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LONG TALL JEFFERSON
#159 | SEPTEMBER 2018
Ein Rebell im Stillen Ein Sonderling, vielleicht ein Einzelgänger sei der Folk-Musiker Long Tall Jefferson, meint der Luzerner Simon Borer über sein Pseudonym. Auf eine interessante Weise verschroben, sehr nachdenklich und charmant sind wohl beide. Nach langem Kampf um die Aufmerksamkeit der Kellnerin philosophiert er bei einem Kaffee über Postkarten, Pausenplätze und Zugreisen. von Delia Landolt Du warst als Solokünstler auf Europa-Tournee. Für die jetzige Tour hast du zum ersten Mal als Long Tall Jefferson eine Band mit auf der Bühne. Wie kam es dazu? Ich habe gemerkt, dass ich dieses Album, so breit wie es orchestriert und arrangiert ist, alleine nicht adäquat auf die Bühne bringen kann. Und ich hatte auch wieder Bock auf eine Band, in der es auch mal richtig «chüblä» und laut werden kann. Was entspricht dir mehr – das Dasein als Solokünstler oder Teil einer Band zu sein? Ich hatte es sehr genossen, alleine unterwegs zu sein. So habe ich mehr Möglichkeiten in der Gestaltung der Songs, ich kann stärker auf den Moment eingehen. Einfach mal einen Song langsamer spielen oder während dem Song schneller werden. Das würden dir die Bandmitglieder nicht verzeihen. Aber jetzt bin ich auch gespannt auf das Abenteuer zusammen mit der Band. In deinem neuen Video «Stay A Little Longer» wirkst du wie ein gewitzter Sonderling, der am Strand von Ligurien Schach mit sich selbst spielt. Ist darin dein persönlicher Charakter zu sehen oder der von deinem Künstler-Ich? Im Video ist Long Tall Jefferson zu sehen und er ist schon ein bisschen ein Sonderling, ein Einzelgänger. Einer, der zwar gerne dazugehören würde, es aber irgendwie nicht immer ganz schafft. Durchaus charmant versucht er trotzdem, den Anschluss nicht zu verlieren.
Trennst du dein Simon-Borer-Ich und das Long-TallJefferson-Ich? Wahrscheinlich alle, die auf einer Bühne stehen, müssen das ein bisschen trennen. Im Rampenlicht wird jede Person anders angeschaut. Es ist nicht mehr die Person, die sie im Privaten ist – mit oder ohne Pseudonym. Im neuen Video schreibst du dir auch Postkarten und der Download Code zu deinem Debut-Album hast du auf Postkarten verschickt. Was bedeuten sie dir? Es ist definitiv so ein Long Tall Jefferson-Ding. Wenn ich in ein Brocki gehe, muss ich einfach alte Postkarten anschauen. Das finde ich super. Ich schaue gerne alte Dinge an. Die haben etwas magisches. Die darin hineingebrannte vergangene Zeit gibt den Dingen eine schöne Nostalgie, das finde ich spannend. War die Musik früher besser? Ah nein, überhaupt nicht. Die beste Musik ist immer die, die jetzt hierher passt. Es gibt ja einen Grund, wieso jetzt Musik so klingt wie sie klingt. Ich finde es interessant, dass es jetzt nicht mehr eine klare Strömung gibt. Die Musikwelt heute ist so divers und es gibt so viele spannende Sachen, das finde ich sehr bereichernd. Ich würde nie sagen, dass es früher besser war. Dein Debutalbum hast du mit einem alten Tonbandgerät aufgenommen. Wie bist du diesmal vorgegangen? Das Aufnehmen des ersten Albums auf Kassette in der absoluten Restriktion von vier Spuren, das hat mich schon sehr geprägt. Das zweite Album ist jetzt aber in einem