RCKSTR Mag #157 | Festival Guide | Juni 18

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GHOST #157 | JUNI 2018

«Meine Identität war ein schlecht gehütetes Geheimnis» Seit ihrer Gründung im Jahr 2006 sorgen Ghost mit ihren extravaganten Bühnenshows für Aufsehen. Bis 2017 wussten nur Eingeweihte, wer sich hinter den Masken der Heavy-Metal-Band aus dem schwedischen Linköping verbirgt. Dann plauderten ehemalige Ghost-Mitglieder es aus. Von Katja Schwemmers 20

Neben den fünf namenlosen «Ghouls» stand bisher Papa Emeritus – eine Art dämonischer Anti-Papst – im Fokus von Ghost. Auf «Prequelle», dem vierten Album der Grammy dekorierten Gruppe, wird er von Cardinal Copia abgelöst. Mastermind hinter alledem ist Tobias Forge (37), der beim Interview im Berliner Soho House gänzlich unmaskiert dasitzt. «Es fühlt sich nicht viel anders an als vorher», meint er. «Ich habe mich eh nie anonym gefühlt. Meine Identität war ein schlecht gehütetes Geheimnis.» Wozu im Übrigen auch seine eigene Mutter beigetragen hat. «Sie ist sehr stolz auf das, was ich erreicht habe. Ich würde sie nie der Möglichkeit berauben, dies auch ausdrücken zu können. Aber es ist schon befremdlich, wenn sie erzählt, dass sie zwei Mädchen mit Ghost-T-Shirts in der U-Bahn gesehen hat: «Ich habe ihnen dann gesagt, dass du mein Sohn bist», meinte sie. Ich entgegnete nur: «Bitte mach das nie wieder!» Forges Gesicht kann sich auch ohne Make-up sehen lassen, sein Englisch ist eloquent. Statt Papst-Outfit trägt er an diesem Tag eine Jeansjacke, die übersäht ist mit Aufnähern von Bands wie den Ramones, Sex Pistols und KISS. Woher kommt sein Hang dazu, für Ghost diese dunkle Fantasie-Welt zu erschaffen, in die er mit dem Publikum abtaucht? «Ich bin einfach ein grosser Fan von Entertainment. Ich liebe zwar auch Musik, die ohne Schnickschnack auskommt, wie die von Bruce Springsteen. Aber noch mehr fasziniert mich, eine Art von Bewegung zu kreieren, zu der sich die Besucher unserer Konzerte zu-

gehörig fühlen.» Manchmal beneidet er allerdings Ed Sheeran: «Er bringt die Hallen nur mit einer Akustikgitarre und ein paar Pedalen zum Glühen. Vom finanziellen Standpunkt aus ist das klug. Ich füge indes immer mehr Personal hinzu, mehr Kostüme und Produktion. Aber so ticke ich nun mal.» Ghosts Live-Shows sind ein Ereignis. Ist da das neue Album überhaupt noch wichtig? «Ja, natürlich», meint Forge. «Wir stehen immer noch am Anfang unserer Karriere und müssen unser Repertoire erst aufbauen. Wir brauchen eine thematische Agenda, die wir überliefern können, bevor wir auf das Publikum treffen. Dass das Album wichtig ist, hat aber auch damit zu tun, wie wir aufgewachsen sind und gelernt haben, Rockmusik zu würdigen.» Das Thema des neuen Albums ist die Pest. «Sie war so rücksichtslos zerstörend und löste in Europa ein enormes Trauma aus. Man muss bedenken, dass die meisten Menschen in den 1340ern ungebildet, sehr religiös, abergläubisch und arm waren. Gott schien auf Distanz zu ihnen zu gehen. Deshalb dient die Pest im Black Metal so oft als Symbol des Teufels. Wobei manche behaupten würden, dass die teuflischste Zeit gerade jetzt passiert.» Im Song «See The Light» heisst es: «Everyday that you feed me with hate I go stronger.» Das passt auch gut in die heutige Zeit. «Es gibt viele textliche Inhalte, bei denen Doppeldeutigkeit durchaus erwünscht ist. Das Album ist kein Geschichtsunterricht über die 1340er. Die Stücke ziehen Parallelen zu zeitgenössischen Denkweisen.»

«Manchmal beneide ich Ed Sheeran!»

SCHIZO-METAL..

GHOST

PREQUELLE

SPINEFARM/UNIVERSAL MUSIC

Ist das noch Heavy Metal oder schon Pop? Das fragt man sich beim Lauschen des vierten Albums von Ghost. Den Grammy besitzen sie schon, nun wollen sie den kommerziellen Erfolg. Die Melodien haben sie dafür. Ihr «Dance Macabre» geht gut in die Beine. Die schnelle Single «Rats» eignet sich prima zum Headbangen. «Faith» ist passenderweise mit Kirchen-Chorälen versehen. Das Thema «Pest» zieht sich wie ein roter Faden durch «Prequelle». Orignell: Die Platte beginnt mit dem Kinderlied «Ring A Ring O› Roses» – der Legende nach beschrieb das Original den Schwarzen Tod. wwwwwwWwvv Für Fans von: Blue Öyster Cult, Journey, Black Sabbath


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