verzehrseinheit: ein Glas (200 ml) pro Tag. Ganz allgemein empfehlen wir eine ausgewogene Ernährung und eine gesunde Lebensweise.


B U L L E VA R D Die OroraTechSatelliten sind mit Infrarot­sensoren versehen – zum Erkennen extrem hoher Temperaturen. Rechts: Satelliten-­ Live-Bild mit aufgespürten Bränden (rot) und zum Teil starker Rauch­entwicklung.

S AT E L L I T E N -T E C H N I K

BRAND IN SICHT

Ein Münchner Start-up ­ent­wickelt kleine Satelliten, mit ­deren Hilfe Wald- und Buschbrände vom Weltall aus früh­zeitig erkannt und ­bekämpft werden können.

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Meldungen über ver­ heerende Waldbrände zählen seit einigen Jahren ­leider zum Standardrepertoire ­internationaler Nachrichten­ sendungen. Ob in Australien, Brasilien, Kalifornien oder auch in Europa: Es brennt an allen Ecken und Enden. Diese Feuer sind nicht nur eine ­unmittelbare Gefahr für Tier, Mensch und deren Lebens­ räume, sondern auch eine enorme Belastung für das ­globale Ökosystem. Flächen­ brände setzen jährlich rund acht Milliarden Tonnen CO² frei. Das ist mehr als der ­weltweite Ausstoß durch den Straßenverkehr. EHRGEIZIGE MISSION

OroraTech ist ein bayerisches­ Start-up, das 2018 von vier ehemaligen Studenten der Technischen Universität Mün­ chen gegründet wurde. Das Team hat eine ambitionierte­ Mission: die zerstörerische Gewalt von Busch- und Wald­ bränden zu zähmen. Mithilfe­ von Satellitentechnik und ­einem ausgeklügelten Algo­ rithmus gelingt es den Ent­ wicklern, aktuelle Brandherde in den entlegensten Winkeln­ des Planeten frühzeitig zu er­ kennen. So kann verhindert werden, dass die Feuer außer­ Kontrolle geraten. Die Beob­ achtung aus dem Weltall spart wertvolle Zeit.

EINEM AUSGEKLÜGELTEN ALGORITHMUS GELINGT ES, BRANDHERDE SELBST IN DEN ENTLEGENSTEN WINKELN DER ERDE FRÜHZEITIG AUFZUSPÜREN. INNOVATOR


I N N O V AT O R

ZUKUNFTSPLANUNG

Das System ist schon heute­ erfolgreich im Einsatz: Staat­ liche Stellen, Versicherungs­ gesellschaften und große Forstbetriebe in mehreren Ländern nutzen es bereits. Derzeit greift der Algo­rith­ mus auf Daten von 14 be­ stehenden Satelliten zurück. In Zukunft möchte das Startup eigene Nanosatelliten mit ­einer speziellen ThermalInfrarot­kamera bauen, um noch bessere Ergebnisse ­liefern zu können. S AT E L L I T E N N E T Z 2 0 2 6

Vor kurzem hat das junge ­Unternehmen in seiner SeriesA-Finanzierungsrunde 5,8 Mil­ lionen Euro eingesammelt. Mit dem Geld kann der erste selbst gebaute Kleinsatellit noch dieses Jahr ins All ge­ schossen werden. Bis 2026 soll dann ein ganzes Netz aus mehr als 100 Orora-Satelliten um die Erde kreisen, um ­globale Brandherde so ziel­ sicher und zeitnah wie ­möglich zu melden. ororatech.com

THOMAS GRÜBLER CEO UND CO-FOUNDER O R O R AT E C H

GÜNTER KRALICEK

JOHANNES LANG

Der 29-Jährige gründete OroraTech gemeinsam mit Rupert Amann, Florian Mauracher und Björn Stoffers. 2019 wurde das Team in die „Forbes DACH“„30 Under 30“Liste gewählt.

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B U L L E VA R D

T E R M I N AT O R - O U T F I T

Die englischen Zwillingsbrüder Nick und Steve Tidball (Jahrgang 1979) sind Designer, Extremsportler und Marketingprofis. Das merkt man gleich, wenn man sich durch die Homepage ihres ­Labels Vollebak klickt. Hier wird nicht gekleckert, hier wird geklotzt. Für Sätze ohne Superlative haben die TidballTwins wenig übrig. Wohin die Reise geht, macht bereits das Intro deutlich: „In jeder Branche baut jemand die Zukunft, sei es Technologie, Architektur, Lebensmittel, Autos oder Weltraumraketen. In der Klei22

Das „Indestructible Jacket“ (575 Euro) etwa besteht aus 100 Prozent Dyneema, einer Polyethylen-Faser mit ultrahoher Molekülmasse, die ­gemeinhin für antiballistische Panzerungen oder Verstauungssysteme für Containerschiffe verwendet wird. Das vierlagige „50.000 BC Jacket“ (1145 Euro) wiederum ist als mobile Höhle konzipiert, die jedem Steinzeitler ein ­verzücktes „Uahhrg!“ entlockt hätte, und die „100 Year“-­ Serie richtet sich an Kunden, die ihr modisches Erscheinungsbild eher längerfristig

anlegen – sie soll nämlich 100 Jahre halten. Absolutes Highlight ist jedoch das „Full Metal Jacket“ (995 Euro), in dem elf Kilometer Kupfer­ faden verarbeitet sind: Kupfer­ ionen wirken auf Krankheitserreger – Bakterien, Viren oder Pilze – abtötend. Gar kein schlechtes Verkaufs­ argument in aktuellen Zeiten. ­Nebenbei ist die Jacke hochgradig wasser- und winddicht als auch atmungsaktiv. Wermutstropfen: Die Kollektion bedient derzeit nur Herren, aber laut Vollebak wird schon an einer Damen-Linie ge­ arbeitet. Ergibt Sinn – denn das Überleben der Menschheit hängt nicht so sehr davon ab, welche Kleidung Mann und Frau anziehen, sondern mehr davon, was passiert, wenn sie diese ablegen. Onlineshop: vollebak.com

JOHANNES LANG

Das britische Designerlabel Vollebak kreiert SurvivalBekleidung für die Zukunft, darunter auch eine Jacke, die vor Viren und Bakterien schützen soll.

Ein mikroskopischer Blick ins Innere der Jacke: Insgesamt elf Kilometer Kupferfaden durchziehen das High-End-Kleidungsstück.

JAKOB HÜBNER

FULL METAL JACKET

Die „Full Metal Jacket“ besteht zu 65 Prozent aus Kupfer. Das Metall gibt Ionen an die Ober­ fläche der Jacke ab. Und diese hindern Viren, Bakterien oder Pilze am Überleben.

VOLLEBAK

HIGHTECH-KLEIDUNG

dung sind wir es.“ Falsche Bescheidenheit kann man den beiden also nicht vorwerfen. Dazu passt auch der Name: Vollebak ist flämisch und bedeutet „Vollgas“. Gegründet wurde das Label 2015 als ­„experimentellste AdventureMarke der Welt“ – wobei „Welt“ durchaus vollumfänglich gemeint ist. Die SurvivalWear von Vollebak soll die Menschheit nicht nur sicher durch die „nächste Eiszeit, vulkanische Winter und Mega-­ Dürren“ führen, sondern sich auch hervorragend für die ersten Missionen zum Mars eignen. Das Sortiment reicht von Jacken und Hosen bis hin zu Hemden und Hoodies. Die Kleinserien-­Kollektion wechselt schnell, das innovative Konzept dahinter ist aber stets das gleiche: Verwendet werden ausschließlich HightechMaterialien, die bisher so noch nie verarbeitet wurden.

INNOVATOR


I N N O V AT O R

„WIR NUTZEN WISSENSCHAFT UND TECHNOLOGIE, UM DIE ZUKUNFT DER KLEIDUNG VORWEGZUNEHMEN.“

Ein Roboter-Model mit der „Full Metal Jacket“ – als Sinnbild für die Zukunft: Laut Vollebak soll dieses Kleidungsstück bald schon Marsreisende vor außerirdischen Mikroben schützen.

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B U L L E VA R D KreislaufwirtschaftPionierarbeit: Wolfgang Hofer erzeugt in der ReOil-Recycling-Anlage Öl aus Plastikmüll.

R ECYC L I N G

ÖLQUELLE MÜLL

Bisher machte man Kunststoff aus Rohöl. Jetzt macht man ­Rohöl aus Kunststoff. Denn ein neues chemisches Verfahren ­verwandelt das Umwelt-Sorgenkind Plastikmüll in den Rohstoff der Zukunft.

aus Kunststoffabfall gewinnt, ist fossilem Rohöl weit über­ legen. Es ist reiner, leichter zu ver­arbeiten und spart bei der Verarbeitung 45 Prozent CO² gegenüber der Konkurrenz aus geschredderten Dino­ sauriern tief unter der Erde. „Im Moment produziert unser Prototyp pro Minute aus 100 Kilo Kunststoffabfall 100 Liter synthetisches Rohöl“, erklärt Wolfgang Hofer, Advisor Plastic to Oil der OMV-Raffinierie Schwechat. Ab 2025/2026 sollen es 200.000 Tonnen Altkunststoff pro Jahr werden.

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ALEX LISETZ

gar für Medizinprodukte wie etwa I­ nfusionsbeutel, für die die strengsten Auflagen in puncto Reinheit gelten. Für das Recycling-Verfahren wird bei der OMV selbst recycelt: Um die zerkleinerten Kunststoffabfälle schneller auf die erforderliche Cracktemperatur von 400 Grad zu bringen, fügen die Ingenieure ein Lösungsmittel hinzu, das

OMV.COM

Gemäß einer McKinseyStudie landet jede Minute eine Lkw-Ladung Plastikmüll im Meer. Eine haarsträubende Umweltsünde. Aber auch eine sinnlose Verschwendung. Denn das Rohöl, das man aus Kunststoffabfällen gewinnen kann, ist genauso wertvoll wie das Rohöl, nach dem wir mit riesigem Aufwand in staubigen Weltgegenden bohren. Das heißt: nicht ganz genau so. Das synthetische Rohöl, das der österreichische Gas-, Öl- und Chemiekonzern OMV

Das sogenannte ReOil-Ver­ fahren der OMV ist komplementär zum bisher etablierten mechanischen Recycling – welches der OMV-Partner ­Borealis betreibt – und bietet weitere Vorteile. Der Kunststoffabfall braucht nicht mehr sortenrein zu sein, und er ­verliert selbst bei der Wiederverwertung nicht an Qualität. Anders als beispielsweise recyceltes Papier. Im G ­ egenteil: Das aus Joghurt­bechern und Chipsverpackungen gewon­ nene Rohöl ist so hochwertig, dass es die Borealis zu wertvollen neuen Kunststoffen ­weiterverarbeiten kann. So-

JOHANNES LANG

A U S A LT M A C H (BESSERES) NEU


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Das beim ReOil-Verfahren gewonnene Rohöl ist die Ausgangsbasis für hochwertige Kunststoffe.

INNOVATOR

in der Raffinerie als Nebenprodukt anderer ­Prozesse anfällt. Es bewirkt, dass die zähe Schmelzmasse dünn­flüssiger wird, und bereitet sie damit auf die beiden folgenden Schritte des ReOil-­Verfahrens vor: nämlich auf das Cracking (das Aufbrechen langer ­Kohlenwasserstoffketten in kurze) und das F ­ lashing (die Abtrennung der Stoffe, die

man zur Weiter­verarbeitung benötigt). Laut einer McKinsey-Studie werden 2050 weltweit 60 Prozent aller Kunststoffe recycelt sein. Dass wir Kunststoff heute schon nach ein­maligem Gebrauch ins Meer oder auf die Müll­halde ­kippen, wird unseren ­Enkeln dann nur noch ein Kopfschütteln ­entlocken. omv.com   25


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BIOHACKING SPECIAL

NIMM DEIN LEBEN SELBST IN DIE HAND Mach es schöner. Mach es länger. Mach es intensiver. Mach es spannender. Mach es lebenswerter. INNOVATOR

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BIOHACKING SPECIAL

... U N D V E R B E S S E R E D A D U R C H D I E W E LT. DENN DARUM GEHT ES. Die folgenden Seiten haben sich einiges vorgenommen. Sie wollen die Welt verbessern, und zwar über einen ­kleinen Umweg, nämlich über den Umweg Ihres Lebens. ANDREAS BREITFELD

ist das Mastermind hinter d ­ iesem Biohacking-Special und eine ­prägende Persönlichkeit der inter­nationalen Szene. In seinem spektakulären M ­ ünchner Bio­ hacking-Lab – der einzigen derartigen Ein­richtung in Europa – stehen alle wesentlichen Tools, Technologien und Gadgets auch für ­Besucher zur Verfügung. breitfeld-biohacking.com, Instagram: breitfeld_biohacking

Die folgenden Seiten folgen der Absicht, Ihre Ent­ zündungswerte zu senken, Ihren Schlaf zu Ihrem besten Freund zu machen, Sie ins Eisbad zu locken, Ihnen zu zeigen, wie Sie Ihren Dopaminhaushalt in den Griff kriegen, Sie kreativer zu machen und intelligenter. Kurz gesagt: Die folgenden Seiten wollen Ihnen den ­Begriff „Biohacking“ nahebringen.


„Biohacking“ ist ein relativ neues Wort. Sein Erfinder ist der Amerikaner Dave Asprey. Asprey ist IT-Genie (er betrieb die ersten Server für ein unbekanntes Start-up, das sich Google nannte), er verdiente Millionen Dollar, verlor sie wieder, wurde sehr fett und ziemlich krank. Dann hatte er die Idee, an seinen Organismus wie an ein Computersystem heranzugehen: Er be­ gann experimentell zu erforschen, welche Interventio­nen – im IT-Fachjargon „Hacks“ – welche Auswirkungen auf das gesamte System haben. Aber eben kein digitales System, sondern ein biologisches. Daher also Biohacking. Das alles funktionierte ziemlich gut. Heute ist Asprey der ­berühmteste Biohacker der Welt (ziemlich auf Augenhöhe mit Ben Greenfield, wir verweisen bei der Gelegenheit gleich auf Seite 24), Asprey ist reich und schlank und gesund und verfolgt sehr öffentlich den Plan, sein Leben nicht vor seinem 180. Geburtstag zu beenden, also nicht vor dem Jahr 2153. Im Deutschen verwenden wir für „Biohacking“ ein sehr dummes Wort. Es lautet „Selbst­optimierung“ und kapiert nicht im Aller­ geringsten, worum es geht. Denn es geht darum, zu erkennen, dass unsere eigene Lebens­ energie, unsere Gesundheit und Vitalität die wirksamsten Hebel sind, die Welt zu verbessern. Ein gesunder Chirurg setzt seine Schnitte präziser als ein kranker. Eine entspannte Mutter erzieht liebevoller, eine energiegeladene­Vorstandsvorsitzende trifft klügere Entscheidungen, ein ­lebensfroher Priester predigt überzeugender, ein konzen­trierter Liebhaber liebt einfühlsamer und ausdauernder. Es liegt sehr wesentlich an uns selbst, wie entspannt, energie­ geladen, lebensfroh und konzen­triert wir durchs Leben gehen. Wir haben auf all das direkten Zugriff. Unser eigenes körperliches, geistiges und seelisches Wohl­ befinden bildet die Grundlage unserer Lebensenergie. Unsere Lebensenergie ist Voraussetzung dafür, dass wir unser eigenes Leben und das unserer Nächsten und Übernächsten so gestalten­ und so beeinflussen, dass es ein gutes wird, ein erfülltes, ein glückliches. Und wenn unser Leben und alles drumherum so gut g ­ eworden sind, dass wir das alles gerne länger genießen würden, dann kümmern wir uns natürlich auch darum, dass wir eben ein paar Jahre ­länger auf diesem Planeten bleiben, es müssen ja nicht gleich 180 sein. Das ist der Anspruch. Darum geht’s beim Biohacking.

UNSER EIGENES KÖRPERLICHES, GEISTIGES UND SEELISCHES WOHLBEFINDEN BILDE T DIE GRUNDL AGE UNSERER LEBENSENERGIE . INNOVATOR

Deswegen versuchen wir Bio­ hacker, unseren Stress in den Griff zu kriegen, wir atmen und medi­ tieren, wir machen Krafttraining und trinken gefiltertes Wasser, wir duschen kalt, wir nehmen Magnesium und Melatonin, wir fasten, wir baden im Wald. Wir trainieren damit unsere Mitochondrien. Das sind jene ­fernen Nachfahren von Bakterien, die im Inneren jeder einzelnen unserer Zellen wohnen und dort durch ihren Bakterien-Stoff­ wechsel jene Energie erzeugen, von der wir gar nicht genug ­kriegen können: ATP, Adenosin­ triphosphat, den Treibstoff des Lebens, ein wenig vereinfacht gesagt: Bakterienkacke. Auf den kommenden Seiten möchten wir Ihnen gerne Lust machen, Ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen. Wir möchten Sie gerne anstiften, die Ver­ antwortung für Ihre Gesundheit zu nehmen, die Verantwortung für Ihre Lebensenergie, für Ihre Lebensfreude, für Ihre Leistungs­ fähigkeit im Job und im Sport. Wir möchten gerne, dass Sie liebe­ voller, zugewandter, energischer, geduldiger, beharrlicher, auf­ richtiger, zuversichtlicher durchs Leben gehen. Es ist gar nicht so schwer, Sie werden sehen. Wenn ich da jetzt von „wir“ gesprochen habe, meine ich ­Andreas Breitfeld und mich, mein Name ist Stefan Wagner. Wir sind stolz, dass wir die kom­ menden Seiten gemeinsam für Sie entwickeln durften. Andreas ist professioneller Biohacker, und zwar nicht irgendeiner: Er ist unter den Biohackern ungefähr das, was Rafael Nadal unter den Tennisspielern ist. (Ich bin unter den Biohackern ungefähr das, was ich unter den Tennisspielern bin, aber darauf wollen wir jetzt nicht näher eingehen.) Viel Vergnügen mit den ­kommenden Seiten und damit, was Sie draus machen.

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BIOHACKING SPECIAL

field, der aktuell wahrscheinlich fitteste und gesündeste Mann und ziemlich sicher der einflussreichste Biohacker auf diesem Planeten. Er kommt einer – je nach ­Perspektive beängstigenden oder begeisternden – Idee von Perfektion der Lebensführung ziemlich nahe. Ein Gespräch über Gentests und Kälte, über das Verspeisen von Bandwürmern, über den Menschen als Maschine, übers Barfußlaufen, selbstsüchtigen Bullshit, über Gott (buchstäblich) und die Welt (ebenfalls buch­stäblich) und warum es eine gute Idee ist, E-Mails erst nachmittags zu beantworten.

JOE PUGLIESE/AUGUST

LEBT DIESER MANN DAS PERFEKTE LEBEN?

Dieser Mann ist Ben Green-

Text Andreas Breitfeld, Stefan Wagner Fotos Joe Pugliese 30

INNOVATOR


MACH’S DIR UNBEQUEM! INNOVATOR

Hitze und Kälte: „Es bringt deiner Langlebigkeit einen Riesenvorteil, wenn du regelmäßig ­deine Temperatur-­ Komfortzone verlässt.

Hitze und Kälte machen deine Zellen widerstandsfähiger gegen Stress – sie sind ­Workouts für deine ­Zell­gesundheit.“   31


„ M ACH EINEN GENTEST, M A NN! DER AUF WA ND IST L ÄCHERLICH GERING IM V ERGLEICH ZUM W IS SEN, DAS DU BEKOMMST.“ 32

Wieso willst du das nicht? Es bereichert unser Leben, dass wir immer wieder verletzt sind, krank, unglücklich, unzufrieden. Dieses sisyphosartige uphill battle ist gut für uns. Es hält uns bescheiden, weil es uns klarmacht: Wir sind endlich. Stellt euch vor, wir wären alle perfekt. Gäbe es dann noch Fortschritt in Medi­ zin, Technik, in allen Fragen der Gesundheit? Nein. Weil der Antrieb fehlen würde. Ich selbst hatte meine Themen mit dem Darm, mit dem Schlaf, und in der Beschäftigung damit habe ich viel gelernt, wie ich anderen helfen und d ­ amit letztlich auch die Welt ein kleines bisschen verbessern kann. Nein, ich lebe kein perfektes Leben, ich werde das nie tun, ich werde weiterhin jeden Tag danach streben, im Wissen, dass ich jeden Tag am Versuch scheitere. Ist das für einen professionellen Biohacker der Sinn des Lebens? Nach Perfektion streben? Jedenfalls geht es im Leben meiner Meinung nach darum, dem optimalen Level näher zu kommen, auf dem Körper, Geist und Seele funktionieren können. Dafür stehen uns unglaublich viele Möglichkeiten zur Verfügung, jahrtausende­ alte und hypermoderne Tools, Rotlichttherapiegeräte, hyperbare Sauerstoffkammern, Supplements, Nootropics, smart drugs, unser enormes Wissen über Ernährung, über Hyperthermie, Thermogenese. Es liegt nur an uns selbst, diese Möglichkeiten zu nützen. Und sehr, sehr viele Menschen könnten diesem optimalen Zustand sehr leicht sehr viel näher kommen. Du bist tiefgläubig. Wie verträgt sich der ­Glaube an eine höhere Macht mit der Grundidee des Biohacking? Biohacking heißt doch, konsequent die Verantwortung fürs eigene Leben zu übernehmen. Warum soll ich mich mit dieser Frage auseinandersetzen? Ich bin Judeo-Christ, Gott ist die ­Instanz der absoluten Wahrheit in meinem Leben. Dass diese Instanz nicht komplett erforscht ­werden kann, hab ich akzeptiert. Ich habe nicht zu 100 Prozent Einfluss auf mein Leben, werde ich nie haben, ich tue also einfach, was in meiner Hand liegt: Ich wache jeden Tag auf und suche nach Wegen, wie ich mehr Energie haben kann, wie ich meine geistige Leistungsfähigkeit verbessern, wie ich life span und health span – also wie lang mein Leben dauert und wie lang ich ­gesund bleibe – in ein optimales Verhältnis ­bringen kann. Wie ich mit den Belastungen umgehen kann, die immer mehr zunehmen, mit der Umweltverschmutzung, der unnatürlichen

JOE PUGLIESE/AUGUST, GETTY IMAGES, GETTY IMAGES, @SARAHCRESSWELLPHOTO, MASSINE, GABRIEL MACHADO

B

en Greenfield lebt auf einer Farm mitten im Wald in Spokane im Bundesstaat Washington, eigenes Eisbecken, eigenes Gym. Seine 13-jährigen Zwillingsbuben unterrichtet er gemeinsam mit seiner Frau zu Hause, und nicht nur in den üblichen Fächern: Die Buben veröffentlichen einen Podcast und jagen mit ihrem Vater im Wald mit Speeren sowie Pfeil und Bogen, danach wird das erlegte Wild zubereitet. Ben Greenfield liest ein Buch und veröffentlicht zwei Podcasts pro Woche, er hält Vorträge in der ganzen Welt (Dollar-Honorar: komfortabel fünfstellig), hat mit „Kion“ eine Supplement-Company aufgebaut, mit „Boundless“ das aktuell gültige Standardwerk zum Thema Bio­ hacking verfasst. Außerdem ist sein Sexleben erstklassig (er hat den Hacks eigene Podcast-Folgen gewidmet), und er hat das große Glück, ernsthaft gottgläubig zu sein. Er steht üblicherweise gegen vier Uhr morgens auf, seine Arbeitstage beginnen aber nicht vor zehn Uhr, denn davor lernt, liest und schreibt er, erledigt Workouts, Meditationen und kümmert sich um die Familie, ­außer INNOVATOR by The Red Bulletin fragt um einen Interviewtermin an, dann lässt sich da ausnahms­ weise auch vor zehn was machen. Wir wissen das zu schätzen. Das Interview führten Andreas Breitfeld und Stefan Wagner. Die beiden neigen ein wenig zum Atheismus. Breitfeld trägt sich seit dem Gespräch mit Greenfield aber ernsthaft mit dem Gedanken, eine Bibel anzuschaffen.

the red bulletin inno­vator: Ben, Headline dieses Artikels ist „Lebt dieser Mann das perfekte Leben?“. Tut er das? ben greenfield: Körperliche, geistige, spirituelle Perfektion? Nein. „Strebt dieser Mann nach dem perfekten Leben?“, stellt mir diese Frage, darauf sage ich ja. Aber lebt er es? Nein. Schafft kein Mensch. Will ich gar nicht.


BIOHACKING: D I E S TA R S

DAVE ASPREY The Godfather of ­Biohacking, der den Begriff prägte und jahrelang die Szene weltweit dominierte.

TIM GRAY Britischer Gesundheits-Guru. Europas Mischung aus Asprey und Greenfield.

SIMONE KOCH Berliner Ärztin und wandelndes Lexikon. Was sie nicht weiß, gibt es nicht.

MAX GOTZLER Früherer Leistungssportler, Münchner, das Biohacking-Gesicht in Deutschland.

MELINA VICARIO Die Mindset-Expertin bringt NLP-Knowhow ins Biohacking.

XIMENA DE LA SERNA

WORKOUT: KURZ, HART, LANGSAM

INNOVATOR

Zwei Stunden Gym? „Nett. Aber unnötig. In 20 oder 30 Minuten High Intensity Training oder Super Slow Training kannst du denselben

Effekt erzielen. Es geht im Training wie in allen Fragen des Biohacking darum, die ‚minimal ­effective dose‘ herauszufinden.“

Expertin für weib­ liches Biohacking. Aufgewachsen in ­Kolumbien, lebt heute in Deutschland.

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elektromagnetischen Strahlung. Wie ich spirituell wachsen, Gott näherkommen kann. Ich wache jeden Tag auf und bin einfach nur neugierig, im Wortsinn gierig auf Neues, ich will diese Fachartikel lesen, die Bücher, die Audiobooks hören, Podcasts, ich will jeden Abend zu Bett gehen und sagen können: Ich weiß jetzt mehr über Körper, Geist und Seele als am Morgen. Und ich will das, was ich gelernt habe, nützen. Für mich, aber viel mehr für meine Familie, Freunde, für andere Menschen.

Grundlage von all dem ist die eigene Gesundheit. Korrekt? Uh, nein. Völlig falsch. Es geht nicht um deine Gesundheit. Es geht um die Gesundheit der an­ deren, die körperliche, geistige, seelische Gesundheit aller Men­ schen, mit denen du zu tun hast. Deine eigene Gesundheit ist dafür 34

nur ein Tool. Du musst gesund ­genug sein, um für andere da sein zu können. Viele betreiben einen Kult um ihre Gesundheit, ihre Leistungsfähigkeit und Produk­ tivität, um ihre Fitness, um toller auszusehen, noch mehr Geld zu verdienen. Das ist selbstsüchtig, selbstverliebt, egoistisch. Und wahnsinnig unbefriedigend. Es geht nicht darum, dich selbst zu optimieren. Es geht darum, dass du gut genug in Form bist, um für andere da sein zu können. Probier das mal aus, du wirst sehen, dann wird die Sache unglaublich befrie­ digend! Gesundheit, Fitness, Bio­ hacking bekommen dadurch erst ihre Bedeutung, ihre Tiefe. Und sobald du das verstanden hast, setzt sich ganz automatisch ein

Limit für die Zeit und den Aufwand, den du ins Biohacking investierst. Dann kommt ein Begriff wie minimal effective dose ins Spiel. Zwei Stunden Gym? Nett, aber du kannst in 20 oder 30 Minuten High Intensity Training oder Super Slow Training denselben Effekt erzielen. 30 Minuten Kälte­ exposition sind unnötig, wenn du zwei Minuten in Eiswasser mit null Grad sitzt. Selber Effekt, Bruchteil der Zeit, so gehe ich an Biohacking ­heran. Nicht wie viel Zeit ich damit verbringen kann, sondern wie wenig. Und wie viel mehr Zeit mir dadurch bleibt für meine Frau, meine Kids, für Leute, die meine Hilfe brauchen könnten. Wo ist die Grenze zwischen nötig und unnötig in der Praxis? Da geht es um Effizienz und Effektivität. Dabei helfen dir drei Dinge. Das erste: Selbstvermes­ sung. Lass dein Blut, Mikrobiom, den Hormon­ status, Speichel, Urin, deine Genetik testen. Vor ein paar Jahren hat das noch zehntausende INNOVATOR

BEN GREENFIELD FITNESS

Okay, in einem Satz: Was ist nun der Sinn des Lebens, in den Worten des einflussreichsten Biohackers der Welt? Gottes Schöpfung auskosten und genießen, das ist der Sinn des ­Lebens. Jeden Tag mit einem breiten Grinsen aufwachen, weil wir auf diesem magischen Plane­ ten leben dürfen. Andere lieben und die goldene Regel befolgen: Behandle andere so, wie du von ihnen behandelt werden willst. Ent­scheidungen so treffen, dass sie anderen nützen und nicht in erster Linie dir selbst. Heraus­ finden, was deine Fähigkeiten sind, und mit diesen Fähigkeiten Einfluss nehmen auf diesen Pla­ neten, an jedem Tag, an dem du das Glück hast, hier sein zu dür­ fen. So sehe ich das. Von einem evolutionären Standpunkt aus ­betrachtet sind wir vielleicht nicht mehr als ein paar hoffnungslose Klumpen Fleisch auf einem Felsen, der durchs Weltall rast, während wir versuchen, uns an Maslows Pyramide der Bedürfnisse ab­ zuarbeiten, essen, trinken, Sex haben, uns die soziale Leiter rauf­ kämpfen. Damit gebe ich mich nicht zufrieden. Ich sage: Tu das, was du am besten kannst, mach damit die Welt besser. Und liebe.


„ ZIEMLICH W IT ZIG, DAS S DIE FR A NZÖSIN, DIE DERZEIT DEN REKORD HÄ LT, MIT 121 ODER 122 JA HREN, JEDEN TAG EINE ZIGA RE T TE R AUCHTE UND IHR GL ÄSCHEN TR A NK .“

T E S T E Z U E R S T, OPTIMIERE DANN   Training, Ernährung, Genetik, Hormone, Entspannung ... „Blut, Mikrobiom, Hormonstatus, Speichel, Urin, Genetik: Teste das alles! Vor ein paar Jahren hat das noch zehntausende Dollar gekostet, jetzt lässt du dir um ein paar Dollar all diese Tests nach Hause schicken.“

JOE PUGLIESE/AUGUST

... und Schlaf! „Es gibt richtig gute Devices, die deinen Schlaf messen. Nütze diese Devices, sie geben dir laserscharfes Feedback auf alles, was du tust.“

INNOVATOR

Dollar gekostet, jetzt lässt du dir um ein paar Dollar all diese Tests nach Hause schicken. Der Fort­ schritt in diesem Bereich ist ein­ fach nur unglaublich. Es gibt ­richtig gute Devices, die deine Herzratenvariabilität messen, ­deinen Schlaf. Das gibt dir laser­ scharfes Feedback auf alles, was du tust. Und vor allem: Du arbei­ test nicht mehr im Blindflug an irgendwelchen Verbesserungen und verschwendest jede Menge Zeit mit dem Optimieren von Dingen, die ohnehin in Ordnung sind. Schritt eins ist also: Check dir ein Wearable, das deinen Schlaf trackt und deine HRV, ­Ruhepuls, tägliche Schritte, deine Körpertemperatur. Check dir ­einen ordentlichen Gentest. Mach einen Stuhltest und finde heraus, ob in deinem Darm alles okay ist, mit Hefen, Pilzen, Parasiten, wie die Entzündungswerte aussehen. Prüfe deinen Hormonstatus und deine Neurotransmitter über Speichel und Urin. Investiere in ein richtig gutes Blutbild mit Mikronährstoffstatus. Zu Hause einen Gentest zu ­machen ist noch nicht w ­ irklich Mainstream. Kann man nicht ein wenig niederschwelliger starten? Es gibt keinen Grund, das nicht zu tun, Mann! Gentest heißt, ein Wattestäbchen in den Mund zu nehmen. Der Aufwand ist lächer­ lich gering im Vergleich zum ­Wissen und zur Klarheit, die dir all das gibt. Gut, Nummer eins war Testen. Nummer zwei? Mach es zu einem Teil deines ­Bewusstseins, für andere da zu sein. Andere zu lieben. Das ist der­ innerste, der wichtigste Fokus deines Lebens. Wenn du den ver­ lierst, wachst du am Morgen auf, und die einzige Frage ist: Was kann ich mir heute Gutes tun? Dann kommen diese ganzen

­Affirmationen: Ich bin so toll, ich bin so groß­ artig, ich kann alles im Leben ­erreichen. Das ist selbstsüchtiger Bullshit. Was tust du als Erstes, wenn du morgens ­aufwachst? Ich frage mich: Wofür bin ich dankbar? Wem kann ich Gutes wünschen, Gutes tun? Und am Abend frage ich mich: Was hätte ich heute besser tun können? Wann habe ich heute die innigste Verbindung zum Sinn des Lebens gespürt? Wenn ich an diesem Tag zwei Stunden im Gym verbracht habe, 45 Minuten in der hyperbaren ­Sauerstoffkammer, wenn ich ausgiebige Saunaund Kältesessions hinter mich gebracht habe, nun ja, dann wird nicht viel Zeit übrig geblieben sein, in der ich für andere da war. Das mag ­vielleicht ein perfekter Bio­hacking-Tag gewesen sein, in den Augen anderer, in meinen Augen war es ein vergeudeter Tag, ein Tag mit zu viel Biohacking.   35


Wie würdest du jemanden, der noch nie ­davon gehört hat, in zwei Minuten für Bio­ hacking begeistern? Für die Möglichkeiten, sein eigenes und das Leben anderer zu ver­ bessern, indem man Verantwortung für die eigene Gesundheit und Leistungsfähigkeit, für das eigene Lebensglück übernimmt? Ich würde es so sagen: Der menschliche Körper ist kein Computer, aber er ist programmierbar. Er hat etwas von einer Maschine, und du kannst sehr gut dafür sorgen, dass sie besser funktio­ niert, sauberer läuft. Was ist der erste Hack, den du empfiehlst? Ich würde dich als Erstes fragen: Womit bist du unhappy? Wenn jemand schon weiß, wie wichtig Training ist, und er sich im Alltag viel bewegt, statt nur rumzusitzen, brauchen wir über dieses Thema vorläufig nicht zu reden. Und auch wenn Schlaf fundamental ist: Ich werde dir nichts zu deinem Schlaf raten, wenn du zu einer vernünf­ tigen Zeit ins Bett gehst, dein Zimmer dunkel, kühl und ruhig hältst und dein Schlafzimmer nicht zum Arbeiten oder Fernsehen missbrauchst. Denn dann machst du schon sehr vieles richtig. Natürlich kannst du, wenn du willst, immer noch optimieren. Dann würde ich dir ein Chilipad ­empfehlen, das 12, 13 Grad kaltes Wasser unter deinem Körper durchs Bett leitet, und ein Paar Wollsocken, um die Füße warm zu halten. Ich würde dir raten, drei Stunden vor dem Schlafengehen kalt zu duschen, damit deine

„ GIB A NDEREN MENSCHEN ENERGIE . HILF IHNEN. DAS KOSTE T DICH KEINE ENERGIE, ES GIB T DIR W ELCHE . PROBIER ES AUS ! “ 36

Was sind diese Ernährungs-­ Basics, die für jeden gelten? Verarbeitete Nahrungsmittel und raffinierte Pflanzenöle weglassen, wenig Z ­ ucker und Alkohol, Kof­ fein nicht übertreiben. Einfach ­natürliches Zeug essen und hin und wieder ein bisschen fasten. Wenn jemand Bewegung, Schlaf und Ernährung schon halb­ wegs im Griff hat, dann beginnt ­richtiges Biohacking, nicht? Dann ist Zeit für diesen „From Good to Great“-Ansatz. Nummer eins ist dann ganz klar: die Kraft der Photonen nützen. Licht. Dieser riesige Stern über uns ist eine Quelle purer Energie. Geh raus ins Freie, täglich 20 bis 60 Minuten, und wenn du die Wirkung verstär­ ken willst, nimm so etwas ein wie Methylenblau oder Chaga-Extrakt. Dein Körper kann die Photonen dann effizienter nützen, um Elek­ tronen und ATP zu produzieren. Bringe Infrarot-Panels im Büro an, setze dich in eine Infrarotkabine. Du kannst deinen zirkadianen Rhythmus steuern, indem du punktuell Blaulicht einsetzt, mor­ gens oder vormittags, mit Geräten wie dem Human Charger oder den Re-Timer Glasses. Nummer eins, wenn du die Themen Be­ wegung, Schlaf und Ernährung schon halbwegs im Griff hast, ist also Licht. Nummer zwei ist, das elektrische Potenzial des Planeten zu nützen, auf dem wir leben. Gehe barfuß auf natürlichem ­Boden, auf Gras oder im Wald. Stelle Kontakt zur Oberfläche des

JOE PUGLIESE/AUGUST

Okay, wir hatten da jetzt Selbstvermessung und Liebe als die ersten beiden Orientierungs­ punkte an der Kreuzung von Effizienz und ­Effektivität. Was ist Nummer drei? Jetzt werden manche Leute sagen, das ist ein ­wenig, hm, wunderlich. Aber egal. Die Wurzel der menschlichen Emotionen war niemals und wird niemals das Gehirn sein. Das ist das Herz oder, wie man sagt, das Bauchgefühl. Nummer drei ist: Stell dir ehrliche Fragen, lass sie vom Herzen beantworten. Das Herz kennt die Wahrheit.

Körper­kerntemperatur absinkt. Wenn jemand sagt, dass sein Darm Troubles macht: Stuhl­ analyse. Daran führt kein Weg vorbei. Einen Nahrungs­mittelAllergietest, einen DNA-Test. Das hilft uns, genau zu sagen, aus wel­ cher Weltgegend deine Vorfahren kommen, an welche Nahrungs­ mittel du daher evolu­tionär ­angepasst bist und welche dein Immunsystem verrückt spielen lassen. Wir werden die Tools der Selbstvermessung nützen, um deine Ernährung optimal an dich anzupassen. Denn Ernährung ist, von ein paar Basics abgesehen, ­etwas Individuelles: Was für dich passt, kann für jemand anderen komplett falsch sein.

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DER SINN DES LEBENS?  „Gottes Schöpfung auskosten! Jeden Tag mit einem Grinsen auf­ wachen, weil wir auf diesem magi­ schen Planeten leben dürfen.“

Planeten her. Schwimme in einem natürlichen Gewässer. Klettere auf Felsen rum, auf Bäumen, zieh dein Shirt aus, leg dich in eine Wiese. Das ist unglaublich gut für dich, es hemmt Entzündungen, kurbelt deine ATP-Produktion an, ganz ähnlich wie die Photonen der Sonne. Nummer drei und vier sind Hitze und Kälte: Es ist völlig klar, dass es einen riesigen Vorteil für die Langlebigkeit bringt, wenn du regelmäßig deine TemperaturKomfortzone verlässt. Hitze und Kälte sind Workouts für deine Zellgesundheit. Nächster Punkt: Wasser und Mineralien, vorzugsweise Wasser, das Quellwasser so nahe wie möglich kommt, das so strukturiert ist, dass es deine Zellen effizienter versorgen kann. Die meisten dieser Hacks sind wissenschaftlich akzeptiert. Andere nicht – oder noch nicht. Was ist dein Punkt dazu, zum Beispiel bei Erdung? Sieh dir die Dokumentation „Earthing“ an, lies das Buch von Clinton Ober, es gibt reichlich wissenschaftliche Belege für die entzündungshemmende Wirkung des Earthing. Sieh dir die Tonnen an Forschung von der NASA abwärts zu PEMF an, den gepulsten elektromagnetischen Feldern, der konzentrierten Biohack-Form des Erdens. Aber okay, sagen wir mal, dass es für etwas keine wissenschaftlichen Beweise gibt. Dann kommt die Selbstvermessung ins Spiel. Diese berühmte Bio­ hacker-Studie mit n = 1, also du als einziger Teilnehmer deiner ­eigenen Studie. Du schaust, was deine HRV und deinen Schlaf ­verbessert, deine Power beim INNOVATOR

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Training, deine Körpertemperatur, deine Blutwerte oder irgendwas anderes, was du eben messen kannst. Ich selbst mach das genauso, teste, messe, gehe dann auf PubMed und informiere mich über die ­bisherigen Studien zum Thema. PubMed ist die wichtigste ­wissenschaftliche Online-­ Datenbank. Wie viel Zeit verbringst du dort? PubMed und Fachartikel gemeinsam … so sieben bis acht Stunden pro Woche. Aber das muss niemand tun. Es ist Teil meines Jobs, dass ich diese Research mache und den Leuten das Wichtigste zusammenfasse. Auf deiner Website bezeichnest du dich als „unerbittlichen Selbstexperimentierer und ­Versuchskaninchen“. Was war das Verrückteste, was du je ausprobiert hast? Ich mache nichts, was ich für ­super crazy halte, so wie diese ­ursprünglichen Biohacker, die sich Chlorophyll in die Augäpfel injiziert haben, um ihre Nachtsicht zu verbessern. So etwas tue ich nicht. Was ihr vielleicht für verrückt halten könntet, war die Helminthen-Therapie, um mein Immunsystem zu stärken, als ich extrem viel auf Reisen war.

S E L B S TOPTIMIERUNG?   Es geht nicht um dich. „Viele betreiben einen Kult um ihre Gesundheit, Leistungsfähig­ keit, Produktivi­ tät und Fitness, um toller aus­ zusehen, noch mehr Geld zu ­verdienen. Das ist selbstsüchtig, selbstverliebt, egoistisch. Und wahnsinnig un­ befriedigend. Es geht nicht darum, dich selbst zu ­optimieren. Es geht darum, dass du gut genug in Form bist, um für andere da sein zu können.“

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BEN GREENFIELD FITNESS

Helminthen-Therapie? Ich hatte viel darüber gelesen, dass der Verzehr von gewissen Würmern das Immunsystem stärken kann. Ich besorgte mir also aus einem Labor solche Würmer, nahm sie sechs Monate lang ein und wurde tatsächlich kein ein­ ziges Mal krank, auch wenn ich jede Woche zwei-, dreimal im Flugzeug saß. Oder etwas an­ deres: Ich wollte herausfinden, ob ich ohne Training, nur durch elektrische Muskel­stimulation, Muskeln aufbauen kann. Mein Experiment dauerte acht Wochen. Null Training, nur EMS, in hoher Intensität. Ergebnis: plus zehn Pfund Muskulatur. Bandwürmer zu schlucken oder sich Elektroschocks durch INNOVATOR


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die Muskulatur zu jagen mag verrückt klingen, aber in solchen Fällen beschäftige ich mich davor wochenlang sehr intensiv mit einem Thema. Und es gab da wie dort eindeutige Beweise, im EMS-Fall reichen die Forschungen ins Russland der Fünfzigerjahre zurück. Im Biohacking geht es immer auch um Lang­ lebigkeit, vor allem darum, wie lang man im Alter gesund bleiben kann. Wie wird das sein, wenn Ben Greenfield alt ist? Die maximale menschliche Lebenserwartung scheint nach aktueller Forschung irgendwo zwischen 115 und 121 Jahren zu liegen. Ziemlich witzig, dass die Französin, die derzeit den Rekord hält, mit 121 oder 122 Jahren, jeden Tag eine Zigarette rauchte und ihr Gläschen trank. Was war ihr Trick? Sie hatte wirklich gute Beziehungen in ihrem Leben, viel Liebe, das hielt sie gesund. Und wegen der Zigarette und des täglichen Gläschens: Wir wissen ja, dass manche Gifte aus Pflanzen, Kräutern und Gewürzen, wie auch Sonnenlicht und Hitze und Kälte, in kleinen Mengen unsere Gesundheit fördern. Drei Stunden in der Sauna, eine Stunde im Eisbad, ein Kilo Zimt essen, das ist natürlich alles schädlich, aber kleine Mengen: ­super. Es gibt sogar die Hypothese, dass die eine Zigarette, die diese Französin jeden Tag geraucht hat, sie tatsächlich stärker gemacht hat, nach dem Konzept der Hormesis: Durch den Kontakt mit einem Toxin stärkt sich dein Körper von selbst. Wie alt willst du werden? Es ist mir egal, wie lange ich lebe. Mir ist wichtig, dass ich, solange ich lebe, mit maximaler Wirkung für andere da sein kann. Wenn ich mit 80 Jahren sterbe, ist das für mich völlig in Ordnung. Es geht nicht um irgendeine Zahl. Es geht um meinen Beitrag zur Gesellschaft, den ich leisten kann, solange ich hier bin. Das ist auch eine Warnung, die ich den Leuten in der Biohacking-Industrie geben möchte: Wenn du unbedingt l­ eben möchtest, bis du 150 bist, aber es geht dir beschissen, du frierst und hungerst, hast keine Libido und hängst die Hälfte der Zeit in einer KryotherapieKammer rum, in einer Sauna, in einer hyper­ baren Sauerstoffkammer oder in allen dreien. Was ist das dann außer purem Egoismus? Außer geistiger Masturbation, dass man ein bisschen länger lebt als andere Leute?

„ IDENTIFIZIERE DEINEN EINZIGA RTIGEN LEBENS Z W ECK . WOFÜR DU AUF DIESEM PL A NE TEN BIST. W ENN DU DAS W EIS ST, IST ES V ERDA MMT SCH W ER, NICHT MOTI V IERT ZU SEIN.“ 40

Was tust du, wenn du mal keine Motivation hast, etwas Gutes für dich zu tun? Jeder kennt solche Tage, an denen man nur rumhängen möchte. Das Risiko, dass dir solche Tage passieren, kannst du sehr effektiv reduzieren. Auf beinahe null. Du musst dafür deinen einzigartigen Lebenszweck identifizieren, ich hab das in meinen letzten Büchern ausführlich erklärt, hier nur ganz kurz: Suche nach Dingen, die die Zeit vergehen lassen, ohne dass du es bemerkst, nach Dingen, in denen du von Natur aus gut bist. Daraus entwickelst du einen Satz, eine prägnante Aussage, die dir immer wieder in Erinnerung ruft, wofür du auf diesem Planeten bist, wie du das Leben der anderen verbessern kannst. Dieser eine Satz ist wie eine Linse, durch die du jeden Tag deines Lebens betrachtest. Und es ist, wenn du diesen Satz kennst, verdammt viel schwieriger, nicht motiviert zu sein. Wenn du deinen Satz kennst und dennoch mal demotiviert bist, dann ist das Beste, was du tun kannst – hab ich in einem Extrem­camp gelernt, einer Art ­zivilem Gegenstück zur Hell Week der Navy SEALs –, also das absolut Beste: Gib anderen Menschen, so vielen wie möglich, Energie. Diese Energie kommt zu dir zurück. Hilf jemandem, kümmere dich um jemanden. Klingt seltsam, aber es kostet dich keine Energie, es gibt dir Energie. ­Probier es aus! Drittens: Vergiss nicht, dass es so etwas gibt wie decision fatigue, eine Müdigkeit deiner Entscheidungen. Tu also die Dinge, die Kreativität und Konzentration verlangen, früh am Tag. Ich produziere Podcasts, Bücher nur von vier bis elf Uhr morgens. Am Nachmittag kannst du Dinge tun wie E-Mails be­ antworten, Telefonate führen, was keine mentale Firepower benötigt. Und schließlich: Der beste schnelle Kick für Motivation und geistige Energie ist ein Sprung in kaltes Wasser, eine eiskalte ­Dusche oder dein Gesicht in Eiswasser zu tauchen wirkt besser als alle Stimulanzien, Drogen oder Nahrungsergänzungsmittel. INNOVATOR


Ultron Air

Elektrisiere die Stadt

Der A-TO Ultron Air bringt dich schnell und umweltfreundlich von A nach B. Ausgestattet mit allen erforderlichen Sicherheits-Features und einem kräftigen Elektromotor sorgt der hochwertige E-Scooter für mehr Speed und Performance. Auch als eKFV-Variante erhältlilch.


BIOHACKING SPECIAL DER GEHEIMTIPP

RICHTIG AUF ­ GEDREHT

MIKROSTROM Mikrostrom ist ein ­extrem spannendes Thema: Ganz minimale Strommengen, an den richtigen Stellen in den Körper geleitet, regen die ATP-Bildung enorm an, lassen Verletzungen schneller heilen, lindern Schmerzen. Gegen Kopfschmerzen weiß ich nichts Bes­ seres. Mein liebstes ­Mikrostromgerät ist das unten abgebildete B-E-St von JeeCee. (Das leider 16.000 Euro kostet. Zum Rum­ spielen eignen sich aber auch Einsteigergeräte ab rund 500 Euro wie das Healy.) Achtung, ganz wichtig: absolut nie, nie, niemals TENs-Geräte oder Ähnliches am Kopf ­anwenden, die sind ­etwas völlig anderes als Mikro­strom.

Zu Besuch in Andreas Breitfelds Biohacking-Lab in München: In welchen Bereichen können uns technische Tools und Gadgets helfen? Und welche empfiehlt er? Text Andreas Breitfeld Fotos Norman Konrad Hairstyling und Make-up Sabrina Reuschl

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B-E-St von JeeCee, ca. EUR 16.000, b-e-st.com/de; ohne Abb.: Healy, ab ca. EUR 500, healyworld.net

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Anna Neubert war so freundlich, uns beim Shooting zu ­unterstützen. Sie ist Fitnesstrainerin, ­Mitinhaberin eines Reha-Studios und war unter den ersten fünf Biohacking-­ Coaches, die ich ­ausbilden durfte.

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Human Charger 2 Mutter Natur hat aus unerfind­ lichen Gründen Licht­ rezeptoren in unsere ­Ohren verpflanzt. Diesen Umstand machen wir uns mit diesem Device zunutze: Es greift mit Blaulicht in unseren ­zirkadianen Rhythmus ein und macht uns damit wacher. Sehr hilfreich ­gegen winterliche Ver­ stimmungen (SAD – seasonal affective dis­ order) und ein geniales Tool bei Jetlag. Ca. EUR 219, de.humancharger.com

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Head Ullitiunt quunt labore et quiantis vo­ lore conse­ quas nonse­ rum facquam qui re sequ

DER ZEITGEBER

ROT- UND BLAULICHT

Grundsätzlich: Das beste Licht ist immer das natürliche, und ­jedes technische Gerät ist bestenfalls ein ziemlich guter Ersatz. Dafür kann man diesen Ersatz sehr punktuell sehr wirkungsvoll einsetzen: um besser zu schlafen, wacher zu werden oder gar mit Jetlag besser umzu­ gehen. Licht, könnte man sagen, ist für ­unsere innere Uhr das, was eine Krone für eine analoge Uhr ist: Damit wird die Uhr aufgezogen und – ­hoffentlich absichtlich – verstellt.

Brillen Für mehr Blau­ licht: Propeaq (wirkt wie der Humancharger auf der Gegenseite). ­Gegen Blaulicht: die Blue­ blocker-Brille Prisma von innovative eyewear. Trägt man abends, um dem Körper die Bildung des Schlafhormons ­Melatonin zu ermög­ lichen. Ein Must! Propeaq ca. EUR 199, nomadperformance.de Prisma ca. EUR 99, innovative-eyewear.shop

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HigherQI Helios Hier bin ich befangen: Meine ­Begeisterung für Rot­ licht-Geräte und meine Unzufriedenheit mit dem bestehenden Angebot waren so groß, dass ich mit zwei Partnern ­HigherQI gegründet habe. Das Helios ist das mittel­große unserer drei Geräte. Es strahlt wie die beiden anderen mit 633 und 830 Nanometern, das Spektrum der Wir­ kungen ist beglückend groß: erhöhte ATP-­ Produktion, Reduktion von oxidativem Stress, Aktivierung von Enzymen – oder kürzer: Zielgerich­ tet eingesetztes Rotlicht tut einfach nur saugut. Ca. EUR 699, higherqi.de

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DAS GEHEIME RIESENTHEMA

BLUTZUCKER

Das Thema Blutzucker ist eines der ganz ­entscheidenden der nächsten Jahre, auch gesellschaftlich, ich vermeide das Wort „Pandemie“ jetzt ungern. Sehr vereinfacht gesagt: Die Bauch­ speicheldrüse produziert Insulin, sobald sie erfährt, dass Zucker (= Kohlenhydrate) im Körper gelandet ist. Das tut sie, um den ­Zucker aus dem Blut raus- und in die Zellen reinzukriegen. Aus dem Blut raus, weil er dort saugefährlich ist für die Organe. In die Zellen rein, weil er dort zu Energie verbrannt werden kann. Produzieren wir zu viel oder zu wenig oder gar pausenlos Insulin,

ruiniert das unsere ­Gesundheit. Deswegen sind die BlutzuckerTracker, die es seit ­einigen ­Jahren gibt, ein Segen. Unbedingt aus­probieren!

AquaVolta H² Rocket Ein sehr leistungsfähiges ­Gerät zur WasserstoffAnreicherung von ­Wasser. Zusatznutzen: Magnesiummalat ist ­idealer Bindungspartner von Wasserstoff und ist ja ganz generell etwas, was man gerne zu sich nimmt. Ca. EUR 1570, aquacentrum.de

Abbott Freestyle Libre So heißt der Sensor, den man sich in den Oberarm pikst. Entscheidend ist die Auswertungs-App am Handy: Veristable, ­Supersapiens oder Million Friends sind so etwas wie ­digitale Luxus-Tagebücher für Tracking und Aus­ wertung von Ernährung und Lifestyle und den ­Auswirkungen auf den Blut­zucker. Unglaublich ­erkenntnisreich, im aller­ wörtlichsten Sinn life­ changing. Freestyle Libre 2-Sensor, ca. EUR 80, freestyle.abbott DAS SUPER­ A N TI OXI DA N S

WASSERSTOFF Ich bin bekennender Fan von molekularem Wasserstoff, ich atme ihn ein und trinke jeden Morgen zwei Gläser davon. Das kleinste Element im Periodensystem tut unserer ­Gesundheit und Leistungsfähigkeit als ­perfektes Antioxidans sehr gut. Eine TV-Redaktion meinte einmal, dass es zur Wirksamkeit von Wasserstoff keine Studien gibt, was jedoch nur stimmt, wenn man die mehreren tausend publizierten Arbeiten, vor allem im asiatischen Raum, außer Acht lässt …


Aquavolta Nano Sehr praktisch, weil transportabel. Und mit 4,8 ppm WasserstoffAusbeute auch sehr leistungsfähig. Perfektes Einsteigergerät, verwende ich selbst sehr gerne. Ca. EUR 349, aquacentrum.de Ohne Abb.: Hydronade Magnesium-H²-­ Brausetabletten, ca. EUR 57, aquacentrum.de INNOVATOR

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DAS EINSTIEGS­ PA K E T

SCHLAF & MEDITATION

Womit man die schnellsten größten Fortschritte erreicht, wenn man mit dem Biohacking beginnt? Nicht durch irgend­ welche ausgefallenen Devices oder exotische Nahrungsergänzungs­ mittel. Sondern in den allermeisten Fällen durch besseren Schlaf und mehr Entspan­ nung. Schlaf ist, das werde ich nicht müde zu betonen, die Grund­ Nanovi Die geniale ­Entwicklung des in die USA ausgewanderten Deutschen Hans Eng geht zwar heftig ins Geld, aber die Wirkung ist mindestens bahnbrechend. Ab ca. EUR 10.000, biosa.de/nanovi

DAS LUXUS­ G E R ÄT

FALTHILFE FÜR PROTEINE

Unser Körper ist in je­ dem Moment unseres Lebens damit beschäf­ tigt, Proteine kunst­ voll zu falten. Mit den Jahren passieren ihm dabei immer mehr Fehler, das lässt uns altern. Eine zentrale 48

Rolle bei diesem ­lebenserschaffenden und -gestaltenden ­Prozess spielt intra­ zelluläres Wasser, das weder flüssig noch ge­ froren noch gasförmig, sondern als eine Art Gel auftritt (Back­ ground: Prof. Gerald Pollack, Universität Washington). Dieses Gerät, das Nanovi, er­ zeugt solches Wasser des vierten Aggregat­ zustandes als Nebel. Die feinen Tröpfchen nimmt der Körper auf, was ihm hilft, Proteine sauber und jugendlich zu falten. Ab dem etwa  40. Lebensjahr un­bedingt einmal ­probieren!

Oura-Ring Das BasicTool für den Biohacker: der Ring, der die Qualität unseres Schlafs misst. Ab ca. EUR 314, ouraring.com

lage jeder Gesundheit. Schlaf ist für unseren Körper wie ein Service für unser Auto in der Werkstätte: stehen bleiben, Motor ab­ drehen, alle Systeme checken, kleinere und größere Mängel be­ heben. Wir sollten die Service-Termine unseres Körpers ernst nehmen, jeden Tag ist ab etwa 22 Uhr einer für uns reserviert. Und nichts tut mehr für unsere Grund­ entspanntheit, als ­jeden Tag nur ein paar Minuten zu ­me­ditieren.

Biostrap Ein tolles Teil, die derzeit wohl beste Alternative zum Oura-Ring. Ab ca. EUR 259, biostrap.com


Muse Headband Neurowissenschaftler Philipp Heiler (siehe Seite 50) lästert ­drüber, weil es kein echtes EEG ist. Aber egal: Das Muse Headband unterstützt mich beim Meditieren, gibt mir Feedback, motiviert mich. Das macht es für mich im Alltag wirklich wertvoll. Ab ca. EUR 269, choosemuse.com

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BIOHACKING SPECIAL

DEIN GEHIRN IST ... SCH N ELLER

AUSDAU ERN D ER

SCH L AU ER

KLÜ G ER

S TÄRKER

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N E T TER


DAS GRÖSSTE WUNDER DER WELT Das menschliche Gehirn ist so genial konstruiert, dass wir es bis heute nicht komplett erforscht haben. Aber wir können es trainieren. Und sogar ziemlich wirkungsvoll.

... ALS DU DENKST Text Stefan Wagner

D RU HI G ER

as Gehirn ist insgesamt noch ein relativ rätselhafter Teil ­unseres Körpers (zum Beispiel wissen wir immer noch nicht, wie es so etwas wie Bewusstsein herzustellen vermag). Aber wir wissen doch genug, um das Wichtigste gesichert ­sagen zu können: Es liegt in unserer Hand, unser Leben lang alle Funktionen unseres Gehirns zu verbessern. Tatsächlich: alle. Und tatsächlich: unser Leben lang. Wir können, solange wir leben, jeden Tag schlauer werden, konzentrierter, intelligenter, schneller, entspannter. Wir können ­jeden Tag gelassener werden

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im Umgang mit uns selbst und dem Rest der Welt. Wir können unser Gehirn trainieren wie unsere Muskeln und unser Herz-Kreislauf-System. Es gibt also, das ist der un­ bequeme Teil der Nachricht, ab sofort keine Ausreden mehr, das Gehirn weiter so ver­lottern zu lassen. Das im deutschen Sprachraum führende Fitnessstudio für unser Gehirn steht in München, nennt sich „Brainboost“ und ist ein Start-up der Brüder Tobias und Philipp Heiler. Tobias ist Sportund Wirtschaftswissenschaftler, Philipp ist Arzt. Die beiden hatten ihren ersten großen Auftritt in der Biohacking-Szene vor zwei Jahren mit einer Modellautorennbahn, die nicht über herkömmliche Controller, sondern über Gehirnwellen gesteuert wird: Wer sich besser entspannen kann, kommt schneller voran. Genialität, 100 Milliarden Mal Bevor wir uns von Philipp Heiler sein Trainingsstudio für unser Gehirn zeigen und die Übungen fürs Heimtraining erklären lassen, ein wenig Biologie: Unser Gehirn wiegt ungefähr 1,5 Kilogramm, besteht zu 80 Prozent aus Wasser, zu zwölf Prozent aus

IM CHATROOM Hirnwellen sagen aus, wie intensiv unsere einzelnen Gehirnzellen miteinander kommunizieren – und was wir gerade damit tun.

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Fett und zu acht Prozent aus Protein. (Erstes Learning gleich hier: Der zuverlässigste Weg zu verblöden ist, zu wenig Wasser zu trinken.) Unser Gehirn verbraucht rund 20 Prozent der gesamten Energie, die unser Organismus in Ruhe erzeugt. Das ist absolut und relativ viel mehr als jedes andere Organ. Das menschliche Gehirn rechtfertigt diesen Aufwand. Es ist nicht weniger als ein Meisterwerk der Evolution. Wir Menschen sind bisher daran gescheitert, einen Computer mit der Leistungsfähigkeit unseres Gehirns herzustellen: So gut ist nicht einmal unser Gehirn, dass es etwas Besseres erfindet als sich selbst. Was diese 1,5 Kilogramm matschige Masse im Schädelknochen zu einem so genialen, so ­unfassbar leistungsfähigen System macht, sind die etwa 100 Milliarden Zellen, aus denen es ­besteht, oder besser gesagt: wie diese Zellen mit sich selbst und den anderen Zellen umgehen. Wie sie elektrische und chemische Reize empfangen, verarbeiten, herstellen und weiterleiten, wann sie das tun – wir sprechen hier von einer Genauigkeit im Millisekundenbereich – und in welcher Frequenz. Die Begriffe dieser Frequenzen kennen wir, Alpha-, Beta-, Gamma-Wellen und so weiter, wir verwenden sie auch, aber kaum jemand weiß wirklich, was mit „Wellen“ gemeint ist. Eine Symphonie der Schwingungen Unser Gehirn schwingt sich ja nicht walzerschwabbelnd durch den Schädel wie durch einen Ballsaal, und es gurgelt und brabbelt auch nicht herum wie die Wellen einer Meeresbrandung. Wenn wir von „Wellen“ oder „Frequenzen“ sprechen, meinen wir die Gesamtheit des Rhythmus, in dem die Zellen miteinander elektrische Impulse austauschen, wie oft pro Sekunde sie, sehr vereinfacht, miteinander reden: Die Hirnwellen sind sozusagen der Pulsschlag unseres Hirns. Die 1 bis 4 Hertz der Deltawellen bedeuten, dass die Zellen ein- bis viermal pro Sekunde

Man kann unseren Pulsschlag und die Hirnfrequenzen durch­ aus vergleichen: Beides folgt unserem Leben und lenkt es, beides bestimmt den Rhythmus dessen, was wir tun – und bildet ihn präziser ab, als wir das be­ wusst wahrnehmen. Das macht die Herzratenvariabilitäts­ messung zu einem so wert­ vollen Tool, und das macht auch das EEG und Neurofeedback

so wertvoll. Mit Hilfe von Neuro­ feedback können wir es tatsäch­ lich schaffen, unser Gehirn in verschiedene Zustände zu brin­ gen – und damit unser Leben zu verbessern. Erhol­samer schlafen, sich länger konzen­ trieren, sich tiefer entspannen, mehr leisten: All das lässt sich trainieren, indem wir lernen, auf unsere Hirnfrequenzen ­Einfluss zu nehmen.

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BRAINBOOST.DE

elektrische Impulse austauschen, das reicht gerade mal für tiefen Schlaf. Gammawellen, am anderen Ende des Spektrums, schwingen mit 35 bis 45 Hertz, lassen uns Neues besonders gut lernen oder in der Meditation besonders gut ­fokussieren. (Oder Spielzeugautorennen gewinnen.) Stress und Angst schwingen zwischendrin in den 20 bis 35 Hertz der High-Beta-Wellen, Kreativität entfaltet sich in den 4 bis 8 Hertz der Theta-Wellen. Und, wichtig zu wissen, es schwingt nicht das gesamte Gehirn einheitlich (völlig stramme Messungen kennzeichnen gar einen epileptischen Anfall), das ist auch der Unterschied zum Herzschlag, sondern das Gehirn orchestriert in jeder Millisekunde eine eigene Symphonie der Gesamtheit der Milliarden von Schwingungen. Diese Symphonie ist abhängig von der Situation, der Persönlichkeit, dem Zustand des Gehirn­ besitzers. Darüber hinaus ist sie absolut einzigartig. Wenn wir wollten, sagt Philipp Heiler, könnten wir die Grundstruktur der Gehirnfrequenzen anstelle des Fingerabdrucks als unverwechsel­ bares persönliches Merkmal nützen. Die Wissenschaft ist außerdem so weit, dass sie aus dem Scan eines Gehirns Persönlichkeitsmerkmale ­herauslesen kann. Heiler: „Ein unteraktivierter Frontallappen, zum Beispiel, weist auf eine ­gewisse Neigung zu Konzentrationsschwierigkeiten und depressiven Symptomen hin, ein überaktivierter sensorischer Kortex auf eine Übersensibilität auf Geräusche und auf Einschlafschwierigkeiten. Und so weiter.“ Zeig mir dein EEG, und ich sag dir, ob ich dich mag. So trainiert man Entspannung Nach diesem kleinen Ausflug ins Theoretische kehren wir zurück nach München ins Gehirn-­ Fitnesscenter „Brainboost“. Mein Gehirn absolviert eine Trainingsstunde. Ich sitze auf einem Lehnstuhl, die Beine hoch­ gelagert, mit einer Art Gumminetzhaube auf

SCHLAF Delta 1–4 Hz

ABSCHWEIFEN Theta 4–8 Hz

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ENTSPANNUNG Alpha 8–12 Hz

ICH SIT ZE DA , ELEK TRODEN A M KOPF, A M BILDSCHIRM VOR MIR SCHW EBT EIN MÖNCH. dem Kopf. An ihr sind EEGElektroden befestigt. Diese Elektroden messen durch den Schädelknochen die elektrischen Impulse, in denen meine Gehirnzellen miteinander kommunizieren. Die Daten werden in einen Computer geleitet, dort umgerechnet und auf einen Monitor übertragen, der vor mir steht. Brainboost hat nicht nur die gehirngesteuerte Autorennbahn entwickelt, sondern auch verschiedene Video­ spiele. Auf dem Monitor vor mir, zum Beispiel, sitzt ein Mönch mit gekreuzten Beinen. Je tiefer ich mich entspanne, desto höher steigt er. Das ist meine einzige Aufgabe: Entspannungsgehirnwellen erzeugen. Meine Gehirnzellen zwischen acht- und zwölfmal pro Sekunde elek­ trische und chemische Informationen austauschen zu lassen, nicht öfter, nicht seltener. Ich atme bewusster und langsamer aus: Der Mönch schwebt.

KONZENTRATION Beta 12–20 Hz

AKTIVIERUNG High Beta 20–35 Hz

HYPERFOKUS Gamma 35–45 Hz

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PHILIPP HEILER Gemeinsam mit seinem Bruder Tobias gründete der Arzt das Gehirn-Fitness­ studio „Brainboost“. brainboost.de

DIE M AT SCHIGEN 1,5 KILO IM KOPF SIND GENIA LER AL S A LLES, WAS W IR MENSCHEN ERSCHA FFEN KÖNNEN. 54

Training kommst, desto spezifischer stellen wir das Training ein.“ Kann ich durch Neurofeedback kreativer ­werden? „Du kannst lernen, dich in einen Zustand zu bringen, der Kreativität fördert. Ja.“ Entspannter? „Ja, ebenso.“ Konzentrierter? „Ja.“ Das Gehirn kann nicht nichts tun Kann ich mir abgewöhnen, alle 30 Sekunden aufs Handy schauen zu müssen? Dass ich jeden Abend eine Tafel Schokolade verdrücke? Meinen Hang zur Prokrastination? „Neurofeedback kann sehr gut bei allem ­helfen, was du in deinem Leben zwanghaft tust. Das kann sein, dass du jeden Tag fünf Bier trinken, zehn Kilometer laufen oder dass du dauernd aufs Handy schauen musst.“ Wie bringe ich meinem Gehirn konkret bei, dass es nicht jeden Abend eine Tafel Schokolade wollen soll? „Ganz kurz zusammengefasst: Das Gehirn kann nicht nichts tun. Es kann nicht ‚keine Schokolade essen‘. Es kann nur etwas anderes stattdessen tun, und dieses andere musst du dir ­angewöhnen. Du musst eine Ersatzhandlung etablieren, etwas, was sich jeden Abend durchführen lässt. Wir hatten zum Beispiel mal eine Patientin mit Bulimie. Mit ihr haben wir erarbeitet, dass sie nach jeder Mahlzeit zunächst mal zehn Minuten spazieren geht. Ganz konsequent, nach jeder Mahlzeit, einfach um den Reiz ‚essen‘ und die Reaktion ‚kotzen‘ zu entkoppeln.“ Und? Hat es geklappt? „Ja.“ Wie lange dauert es, bis ich mir etwas Altes ab- und etwas Neues antrainiert habe? „Der aktuelle Stand der Wissenschaft sagt: 66 Tage dauert es, um sich etwas abzugewöhnen – also mit Hilfe einer Ersatzhandlung –, 66 weitere, um sich eine neue Gewohnheit anzueignen. Der einzige Weg zum Erfolg ist Beharrlichkeit. Jeden Tag ein paar Minuten bringen dich über Wochen und Monate gesehen unglaublich weit.“ Erschöpft unter der Netzmütze Eine Trainingseinheit bei Brainboost dauert ­etwa 40 Minuten, und man ist am Ende recht ­erschöpft unter der Netzmütze, tatsächlich so, als hätte der Kopf ein Workout hinter sich. Wie oft muss man das machen, bis es einen Effekt bringt? „Es ist wie im Fitnessstudio. Einmal aus­ probieren bringt nichts. Wir bemerken dauer­ hafte Ergebnisse nach 20, 30 Sitzungen.“ Das heißt, ich muss 20-mal zu euch kommen, damit mein Gehirn besser funktioniert? „Nein. Du kannst sehr viel zu Hause machen, ganz allein, und du kannst damit sehr weit ­kommen.“

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Ich bemühe mich, noch bewusster zu atmen: Er plumpst runter. Zu unentspannt entspannt, okay. „Darum“, sagt Philipp Heiler, „geht es hier bei uns. Dass dein Gehirn sofort Feedback kriegt, ob das, was du gerade tust, ­richtig ist.“ Und mein Gehirn kapiert das? „Ja. Es ist wie mit deiner Muskulatur und dem Fitnessstudio: Dein Organismus empfängt einen Trainingsreiz und verarbeitet ihn. Wie er das tut, kann dir ja egal sein. Dass deine Muskeln durch das Training stärker und größer werden, steuerst du ja auch nicht bewusst. Das passiert von allein.“ Aber im Fitnesscenter kann ich einen ganz gezielten Reiz auf ­einen einzelnen Muskel setzen: Bizeps, Wade, Brustmuskel. Wie präzise kann ich einzelne Gehirnbereiche mit Neurofeedback ansteuern? „Das geht einigermaßen, ist aber in der Praxis nicht wesentlich. Wir möchten ja, dass du eine Fähigkeit verbesserst, eine Gewohnheit ablegst oder eine neue antrainierst, einen Zwang überwindest. Da spielen meist mehrere Gehirnbereiche zusammen. Es geht darum, dass du lernst, gewisse Regionen in gewisse Frequenzen zu bringen. Dein Gehirn kann das schon von allein. Vertrau ihm. Und je weiter du im


NIMM DIR DREI MINUTEN „Jeden Tag nur drei Minuten mit geschlos­ senen Augen, ruhig ­atmend, in Gedanken und Tagträume versin­ ken – damit trainierst du die Fähigkeit deines Gehirns, in den AlphaZustand zu gehen und sich ganz bewusst zu entspannen. Ideal wirken diese drei ­Minuten, wann immer du auch einen Boost für deine Kreativität brauchst.“

SCHLAFEN „Das Gehirn ist der wesentlichste Grund dafür, warum wir Menschen schlafen müssen. Denn seine Kapazität reicht nur für rund 16 Stunden – dann braucht es eine Pause, um Gelerntes zu verarbeiten, sich zu erholen und neue ­Synapsenverbindungen aufzubauen. Ausreichender, guter Schlaf ist die Grund­voraussetzung dafür, dass unser Ge­ hirn funktionieren kann. Es mag nicht besonders originell sein, aber auf seinen Schlaf zu achten ist so ziemlich das Wirkungsvollste, was man für die Leistungsfähigkeit seines Gehirns tun kann. Übrigens unterstützt ein Powernap untertags die Krea­ tivität und die Problemlösungskompetenz, weil er unser Gehirn in den Theta-Bereich bringt.“

DANKBARKEITS­­ TAGEBUCH FÜHREN Angst ist das häufigste Prob­ lem unserer Zeit, der stärkste und größte negative Antrieb. Hinter sehr vielen zwanghaften Handlungen, ­hinter sehr vielen Einschränkungen steht Angst. Angst vor Dingen, vor Entschei­ dungen, davor, etwas zu ver­ passen, dass mein Leben nicht so toll ist wie das der anderen, nicht genug Geld zu haben. Angst ist evolutionär gesehen lebens­rettend – weil Angst im­ mer auch Vorsicht bedeutet –, und darum ist sie unter allen Emo­tionen auch die mächtigste. Aber mittlerweile bestimmt sie unser Leben, statt es zu ­erhalten. Angst macht krank. Was kann ich gegen Angst tun? „Ein Dankbarkeitstagebuch führen. Täglich morgens und abends drei Dinge auf­ schreiben, für die du dankbar bist, und sie außerdem laut aussprechen. Das ist Neuro­ feedbacktraining! Du bringst dein Gehirn jeden Tag für ein paar Minuten in einen ­Zustand der Angstfreiheit. Du aktivierst die Schleife für das positive Gefühl, das der Angst entgegengesetzt ist, machst dich resilienter. Das Aufschreiben und das Aus­ sprechen verstärken die ­Wirkung erheblich.“

LOS GEHT’S ! … okay, und was kann ich zu Hause machen? Philipp Heiler mit dem Home-Gym für dein Gehirn.

BEFRAGE DICH SELBST „Achtsamkeit ist weit mehr als ein Modebegriff: Wenn du es schaffst, dein Gehirn be­ wusst in den Alpha-Bereich zu ver­setzen, schaffst du damit Raum zwischen Reiz und Re­ aktion – was nichts anderes heißt, als dass du gelassener, ausgeglichener, reflektierter durch den Tag kommst. Der beste Achtsamkeits-Trainings­ tipp im Alltag: Notiere zweimal täglich, was du körperlich spürst, welche Gedanken und welche Gefühle du hast.“

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FOLGE DEM SEKUNDENZEIGER Eine tolle Übung für den Beta-Zustand, der deinen Fokus schärft: Schaffst du es, eine Minuten lang deine ganze Auf­ merksamkeit auf den Sekundenzeiger einer analogen Uhr zu richten? Denke an nichts anderes als an diesen Zeiger. Eine Minute durchzuhalten, ohne einen ablenkenden Ge­ danken, ist alles andere als einfach!“

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BIOHACKING SPECIAL

Wenn Sie es irgendwie schaffen, sich die kommenden – sagen wir fünf, zehn, fünfzehn – Jahre einigermaßen fit zu halten: Tun Sie’s! Wirklich. Es könnte sein, dass mindestens die Hälfte

WIE SIE VIEL JÜNGER VIEL ÄLTER WERDEN

Ihrer möglichen Todesursachen dann ausgestorben sein wird.

Das ist vielleicht die Geschichte Ihrer Rettung vor Krebs, Herzinfarkt, Schlaganfall, Diabetes und Alzheimer, die Geschichte Ihres ersten Halb­ marathons mit hundertzehn, Ihres Literatur­studiums mit neunzig und Ihrer Harley-Davidson mit achtzig.

Die Geschichte ist ihrem Happy End erstaunlich nahe. Text Stefan Wagner Fotos Sebastian Arlt

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CHANGEMYFACE.COM

157 JA HRE

So könnte Michael Greve in hundert Jahren aussehen. Wir schreiben das Jahr 2121: Der Mann, der Milliarden als Pionier einer längst überholten Technologie (Internet) und einer Selbstverständlichkeit (Rejuvenation) verdiente, investiert in experimentelle Projekte zum 3DDruck auf Molekularbasis. Vor zehn Jahren hat er seine Liebe zum Marathon entdeckt, Bestzeit: 3:14 Stunden. INNOVATOR

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B

evor wir mit der Geschichte Ihrer Lebensrettung ­loslegen, ist es ganz gut, wenn Sie wissen, wo diese Geschichte begann und wo sie derzeit steht. Alles begann damit, dass Michael Greve sehr reich war und sehr ungesund. Reich war er als Generalimporteur des Internets nach Deutschland geworden: Gemeinsam mit seinem Bruder hatte er Anfang der 1990er web.de gegründet, die beiden bauten den Dienst zu Deutschlands digitalem Vorzeige-Start-up auf, verkauften es 2006 um einen dreistelligen Millionenbetrag. Ungesund war Greve geworden, weil er über zwanzig Jahre jedem Lebensstil-Klischee eines Hackers entsprochen hatte: Pizza, Rotwein, Cola, drei ­Packungen Zigaretten pro Tag, Bewegungsradius Schreibtisch–Bett–Kühlschrank. 20 Kilo zu viel. Nach dem web.de-Verkauf war Greve so reich, dass ein Leben auf ihn wartete, in dem die schwierigsten Entscheidungen zwischen Helikopter-Snowboarden in Alaska oder Surfen auf Bali zu fällen ­waren. Oder auf was für ein Internet-Start-up er als nächstes Lust hat. (Drei der Start-ups, auf die Greve Lust hatte, wurden zu Unicorns: Babbel, Staffbase, Mambu – er ist noch heute beteiligt.) Michael Greve dachte sich: Jetzt den Löffel abzugeben, das wäre aber doof. Er begann sich mit Ernährung zu beschäftigen, ließ das mit Cola, Pizza und Rotwein sein, nahm 20 Kilo ab, gab das Rauchen auf, nahm die 20 Kilo wieder zu und wieder ab. Nach insgesamt drei Jahren war sein Körper bereit für ein Leben, dem jahrzehntelang nicht langweilig werden muss. Greve dachte sich: Jetzt den Löffel abzugeben, das wäre erst recht doof. Dann traf er die Entscheidung, die sein Leben veränderte und möglicherweise bald auch Ihres: ­Michael Greve beschloss, die Sache mit der Gesundheit so substanziell anzugehen, dass er begann, sich mit dem Bereich Longevity zu beschäftigen, mit der Wissenschaft der menschlichen Langlebigkeit. Er ackerte Studien durch und begann sich zu engagieren, so aktiv, wie man das eben mit einer neun- bis zehnstellig gefüllten Brieftasche kann, wenn man beschlossen hat, nicht als reichster Mann auf dem Friedhof zu enden.

GRE V E SIEHT DEN V ERFA LL SPROZES S DES A LTERNS A L S EINE BEH A NDELB A RE KR A NKHEIT, NICHT A L S UNENTRINNB A RES SCHICKSA L .

Vor fünf Jahren überwies er die ersten zehn Mil­ lionen an die SENS Research Foundation im Silicon Valley, eine Instanz der Langlebigkeitsforschung. Im selben Jahr, 2016, gründete Greve die Forever Healthy Foundation mit Sitz in den ehemaligen web.de-Büros. Zum Stand der Geschichte per Juli 2021: Forever Healthy ist längst global tätig, Stiftungssprache ist Englisch, die zuletzt aufgenommenen Mitarbeiter sitzen in Istanbul und New York. Von Karlsruhe aus steuert Greve gemeinsam mit einem kleinen Team derzeit 14 Start-ups, die aus besonders vielversprechenden Forschungsinitiativen entstanden sind. Er organisiert in Zusammenarbeit mit der SENS Research Foundation eine jährliche Kon­ ferenz, bei der sich die namhaften Wissenschaftler und Meinungsbildner der Branche treffen („Undoing Aging“, Berlin, nächster Termin: Mai 2022). Als ­globaler Netzwerker sorgt er dafür, dass LongevityForscher in San Francisco, London, Bangkok und Basel nicht unkoordiniert an derselben Sache herumdoktern, sondern auf den Ergebnissen der Kollegen aufbauen (ein bisschen, wie Wings for Life im Bereich Rückenmarksforschung dies tut). Er erstellt mit seinem eigenen Team wissenschaftliche Papers, die man sich als Screenshot des aktuellen Welt­ wissens zu einem Thema vorstellen darf, pro Paper werden 2000 Abstracts und rund 150 Studien durchgearbeitet. Er veröffentlicht sie in einer Datenbank auf seiner Website, für jedermann jederzeit frei zugänglich, sauber portioniert, verständlich übersetzt in praktische Handlungsanregungen,* zum Beispiel die Sache mit dem Fisetin und die mit dem EDTA, wir werden darauf zurückkommen. Er hat sich weltweit zur führenden Figur einer neuen Herangehensweise ans Thema Langlebigkeit gemacht: Er spricht von Rejuvenation, dem Er­halten und Wiederherstellen der Jugendlichkeit. Er spricht davon, den Verfallsprozess des Alterns wie eine behandelbare Krankheit zu sehen, nicht wie ein unentrinnbares Schicksal. Das alles nicht mit dem Ziel des ewigen Lebens, sondern der weitestmöglichen Verlängerung der gesunden Lebenszeit. Damit Sie eine Ahnung kriegen, welche Lawine Greve in den vergangenen fünf Jahren losgetreten hat: Eines der 14 Start-ups ist so weit, dass es Tumore mittels Spritze auflösen kann. Ein anderes kann ­kaputte Arterien reparieren. Im Tierversuch klappt das schon. Als Maus oder als Hase wären Sie mittlerweile ­einigermaßen safe vor Krebs und Arteriosklerose. Michael Greve ist 57, was man ihm nur mit Mühe ansieht. Aus dem Hacker ist ein Biohacker geworden, inklusive Morgenroutine, Dankbarkeitstagebuch, Yoga, Schlaftracking, 30 Nahrungsergänzungsmitteln pro Tag (sie ergänzen eine ohnehin handverlesene Er-

* Wie man gemäß dem neuesten Stand der Wissenschaft nicht stirbt: brain.forever-healthy.org

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57 JA HRE So sieht Michael Greve heute aus. Wir schreiben das Jahr 2021: Aus dem früheren Hacker – drei Packungen Zigaretten pro Tag, 20 Kilo Übergewicht – ist ein Biohacker geworden. Inklusive Morgenroutine, Dankbarkeitstagebuch, Yoga, Schlaftracking, 30 Nahrungsergänzungsmitteln pro Tag. INNOVATOR

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„ OB W IR KREB S, HERZINFA RK T, DEMENZ DE FACTO A B SCH A FFEN, IST KEINE FR AGE DES OB MEHR. ES IST EINE FR AGE DES WA NN.“ nährung), das ganze Programm. Er hat für sich das Ziel definiert, mit siebzig so fit zu sein wie ein Dreißigjähriger. Nicht den Wunsch, das Ziel. Greve sagt auch, Stichwort Ziel: „Ob es gelingt, dass wir die altersbedingten Krankheiten wie Krebs, Herzinfarkt, Demenz de facto abschaffen, ist mittlerweile keine Frage des Ob mehr. Es ist eine Frage des Wann.“ Okay. Also … wann wird es so weit sein? „Manches wahrscheinlich bereits in fünf, zehn, fünfzehn Jahren. Mein Anspruch ist da eindeutig: Ich will das, was wir herausfinden, für mich nützen können, für mein Leben.“ Kleine Pause, damit das Folgende wirken kann, es mag wie ein Eingeständnis klingen, aber es ist, wenn man genauer hinhört, ein Versprechen: „Meine Lebensspanne, das ist der Zeithorizont.“ Das muss man jetzt so deutlich sagen, wie es geht: Der Mann ist kein durchgeknallter Milliardär, der sich das ewige Leben kaufen möchte und in der Mittagspause das Blut von bei Vollmond geopferten Jungfrauen trinkt. Der Mann ist ein extrem erfolgreicher Unternehmer, der gelernt hat, in Visionen, Zielen, Strategien und Ergebnissen zu denken, im Abwägen von Risiken, und der mit diesem unternehmerischen Know-how einen sehr jungen, sehr experimentellen Wissenschaftsbereich antreibt. Mit der schieren Power seiner Kohle natürlich, aber noch wesentlicher als eine Art Manager, Koordinator, Mastermind. „Wissenschaftler sind extrem schlechte Unternehmer“, sagt er. „Wir finanzieren die Startups nicht nur. Vor allem sind wir deren Mentoren.“ Im schlechtesten Fall ist Michael Greve ein hoch motivierter und potenter Mäzen ganz spezieller ­medizinischer Forschung und ein mäßig geduldiger Antreiber, wenn es um deren praktische Umsetzung geht. Im besten ist er für die Menschheit ein Glücksfall historischen Ausmaßes. Hier stehen wir also gerade. Wie geht die Geschichte jetzt weiter? Und wie lange dauert’s noch bis zum Happy End? Was derzeit, Stand: September 2021, normal ist, das muss man nicht unbedingt großartig finden. Jeden Tag sterben weltweit rund 150.000 Menschen. 50.000 davon durch Unfälle, Gewalt, Kriege, solche Dinge, 100.000 sterben durch Krankheiten wie Diabetes, Krebs, Alzheimer, Herzinfarkt. Man könnte vereinfacht sagen: 100.000 Menschen ­sterben jeden Tag an der schlimmsten Krankheit 60

der Welt, am Altern. Weil Zellen durchdrehen, weil sich über Jahrzehnte zu viel Zeug im Körper an­ gesammelt hat, das da nicht hingehört, weil irgendwas zerbröselt oder verstopft oder verklebt, Verschleiß auf allen Ebenen. All das formuliert sich eben irgend­wann in einer dieser Krankheiten aus, jahrelanges Leiden, riesige gesellschaftliche Kosten, familiäre Dramen, Exodus. Damit haben wir Menschen ein paar Millionen Jahre gelebt, damit sind wir Menschen ein paar Millionen Jahre gestorben. Daran haben wir uns gewöhnt. Aber muss es deswegen so bleiben? Nein, sagt Michael Greve. Er erzählt von seiner Oma, die zehn Jahre brauchte, um an Demenz ­zugrunde zu gehen, vor den Augen und im Kreis der Familie. „Sie erkannte irgendwann niemanden mehr, nur meinen Bruder. So etwas soll normal sein? So etwas sollen wir akzeptieren?“ „Wir reden nicht über irgendwann.“ „Was wir jetzt machen“, sagt er, „ist, der ganzen ­Sache auf den Grund zu gehen. Wo fängt der Krebs an, wo Alzheimer? Wo liegt die Wurzel? Und viel wichtiger: Was können wir konkret dagegen tun? Mich interessiert nur Forschung, die in einer Maßnahme mündet. Wir reden also in der Arbeit mit ­unseren Start-ups und bei unserer Konferenz nicht über Fadenwürmer und regulatorischen Kram. Wir reden nicht über irgendwann. Wir reden über den Menschen, über Therapie, und wir reden über zeitnah. Wir reden über Realität, nicht über Science-­ Fiction.“ Über die Karriere einer handelsüblichen alters­ bedingten Krankheit weiß man mittlerweile tatsächlich ziemlich gut Bescheid. Jeder der großen Killer der Menschheit hat seine eigene Wurzel, seine root cause, in Summe sind es rund 30 bis 40 Prozesse, die uns alt und krank machen, sie bedingen und ­begünstigen einander, das tödliche Spiel des bio­ logischen Alterns ist Teamwork. Aber, und das ist eine wirklich gute Nachricht: Diese root causes sind isolierbar, jede für sich erforschbar – und damit jede für sich bekämpfbar.

WAS DA DRAUSSEN GERADE PASSIERT.

BEISPIEL:

SENESZENTE ZELLEN

Jeder von uns besteht aus rund 100 Billionen Zellen. Jede davon geht kaputt, manche alle paar Tage, andere alle paar Jahre. Eine kaputte Zelle wird zerstört, aufgefressen, recycelt, durch eine neue ersetzt. Ein geniales System, aber nicht ganz fehlerlos. Seneszente Zellen sind Zellen, die eigentlich kaputt sind und weggeräumt werden sollten. Aber aus irgendeinem Grund bleiben sie da. Zombies. Das spielt keine Rolle, solange es ein paar wenige sind. Aber im Lauf der Jahrzehnte sammeln sich mehr und mehr und mehr davon an. Nehmen frischen Zellen Platz weg. Und produzieren Gifte. Mehr seneszente Zellen bedeutet mehr Zellgift, mehr Zellschäden, mehr Altern, mehr Krankheit. INNOVATOR


7 7 JA HRE So könnte Michael Greve in zwanzig Jahren aussehen. Wir schreiben das Jahr 2041: Die ersten Start-ups, die er milliardenschwer finanzierte, hatten Erfolg. Sein Körper hat sich auf Zellebene von Grund auf regeneriert, er hat die Welt verändert. Und er hat sein Ziel erreicht, das er 2021 formuliert hatte: „Ich will mit siebzig so fit sein wie ein Dreißigjähriger.“ INNOVATOR

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WAS GRE V E TUT, IST AUS SICHT EINES HERKÖMMLICHEN IN V ESTORS V ERRÜCK T. „ MIR IST DAS EGA L . ES IST MEIN GELD, ICH BIN NIEM A NDEM RECHENSCH A F T SCHULDIG.“

Was können wir derzeit gegen seneszente Zellen machen? Nichts. Außer vielleicht einmal im Monat Fisetin einnehmen, 1,5 Gramm am ersten, 1,5 Gramm am zweiten Tag. „Das klappt ziemlich wahrscheinlich“, sagt Greve. „Und es ist risikolos, die Studienlage eindeutig. Ich persönlich mache es. Kostet 30 Euro pro Monat, Fisetin kriegt man überall, kann jeder machen. Wenn wir in fünf Jahren über Fisetin lachen, ist nix passiert. Wenn wir in fünf Jahren draufkommen, dass Fisetin ­super funktioniert, hab ich fünf Jahre länger davon profitiert.“ Wie schnell werden wir das Problem der seneszenten Zellen wirklich in den Griff bekommen? „Da arbeiten viele dran, nicht nur wir (das Start-up FoxBio im Staat New York ist eines der 14 in Greves Stall; Anm.). Ob wir durchkommen oder ein anderes Unternehmen, ist mir egal.“ Was man sich als Laie gar nicht vorstellen kann: wie Medizin als Business funktioniert. Medizin, da brauchen wir nicht drum herumzureden, ist ein Wirtschaftszweig: Geld zieht kluge Köpfe an, mehr Geld klügere Köpfe, es ist ein schlichter Ver­ teilungskampf der Brainpower, auch Lebensrettung gehorcht den Gesetzen der Marktwirtschaft. Wie geht man unternehmerisch an so ein Startup heran, das seneszente Zellen aus dem Körper oder Krebs aus der Welt schafft? Die Grundlagenforschung ist – Überraschung! – der wesentlich kleinere Teil. „Es kann schon nach ein paar Millionen so weit sein, dass du über die Gründung eines Start-ups nachdenken kannst.“ Und das Start-up übersetzt einfach die Theorie in die Praxis? Man nimmt ein Reagenzglas, multi­ pliziert es zehn Millionen Mal und schickt das Medi­ kament raus in die Apotheken? Wäre das so, würden wir alle längst drei Tabletten pro Tag nehmen, und Krebs, Alzheimer, Diabetes, Schlaganfall wären kein Thema mehr. Es ist nicht so. Jedes Start-up im Rejuvenation-Bereich ist eine Expedition: Man hat eine ziemlich klare Idee vom Ziel, aber man hat nur eine ungefähre Ahnung, wo der Weg dorthin verläuft, keine Ahnung, welche Hindernisse unterwegs warten, und vielleicht gibt es ja überhaupt keinen Weg zum Ziel. Fix ist ledig­ lich: Wer nicht mit 200, 300, 400 Millionen Euro im Gepäck startet, braucht gar nicht erst loszugehen. Was Greve tut, ist aus Sicht eines herkömmlichen Investors verrückt. „Das weiß ich natürlich, aber mir ist das egal. Wir gehen rein, wenn uns die Science dahinter überzeugt. Wir investieren, wir gründen, wir stellen ein Team zusammen. Ich kann das so ­machen, weil es ja mein Geld ist. Ich bin niemandem Rechenschaft schuldig. Ist es weg, ist es weg. Mein Ding.“

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WAS DA DRAUSSEN GERADE PASSIERT.

BEISPIEL:

KREBS

Es gibt Menschen, deren Immunsystem killt Krebs­ zellen. Sie sind immun gegen Krebs. Das Londoner Start-up Lift BioSciences nützt die rätselhafte Fähigkeit dieser Menschen. „Wir ernten quasi das Immunsystem dieser Leute“, sagt Greve. „Wir multiplizieren es im Bioreaktor und machen es injizierbar. Im Tier­ versuch sieht das bereits so aus: Mäuse mit daumengroßen Tumoren kriegen eine solche Spritze. 48 Stunden später ist der Krebs weg.“ … weg? Krebs? „Ja. Weg. Krebs. Nicht Blutkrebs, da klappt es nicht, aber Tumore.“ Wie lange dauert’s, bis die Krebsspritze den Weg von der Maus in unsere Krankenhäuser geschafft hat? „Das ist abhängig von den klinischen Phasen. Ich rechne mit fünf, sieben, zehn Jahren.“ Und wie realistisch …? „… kannst du noch nicht sagen. Es schaut wirklich nicht schlecht aus. Aber ganz sicher weiß man bei all diesen Unternehmen ohnehin nur eines: Wenn es ­niemand macht, bleibt die Wahrscheinlichkeit immer bei null.“ Game over, jederzeit. Bleiben wir noch beim Bild der Expedition. Ein Medi­ kament kann in der Theorie, im Reagenzglas und im Tierversuch noch so gut funktionieren, das letzte, härteste Stück des Wegs besteht aus vier Etappen, es sind vier klinische Phasen vom perfekten Tier­ versuch in die Apotheke zu überwinden. In Phase 1 wird offiziell nur darauf geachtet, ob das Mittel dem Menschen schadet. Kleine Gruppe, meist gesunde Leute, intensive Kontrollen. „In­ offiziell achtest du natürlich darauf, ob das Mittel auch die Wirkung entfaltet, die du dir erwartest, sonst machst du gar nicht weiter.“ Wenn alles INNOVATOR


­ erfekt passt: weiter zu Phase 2, erste Anwendungen p bei möglichen Patienten, Check von Wirksamkeit und Sicherheit, intensive Kontrollen. Wenn einer der Probanden Schlafstörungen kriegt, eine Allergie bemerkt oder ihm ein paar Haare ausfallen, steht das Ding, bis man ausschließen kann, dass es mit dem Mittel zu tun hat. Phase 2 überstanden, alles immer noch perfekt? Dann Phase 3. Eine klinische Studie mit rund 1000 Probanden, läuft in der Regel über zwei Jahre und in verschiedenen Kranken­ häusern. In Phase 4 wird das neue Mittel, frisch ­zugelassen, in der Praxis beobachtet. Während des gesamten Prozesses – ja, auch nach der Zulassung – kann jeden Tag ein Ergebnis aus ­irgendeinem Labor, aus irgendeinem Krankenhaus kommen, das die ganze Geschichte kippt, Game over. Du bist fünf, zehn, fünfzehn Jahre lang buchstäblich nur einen Telefonanruf vom Totalausfall entfernt. Wenn niemand anruft, gehst du irgendwann in die Produktion. Das bedeutet dann: nicht mehr im Labor Kleinstmengen für Studien produzieren, sondern in einer großen Anlage marktfähige Men­ gen, wieder Millionen und Abermillionen zusätz­ liche Kosten, riesiger technischer, organisatorischer, personeller Aufwand. Aber dann sieht die Welt vielleicht ja schon an­ ders aus als vorher.

WAS DA DRAUSSEN GERADE PASSIERT.

BEISPIEL: HERZINFARKT, SCHLAGANFALL „Wenn Cholesterin in den Wänden unserer Blutgefäße oxidiert, entsteht etwas, das von unserem System als Fremdkörper erkannt wird. Das Immunsystem wird gerufen, die sogenannten Makrophagen treten an, ­stecken dieses oxidierte Cholesterin in ihre interne Müllverbrennungsanlage, die Lysosomen. Dort werden Giftstoffe, Proteinreste und der ganze andere Müll zerlegt, den wir loswerden müssen. Nur kann im Lysosom unserer Zellen dummerweise dieses oxidierte Cholesterin nicht runtergebrochen werden. Dafür haben wir kein Enzym. Das ist Scheiße. Was nämlich dann passiert:

DU IN V ESTIERST HUNDERTE MILLIONEN. UND BIST DIE N ÄCHSTEN ZEHN, FÜNF ZEHN JA HRE NUR EINEN TELEFON A NRUF VOM TOTA L AUSFA LL ENTFERNT.

Die Immunzellen nehmen immer mehr von diesem Cholesterin auf, die Lysosome dehnen sich weiter und weiter aus, es entsteht Plaque. Die Plaque sammelt sich in der Arterienwand, die reißt irgendwann, der Körper erkennt eine Verletzung, Blutgerinnung, es formt sich ein Blutklumpen-Plaque-Knäuel, die Arterie wird verstopft. Das nennen wir dann Herzinfarkt. Oder Schlaganfall, wenn der Klumpen ein Gefäß im Hirn verstopft.“ Underdog Pharmaceuticals in Mountain View, Kalifornien, arbeitet an der Abschaffung von Herzinfarkt und Schlaganfall, und zwar so: „Wir haben einen speziellen Zucker entwickelt, der heißt Zyklodextrin. Er geht über die Blutgefäße in die Arterienwand in die Makrophagen ins Lysosom, greift sich das oxidierte Cholesterin, transportiert es aus dem Lysosom, aus der Makrophagen, raus aus dem Körper. Wie du ganz normal Giftstoffe entgiftest. Der Zucker arbeitet die Plaque weg, und sie wird aus­ geschieden wie jeder andere Giftstoff.“ Ich schlucke also eine Zuckerpille und scheide die Plaque meiner Arterien aus? Einfach so? Über, äh, Stuhl und den Harn? „Das ist der Plan.“ Und wann wird das …? „Bei Mäusen klappt es so gut, dass wir nächstes, übernächstes Jahr in die Phase 1 gehen können.“ Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass beim ­Menschen funktioniert, was bei Mäusen funktioniert? „In diesem Fall ziemlich gut, weil Mäuseplaque und Menschenplaque einander sehr ähnlich sind. Aber wie weit der Weg wirklich ist, können wir noch nicht sagen, das ist einfach so in der Bioscience, da tauchen unterwegs die irrsten Dinge auf: Zyklodextrin zum Beispiel verursacht in extrem hoher Dosierung unter Umständen Hörschäden. Keiner weiß, warum. Daran arbeiten wir jetzt. Dann geht’s weiter.“ Greves Ziel mit Zyklodextrin ist sehr konkret: eine Zuckerpille pro Tag als Schutz vor Herzinfarkt und Schlaganfall, Verkaufspreis maximal zehn Dollar pro ­Monat. „Alles, was wir entwickeln, soll für jeden auf der Welt erschwinglich sein“, sagt er. „Das ist mir extrem wichtig. Diese neuen Medikamente müssen nicht ­tausende Dollar kosten. Bei zehn Dollar pro Monat, in ärmeren Ländern vielleicht nur einen oder zwei, ­ver­dienen wir immer noch mehr als genug.“ „Das wird die größte Industrie der Welt.“ Greve war immer Geschäftsmann und wird es für immer bleiben, wenn’s gut läuft, sogar für die nächs­ ten hundert Jahre. Er verhält sich wie ein Mäzen, aber er denkt, fühlt, handelt, redet wie ein Unter­ nehmer. „Rejuvenation wird die größte Industrie der Welt werden. Davon bin ich hundertprozentig überzeugt. Sieh dir das an“, er nimmt sein iPhone vom Tisch, „das ist die derzeit wertvollste Marke der Welt. Tele­ fone. Man muss nicht lange überlegen, was mehr

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„ REJU V EN ATION IST SO E T WAS W IE DIE DIGITA LE RE VOLUTION, NUR V IEL , V IEL GRÖS SER: ES W IRD DIE GRUNDLEGENDSTE V ER Ä NDERUNG IN UNSERER GESA MTEN GESCHICHTE SEIN.“

wert ist: ein Telefon oder ein Leben ohne Krebs, ohne Schlaganfall, ohne Demenz.“ Greve weiß, was es heißt, Pionier zu sein. „Ich habe die Entwicklung von keinem PC zum PC mit­ gemacht, die Entwicklung des Internets, von Mobile, von Cloud Services, von all diesen Dingen, die unsere Welt komplett verändert haben. Und das hier wird genau so etwas werden wie die digitale Revolution, nur viel, viel größer. Rejuvenation wird die grund­ legendste Veränderung sein, die wir überhaupt ­er­leben in unserer gesamten Geschichte. Um zu ­erkennen, dass es auch das größte Business der Ge­ schichte wird, dafür reicht ein klein wenig Mathe­ matik: Vier Milliarden Menschen über vierzig Jahren, zehn Dollar im Monat, macht 480 Milliarden Dollar Jahr für Jahr. Das ist eine Fünf-Billionen-DollarCompany. Das sind die Dimensionen, und da reden wir nur von e­ iner root cause.“

WAS DA DRAUSSEN GERADE PASSIERT.

BEISPIEL:

MITOCHONDRIEN

Mitochondrien haben wir zu Zigtausenden in jeder ­einzelnen Körperzelle. Sie werden als „Zellkraftwerke“ bezeichnet, zu Recht, denn sie erzeugen ATP, Adenosin­ triphosphat, unseren Lebenstreibstoff. Menschen­ benzin. Wir produzieren und verbrauchen sehr viel ­davon, ein 70-Kilo-Mensch etwa 35 Kilo pro Tag, und wir hängen davon ab, dass unsere Mitochondrien in Topform sind: Legen sie zum Verschnaufen eine fünf­ sekündige Pause ein, sind wir tot. Mitochondrien werden mit dem Alter ein wenig nachlässig. Das ist keine gute Nachricht, denn das macht unser Immunsystem ebenfalls nachlässiger, wir ­werden insgesamt schlapper, müder, kranker. Die ­Forschung ist sich ziemlich sicher, dass gesunde ­Menschen gesunde Mitochondrien haben, schlappe schlappe und kranke kranke. Cellvie ist eines der 14 Start-ups aus Greves Stall, das Unternehmen mit Standorten in Zürich, Boston (Massachusetts) und Houston (Texas) arbeitet an ­etwas, was sich Therapeutic Mitochondrial Transfer nennt. Therapeutic Mitochondrial Transfer ist tatsächlich, wonach es klingt: der Transport von Mitochondrien.

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Im Office der Forever Healthy Foundation Von Karlsruhe aus verändert der ehemalige ­Internet-Pionier Michael Greve möglicherweise unser aller Leben grundlegend.

Man entnimmt einem 25-jährigen Kraftsportler ein paar seiner Kraftwerke, vervielfältigt sie in einem Bio­ reaktor und injiziert sie zum Beispiel einem Siebzig­ jährigen, der nach einer schweren Operation auf der ­Intensivstation liegt. Cellvie ist so weit, dass man Mitochondrien nicht nur injizieren, sondern auch einatmen kann. Sie werden über die Lunge aufgenommen, ohne Immunreaktion, ohne Abstoßung, egal welcher Spender, egal welcher Empfänger. Es wird einen Mitochondrienspray geben. Er wird Millionen von Menschen mit Lungenkrankheiten das Leben vereinfachen und retten. INNOVATOR


Wir werden Lebensenergie, Gesundheit und Vita­lität von einem Menschen zum anderen übertragen. Wir werden mithilfe von Mitochondrien alle Arten von Transplantationen vereinfachen. Und: Wir retten bereits jetzt Leben. „Wir sind so weit, die Technik konkret beim Menschen anzuwenden“, sagt Greve, „wir setzen sie bei Kindern ein, die mit einem bestimmten Fehler im Herzmuskel zur Welt kommen. Bisher starben 80 Prozent dieser Kinder. Wir injizieren Mitochondrien der Mutter in den Herzmuskel des Neugeborenen. Damit haben wir die Sterblichkeit runtergekriegt auf 30 Prozent.“ Wie alt werden wir eigentlich werden? „Keine Ahnung“, sagt Greve. „Das wissen wir nicht. Irgendwas bei 120, 150, 180 vielleicht. Wenn du ­einen Oldtimer nicht pflegst, ist er nach 50.000 Kilometern kaputt. Wenn du ihn in die Garage stellst, wartest, Öl wechselst, auf den Rost schaust … dann läuft er wie lange? 300.000 Kilometer? 500.000?“ Wie alt möchtest du werden? „Diese Frage stellt sich mir so nicht. Es geht um Qualität, nicht um Quantität. Ich will, solange ich lebe, alles tun können, was ich will, snowboarden, arbeiten, egal. Ich will am Ende meines Lebens nicht zehn Jahre unter einer grauenhaften Krankheit leiden, die man hätte verhindern können. Und ich will in ­einer Welt leben, in der das, was für mich möglich ist, für alle Menschen möglich ist.“

WAS DA DRAUSSEN GERADE PASSIERT.

BEISPIEL:

VERKALKUNG

Wir hatten das Thema Plaque ja vorhin schon, beim ­oxidierten Cholesterin und diesem Wunderzucker, an dem Underdog Pharmaceuticals arbeitet. Da ging es um die sogenannte weiche Plaque. Es gibt aber auch harte Plaque, Verkalkung, Knochenmaterial, das sich an ­falschen Stellen abgelagert hat. In Arterien, im Kapillarsystem, den Nieren, der Lunge, dem Herzmuskel. Die Gefäße werden spröde, brüchig und gehen kaputt. „Es gibt schon ziemlich lange eine Möglichkeit, ­Verkalkung zu entfernen. Sie nennt sich EDTA, das ist ein spezielles Protein, kostet kaum was, wird vielleicht deswegen in der Medizin kaum eingesetzt, wer weiß. EDTA wurde im vergangenen Jahrhundert bei Arbeitern in Batteriefabriken zur Bleientgiftung eingesetzt – und irgendwann bemerkte man: Die Arbeiter kriegen weniger Herz-Kreislauf-Erkrankungen als andere Menschen. Lag am EDTA, kam man drauf. Heute gibt es EDTA-­ Infusionen, Routine, mach ich auch, hat einen Nachteil: Es ist ein Zufall, ob das injizierte EDTA im Körper die Stelle erreicht, an der sich diese Kalk-Plaque gebildet hat, oder ob es irgendwo im Körper verebbt.“ Elastrin Therapeutics, Sitz in South Carolina, USA, hat eine Technik entwickelt, um EDTA punktgenau zur Kalk-Plaque zu führen: „Wir laden Nanopartikel mit EDTA auf, rüsten diese Nanopartikel so aus, dass sie genau an jenen Stellen in unserem Bindegewebe INNOVATOR

an­docken, an denen Elastinfasern gebrochen sind. Also g ­ enau dort, wo Verkalkung entsteht. Die spüren sie auf, dort lassen sie das EDTA los. Und weil wir schon dabei sind, schicken wir weitere solcher Nanopartikel los mit einem anderen Wirkstoff, PGG, der repariert auch gleich das kaputte Elastin. Das heißt: Wir können verkalkte Arterien nicht nur entkalken, sondern sie auch heilen. Bei Hasen sind wir so weit, dass wir mit dieser Technik Aneurysmen wegbekommen.“ Aneurysmen sind Arterienschäden, die völlig sym­ptomfrei von einer Minute auf die andere weltweit über 500.000 Menschen pro Jahr aus dem Leben reißen. Wie sieht eine Welt aus, in der wir alle 120, 150, 180 Jahre alt werden? Was passiert, wenn Ihnen Greve mit seiner Forever Healthy Foundation tatsächlich irgendwann das ­Leben rettet, und 20.000, 30.000, 70.000, irgendwann 100.000 weiteren Menschen, Tag für Tag? Weil seine Start-ups ein Mittel gegen Krebs, gegen Herzinfarkt, gegen Demenz gefunden haben? Weil wir uns jeden Morgen einen Schub frische Mitochondrien reinziehen anstelle eines Kaffees – und uns nicht nur einen schnellen Koffein-Kick holen, sondern einen Turbo-Boost für unsere Jugendlichkeit und Vitalität? Das bedeutet weniger Leid, ja, immens reduzierte Kosten fürs Gesundheitssystem, ja, und man kann auch auf lustige Ideen kommen: Rafael Nadal gewinnt das Turnier in Paris 75-mal, Achtzigjährige stürmen die Unis, bei Marathons braucht man 120-plus-Altersklassen, und Neunzigjährige stellen sich eine Harley-Davidson in die Garage, weil sie die Midlife-Crisis gepackt hat. Aber ganz im Ernst: Was passiert mit unserer Gesellschaft? Mit unserem Planeten? Verhungern wir

R A FA EL N A DA L GE W INNT DAS TURNIER IN PA RIS 75-M A L , 80-JÄ HRIGE STÜRMEN DIE UNIS, BEI M A R ATHONS BR AUCHT M A N 120-PLUS -A LTERSKL AS SEN.


alle, weil wir nicht mehr sterben? Auf dem Planeten Erde gibt’s nun mal nicht mehr als 149 Millionen Quadratkilometer Festland, und wer stirbt, macht letztlich ja auch … Platz für andere? Haben wir ­irgendwann alle zu wenig Platz? Das sind Fragen, die an Michael Greves Lebenszweck rühren: Er könnte seine Tage mit Snowboarden und Surfen verbringen, er könnte den Pilotenschein machen, zwischendurch ein paar IT-Unicorns hochziehen, seinen Kontostand beobachten wie ­unsereiner beim Tanken die Anzeige an der Zapf­ säule, er könnte jeden Abend Partys schmeißen und mit den besten Wissenschaftlern der Welt eine Art ­persönliches Experiment der ewigen Jugend veranstalten. Das interessiert ihn aber nicht. Aus seinem persönlichen Gesundheitsprojekt ist eine Mission geworden. Wenn man die oben genannten Fragen stellt, sagt er: „Welche Krankheit sollen wir denn nicht heilen wollen? Sollen wir nichts gegen Krebs machen? Nichts gegen Schlaganfall? Nichts gegen Demenz? Was sollen wir auslassen, sag’s mir!“ Aber was macht das mit uns als Menschheit, wenn es immer mehr von uns gibt? Wuchern die Städte einfach zu Mega-Zigmillionen-Molochen? Siedeln wir die Alpen kaputt? Führen wir Kriege um Lebensraum? Wirft uns der Planet eines Tages überhaupt nur mehr ab, weil er keine Luft mehr kriegt? Ich komme mir wahnsinnig unprogressiv vor, wenn ich diese Fragen stelle. Aber sind sie un­ berechtigt? Michael Greve hält sie für unberechtigt, weil er die Perspektive infrage stellt, aus der sie kommen. Es wird wohl zu einem Teil seiner Mission werden, nicht nur unsere Perspektive auf unsere Gesundheit und unsere Lebenserwartung zu verändern, sondern auch unsere Perspektive auf Zukunft, denn davon wird es möglicherweise relativ bald sehr viel mehr geben. Greve kann Zukunft, Greve liebt alles, was mit Zukunft zu tun hat, das hat er als digitaler Revolu­ tionär bewiesen, und er ist ein völlig untalentierter Bedenkenträger. Er sieht Chancen, wo andere Bedrohungen sehen, sonst hätte er ja auch niemals ­diese ganzen Unicorns hochgezogen. „Unsere Welt ändert sich radikal, und es geht ­exponenziell schnell“, sagt er, „ob wir wollen oder nicht. Raumfahrt, künstliche Intelligenz, Robotik, selbstfahrende Autos, es wird superschnelles Internet an jedem Punkt der Welt geben. Du wirst vom Nordpol aus arbeiten können wie heute im Home­ office. Nimm Nanotechnologie, da ist den meisten Leuten nicht einmal klar, was das bedeuten wird. Es kommt molecular assembling, 3D-Drucker, aber eben auf Atomebene. Weiß keiner, ist zum Teil sogar schon da. Unsere Welt wird eine andere sein, egal ob wir sie mitgestalten oder nicht, egal ob wir die Änderungen toll finden oder nicht. Die Veränderungen werden radikal sein, und sie bedeuten vor allem eines: jede Menge riesiger Chancen.“

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GRE V E W ILL AUCH UNSERE PERSPEK TI V E AUF DAS THEM A ZUKUNF T Ä NDERN, DENN DAVON W IRD ES MÖGLICHERW EISE REL ATI V B A LD SEHR V IEL MEHR GEBEN.

WAS DA DRAUSSEN GERADE PASSIERT.

BEISPIEL: FALTEN, BLUTHOCHDRUCK Dass unsere 100 Billionen Zellen keinen wabbeligen Haufen bilden, sondern einen meist recht ordentlich strukturierten, halbwegs festen Körper, liegt an der ­sogenannten extrazellulären Matrix. Die hält jede Zelle an ihrem vorgesehenen Platz, im Wesentlichen besteht diese dreidimensionale, wunderbar flexible und ge­ schmeidige Matrix aus Kollagen. Flexibilität und Geschmeidigkeit der Matrix gehen mit dem Alter verloren, das ist es auch, was unsere Haut älter aussehen lässt. Der Grund für Falten und ­andere Verhärtungen und Versteifungen der Matrix ist Zucker, der sich mit dem Kollagen zu sogenannten ­Advanced Glycation Endproducts (AGEs) verbindet. Diesen Prozess können wir durch unseren Lebens­ wandel verlangsamen, aber nicht stoppen. (Und noch weniger umkehren, nicht einmal mit Cremes um 400 Euro für 30 Gramm, leider.) Natürlich altern wir nicht nur äußerlich. Auch unsere Gefäße bilden AGEs, wir kriegen altersbedingten Blut­ hochdruck, mehr Plaque, mehr Arterienverletzungen, der Rest: siehe oben. Unser Körper kann diese AGEs nicht aufbrechen, und wenn wir das nicht in den Griff bekommen, sterben wir früher oder später an jenem Prozess, der für unse­ re Falten verantwortlich ist. Das möchte Revel Pharmaceuticals, Sitz in San Francisco, ändern. (Und, ja, weil Sie die Frage jetzt nicht aus dem Kopf kriegen: Sie haben recht, AGEs auf­ brechen, das wäre der ganz große Anti-Falten-Durch­ bruch. Hat Revel Erfolg, sieht unsere Haut mit neunzig wirklich aus wie mit 25.) Als man versuchte, AGEs für die Forschungsarbeit zu isolieren – aus nachvollziehbaren Gründen nicht von lebenden Menschen –, machte man eine erstaunliche Entdeckung: Leichname haben keine AGEs. Sobald wir tot sind, werden diese garstigen ZuckerProtein-Verbindungen nämlich von Enzymen zersetzt, INNOVATOR


die wiederum von speziellen Bakterien hergestellt werden. Revel kann diese Bakterien kultivieren und die ­erzeugten Enzyme abernten, quasi in einer Art Nutz­ bakterienhaltung. Und mittlerweile kann man AGEs auch industriell herstellen (Finanzierung der entsprechenden Entwick­ lung: Forever Healthy Foundation). Am Beginn des Wegs zu AGEs, ohne lebenden Menschen Fleischstücke rauszuschnitzen, stand jedoch, festhalten jetzt: Hühnersuppe. Man extrahierte die Verklebungen, die uns alt und faltig machen, indem man Hühnerknochen auskochte. Vielleicht werden wir alle 150 Jahre alt, weil jemand auf die Idee gekommen ist, Bakterien mit Hühnersuppe zu füttern. Sage noch irgendwer, die Evolution hätte keinen Humor. Schlusswort: Michael Greve. „Nur mal hypothetisch, du lebst 150 Jahre. Da machst du ja mehrere Karrieren, da lebst du mehrere berufliche Leben, bist vielleicht fünfzig Jahre Arzt und fünfzig Jahre Gärtner? Wir werden alle länger gesund sein, länger produktiv, wir werden alle länger im Saft stehen, stellen wir uns vor, was das bedeutet: Ingenieure, Forscher, Manager, Künstler, die achtzig, neunzig, hundert sind, mit all ihrer Lebenserfahrung, aber mit der Energie eines Dreißigjährigen! Wie toll ist das?“ „Ich bin absolut überzeugt: So wie wir heute aufs Mittelalter gucken – die Gülle schwimmt die Gosse lang, die Leute stinken und sterben mit 35 –, so wird man auf unsere Zeit blicken. Man wird sich das alles nicht mehr vorstellen können. Man wird über uns sagen: ‚Die sind alle an diesen fürchterlichen Krank­ heiten zugrunde gegangen, an Herzinfarkt, Schlag­ anfall, Alzheimer. Die haben das Wasser und die Luft verseucht und giftige Sachen in sich reinge­ stopft. Die haben sich auf dem Planeten benommen wie rotzige Teenager in ihrem Wohnzimmer.‘ Das werden die Menschen der Zukunft über uns sagen. Sie werden den Kopf schütteln und froh sein, dass sie in der zivilisierten Zeit, auf einem gesunden ­Planeten leben. Dass wir dorthin kommen, so schnell wie möglich, dazu möchte ich einen Beitrag leisten. Dass wir dafür natürlich sofort anfangen müssen, unser Wohnzimmer sauber zu halten, das ist klar, egal ob es Rejuvenation gibt oder nicht. ­Natürlich brauchen wir nachhaltige, saubere Land­ wirtschaft, nur noch erneuerbare Energien, radikal konsequenten Umweltschutz, am besten das alles sofort. Wir werden das Thema Einkommen neu ­denken müssen. Aber das müssen wir doch sowieso, auch ohne Rejuvenation.“ „Was ich weiß – zu hundert Prozent –, ist, dass wir Menschen das alles schaffen können. Dass wir dazu in der Lage sind, eine Gesellschaft zu ent­ wickeln, eine Welt zu erschaffen, in der einfach nur Spaß macht, richtig alt zu werden, und in der das auch für alle möglich ist.“

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DIE GENIALE KRAFT Licht, Wasser, Kälte, Schlaf: Der Mensch hat noch kein Gadget, kein Medikament, kein Gerät erfunden, das so zuverlässig wirkt wie die Natur.

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LICHT Unser moderner Lebensstil verstellt unsere innere Uhr. Doch es ist gar nicht so schwer, sie wieder in den richtigen Rhythmus zu bringen.

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LICHT DER DIRIGENT UNSERER ZELLEN WAS BRINGT’S MIR?

Unsere Zellen, unsere Organe, unser gesamter Organismus kann nur im Zusammenspiel funktionieren: L ­ eber, Lunge, Niere, Herz und Gehirn, Haut und Mus­keln müssen ja wissen, was die anderen tun, damit sie selbst in jedem Moment das tun, was zu tun ist, damit das ganze ­System läuft. Das muss alles sehr, sehr fein abgestimmt werden. Für diese Abstimmung verwendet der Körper Hormone und ­Botenstoffe. Aber der wichtigste Taktgeber ist das Licht, das wir aufnehmen, über die Augen und über die Haut. Licht ist der wichtigste D ­ irigent unseres Lebens: Das richtige Licht zur richtigen Zeit verwandelt den chaotischen Haufen der 100 Billionen Zellen unseres Körpers in ein perfekt abgestimmtes Orchester. Außerdem ist UV-B-Licht die Zutat, aus der unser Körper das lebens­wichtige Vitamin D bildet.

IM SCHL A F W ERDEN W IR KLÜGER, W IR  W ERDEN STÄ RKER UND AUSDAUERNDER, WIR WERDEN GESÜNDER. GEBEN WIR DEM SCHL AF DIE OBERSTE PRIORITÄT IN UNSEREM LEBEN .

im deutschen Sprachraum zu haben. Mit Alexander gibt es jede Menge spannende Podcasts, sein Videokanal ist auf der Plattform Vimeo zu finden. Und er hat die Bibel zur Lichtbiologie verfasst: „Die Kraft des Lichts“.

SCHLAF DER BIOHACK NUMMER 1 WAS BRINGT’S MIR?

DORIS WUNSCH, MATTHIAS WEISSENGRUBER, PROF. DR. MED. H.C. GÜNTHER W. AMANN-JENNSON

WAS TU ICH?

Rausgehen! Morgens, mittags, abends natürliches Licht aufnehmen, und mittags am besten 10 bis 15 Minuten lang mit so viel unbedeckter Haut wie möglich. (Vitamin-D-Hack: Deine Haut bildet Vitamin D, wenn die ­Sonne steiler steht als 42 Grad. Wenn der Schatten, den du wirfst, kürzer ist als du selbst, klappt’s also mit der Vitamin-D-Bildung.) Abends blaues Licht aus Monitoren, Energiesparund LED-Lampen meiden und/oder eine Blueblocker-Brille verwenden. Apropos Zusammenspiel der Zellen: Ich trage keine Sonnenbrille mehr. Aus einem einfachen Grund: Wer eine Sonnenbrille trägt, erhöht die Gefahr eines Sonnenbrands. Denn der Körper erhält zwei einander widersprechende Signale – Schatten auf den Augen, Licht auf der Haut –, damit kann er schlicht nicht gut umgehen.

WER WEISS MEHR? Dr. Alexander Wunsch. Wir haben das Glück, mit dem Heidelberger Arzt den wichtigsten Lichtbiologen der Welt

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Es ist ganz einfach, und man kann es nicht oft genug sagen: Wer besser schläft, lebt besser. Schlaf ist das stärkste, wichtigste, wirkungsvollste Mittel für Entspannung, Erholung, Regeneration, Heilung. Schlaf ist das Fundament unserer Leistungsfähigkeit, unserer Gesundheit, unserer Langlebigkeit. Im Schlaf werden wir klüger, weil wir das untertags ­Gelernte in unser Gehirn sortieren. Wir werden stärker und ausdauernder, weil wir die Schäden, die jedes Training verursacht, nicht nur ­reparieren, sondern den Ausgangs­ zustand sogar verbessern – das ist es, was wir Trainingseffekt nennen. Wir werden gesünder, weil das ­so­genannte glymphatische System ­unser Gehirn von Abfallstoffen ­reinigt, weil Schäden an Zellen im ganzen Körper repariert werden. Der häufig gebrauchte Vergleich des Schlafs mit dem Aufladen einer Handy-Batterie ist nicht korrekt. Denn wir Menschen laden unsere Batterien selbst auf – und nicht nur das. Wir verbessern dabei sogar die Ladekapazität unserer Batterien. Das Einzige, was wir dafür tun müssen: dem Schlaf die oberste Priorität in unserem Leben geben …

WAS TU ICH?

… und genau darum geht es: dem Schlaf die oberste Priorität im Leben zu geben! Ich verbessere meinen Schlaf aktiv, indem ich drei Stunden vor dem Zubettgehen nichts mehr esse, zwei Stunden davor anregende Lichtimpulse ausschalte (so wenig Bildschirmlicht wie möglich, nur Glühlampen verwenden, Blue­blocker-­ Brille benützen) und ins­gesamt abends Stress wo immer m ­ öglich meide. Das Schlafzimmer soll dunkel sein, im Idealfall wirklich Hand-vorden-Augen-nicht-sehen-dunkel und kühl, am besten zwischen 16 und 20 Grad. Magnesium wirkt bei vielen, aber nicht bei allen, ebenso wie ­Ashwagandha, aber beides unbedingt einmal ausprobieren! Ich nehme zwei bis drei Stunden vor dem Schlafen­ gehen Melatonin, das sogenannte „Schlafhormon“, das so viel mehr kann, als uns nur müde zu machen. Manche Ärzte warnen davor, aber die aktuelle Studienlage ist eindeutig: Die körpereigene Bildung wird durch eine Einnahme nicht gehemmt. Melatonin ist absolut einen Versuch wert.

WER WEISS MEHR? Einer der spannendsten Schlaf-­ Experten der Welt kommt aus Vor­ arlberg: Prof. Dr. Günther Amann-­ Jennson hat das Schlafsystem Samina entwickelt, teuer, aber wohl das ­Beste, was man derzeit auf dem Markt kriegt. Amann-Jennson, Arzt und ­Psychologe, stellt auf seiner Website einfach-gesund-schlafen.com exzellenten Gratis-Content zur Verfügung.

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ERDUNG D A S P O S I T I V E A M N E G AT I V E N WAS BRINGT’S MIR?

Klingt nach Eso-Zauber, ist aber ­glasklare Physik: Der Ionenaustausch mit der negativ geladenen Erde ­reduziert oxidativen Stress und damit die saugefährlichen chronischen ­Entzündungsprozesse, weil diese ­unseren Organismus positiv aufladen. (Oxi­dativer Stress ist übrigens ein Turbo für den Alterungsprozess.) Das Einzige, was wir dafür tun müssen: mit dem Planeten in direkte ­Berührung zu kommen. Dann können die Elektro­nen fließen. Also ­barfuß über eine Wiese zu gehen oder in ­einem natürlichen Gewässer zu ­baden, zum Beispiel. Ein zweiter Benefit des direkten Kontakts zur Erde: Die 7,83 Hertz, mit denen die Erde schwingt – das ist die sogenannte Schumann-Frequenz –, können eventuell sogar elektromagnetischen Stress reduzieren. WAS TU ICH?

Schuhe ausziehen und barfuß in ­meinem Garten, im Wald, auf einer Wiese herumspazieren. Hin und ­wieder in ein natürliches Gewässer hüpfen und nicht nur in meiner ­Eiswasser-Truhe im Lab planschen. Ich schlafe auch geerdet, aber das ist ein spezielles Thema, denn die Verwendung von Erdungslaken oder ähnlichen Produkten ergibt nur Sinn, wenn es keine Elektrosmog-Belastung durch WLAN oder Ähnliches gibt. Sonst verwandelt dich die Erdung in eine menschliche Antenne … und das ist so ziemlich das Gegenteil von dem, was wir erreichen wollen.

WER WEISS MEHR? Marco Grosch alias „Minimalist Bio­ hacker“, ein Vorarlberger, weiß in ­vielen Bereichen exzellent Bescheid. Einer davon ist das Erden, dem er sich immer wieder auf seiner Website ­(minimalist-biohacker.com) und in ­seinem Instagram-Feed widmet.

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ERDUNG Der direkte Kontakt zu natürlichem Boden (oder einem ­natür­ lichen Gewässer) bringt unseren Elektronen-Haushalt in Ordnung.

DER MUND IST ZUM ES SEN, ZUM KÜS SEN UND – DAS W EIS S ICH BESONDERS GU T – ZUM REDEN DA . A BER NICHT ZUM AT MEN . SCHON GA R NICHT ZUM EIN AT MEN! INNOVATOR


AT M U N G DIE FERNBEDIENUNG UNSERES GEHIRNS

FÜHREN W IR UNSEREM ORGA NISMUS VON AUS SEN KEINE ENERGIE ZU, HOLT ER SIE SICH VON INNEN – ER FRIS ST BESCH Ä DIGTE ZELLEN AUF. FASTEN IST DIE BE ST E INNERE REINIGUNG, DIE E S GIB T !

WAS BRINGT’S MIR?

Atmung ist ein unfassbar mächtiges Tool: Ich kann mich ruhig atmen, ich kann mich in Rage und in Rausch ­atmen. Mit keiner anderen Inter­ vention greife ich so direkt auf mein ­Gehirn und vegetatives Nervensystem zu. Boxbreathing etwa – vier Sekun­ den einatmen, vier Sekunden halten, vier Sekunden ausatmen, vier Sekun­ den halten, probieren Sie’s gleich! – hilft dem Scharfschützen genauso wie dem Referenten vorm Podium beim Ruhigwerden. Die berühmte Wim-Hof-Atmung kann das Immun­ system stärken und in Kombination mit Kälte Depressionen lindern. Wem es ­gelingt, im Alltag konsequent durch die Nase und nicht mehr durch den Mund zu atmen, hat allein dadurch einen ganz großen Schritt in Richtung Gesundheit geschafft.

MARCO GROSCH MINIMALIST BIOHACKER, MAARTEN DE KOK

WAS TU ICH?

Dem Thema der Nasenatmung widme ich mich seit einiger Zeit intensiver, inklusive Mouth Taping: Durch Zu­ kleben des Mundes beim Schlaf zwin­ ge ich mich zur Atmung durch die Nase, was gewöhnungsbedürftig ist (nicht nur für einen Bartträger), aber den Schlaf messbar und die Regene­ ra­tion spürbar verbessert. Der Mund ist zum Essen, zum Küssen und – das weiß ich besonders gut – zum Reden da. Aber nicht zum Atmen, schon gar nicht zum Einatmen. Denn die Vor­ teile der Nasenatmung sind heftig: Die Atemluft wird von Partikeln gereinigt, sie wird befeuchtet und auf Körper­ temperatur erwärmt oder gekühlt. Der Körper erhält mehr Stickstoffmonoxid, was die Blutgefäße erweitert (damit den Blutdruck senkt, und – richtig – Männer wissen auch um eine zweite sehr zentrale Bedeutung von Stick­ stoffmonoxid, die dem Medikament Viagra zu Erfolg verholfen hat). Ich empfehle jedenfalls jedem, mit seiner Atmung zu experimentieren, es gibt so viel zu entdecken: allein die Ideen von Wim Hof und dem – noch – recht unbekannten Konstantin Buteyko kennenzulernen! Macht richtig Spaß. Und kann das Leben verändern. INNOVATOR

WAS TU ICH?

WER WEISS MEHR? Kasper van der Meulen ist mein Atem-Guru. Kasper bietet in den ­Niederlanden wirklich geile Atem­ trainings an. Ein extrem angenehmer und kompetenter Typ, mehr unter ­kaspersfocus.com oder auch als ­kaspersfocus auf Instagram.

FA S T E N P U T Z E N S TAT T E S S E N WAS BRINGT’S MIR?

Fasten bedeutet, dass der Organismus keine Energie von außen zu­geführt bekommt, also durch feste oder flüs­ sige Nahrung. (Licht ist ja in Wahr­ heit auch Energie, aber die zählt hier nicht.) Nach einer gewissen Zeit ­beginnt der Körper, weil er ja Energie braucht, diese Energie aus seinen ­Reserven zu holen. Davon hat er jede Menge: Glykogen in Muskeln und ­Leber, das braucht er zunächst auf, und dann natürlich jede Menge ­Körperfett, auch bei schlanken Men­ schen. Das Ganze funktioniert aber viel schlauer als nur in Form des ­Aufbrauchens von gespeicherter Energie: Denn der Organismus be­ ginnt im fastenden Zustand, eigene Zellen zu zerlegen und zur Energie­ produktion zu verwenden. Und zwar – das ist das Faszinierende – sind es b ­ eschädigte, nicht mehr ganz funk­tionstüchtige Zellen, die er verbrennt. Dieser Vorgang, die ­sogenannte Autophagie, ist nichts ­anderes als die effizienteste Form der inneren Reinigung.

Ich esse „OMAD“, kurz für „one meal a day“, ich nehme also nur eine Mahl­ zeit pro Tag zu mir, ein meist recht frühes Abendessen. Im allerstrengsten Sinn faste ich allerdings nicht, weil ich morgens und vormittags Kaffee mit Butter und MCT-Öl trinke. ­„Fasten“ ist ein relativ weit gefasster Begriff: Manche meinen, es reicht, Kohlenhydrate und Protein weg­ zulassen, andere sind ganz radikal und meinen, schon Tee oder Kaffee zu trinken, ein paar Vitamine oder ­Magnesium einzunehmen würde das Fasten brechen. Wie immer man es definiert: Lassen Sie als Anfänger ein paar Tage pro Woche das Früh­ stück aus (Wasser, schwarzer Kaffee und ungesüßter Tee sind erlaubt), ­essen Sie in einem zweiten Schritt die ­erste Mahlzeit des Tages frühes­ tens 16 Stunden nach der letzten Mahlzeit des Vortags.

WER WEISS MEHR? Julia Tulipan. Die Wienerin ist eine der absoluten Expertinnen der ketogenen Ernährung, auch über den deutschen Sprachraum ­hinaus, und die Keto-Ernährung ist ja eine Art Vorstufe des Fastens. Julia und ihr Mann haben gemeinsam die Keto-Convenience-Food-­ Linie „Tulipans“ in den Supermarkt gebracht. Auf ihrer Website juliatulipan.com und ihrem Instagram-­Feed (paleolc) bringt sie jede Menge freien Content, ihr Podcast „Evolution Radio Show“ ist spannend und hochwertig.

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IN JA PA N UND SÜDKORE A SCHICKEN Ä RZ TE IHRE PAT IENT EN ZUM SPA ZIEREN IN DEN WA LD. „ SHINRIN - YOKU “, WA L DB A DEN, IST EINE HOCH W IRKSA ME T HER A PIE .

WA L D DAS BAD IN GRÜN WAS BRINGT’S MIR?

WAS TU ICH?

Langsam durch den Wald zu spa­ zieren, eine oder zwei Stunden pro Woche, am besten ganz allein und, wichtig, ohne Handy oder irgend­ welche andere elektronischen De­ vices – das tut jedem gut. Im Idealfall geht man ein paar Schritte barfuß oder umarmt hin und wieder, wenn niemand zusieht, einen Baum, wegen der Erdung und des Ionenaustauschs, wie auf den vorigen Seiten angesprochen. Und wer den Besuch im Wald noch weiter optimieren möchte: Die Konzentration der Terpene ist bei ­Nebel und Regenwetter am höchsten. Wir Menschen haben einen Bedarf an Natur. Und wer genau darauf zu achten gelernt (oder wieder gelernt) hat, der erkennt: Unser Körper hat eine Art Füllstandsanzeige dafür, ob wir genug Natur aufgesaugt haben.

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WAS TU ICH?

WER WEISS MEHR? Der Schweizer Rolf Duda alias Peak­wolf, ein früherer Unter­ nehmensberater, ist eine Perle ­unter den B ­ iohackern. Er hat ein Faible für N ­ atur, für den Wald, aber egal zu welchem Thema er redet, es ist immer fundiert, intelligent, ­kurzweilig, ich bin ein echter Fan. peakwolf.ch ist die Startrampe in Rolfs Welt, von dort kommt man zu seinem Blog, zu seinem Podcast und zu seinem Instagram-Feed.

Wasser trinken. Ich persönlich trinke gefiltertes und belebtes Wasser, aber in Deutschland und Österreich kann man das Wasser auch direkt aus der Leitung einigermaßen bedenkenlos trinken. Wie viel? Alles unter 0,3 Liter pro 10 Kilo Körpergewicht ist ein ­aktiver Schaden an Ihrer Leistungsfähigkeit und Gesundheit. Sie wiegen 70 Kilo? Dann sind 2,1 Liter pro Tag ausreichend, wenn Sie keinen Sport treiben, kaum Stress haben, nicht in die Sauna gehen. 0,3 Liter pro 10 Kilo Körpergewicht sind das Minimum. Achten Sie mal eine Woche lang drauf, dass Sie wirklich genug trinken. (Den größten Teil vor­ mittags, so, dass Ihr Harn mittags ganz klar ist.)

WA S S E R 99/100 WAS BRINGT’S MIR?

Nur jedes 100. Molekül unseres ­Körpers ist kein Wassermolekül. Sie haben richtig gelesen: 99 von 100 Molekülen in Ihrem Körper bestehen aus zwei Wasserstoff- und ­einem Sauerstoffatom. Wir Menschen sind eine (zugegeben clever struk­ turierte) wässrige Lösung. Wasser ist also Voraussetzung dafür, dass ­alles funktioniert, jeder Stoffwechsel­ vorgang, jede Entgiftung, jeder ­Nervenimpuls, jeder Gedanke, jede Emotion. Schon ein paar Prozent zu wenig Wasser im Körper, und ich spreche hier von gerade mal einem oder zwei Litern, reduzieren unsere Leistungsfähigkeit radikal.

WER WEISS MEHR? Thomas Hartwig. Mit seinem ­Berliner Start-up Leogant stellt er Anlagen zusammen, die Wasser perfekt filtern und aufbereiten. Thomas ist ein Wasserphilosoph, beste Wissensquelle sind die ­Podcasts, bei denen er zu Gast war, zum Beispiel in der „Flow­ grade Show“ meines Freundes Max Gotzler.

TIM DOBROVOLNY

Der Begriff „Waldbaden“ hat zuletzt ziemlich Konjunktur gekriegt. Klingt natürlich spektakulär, meint aber in Wahrheit nichts anderes, als regelmäßig in den Wald zu gehen und dort ganz langsam und bewusst spazieren zu gehen. Was soll denn das bringen – für einen Biohacker? Viel mehr, als man im ersten Moment meint. Die Waldluft enthält tausende Terpene, das sind pflanzliche Aromastoffe, die unser Immunsystem anregen und angeblich sogar das Krebsrisiko senken. Das Grün des Waldes und die naturgemäße Ruhe bauen Stresshormone ab – und zwar nicht nur während des Waldbadens, sondern sogar messbar über mehrere Tage hinweg. In Japan und Südkorea wurde Waldbaden ­ausführlich erforscht und wird als ­anerkannte medizinische Methode eingesetzt. Dort schicken Hausärzte ihre Patienten tatsächlich in den Wald. Finde ich großartig!

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WASSER Es ist so einfach wie grundlegend: Wer pro Tag weniger als 0,3 Liter Wasser pro 10 Kilo Körper­ gewicht trinkt, schadet seiner Gesundheit.

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M E D I TAT I O N DER GEHIRNVERBESSERER WAS BRINGT’S MIR?

Da gibt’s gar nicht viel zu sagen außer das, was tausende und abertausende Studien bestätigt haben: Meditation macht uns intelligenter, kreativer und glücklicher. Sie ist wahrscheinlich das Beste und Einfachste, was wir für unsere Gehirngesundheit tun können. (Ganz abgesehen davon, dass sie positiv auf Blutdruck, Verdauung und andere Körperfunktionen wirkt.) Meditation ist so etwas wie die Fortsetzung der Atmung und der kleine Bruder des Schlafs. Es gibt beim ­Meditieren kein Richtig oder Falsch, man kann nur einen Fehler machen: es nicht regelmäßig zu tun. WAS TU ICH?

WER WEISS MEHR? Manuel Ronnefeldt. Der Gründer von 7Mind ist einer der Pioniere der Meditation in Deutschland. Auf 7mind.de gibt es auch kostenlos sehr viel und sehr detailreiche Information.

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MEDITATION Die Augen schließen und in sich rein­hören, nur ein paar Minuten pro Tag: Gäbe es ein Medikament, das es in puncto Wirksamkeit mit der Meditation aufnehmen könnte, es wäre zig Milliarden Euro wert.

. . . UND W ER DIGITA LEN SUPPORT IN A NSPRUCH NEHMEN MÖCHTE : DIE BESTE KOSTENLOSE MEDITAT IONS - A PP IST „ OA K“, DIE BESTE DEU T SCHSPR ACHIGE IST „ 7MIND “. INNOVATOR

BENJAMIN MUELLER

Ich habe vergangenes Jahr im Sommer­urlaub eine Art großes ­Mindset-Reset durchgeführt, indem ich mir zwei Wochen lang buch­ stäblich den Hintern abmeditiert habe, jeden Tag vier, fünf, sechs Stunden. Im Münchner Alltag nehme ich mir ganz bewusst diese paar ­Minuten zwischendurch, die jeder hat: Augen schließen, ruhig ein- und noch ruhiger ausatmen, nur auf den Atem achten. Richtig Spaß macht mir das Herumspielen mit dem Muse-­ Headband, das die Tiefe meiner Medita­tion überwacht. Es gibt übrigens u ­ nglaublich gute Meditations-­ Apps. Die beste kostenlose: Oak. Die beste deutschsprachige: 7Mind.


HITZE

NICHT PERM A NEN T, NICHT ZU HEF T IG, NICHT ZU OF T, A BER REGEL M ÄS SIG : DIE KOMFORT ZONE DER R AUM T EMPER AT UR ZU V ERL AS SEN IST EIN HERRL ICHE S T R A INING F ÜR UNSERE GE SUNDHEIT.

DIE LEBENSVERLÄNGERIN WAS BRINGT’S MIR?

Hitze … kostenlos? Nun ja, man kann sich in eine heiße Thermal­ quelle setzen oder im Sommer in die pralle Sonne, natürlich auch ins g ­ eschlossene Auto. (Was auch wirken würde, aber der Preis auf der Affigkeitsskala wäre vergleichsweise hoch.) Worauf ich aber eigentlich hin­aus­will, das ist die Sauna. Klas­si­ sche und Infrarotsauna, beides wirkt, es gibt in der Wirkung Unterschiede, aber das Prinzip ist dasselbe. Wich­ tigster Benefit: Schwitzen reinigt den Körper über unser größtes Ent­ giftungsorgan, die Haut. Zweit- und drittwichtigster Benefit (und es gibt noch eine ganze Menge mehr): ver­ bessertes Herz-Kreislauf-­System und die so­genannten Heat Shock Proteins, die der Körper bildet. Sauna ist sehr vereinfacht gesagt ein Bootcamp-­ Training für ­unsere Zellen. Zur Wirk­ samkeit von regelmäßigem Sauna­ besuch gibt es atemberaubende Studien aus Finnland. Ergebnisse: bis zu 40 Prozent weniger „all-cause mortality“. In ­anderen Worten: ­Während des Vergleichszeitraums – die Studie lief über mehr als 20 Jahre – hatten die regelmäßigen Sauna­ geher ein f­ ast halbiertes Sterberisiko.

M.FRANK, CLEARLIGHT SAUNAS EUROPE GMBH

WAS TU ICH?

In meinem Lab steht eine Infrarot­ sauna, die ich mehrmals wöchentlich nütze. Manchmal gönne ich mir ein heißes Bad, eine bis zwei Stunden vor dem Zubettgehen, als perfekte Vor­ bereitung für guten Schlaf. Achtung: Hitze und Verdauung vertragen sich nicht gut. Nach dem Essen bitte zwei,

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besser drei Stunden nicht in die ­Sauna gehen. Hitze bedeutet Stress für den Körper, und u ­ nter Stress ­verdaut sich’s nicht gut.

WER WEISS MEHR? Johannes Kettelhodt, Mastermind der Clearlight Infrarotkabinen. Ihm und seinem Team ist etwas Besonderes gelungen: Sie produzieren ihre Kabinen ohne Elektrosmog-­ Belastung. Das erleichtert dem ­Körper das Entgiften wesentlich.

K Ä LT E D E R N AT Ü R L I C H E F E I N D DER ENTZÜNDUNG

WAS TU ICH?

Ich selbst nehme in meinem Lab in einer umgebauten Tiefkühltruhe beinahe täglich ein fünfminütiges Eisbad, da hat das Wasser rund drei Grad. Aber wie beginnt man? Der einfachste Tipp für Anfänger sind Wechselduschen: einfach nach der morgendlichen Dusche das ­Wasser für 30 Sekunden kalt stellen, dann wieder 30 Sekunden warm. Dieses Heiß-Kalt fördert auch die ­Regeneration nach dem Sport sehr wirkungsvoll. Kleiner Hinweis für Hobby-Bodybuilder: Nach dem ­Training länger als zehn Minuten (bei zehn Grad) kalt zu duschen oder länger als drei Minuten (bei drei Grad) eiszubaden sorgt dafür, dass du schneller wieder erholt bist – aber dein Muskelwachstum wird ziemlich gedrosselt. Also kürzer kalt ­duschen, wechselduschen oder erst am nächsten Morgen die nächste K ­ älte-Einheit einlegen.

WAS BRINGT’S MIR?

Entzündung ist super, weil sie als Alarmsignal im Körper am Beginn ­jeder Reparatur steht. Eine Verletzung heilt nicht trotz, sondern wegen der Entzündung, die rund um sie ­entsteht. Aber Entzündung macht auch sehr vieles sehr nachhaltig sehr kaputt, wenn sie zum Dauerzustand wird. Sogenannte „niederschwellige Ent­ zündungen“ sind absolut nichts, was man im Körper haben mag. Kälte ist ein Super-Hack: Kälte wirkt gegen Entzündungen, Kälte beschleunigt Regeneration nach dem Sport und Wundheilung, Kälte verbessert die Funktion unseres Immunsystems, Kälte stimuliert den Vagusnerv, da­ mit die Herzratenvariabili­tät, damit unsere Fähigkeit zu entspannen. Und noch vieles mehr … Kälte ist ein ab­ soluter Super-Hack!

WER WEISS MEHR? Josephine Worseck. Die promovierte Molekularbiologin aus Berlin ist Wim‑Hof-Coach und hat eines der Standardwerke zum Thema heraus­ gebracht: „Die Heilkraft der Kälte“, absolute Empfehlung, ebenso wie ihre Workshops. Sehr viel Content hat Josephine auf ihrer Website v ­ erlinkt: josephineworseck.com

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10 GAMING PIONIERE, DIE UNS

SPIELEND

Ängste überwinden, Gemeinschaft finden, Sprachen lernen, Pandemien besiegen: Immer mehr Ansätze aus der Gaming-Welt helfen uns dabei, das Beste aus unseren Möglichkeiten zu machen. Hier kommen zehn ComputerspielVordenker, die unser Leben bereichern.

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AUFS NÄCHSTE

LEVEL

HEBEN

T E X T: M I C H A E L M O O R S T E D T

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Vier Milliarden. Das ist die Anzahl der Menschen weltweit, die regelmäßig Videospiele nutzen. Eine Dimension, die nur schwer vorstellbar ist. Weitere Zahlen helfen vielleicht: Die Branche erwirtschaftet mit etwa 150 Milliarden US-Dollar dreimal so viel wie Hollywood. Die großen Streamer, die jeden Tag ihre Videospiel-Abenteuer live ins Netz übertragen, ziehen Tausende gleichzeitig in ihren Bann. Esports hat sich zu einem Spektakel entwickelt, das Millionen Menschen begeistert und das über kurz oder lang olympisch werden könnte. Videospiele haben nicht nur wirtschaftliche Relevanz, sondern auch kulturelle. Heutzutage schrecken Games vor unangenehmen Themen wie Klimawandel oder gar dem Holocaust nicht zurück. Warum auch? Immerhin handelt es sich hierbei um das Leitmedium einer ganzen Generation – und wohl auch noch vieler nach ihr. Die Corona-Pandemie wirkt zusätzlich als Katalysator. Von der häuslichen Quarantäne kann man sich zusammen mit Freunden per Knopfdruck in magische Königreiche teleportieren. Kann Distanzen überwinden und doch Nähe empfinden. Man loggt sich ein, trifft Freunde, guckt Filme, hängt einfach ab. Titel wie „Fortnite“, „Animal Crossing“ oder „Roblox“ sind längst mehr als nur ein Spiel, nämlich ein ganzes soziales Netzwerk, zum Teil schon mit eigener Währung und Wirtschaftssystem. Wir stellen zehn Menschen vor, die darüber nachdenken, wie Games unser Leben und unsere Gesellschaft verbessern können. Die mit Spielen verändern, wie wir Sport treiben, Sprachen lernen, Kontakte knüpfen, auf Reisen gehen. Also wie wir unsere Welt sehen und erleben. 80

FITNESS BOOSTEN Gaming mag die Reaktionsgeschwindigkeit fördern, körperliche TopForm zählte bisher eher nicht zu den positiven Effekten. Das will Anna Martin-Niedecken ändern. Mit ihrem Start-up Sphery kombiniert die Gründerin Gaming und ganzheitliches Fitnesstraining. In einem raumgroßen High-Tech-Würfel, dem ExerCube, ackern sich die Sportler durch die Levels – weichen im Liegestütz virtuellen Hindernissen aus oder sammeln

Mit Sternchen: Im ExerCube gibt’s digitale Belohnung für sportliche Leistung.

Punkte durch Sprünge. Durch die multisensorischen Stimuli wird auch die kognitive Fitness gestärkt. Der Clou: „Du spürst die Erschöpfung nicht so sehr wie beim klassischen Training im Gym“, erklärt Martin-Niedecken. Flow nennt sich dieser Zustand – aber das ist noch nicht alles: Eine eigene Liga mit Wettbewerben ist bereits im Aufbau. Vielleicht entsteht hier der Sport der Zukunft.

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ZÜRCHER HOCHSCHULE DER KÜNSTE, URBAN TREE MEDIA/RED BULL CONTENT POOL, PHILIPP NEUBAUER, BERLIN INTERNATIONAL GAMING (BIG)

V

ANNA MARTIN-NIEDECKEN


DANUSCH FISCHER

HELDEN FEIERN Kann das Verfolgen eines Fußballspiels unser Leben bereichern? Sportmuffel winken ab, klar, aber Fans bejahen mit leuchtenden Augen: die Spannung nach dem Anschlusstor, die Kunst eines Lionel Messi am Ball, das Er­ leben von Gemeinschaft. Nun, auch das Verfolgen von Esports kann unser ­Leben bereichern, da ist sich Danusch Fischer sicher. „Unsere Profi-Spie­ ler treffen in kürzester Zeit extrem komplexe Ent­ scheidungen“, sagt der Trainer der Mannschaft von Team BIG im Game „League of Legends“ („LoL“). In diesem ActionStrategie-Spektakel be­ kämpfen sich zwei Fünfer­ teams mit Charakteren, die zuvor aus 150 Kandi­ daten ausgewählt wurden. Zehn Stunden am Tag trainieren die Profis – und entwickeln über die Zeit persönliche Stile. Geübte Zuschauer erkennen darin eine eigene Schönheit. Wie bei Messi. Nur gedan­ kenschneller. Das „LoL“Weltfinale 2019 haben bereits über 44 Millionen Menschen gesehen.

Echte Champions: Danusch Fischers Team nach dem Sieg bei den EU Masters INNOVATOR

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JANE McGONIGAL

SUPERKRÄFTE AKTIVIEREN In Games schlüpfen wir oft in die Rolle eines ­Superhelden. Doch Video­ spiele, sagt Jane Mc­ Gonigal, können uns auch im Alltag Superkräfte verleihen. Vor einiger Zeit hat die US-Amerikanerin die App SuperBetter entwickelt. Um mehr Widerstandskraft zu ent­ wickeln, teilt man seinen Alltag in Mikroaufgaben ein. Überwindet man sich und macht noch kurz den Abwasch? Schon steigt man ein Level auf. End­ lich den Arzt-Check-up ausgemacht? Voilà, ein neues Schwert für den Avatar. Es gibt Quests, Power-ups und Endbosse. Nur dass es sich nicht um schreckliche Drachen handelt, sondern um die Monster der eigenen Psy­ che: die Selbstzweifel, die Prokrastination oder das Sofa, von dem man nicht hochkommt. Bis man sei­ ne Superkräfte aktiviert.

Das Leben als Spiel: Über dieses Prinzip hat Jane McGonial auch einen eigenen Bestseller verfasst.

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SEBASTIAN MEYER

GEMEINSCHAFT SPÜREN Mehr denn je sehnen sich Menschen in Zeiten von Filter Bubbles und Social Distancing nach Gemeinschaft – und finden sie auf Twitch, einem Portal, auf dem Menschen ihre GamingSessions streamen. Mit über 1,5 Millionen Followern ist Sebastian „Rewinside“ Meyer einer der größten Streamer im deutschsprachigen Raum. Für viele seiner Fans ist der Chat im Stream eine zweite Heimat geworden.

Der Streamer ist eine Kombination aus Moderator, Entertainer und Seelsorger. Er unterhält das Publikum und unterhält sich mit ihm. Stress im Job, Corona-Frust? Auf der Seite ihres LieblingsStreamers finden die Menschen ein offenes Ohr. Das Geschäft wird immer professioneller, sagt Meyer. Schon heute produzieren Streamer Samstagabend-Shows – und bleiben trotzdem der gute Kumpel. INNOVATOR


AT T I L A S Z A N T N E R

GETTY IMAGES, PARADOXSENSE, UNIVERSITY OF CAILLE, NEW EDEN, NICOLAS RIGHETTI/MMOS, 2021 CCP EHF

PANDEMIEN BESIEGEN

Feingefühl gefragt: Der Austausch mit der Community ist wichtiger Teil von Meyers Job. Hund Arkani ist absoluter Publikumsliebling.

Zombies bekämpfen, Autorennen gewinnen, Streitäxte sammeln – ­alles gut und schön, Attila Szantner aber bietet Gamern einen tieferen Sinn. Mit dem MMO-Videospiel „Eve Online“ können sie helfen, drängende Fragen der Menschheit schneller zu lösen – von der CoronaPandemie bis zum Entdecken von Exoplaneten. „Jeden Tag spielen die Menschen Millionen von Stunden“, sagt Szantner. „Wir haben uns gefragt, wie man daraus einen

Neue Horizonte: Vordergründig spielst du ein Game, gleich­ zeitig wertest du Daten für die Forschung aus. INNOVATOR

Nutzen für alle extrahieren kann.“ Mit seinem Partner Bernard Revaz hat er das Projekt Massively Multi­ player Online Science gegründet. Die zu analysierenden Daten aus Forschungsprojekten binden die Entwickler ins Spiel ein. Beispiel Corona: Hier ­helfen die Spieler, Zell­ typen des Virus auszuwerten. Konkret geht es ums Clustern, also ums Unterscheiden verschiedener Typen. Dafür markieren die Spieler etwa während einer Raumschifffahrt Ansammlungen als Punkte erkennbarer Zelltypen – und erwerben so Zusatz­ punkte. Dafür werden die Zellaufnahmen optisch passend ins Spiel inte­ griert. Über 500 Millionen solcher Beiträge zur ­Lösung von Forschungsfragen haben einzelne Spieler bis heute geleistet.


Unter Giganten: In Beyond Blue erkundest du als Meeresbiologe die Ozeane – und wirst motiviert, sie zu schützen.

ALEN GERSHENFELD

WUNDER DER WELT ERLEBEN Plastikmüll vermeiden, um­ weltverträgliche Kosmetik­ produkte benutzen, weniger Fisch essen – jeder Einzelne kann viel tun, um die Ozeane zu schützen. Nur: Wer denkt schon immer an die Welt­ meere, wenn er zum Beispiel in Paderborn lebt? Deswegen hat der US-Amerikaner Alan Gershenfeld die Videospiel­ welt „Beyond Blue“ entwickelt, in der wir als Meeresbiologen etwa farbenfrohe Korallenriffe erforschen können. Das Kalkül: 84

Wer in seinem Wohnzimmer in Paderborn dem Buckelwal ins Auge sieht, will alles tun, um dieses lebende Wunder zu schützen. Der Kampf um die Aufmerksamkeit des Pu­ blikums gegen Actionkracher wie „Call of Duty“ macht Ger­ shenfeld dabei keine Sorge. „Manchmal wollen die Men­ schen Action und manchmal sinnvolle Inhalte“, sagt Ger­ shenfeld. Warum sollte das bei Games anders sein als bei Filmen, Serien oder Büchern?

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P R O F. I N G O F R O B Ö S E

BEYONDBLUEGAME.COM, SEBASTIAN BAHR, ESPORTWISSEN.DE, SEBASTIAN ST. SCHULZ, PAINTBUCKET.DE

MENTALE SKILLS STÄRKEN Gaming könnte sich dem­ nächst gut im Lebenslauf machen, da ist sich Pro­ fessor Ingo Froböse sicher. Der Sportwissenschaftler an der Deutschen Sport­ hochschule Köln forscht zum Thema Esports und kennt viele Fähigkeiten, die durch gelegentliches Zo­ cken trainiert werden. Zum Beispiel die Feinmotorik. Bis zu 400 Bewegungen pro Minute vollzieht ein Esports-Profi. Wer spielt, schult seine Kognition auf hohem Niveau: Überall Gegner, in jeder Ecke Ex­ plosionen. Was der Laie Spielspaß nennt, erkennt der Forscher als Training

Fitness mal anders: Prof. Ingo Froböse untersucht die für Esports spezifischen Fähigkeiten wie Feinmotorik an der ­Deutschen Sporthochschule Köln.

für Wahrnehmungs- und Analysefähigkeiten. „Auch Soft Skills kann Gaming schulen: unter Stress ge­ meinsam Aufgaben lösen, Fehler der anderen aus­ bügeln – Kompetenzen, die jeder Arbeitgeber sucht“, sagt Froböse. Sein Tipp: Unternehmen sollten ihre Angestellten jeden Morgen 15 Minuten in einem Video­ spiel trainieren lassen. Für den Interessierten emp­ fiehlt der Forscher übri­ gens „League of Legends“. Das Spiel sei wie Schach – nur noch komplexer.

SEBASTIAN SCHULZ & JÖRG FRIEDRICH

LEIBHAFTIG ERINNERN Wenn es in Videospielen gegen Nazis geht, ballert sich der Protagonist meist durch Horden von Erz­ schurken. Jörg Friedrich und Sebastian Schulz vom Berliner Studio Paint­ bucket Games gehen einen anderen Weg. Ihr Spiel „Through the Dar­ kest of Times“ erzählt vom aufreibenden Wider­ stand im Kleinen – Flug­ blätter verteilen, Flüchtlin­ ge verstecken, Mitglieder rekrutieren. Man kann die Nazis hier nicht besiegen, es ist schwer genug, bis zum Kriegsende durch­ zuhalten. So entsteht eine Ahnung des Ausge­ liefertseins im totalitären System, das den Spieler mit mulmigem Gefühl zu­ rücklässt. Während reale Konflikte sonst nur als Kulisse dienen, wollten sie einen „modernen Beitrag zur Erinnerungskultur leisten“. Ihr Spiel wurde mit Preisen überschüttet, selbst Historiker loben den Titel.

Unter Beobachtung: „Through the Darkest of Times“ vermittelt eine Ahnung vom Leben in ­einem totalitären System. INNOVATOR

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K R Y S TA L H E R R I N G

GLOBAL FEIERN An virtuelle Meetings mit den Kollegen haben wir uns gewöhnt, auch Abhängen mit Freunden geht mal über Zoom. Aber gemeinsam feiern? Nun, in Gaming-Kosmen wie „Fortnite“ steigen welt­ weite Partys, an denen die Nutzer mit ihren Avataren teilnehmen und auf denen

Stars wie US-Rapper Tra­ vis Scott auftreten (auch mit Avataren). In guten Momenten überträgt sich so die gemeinsame Eupho­ rie ins Wohnzimmer. Auch für andere Events müssen die Menschen nicht mehr anreisen. Etwa zur US-­ Megamesse Twitchcon, auf der sich jährlich die Streaming-Welt trifft. ­Neben Live-Streams der Macher senden auch Szene-Stars wie „Ninja“ für ihre Millionen Follower, die mit Kommentaren und Videos reagieren. Ob der Vor-Ort-Kontakt noch ­nötig ist? Ja, meint Krystal Herring, Event Director bei Twitch: „Unsere lokalen Events stärken den Zu­ sammenhalt unserer Nut­ zer.“ Aber virtuellerweise können nun auch jene da­ bei sein, denen die Anreise zu aufwendig ist.

P R O F. L U I S V O N A H N

JAPANISCH LERNEN So reizvoll die Vorstellung, neben Studium oder Job noch Französisch oder Japanisch zu lernen, so zäh die Realität des De­ klinierens. Wären die Lek­ tionen nur etwas leichter, spielerischer! Genau das hat sich der guatemalte­ kische Professor Luis von Ahn mit der App Duolingo vorgenommen. Angefeu­ ert von einer kleinen Eule, erwirbt der Lernende mit jeder bestandenen Lektion Herzen, Edelsteine und Kronen. Mit künstlicher Intelligenz (KI) versteht die App Lerntempo, Stär­ ken und Schwächen der Lernenden und passt die Übungen an. Der Nutzer bleibt motiviert, wird aber nicht überfordert. Mehr als 40 Millionen Menschen nutzen Duolingo bereits. Tausende von Univer­ sitäten akzeptieren das Duolingo-Sprachzertifikat, das preiswert und leicht verfügbar ist. „Syrische Flüchtlinge nutzen Duolin­ go ebenso wie Bill ­Gates“, sagt von Ahn. Für ihn ist es das beste Beispiel dafür, dass die Welt durch sein Spiel ein bisschen ge­ rechter geworden ist. Im Namen der Weisheit: Diese kleine Eule begleitet die Lernfortschritte auf Duolingo – bei Kindern wie bei Erwachsenen.

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AUDA & COUDAYRE PHOTOGRAPHY, TWITCH, DUOLINGO/JUSTIN MERRIMAN

Streaming-Messe Twitchcon: Vor-OrtEvents schweißen die Community zusammen.


BEYOND THE ORDINARY theredbulletin.com

LITTLE SHAO/RED BULL CONTENT POOL


Foto: Stefan Kürzi/Bergwelten

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Die Schönheit der Natur entdecken

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Bergsteigen auf der Innsbrucker Nordkette

GERLINDE KALTENBRUNNER ner Den Großglock überschreiten

Wege zum Wein Die Wachau zu Fuß Sanft e Nasen neu erleben Mit Lamas durchs Salzburger Riedingta

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Unterwegs en Der See ist das Zie mit LegendUnser l Berg-Herbst GZ 15Z040302

FOTOS: XXXXXXX

ALEX WURZ Trailrunning auf der Rax

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ter Freya Hoffmeis Stefan Glowacz • Zangerl • Angy Eiter • Zangerl • Bernd Natascha Badmann Thürmer • Babsi Bernd Arnold • Pekoll • Christine Von Hof zu Hof in Südtirol • Hütten-Legenden im Stubaital Alex Huber • Markus

PODCAST

„Höhen & Tiefen“

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TOUREN BERICHTE

Vier Tage am Berge-Se en-Trail im Salzkam Plus: 9 grandios mergut e Wanderungen zum Wasser

Gravelbiken in den Kitzbüheler Alpen • Versteckte Pfade rund um Mittenwald

MAGAZIN

6 × Bergwelten + 2 Specials

BÜCHER

6 Neuerscheinungen im Jahr

TERMINE

ONLINE

bergwelten.com

TV

Montag, 20.15 Uhr

bergwelten.com/vielfalt

EVENTS

bergwelten.com/events


GUIDE

I N N O V AT O R

Insider-Infos und Events:

Save the Date: Innovations-Highlights der nächsten Wochen // Red Bull Basement: Hier verändern Studenten die Welt // Kolumne: Besser statt mehr – wie uns Minimalismus im Alltag optimiert // Tech-Highlight: Dieser Reaktor ist heißer als die Sonne //

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DO IT

WEITER DENKEN

Kalender gezückt, ein ganzer Kontinent ist in Aufbruchsstimmung. Die kommenden Wochen bieten eine Vielzahl an zukunftsweisenden Veranstaltungen für Leute, die gezielt vorankommen wollen.

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Oktober TEDxVienna: UNTOLD „Unerzählte“ Geschichten stehen im Fokus dieses ­geheimnisvollen TEDx-Events im Wiener Volks­ theater. TEDx – das sind unabhängig organisierte Ableger der weltberühmten TED-Talks, die es auch im Internet zum Nachklicken gibt. Die Veranstalter verheißen einen Blick durchs Schlüsselloch ver­ borgenen Wissens aus so unterschiedlichen Be­

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TEDXVIENNA.AT, DAVID AUSSERHOFER, FIFTEEN SECONDS/LUKAS FASSL

Auf dieser Bühne werden Dinge gesagt werden, von denen Sie nichts wussten. Geniale Ideen, die die Welt – oder Ihre Sicht darauf – verändern können. Mehr wird derweil nicht verraten.

reichen wie Technologie und Wissenschaft, Design und Ethik sowie unsere zwischenmenschliche ­Natur. Es ist davon auszugehen, dass dabei tatsächlich das eine oder andere erhellende Geheimnis aus­geplaudert wird. Obwohl: Gewiss ist hier gar nichts! Ganz im Sinne des Mottos UNTOLD wird das Line-up der Vortragenden erst am Tag der Ver­anstaltung bekanntgegeben. Volkstheater Wien; untold.tedxvienna.at

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S A V E T H E D AT E

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und 2. Dezember Slush „Slush“ steht für eines der pro­ gressivsten Start-up-Events der Welt. Von NYC bis Singapur ge­ hen unter der klingenden Marke Veranstaltungen für junge Entre­preneure über die Bühne. Nach der einjährigen Phase der virtuellen Überbrückung der Pandemie geht es nun in Hel­ sinki wieder richtig zur Sache. Helsinki; slush.org

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September und 1. Oktober the next web conference Auch die TNW-Konferenz ist zurück auf der realen Bühne – in Form einer Hybridveranstaltung, die vor Ort oder von zu Hause aus digital mit­ verfolgt werden kann. Für die Ver­ anstaltung stehen 4500 exklusive ­Tickets bereit. Es geht u. a. um die Zukunft der Mobilität und die neue Finanzära – sowie um Networking. Amsterdam; thenextweb.com

und 30. Oktober deGUT Gründertage Die renommierte Berliner Messe für Gründer und Unternehmer geht in diesem Jahr bereits in die 37. Runde. Alles, was junge Start-ups an Knowhow benötigen, finden sie hier kompakt an einem Ort: praxisnahe Seminare, Workshops und Keynotes von Top-Gründern (Bild: Ecosia-CEO Christian Kroll) rund um Unter­ nehmensführung und berufliche ­Selbständigkeit. Beim traditionellen BACB SpeedDating haben fünf aus­ gewählte Kandidaten fünf Minuten Zeit, um das Messepublikum und die illustre Business-Angel-Jury von ihrer Geschäftsidee zu überzeugen. Die ­Bewerbungsfrist dafür läuft noch bis 30. September. Arena Berlin; degut.de

deGUT-Speaker 2020: Christian Kroll, CEO der ökologischen Suchmaschine Ecosia

INNOVATOR

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Entspannt: Fifteen-­SecondsBesucher auf dem Freiluft-Areal Parkhouse im Grazer Stadtpark

September und 1. Oktober Fifteen Seconds Festival Das Grazer „Festival für neugierige Geister“ ist eine internatio­ nale Plattform im Spannungsfeld von Wirtschaft, Innovation und Kreativität. Die Ausgabe 2021 findet erstmals am und rund um den Grazer Schlossberg statt – auf acht Bühnen und fünfzehn Festival Areas. Das interdisziplinäre Programm kreist um fünfzehn thematische Schwerpunkte. Gut hundert Spea­ ker aus verschiedensten Metiers (wie etwa Borussia-Dort­ mund-Marketing-Chef Dennis Thom) vermitteln erfolgreiches Wissen für unternehmerische und persönliche Entwicklung. Grazer Innenstadt; fifteenseconds.com

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DO IT

Virtuelle Matterhorn­Besteigung: Innovative VR-Technologie und eine visionäre 360-Grad-Filmproduktion machen’s möglich.

22 seit

Juni Red Bull The Edge

Der Wind pfeift, das Adrenalin fließt. Wo ist der nächste sichere Griff? Gleich hast du den Gipfel des Matterhorns erreicht und genießt die atemberaubende Aussicht. Moment: Wir befinden uns nicht auf 4478 Meter Seehöhe, sondern in der neuen Red Bull The Edge Erlebnishalle im Verkehrs­haus Luzern. 360-Grad-Pan­ orama-Bilder aus der VR-Brille und ­reale Elemente wie Bouldergriffe verschmelzen hier zu einem Gesamt­ erlebnis, in dem Realität und Virtualität kaum zu unterscheiden sind. Ein Kick für wagemutige Gipfelstürmer. Verkehrshaus der Schweiz, L ­ uzern; verkehrshaus.ch/besuchen/the-edge.html

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Als Konklave der Hohepriester der Tech-­ Industrie beschreibt die „New York Times“ den Web Summit in Lissabon. Tatsächlich kommen hier alljährlich die führenden Köpfe und Companys der Tech-Branche zusammen, um die Zukunft des Planeten zu diskutieren – und die eine oder andere Weiche zu stellen. Wer das Ticket löst, ist mit an Bord. Lissabon; websummit.com

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September Climate Impact Day Der Climate Impact Day ist ein österreichweiter Aktionstag, an dem Firmen gemeinsam mit ihren Mitarbeitern nach Lösungen für verbesserten Klimaschutz im Unternehmen suchen – und diese konkret umsetzen. Mehr als hundert ­namhafte Unternehmen – mit insgesamt über 115.000 Mitarbeitern – stehen bereits in den Startlöchern. cid2021.glacier.eco

INNOVATOR

ROMINA AMATO, STEFAN HOBMAIER

1

bis 4. November Web Summit


S A V E T H E D AT E

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und 21. Jänner 2022 Bits and Pretzels

ICM München; bitsandpretzels.com

Mit Höhenverstellung

Grüß dich, Roboter: Formel-1-Weltmeister Nico Rosberg trifft auf Technik von morgen.

Das Münchner Festival „von Gründern für Gründer“ ist definitiv eines der Superlative. Auf der Bühne wurden hier schon Barack Obama, Arianna Huffington oder Richard Branson in der Krachledernen ­gesichtet. Für die 2022er-Ausgabe hat man bislang noch keine Namen gedroppt, nur so viel ist sicher: Die Speakerliste wird es auch diesmal wieder in sich haben. Teilnehmer lernen in Start-up-Masterclasses von den Erfahrungen und Fehlern der Marktgurus. Bei den „Table Captain’s Meetings“ setzt man sich mit potenziellen Kunden und Investoren an einen Tisch. In der Folge sprudeln die Inspirationen in ­einem hochpotenten Umfeld. O’zapft is.

GO CURVED OR GO HOME! Mit den Gaming-Curved-Monitoren der 66er-Serie bist Du einfach näher dran! Tauche in Deine Welt ein und gewinne!

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DO IT

RED BULL BASEMENT

Bei Red Bull ­Basement sind Studierende aller Disziplinen und Fachrichtungen gefordert. Welche Idee hat das Zeug, die Welt zu verändern?

Call to Action

DEINE IDEE ZÄHLT

Red Bull Basement

Red Bull Basement geht in die nächste Runde. Von 1. September bis 24. Oktober sind wieder ­außergewöhnliche Ideen gefragt.

B

eim globalen Studenten-­ Event Red Bull Basement werden Ideen beflügelt, die die Welt zum Besseren verändern. Seit 2015 wurden und werden dabei zahlreiche ­innovative Einfälle ausgezeichnet, weiterentwickelt und bis zur Marktreife gebracht. Im Vorjahr schnappte sich ein junges Duo aus London den Preis – mit dem Entwurf einer nachhaltigen Waschmaschine, die noch in der kleinsten Studentenbude Platz hat. Man darf gespannt sein, wer dieses Jahr das Rennen macht.

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BEWERBUNGSPHASE Idee auf den Punkt bringen, kurzes ­Video (max. 60 Sekunden) ­aufnehmen und hochladen auf: redbullbasement.com

25. – 31. Oktober

Voraussetzungen

Um bei Red Bull Basement (Partner: global technology services company for a connected future NTT) anzudocken, muss man kein Start-­up oder gar Nachfahre von Daniel Düsentrieb sein. ­Teilnahmeberechtigt sind alle Studierenden über achtzehn, die der englischen Sprache mächtig und in einem der 45 Teilnehmer­ staaten wohnhaft sind. Wer das erfüllt, ist eingeladen, seine weltverändernde Idee einzusenden und mit der Community zu teilen.

AUSWERTUNG durch lokale und globale Jurys auf Basis der Kriterien Machbarkeit, Impact, Kreativität sowie gemäß dem Ergebnis des Online-Publikumsvotings („shout-out“).

2. November

BEKANNTGABE der Landessieger aus den 45 Teilnehmerstaaten. Danach DevelopmentPhase: Alle Final-Teams werden bei der Aus­arbeitung ihrer Präsentation pro­ fessionell unterstützt.

13. – 15. Dezember

KÜR des Gewinners beim Global Final in Istanbul.

Teamwork

Man bewirbt sich als Einzelperson oder im Zweierteam, um seine Idee zu verkörpern. Im Hintergrund dürfen auch noch mehr Teammitglieder mitwirken. redbullbasement.com, hello.global.ntt

INNOVATOR

ALEXANDER SCHWARZ/RED BULL CONTENT POOL (2)

STUDENTEN GEBEN STOFF

1. September – 24. Oktober


FIF TEEN SECONDS FEST IVAL 2021

WAS KOMMT? WAS GEHT? Das Fifteen Seconds Festival 2021 bietet dir erfolgskritisches Wissen für deine berufliche, unternehmerische und persönliche Entwicklung in 15 thematischen Schwerpunkten, die die Zukunft in allen Lebensbereichen prägen werden – und es schon jetzt tun. Sicher’ dir jetzt dein Ticket mit Zugang zu über 15 Festival Locations in der Grazer Innenstadt sowie am und rund um den Schloßberg. Heuer mit Speaker:innen von: Harvard University, Ministry of Justice UK, Borussia Dortmund, Europol, IKEA, European AI Alliance, PwC und vielen mehr. JETZT T I CK ET S SI CHERN:

www.fifteenseconds.co/festival

3 0.0 9. + 01.10. | I NNENSTADT G RA Z


KOLUMNE

GÖNNE DIR WENIGER!

zumindest durch den Faktor Zeit. Kurz gesagt: Du kannst nicht alles haben. Doch wie geht man auf positive Art mit einem solchen Motivationsdämpfer um?

Ein neuer Ansatz für mehr Nutzen

V Marco Grosch Der Vorarlberger ist der Gründer von „Minimalist Biohacker“ und hilft erfolgreichen Leistungsträgern ­dabei, die Kontrolle über ihren Körper und darüber, wie sie sich fühlen, zurückzu­ gewinnen. Wie? Mit Methoden des ­Biohacking im ­Verein mit Prinzipien des Minimalismus.

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iele Biohacker, mich selbst eingenommen, werden an­ getrieben von einer grenzen­ losen Neugier. Was ist noch möglich? Welches Leistungs­ niveau kann ich erreichen? Was kann mein Körper und Geist noch alles erlernen? Diese Suche nach „Mehr“, das Streben nach grenzenloser Optimierung, geht oft einher mit einer Anhäufung von Sport­ equipment, Biohacking-Geräten und neuen Gewohnheiten. Doch so viele Vor­ teile diese Dinge auch mit sich bringen – sie nehmen uns in Beschlag und ver­ brauchen Ressourcen in Form von: • Geld • Zeit • Energie • Raum bzw. Platz • mentaler Kapazität Selbst wenn ein Gerät nach wenigen Wo­ chen nur noch im Schrank liegt, kann es sich dennoch auf dein Leben auswirken. Das nagende Gefühl, dass du es eigent­ lich mal wieder benutzen solltest. Immer­ hin hast du Geld dafür bezahlt. Plötzlich nimmt ein Gegenstand einen kleinen Teil von dir ein. Und je mehr Dinge du in dein Leben bringst, desto mehr binden sie dich auf diese Art an sich. Doch mehr von etwas ist doch grundsätzlich besser, oder? Mehr Leistung, mehr Energie, mehr Fitness? Nicht unbedingt. Die kon­ stante Möglichkeit der Verbesserung ist eine Illusion. Natürlich geht es immer „noch besser“, aber die Geschwindigkeit unseres Wachstums ist begrenzt durch die Ressourcen, die uns zur Verfügung stehen. Wenn sonst durch nichts, dann

Für dich, für den Planeten

In Bezug auf materielle Dinge bedeutet diese Herangehensweise, dass man alles loswird, was man nicht wirklich benutzt oder schätzt. Nach Pareto wirst du in 80 % der Fälle auf 20 % deiner materiel­ len Gegenstände zurückgreifen. Du hast vermutlich ein Lieblingspaar Schuhe oder Jeans, richtig? Ist die Antwort Ja, stehen die Chancen gut, dass du manche Kleidungsstücke so gut wie nie trägst. Sie nehmen Platz weg – sowohl in deinem Kleiderschrank als auch in deinem Kopf. Wenn du am Morgen entscheiden musst, was du anziehst, verschwendest du ein kleines bisschen Energie. Je mehr solcher Entscheidungen du treffen musst, desto mehr „Arbeitsspeicher“ wird in deinem Gehirn verbraucht. Was auch im Hin­ blick auf unsere Umwelt bedeutend ist. Mehr materielle Dinge bedeuten einen erhöhten Verbrauch an Ressourcen. Be­ sonders tragisch ist das dann, wenn wir diese Dinge nicht einmal schätzen bezie­ hungsweise kaum gebrauchen. Wäre es nicht sinnvoller, ein hochwertiges Gerät zu kaufen, das zehn Jahre funktioniert, anstatt zehn Geräte, die bereits nach ­einem Jahr kaputtgehen? INNOVATOR

GÜNTHER W. AMANN-JENNSON & MARCO GROSCH MINIMALIST BIOHACKER

Warum ein bewusster Verzicht auf Dinge dein Leben bereichert, dich glücklicher macht – und deine Performance im Alltag steigert.

Kennst du das Gesetz vom abnehmenden Grenznutzen? Es beschreibt ein Phäno­ men, das sich perfekt auf beinahe jede Situation des Lebens anwenden lässt: Ab einem gewissen Punkt bietet ein Mehr von etwas immer weniger zusätzlichen Nutzen. Hast du Hunger, liefert dir eine Banane einen großen Nutzen. Auch die zweite und dritte Banane helfen sehr ­dabei, deinen Hunger zu stillen. Doch bereits die vierte Banane trägt deutlich weniger zu deinem Wohlbefinden bei. Und irgendwann wird eine weitere ­Portion sogar zur Qual. Dasselbe gilt auch für materielle Dinge in unserem Leben, selbst wenn es dabei um spannendes Biohacking-Equipment geht. Auch wenn wir unendlich viel Geld auf dem Konto haben, gibt es eine Sache, die alle Menschen gleichermaßen limi­ tiert: Ein Tag hat nur 24 Stunden. Ab ­einem gewissen Punkt können wir nicht mehr durch Addition optimieren, son­ dern nur noch durch die Steigerung der Effizienz der Dinge, die wir nutzen.


READ IT

WIE BEGINNT MAN MIT MINIMALISMUS? MISTE 3 0   M AT E R I E L L E D I N G E AUS DEINEM LEBEN AUS. Ein positiver Return on Investment

Die Wahrheit ist: Die Welt der Selbst­ optimierung ist, wie jede andere Branche auch, angewiesen auf wirtschaftlichen Erfolg. Dabei gibt es zahlreiche Unter­ nehmen, die es gut meinen, mit Produk­ ten, die tatsächlich Nutzen liefern. Es liegt allein an dir, zu beurteilen, ob dieser Nutzen dein Investment an Ressourcen in Form von Geld, Zeit, Energie oder men­ taler Kapazität auch wert ist. In jedem Fall sollte der Return on Investment posi­ tiv für dich sein. Ist er das nicht oder nicht mehr, solltest du dich von dem Ge­ genstand oder der Gewohnheit trennen.

Wie startet man?

Doch wie kannst du damit beginnen, das Konzept des Minimalismus in dein Leben zu integrieren? Miste 30 materielle Dinge aus deinem Leben aus. Wenn du nicht weißt, wo du anfangen sollst, schau dir die folgenden Kategorien an: Kleidung/Kosmetik/Haushaltsgeräte. Küchengeräte/Dekoration/­SportEquipment/Supplements. Ich bin sicher, du findest eine Kate­gorie, in der dir das Ausmisten nicht so schwer­ fällt. Du musst die Dinge ja auch nicht entsorgen. Vielleicht kannst du sie ver­ kaufen oder spenden? Wenn dir dieser Prozess schwerfällt und du dich nicht von einem Gegenstand trennen kannst, beantworte folgende Fragen: • Bereitet mir dieser Gegenstand wirk­ lich Freude? • Verwende ich diesen Gegenstand regelmäßig? • Würde ich ihn wieder kaufen, wenn ich ihn verlieren würde? Am Ende wirst du dich vermutlich leichter fühlen, vielleicht sogar etwas ­euphorisch. Dir wird bewusst werden, dass jeder dieser Gegenstände einen klei­ nen Teil deiner Ressourcen in Beschlag nahm. Diese Energie ist jetzt wieder frei.

Mehr zu Marco Grosch und seinen ­Coachings im Bereich Gesundheit, Fitness und Produktivität auf: minimalist-biohacker.com INNOVATOR

IMPRESSUM

Gesamtleitung The Red Bulletin Alexander Müller-Macheck (Ltg.), Sara Car-Varming Chefredaktion The Red Bulletin Andreas Rottenschlager (Ltg.), Andreas Wollinger Chefredakteur Innovator Arek Piatek Creative Director Innovator Kasimir Reimann (Ltg.), Erik Turek Art Direction Marion Bernert-Thomann, Miles English, Tara Thompson Grafik Martina de Carvalho-Hutter, Cornelia Gleichweit, Kevin Goll Fotoredaktion Eva Kerschbaum (Ltg.), Marion Batty (Stv.), Susie Forman, Tahira Mirza, Rudi Übelhör Digitalredaktion Christian Eberle-Abasolo (Ltg.), Marie-Maxime Dricot, Melissa Gordon, Lisa Hechenberger, Elena Rodriguez Angelina, Benjamin Sullivan Head of Audio Florian Obkircher Chefin vom Dienst Marion Lukas-Wildmann Managing Editor Ulrich Corazza Publishing Management Ivona Glibusic, Bernhard Schmied, Melissa Stutz, Anna Wilczek Managing Director Stefan Ebner Head of Media Sales & Partnerships Lukas Scharmbacher Head of Co-Publishing Susanne Degn-Pfleger Projektmanagement Co-Publishing, B2B-Marketing & Communication Katrin Sigl (Ltg.), Mathias Blaha, Katrin Dollenz, Thomas Hammerschmied, Teresa Kronreif (B2B), Eva Pech, Valentina Pierer, Stefan Portenkirchner (Communication), Jennifer Silberschneider Creative Services Verena Schörkhuber-Zöhrer (Ltg.), Sara Wonka, Julia Bianca Zmek, Edith Zöchling-Marchart Commercial Management Co-Publishing Alexandra Ita Editorial Co-Publishing Raffael Fritz (Ltg.), Gundi Bittermann, Mariella Reithoffer, Wolfgang Wieser Executive Creative Director Markus Kietreiber Senior Manager Creative Elisabeth Kopanz Art Direction Commercial & Co-Publishing Peter Knehtl (Ltg.), Erwin Edtmayer, Simone Fischer, Martina Maier, Andreea Parvu, Carina Schaitten­ berger, Alexandra Schendl, Julia Schinzel, Florian Solly, Dominik Uhl, Sophie Weidinger, Stephan Zenz Abo & Vertrieb Peter Schiffer (Ltg.), Marija Althajm, Nicole Glaser, Victoria Schwärzler, Yoldaş Yarar Anzeigenservice Manuela Brandstätter, Monika Spitaler Herstellung & Produktion Veronika Felder (Ltg.), Friedrich Indich, Walter O. Sádaba, Sabine Wessig Lithografie Clemens Ragotzky (Ltg.), Claudia Heis, Nenad Isailovic, Sandra Maiko Krutz, Josef Mühlbacher Finanzen Mariia Gerutska (Ltg.), Klaus Pleninger MIT Christoph Kocsisek, Michael Thaler Operations Melanie Grasserbauer, Alexander Peham, Thomas Platzer Projekt Management Dominik Debriacher, Gabriela-Teresa Humer Assistant to General Management Sandra Artacker Herausgeber & Geschäftsführer Andreas Kornhofer Verlagsanschrift Am grünen Prater 3, A-1020 Wien Telefon +43 1 90221-0 Fax +43 1 90221-28809 Web redbulletin.com Medieninhaber, Verlag & Herausgeber Red Bull Media House GmbH, Oberst-LepperdingerStraße 11–15, A-5071 Wals bei Salzburg, FN 297115i, Landesgericht Salzburg, ATU63611700 Geschäftsführer Dkfm. Dietrich Mateschitz, Dietmar Otti, Christopher Reindl, Marcus Weber

INNOVATOR BY THE RED BULLETIN Österreich, ISSN 1995-8838 Länderredaktion Arek Piatek Country Project Management Ivona Glibusic Lektorat Hans Fleißner (Ltg.), Petra Hannert, Monika Hasleder, Billy Kirnbauer-Walek, Belinda Mautner, Klaus Peham, Vera Pink Media Sales & Partnerships Thomas Hutterer (Markenlead), Alfred Vrej Minassian, Franz Fellner, Ines Gruber, Thomas Gubier, Daniela Güpner, Wolfgang Kröll, Gabriele Matijevic-Beisteiner, Nicole Okasek-Lang, Britta Pucher, Jennifer Sabejew, Johannes WahrmannSchär, Ellen Wittmann-Sochor, Ute Wolker, Christian Wörndle, Sabine Zölß anzeigen@at.redbulletin.com Sales Operations & Development Anna Schönauer (Ltg.), David Mühlbacher Offenlegung gemäß § 25 Mediengesetz Informationen zum Medieninhaber sind ständig und unmittelbar unter folgender Web-Adresse auffindbar: redbull.com/im/de_AT Kontakt redaktion@at.redbulletin.com

INNOVATOR BY THE RED BULLETIN Deutschland, ISSN 2079-4258 Länderredaktion David Mayer Country Project Management Nina Hahn Lektorat siehe entsprechenden Eintrag bei Österreich Media Sales & Partnerships Thomas Hutterer (Markenlead), Alfred Vrej Minassian, Franz Fellner, Ines Gruber, Thomas Gubier, Daniela Güpner, Wolfgang Kröll, Gabriele Matijevic-Beisteiner, Nicole Okasek-Lang, Britta Pucher, Jennifer Sabejew, Johannes WahrmannSchär, Ellen Wittmann-Sochor, Ute Wolker, Christian Wörndle, Sabine Zölß

INNOVATOR BY THE RED BULLETIN Schweiz, ISSN 2308-5886 Länderredaktion Arek Piatek Country Project Management Melissa Stutz (Ltg.), Ivona Glibusic Lektorat siehe entsprechenden Eintrag bei Österreich Media Sales & Brand Partnerships Stefan Brütsch (Team Lead), stefan.bruetsch@redbull.com Marcel Bannwart, marcel.bannwart@redbull.com Christian Bürgi, christian.buergi@redbull.com Jessica Pünchera, jessica.puenchera@redbull.com Goldbach Publishing Marco Nicoli marco.nicoli@goldbach.com

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TECHNIK-HIGHLIGHT Kühles Design, aber absolut uncool: Der Fusionsreaktor EAST stellte einen neuen Weltrekord bei der Kernfusion auf.

150 Millionen Grad Arbeitstemperatur

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AREK PIATEK

DIESER REAKTOR WIRD ZEHNMAL SO HEISS WIE DIE SONNE. EAST

Im Juli dieses Jahres gelang chine­ sischen Forschern eine Sensation: Mit dem Kernfusionsreaktor EAST ver­ schmolzen sie zwei Wasserstoff-Atomkerne – zehn Sekunden lang. Diese ­aufsehenerregend lange Fusionszeit (in der außerordentlich viel Energie frei wird) war allerdings nur unter Extrem­ bedingungen möglich: Nicht weniger als 150 Millionen Grad Celsius betrug dabei die Betriebstemperatur des EAST, also rund zehnmal so heiß wie die Tempera­ tur im Sonnen-Inneren. Sinn des Experi­ ments: Die bei Kernfusionen gewonnene Energie könnte künftig eine saubere ­Alternative zur Energiegewinnung aus fossilen Brennstoffen sein, da weder Treibhausgase freigesetzt werden noch radio­aktiver Abfall entsteht, wie etwa bei der Kernspaltung in Atomkraftwerken.

INNOVATOR


Spitz die Ohren The Red Bulletin gibt’s nun auch zum Anhören: inspirierende Interviews, scharfe Porträts, abenteuerliche Reportagen. Jeden Mittwoch ­– überall, wo es Podcasts gibt. Jetzt reinhören und gleich abonnieren.

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MICHAEL KÖHLMEIERS Kolumne Boulevard der Helden als Podcast-Serie


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