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EHRENAMT

sechs+sechzig · 10. Jahrgang · Ausgabe 2/2009

Hannelore peppt die Gefängniskost auf 68-Jährige engagiert sich bei der Stadtmission und leitet Kochkurse in der JVA Nürnberg

A

ls die Koteletts in der Pfanne zu duften beginnen, scheint sich der karge Raum zu verwandeln, die Atmosphäre wird angenehmer. In dem Aufenthaltsraum des neuen Männertrakts der Justizvollzugsanstalt Nürnberg findet einmal im Monat abends ein dreistündiger Kochkurs statt – Gefangene kochen zusammen, angeleitet von einer 68-Jährigen. »Angst? Danach werde ich oft gefragt«, sagt Hannelore Stingl. Aber selbst damals, als sie und eine Kollegin allein mit 14 Gefangenen auf Ausgang waren, habe sie sich nicht gefürchtet, erklärt die ehrenamtliche Mitarbeiterin der Nürnberger Stadtmission. »Wenn mir einer wirklich etwas getan hätte, dann hätten mir die anderen sofort geholfen«, ist Hannelore Stingl überzeugt. Dann wendet sie sich wieder dem Geschehen in der Küche zu. Zwei Gefangene brutzeln am Herd, andere bereiten den Eisbergsalat zu. Wieder andere schnippeln Kartoffeln oder mixen das Dressing. Und einer sitzt am Tisch und faltet Papierservietten zu kunstvollen Gebilden. Derweil bremst Hannelore Stingl ihre jüngere Helferin ein wenig aus. „Mach’ nicht so viel selber, lass’ die Männer ruhig mal machen“, wendet sie sich an Ekaterina Krasnikova. Die 50-Jährige gebürtige Petersburgerin ist erst vor kurzem zum Arbeitskreis Resozialisierung gestoßen.

Vor drei Jahren kam Hannelore Stingl auf die Idee mit dem Kochen. Inzwischen hat man sogar ein gemeinsames Kochbuch kreiert. Die erste Auflage des Büchleins »Zu Tisch bei Gaunern, Gangstern und Ganoven« war im Nu vergriffen.

Gewürze muss sie mitbringen Ein weiterer Helfer, der immer im Hintergrund bleibt, ist Hannelore Stingls Mann. Er bringt nicht nur seine Frau in die Mannertstraße, sondern auch den schweren Wäschekorb mit den Einkäufen: Fleisch, Eier und Paniermehl, Kartoffeln und Zwiebeln, die Schlagsahne für den Nachtisch, selbst Pfeffer, Öl und Salz – das alles muss Hannelore Stingl jedes Mal mitbringen. »Unsere Arbeit im Knast kommt bei der Bevölkerung oft nicht gut an«, berichtet sie. Allerdings komme die Arbeit mit den Strafgefangenen auch dem Opferschutz zugute: »Wenn einer wieder in die Spur kommt, dann ist das ein Straftäter weniger.« Das Kochen im Team schult die soziale Kompetenz, und die Gefangenen lernen, mit wenig Geld etwas Vernünftiges zu kochen. Davon können sie nach der Entlassung profitieren. Vor drei Jahren kam Hannelore Stingl auf die Idee mit dem Kochen. Inzwischen hat man sogar ein gemeinsames Kochbuch kreiert. »Wer kocht, denkt nichts Böses«, hat JVA-Chef Hans Welzel ins Vorwort

geschrieben. Die erste Auflage des Büchleins »Zu Tisch bei Gaunern, Gangstern und Ganoven« war im Nu vergriffen. Ein Teil des Erlöses kommt der Opferhilfeorganisation »Weißer Ring« zugute – auf ausdrücklichen Wunsch der Gefangenen. Stingl selbst hofft, vom restlichen Geld, mit dem Projekte der Stadtmission gefördert werden sollen, etwas für den Kauf ordentlicher Teller hier abzweigen zu können. Erst Beratung für Kranke Die Gefängniskochkurse sind nicht das erste ehrenamtliche Engagement von Hannelore Stingl. Viele Jahre hat die gebürtige Nürnbergerin in Regensburg gewohnt und gearbeitet. Mit 50 musste die Verwaltungsangestellte bei der Regierung der Oberpfalz nach einem Herzinfarkt in Pension. Was tun? Sohn Uwe war längst erwachsen, doch dann erkrankte ihre Mutter an Krebs. »Und ich wusste nicht mal, was eine Chemothe-

rapie ist«, erinnert sie sich. Sie ließ sich zur onkologischen Fachberaterin ausbilden und baute anschließend in ehrenamtlicher Arbeit eine Beratungsstelle für Krebskranke am Uniklinikum Regensburg auf. Die leitete sie zehn Jahre, außerdem rief sie noch einen Besuchsdienst für das Klinikum ins Leben. Dabei war eigentlich geplant, dass sie den Lebensabend mit ihrem Mann auf Teneriffa verbringt. Das Paar hatte das Leben in der Fremde auch schon ausprobiert. Doch bereits nach drei Jahren entschlossen sie sich zur Rückkehr. Seit der Jahrtausendwende lebt das Paar nun in Nürnberg. »Beide in Rente und daheim ist ja ganz schön, aber doch nix auf Dauer!«, fand die umtriebige Seniorin und suchte sich ein neues Aufgabenfeld. So landete sie bei Friedrich Leinberger, dem Leiter des Arbeitskreises Resozialisierung der Stadtmission. In das Gremium kann Hannelore Stingl ihre Vorstellungen


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