Newsletter health care 01 2015

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1/2015

HEALTH CARE Themenübersicht Editorial 2 BFH-Entscheidungen zur Zytostatika-Abgabe durch Krankenhausapotheke 3 Finanzverwaltung nimmt von BFH in Zytostatika-Urteilen entwickelten Begriff des Zweckbetriebs Krankenhaus i. S. d. § 67 AO in Anwendungserlass zur Abgabenordnung auf

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Umsatzsteuerliche Behandlung der von Physiotherapeuten erbrachten Leistungen Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 14 lit. a Satz 1 UStG

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Ermäßigter Steuersatz gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 9 UStG

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Neuere Rechtsprechung zur Abgrenzungsfrage „freiberufliche vs. gewerbliche Tätigkeit von Arztpraxen“

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Grundsatzentscheidung des BGH zur Vergütungsfähigkeit honorarärztlich erbrachter Wahlleistungen

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Rechtmäßigkeit von Defizitausgleichen zugunsten kommunaler Kliniken in Berufungsinstanz bestätigt

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Sozialgericht Hamburg verneint Zulässigkeit der Umstrukturierung durch „direkten Transfer von Arztstellen“ zwischen MVZ

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Veranstaltungshinweis

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Editorial Sehr geehrte Leserinnen und Leser, wir freuen uns, Ihnen zum Jahresbeginn einen neuen RBS Newsletter Health Care präsentieren zu können. Wir beginnen 2015 mit Schwerpunkt auf (insbesondere steuer-)rechtlichen Themen, wobei wir aufgrund mehrerer zwischenzeitlich ergangener Urteile inhaltlich mehrfach an Beiträge aus den letzten RBS Newslettern Health Care anknüpfen können. Hatten wir zuletzt über Änderungen der höchstrichterlichen Rechtsprechung zum ermäßigten Umsatzsteuersatz für gemeinnützige Träger informiert, so berichten wir an dieser Stelle über Entwicklungen im Bereich der umsatzsteuerlichen Behandlung der Leistungen von Heilmittelerbringern, die gleichfalls (auch) Fragen des ermäßigten Steuersatzes zum Gegenstand haben. Darüber hinaus kommentieren wir drei aktuelle Entscheidungen zum Risiko der Infizierung von Einkünften aus selbstständiger ärztlicher Tätigkeit infolge zusätzlicher gewerblicher Einkünfte. Darüber hinaus stellen wir anknüpfend an Beiträge aus unserem Newsletter Health Care aus dem Vorjahr aktuelle Entwicklungen rund um die Zytostatika-Abgabe in Krankenhäusern vor. So hat zum einen der BFH nach Beantwortung seiner entsprechenden Vorlage an den EuGH nun zur umsatzsteuerlichen Behandlung der Lieferung von Zytostatika durch Krankenhausapotheken entschieden. Zum anderen kommentieren wir den von dem Bundesfinanzministerium jüngst auf die Entscheidung des BFH vom 31. Juli 2013 – I R 82/12 hin (Abgabe von Zytostatika an ambulant behandelte Krankenhauspatienten und Zuordnung dieser Leistungen zum Zweckbetrieb Krankenhaus) veröffentlichten Hinweis im Anwendungserlass zur Abgabenordnung. Des Weiteren besprechen wir, nachdem in vergangenen Beiträgen regelmäßig Fragen des Honorararzteinsatzes thematisiert worden sind, die jüngst ergangene Grundsatzentscheidung des Bundesgerichtshofes zur Abrechenbarkeit honorarwahlärztlicher Leistungen. Zur Frage der Rechtmäßigkeit von Defizitausgleichen kommunaler Krankenhausträger hatten wir zuletzt über das erstinstanzliche Urteil des LG Tübingen betreffend die Kreiskliniken Calw und Nagold berichtet. Zwischenzeitlich hat das OLG Stuttgart die Berufung des erstinstanzlich unterlegenen klagendenden Bundesverbandes Deutscher Privatkliniken zurückgewiesen – wir stellen auch diese Entscheidung aus dem November 2014 vor. Nachdem wir zuletzt vertieft Änderungen im vertragsärztlichen Zulassungsrecht dargestellt haben, weisen wir schließlich auf eine neuere Entscheidung des Sozialgerichts Hamburg mit Relevanz für die Umstrukturierung von MVZ hin. Weitere Informationen über aktuelle Veranstaltungen und Veröffentlichungen aus unserem Hause erhalten Sie auch auf unserer Homepage unter www.rbs-partner.de sowie der Webpräsenz der RBS RoeverBroennerSusat Rechtsanwaltsgesellschaft mbH unter www.rbs-legal.de. Wir wünschen Ihnen eine informative Lektüre. Ihre Partner von RBS RoeverBroennerSusat

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BFH-Entscheidungen zur Zytostatika-Abgabe durch Krankenhausapotheke Der Bundesfinanzhof (BFH) hat am 10.12.2014 sein Schlussurteil zur Frage der umsatzsteuerlichen Behandlung der Lieferung von Zytostatika durch Krankenhausapotheken für Zwecke der ambulanten Therapie von Krebspatienten (Chemotherapie) veröffentlicht (Urteil vom 24.9.2014 – V R 19/11). Danach ist die Abgabe dieser Medikamente an ambulante Patienten des Krankenhauses von der Umsatzsteuer befreit, und zwar unabhängig davon, ob die Behandlung durch eine Institutsambulanz des Krankenhauses oder aber durch, hierzu persönlich im Rahmen einer selbstständigen Tätigkeit, nach § 116 SGB V ermächtigte Ärzte erfolgt. Bereits am 18.12.2013 hatte der BFH sein Urteil hinsichtlich der gemeinnützigkeitsrechtlichen Einordnung veröffentlicht. Danach zählt die Abgabe der Zytostatika an ambulante Patienten des Krankenhauses zu dem Krankenhauszweckbetrieb nach § 67 AO. Umsatzsteuer Medikamentenlieferungen unterliegen grundsätzlich dem Regelsteuersatz von 19 %. Werden die von einem Krankenhaus so erworbenen Medikamente im Rahmen einer stationären Behandlung verabreicht, so galt die Abgabe schon immer als „eng mit einer Krankenhausbehandlung verbundene“ und damit umsatzsteuerfreie Leistung. Werden dagegen Medikamente von einer Krankenhausapotheke an ein anderes Krankenhaus geliefert, so ist diese Lieferung, wie jede andere Apothekenlieferung, umsatzsteuerpflichtig. Streitfrage im vorliegenden Fall war, ob auch die Abgabe gebrauchsfertiger, individuell zubereiteter und nur begrenzt haltbarer zytostatischer Medikamentenlösungen durch die Krankenhausapotheke an ambulant im Krankenhaus behandelte Patienten einen sog. „eng mit einer Krankenhausbehandlung verbundenen“ Umsatz darstellt, der als Nebenleistung zur eigentlichen ärztlichen Heilbehandlungsleistung wie diese von der Umsatzsteuer befreit ist. Während sich für den Patienten eine ambulante Behandlung im Krankenhaus einer stationären Versorgung sehr ähnlich darstellt, unterscheidet sich das dahinterstehende Vertrags- und Abgeltungsprozedere grundsätzlich. Eine stationäre Krankenhausleistung (einschließlich aller verabreichten Medikamente, Heilmittel usw.) wird einheitlich nach den sog. diagnosebezogenen Fallgruppen (DRGs) und der Fallschwere abgerechnet. Bei einer ambulanten Behandlung werden dagegen die ärztliche Heilbehandlungsleistung und die Medikamentenlieferung jeweils eigenständig gegenüber den Kostenträgern abgerechnet. Heilbehandlungsleistung und Medikamentenlieferung werden in der Regel durch unterschiedliche Rechtsträger erbracht (Arzt, Apotheke). Während die Heilbehandlungsleistungen immer umsatzsteuerbefreit sind, könnten Krankenhausapotheken einen Wettbewerbsvorteil erlangen, wenn ihre Medikamentenlieferung umsatzsteuerfrei erfolgt, während eine niedergelassene Apotheke die Medikamente nur umsatzsteuerpflichtig liefern darf. Dieses würde dem Grundgedanken der Wettbewerbsneutralität der Umsatzsteuer widersprechen.

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Der BFH ist nun unter Berücksichtigung des, von dem EuGH in diesem Fall entschiedenen, Vorabentscheidungsersuchens (EuGH, Urteil vom 13.3.2014, Az. C – 366/12, siehe NPO-Newsletter 1/2014 S. 20 f.) zu der Erkenntnis gelangt, dass der Wettbewerbsaspekt im Falle der Abgabe der Zytostatika in den Hintergrund tritt, da die Abgabe der Zytostatika für die Heilbehandlung der Krebspatienten „unabdingbar“ sei. Dies gilt für die Erreichung der damit verbundenen therapeutischen Ziele jedenfalls dann, wenn die Medikamente individuell für den einzelnen Patienten hergestellt werden. Unerheblich sei dagegen, ob die Krankenhausbehandlung ambulant oder stationär erfolge. Weiterhin mache es keinen Unterschied, ob die Behandlung durch eine Institutsambulanz oder aber einen ermächtigten Krankenhausarzt im Rahmen seiner selbstständigen Tätigkeit erfolge. Für die Beurteilung der engen Verbundenheit ist auf die Sicht des Patienten („Endverbraucher“) und nicht die dahinterstehenden organisatorischen Merkmale abzuzielen. Es komme lediglich auf die Identität des Leistungsempfängers, nicht aber des Leistungserbringers an. Im Ergebnis ist die Abgabe der Zytostatika durch eine Krankenhausapotheke an Krankenhauspatienten umsatzsteuerfrei. Folgefragen Die Finanzverwaltung hat in der Vergangenheit vertreten, dass es sich um eine steuerpflichtige Lieferung handelt. Die meisten Krankenhäuser sind dieser Beurteilung gefolgt und haben die Zytostatika zuzüglich Umsatzsteuer geliefert und diese Umsatzsteuer – nach Abzug der zulässigen Vorsteuer – an die Finanzämter abgeführt. Für sie stellt sich die Frage, wie mit der Entscheidung umzugehen ist. Festzustellen ist, dass das Urteil zunächst nur für den entschiedenen Einzelfall gilt. Die Finanzämter sind an die Entscheidung nicht gebunden. Erste Verlautbarungen aus der Finanzverwaltung lassen darauf schließen, dass diese das Urteil nicht im Bundessteuerblatt veröffentlichen und damit allgemein anwendbar machen will. Vielmehr ist derzeit ein Nichtanwendungserlass in der Diskussion. Die Krankenkassen als Kostenträger und Vertragspartner der Krankenhäuser sind gesetzlich verpflichtet, bei der Durchführung ihrer Aufgaben sparsam und wirtschaftlich zu verfahren und ihre Ausgaben so auszurichten, dass Beitragserhöhungen ausgeschlossen werden (§ 4 Abs. 4 SGB V). Es ist daher davon auszugehen, dass sie mögliche Rückerstattungsansprüche aus – nach dem Urteil – zu Unrecht gezahlter Umsatzsteuer geltend machen werden. Ob und in welcher Höhe dieses erfolgreich sein wird, ist einzelfallabhängig. So gibt es starke Unterschiede in den Vereinbarungen zwischen den Krankenkassen und den Krankenhäusern über die Versorgung mit Zytostatika in den einzelnen Bundesländern. Streitpunkt dürfte insbesondere die Frage werden, ob und wie die, von den Krankenhäusern nunmehr zu Unrecht geltend gemachte und daher an das Finanzamt zurückzuzahlende, Vorsteuer angerechnet wird. Weigern sich die Finanzämter, das Urteil insgesamt anzuwenden, könnten die Krankenhäuser sogar vor dem Problem stehen, an die Krankenkassen erstatten zu müssen, die eigene Forderung an das Finanzamt aber erst in aufwendigen Prozessen durchsetzen zu können.

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Auch für die weiteren laufenden Medikamentenabgaben an die Patienten des Krankenhauses stellt sich die Frage, wie diese zu bepreisen und zu besteuern sind. Die Kostenträger könnten etwa bei fälligen Abrechnungen die Auszahlung der Umsatzsteuer mit Hinweis auf die BFH-Rechtsprechung verweigern. In den Umsatzsteuer-Voranmeldungen und Erklärungen wäre, sofern die Versorgungsvereinbarungen einen Preis zzgl. gesetzlicher Mehrwertsteuer vorsehen, diese unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung mit 0 % anzusetzen und ein Vorsteuerabzug versagt. Da die Finanzverwaltung derzeit aber noch von einer Umsatzsteuerpflicht auszugehen scheint, könnte bei einer unterlassenen Anmeldung und Abführung der nach Finanzamtsauffassung fälligen Umsatzsteuer sogar ein Verfahren wegen Steuerhinterziehung drohen. Da die möglichen Folgen stark einzelfallabhängig sind, kann nur nach einer intensiven Prüfung der zugrunde liegenden Vereinbarungen und der tatsächlichen Abrechnungspraxis entschieden werden, welche Schritte erforderlich sind. Gerne stehen hierfür die Experten unseres NPO-Teams zur Verfügung. Körperschaftsteuer Im Kontext der Abgabe von Zytostatika hatte der BFH für Zwecke der Körperschaftsteuer mit Urteilen vom 31.7.2013 (I R 31/12 und I R 82/12) bereits die ertragsteuerliche Steuerbefreiung für Krankenhäuser weit ausgelegt. Die Abgabe der Zytostatika durch Krankenhausapotheken an die im Krankenhaus behandelten Patienten ist danach noch dem steuerbegünstigten Zweckbetrieb des Krankenhauses zuzurechnen. Der BFH hatte dies unter anderem damit begründet, dass der deutsche Gesetzgeber für den Krankenhaus-Zweckbetrieb nach § 67 AO (anders als für den allgemeinen Zweckbetrieb, vgl. § 65 Abs. 3 AO) gerade keine Wettbewerbsklausel vorgesehen habe. Die Finanzverwaltung ist dieser Auffassung zwischenzeitlich gefolgt und hat den Anwendungserlass zur Abgabenordnung entsprechend geändert (vgl. gesonderter Artikel in diesem Newsletter). Da nach einer Zuordnung der Abgabe von Zytostatika zum Zweckbetrieb viele Krankenhäuser gemeinnützigkeitsschädliche Verluste in dem steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb ausweisen, stellt sich die Frage, wie hiermit künftig umzugehen ist. Erste Verlautbarungen aus der Finanzverwaltung deuten nunmehr darauf hin, dass es Billigkeitsregelungen geben könnte, nach denen bis zu einem bestimmten Zeitpunkt entsprechende Verluste nicht als gemeinnützigkeitsschädlich angesehen werden, sofern diese für die Zukunft strukturell neu aufgestellt werden. Zum aktuellen Stand sprechen Sie uns bitte an. Fazit Die Kläger in dem vor die Finanzgerichte getragenen Fall haben zwar Recht bekommen und insoweit auch zur Rechtsentwicklung beigetragen. Gleichzeitig ergibt sich aber für alle Beteiligten eine erhebliche Unsicherheit und ggfs. Berichtigungsbedarf hinsichtlich bisheriger und künftiger Leistungsabrechnungen.

Jens Krieger T +49 30 208 88-1280 E j.krieger@rbs-partner.de

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Finanzverwaltung nimmt von BFH in ZytostatikaUrteilen entwickelten Begriff des Zweckbetriebs Krankenhaus i. S. d. § 67 AO in Anwendungserlass zur Abgabenordnung auf Aufgrund des BFH-Urteils vom 31. Juli 2013 – I R 82/12 zur Abgabe von Zytostatika an ambulant behandelte Krankenhauspatienten und der Zuordnung dieser Leistungen zum Zweckbetrieb Krankenhaus i. S. d. § 67 AO sah sich die Finanzverwaltung offenbar veranlasst, ausdrücklich zur Reichweite der Zweckbetriebseigenschaft von Krankenhäusern Stellung zu nehmen. Mit dem BMF-Schreiben vom 14. Januar 2015 (IV A 3 – S 0062/14/10009) wurden daher erstmals Hinweise zum Krankenhausbegriff i. S. d. § 67 AO in den Anwendungserlass zur Abgabenordnung (AEAO) aufgenommen. Aktueller Anwendungserlass Unter Bezugnahme auf die allgemeine Definition von Krankenhäusern in § 2 Nr. 1 Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG) stellt die Finanzverwaltung klar, dass unter Krankenhausleistungen diejenigen Leistungen fallen, die für die medizinisch zweckmäßige und ausreichende Versorgung der Patienten notwendig sind. Dabei handelt es sich unter anderem um ärztliche und pflegerische Behandlung oder Versorgung mit Arznei-, Heil- und Hilfsmitteln, die für die Versorgung im Krankenhaus notwendig sind, oder Unterkunft und Verpflegung. Wie bereits der BFH (Urteil vom 6. April 2005 – I R 85/04) ausführte, gehören zum Zweckbetrieb Krankenhaus damit alle Einnahmen und Ausgaben, die mit den ärztlichen und pflegerischen Leistungen an die Patienten als Benutzer des jeweiligen Krankenhauses zusammenhängen. Infolge der aktuellen Rechtsprechung des BFH zur Zweckbetriebszuordnung der Abgabe von Zytostatika an ambulant behandelte Patienten stellt die Finanzverwaltung ausdrücklich fest, dass vom Zweckbetrieb Krankenhaus auch die an ambulant behandelte Patienten erbrachten Leistungen erfasst werden, soweit diese Bestandteil des Versorgungsauftrags des Krankenhauses sind. Gleiches gelte auch für Einnahmen und Ausgaben, die in Zusammenhang mit der Abgabe von Medikamenten durch Krankenhausärzte an ambulant behandelte Patienten des Krankenhauses zur unmittelbaren Verabreichung im Krankenhaus stehen (BFH-Urteil vom 31. Juli 2013 – I R 82/12). Nach Verwaltungsauffassung regelt der Versorgungsauftrag, welche Leistungen ein Krankenhaus, unabhängig von der Art der Krankenversicherungsträger, erbringen darf. Für die gemeinnützigkeitsrechtliche Beurteilung folgt daraus, dass für Leistungen, die außerhalb des Versorgungsauftrages erbracht werden, eine Zuordnung zum Zweckbetrieb Krankenhaus ausscheidet.

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Unklar ist, ob demzufolge Leistungen, die nicht gegenüber den Krankenkassen abgerechnet werden können, nicht dem Zweckbetrieb zuordenbar sind. Daneben sieht es die Finanzverwaltung in Übereinstimmung mit dem Leitsatz des BFH für die Beurteilung der Zweckbetriebseigenschaft als unerheblich an, wenn die Ermächtigung zur Durchführung ambulanter Behandlungen nicht dem Krankenhaus im Wege einer sog. Institutsermächtigung (§ 116a SGB V), sondern dem Chefarzt des Krankenhauses erteilt wird (§ 116 SGB V), der die Behandlungen als Dienstaufgabe durchführt. Daher wird im AEAO ausgeführt, dass es für die Zurechnung der Behandlungsleistungen zum Zweckbetrieb Krankenhaus unbeachtlich ist, wenn die Behandlungen von Patienten des Krankenhauses durch einen ermächtigten Arzt als Dienstaufgabe innerhalb einer nichtselbstständigen Tätigkeit erbracht werden. Verbleibende offene Fragestellungen und Ausblick Unklar ist, wie die Abgabe von Medikamenten ertragsteuerlich zu beurteilen ist, wenn der ermächtigte Arzt die Behandlung nicht im Rahmen seiner Dienstaufgabe durchführt. Denn in seinem Urteil hatte sich der BFH nicht eindeutig dazu geäußert, ob die Erbringung der ambulanten Behandlung zwingend als Dienstaufgabe erfolgen muss oder das Kriterium nur ergänzend für die Zuordnung zum Zweckbetrieb herangezogen wurde. Diesbezüglich hat auch das aktuelle BMF-Schreiben bedauerlicherweise keine Klarstellung herbeigeführt. Daneben könnten die Ausführungen der Finanzverwaltung im AEAO auch Auswirkungen auf die ertragsteuerliche Beurteilung der Sachmittel- und Personalgestellung haben, soweit diese für die Ambulanzen ermächtigter Ärzte erfolgt. Nach den zum Zweckbetrieb Krankenhaus dargelegten Grundsätzen könnten auch diese Leistungen noch dem Krankenhauszweckbetrieb zuzuordnen sein. Auch die in der Vergangenheit im Rahmen von Betriebsprüfungen oftmals streitbefangenen ambulanten Physiotherapieleistungen dürften nach den dargelegten Grundsätzen nunmehr eindeutig dem Zweckbetrieb zuzurechnen sein, soweit sie auf ärztlicher Verordnung beruhen bzw. für die Versorgung im Krankenhaus notwendig sind. Insgesamt ist die Festschreibung der Reichweite des Zweckbetriebs Krankenhaus in dem für die Finanzverwaltung bindenden AEAO zu begrüßen, da so die vom BFH entwickelten Grundsätze von der Finanzverwaltung einheitlich angewendet werden. Im Einzelnen sind jedoch weitere Konkretisierungen wünschenswert.

Danica Haida T +49 30 208 88-1564 E d.haida@rbs-partner.de

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Umsatzsteuerliche Behandlung der von Physiotherapeuten erbrachten Leistungen In den letzten Jahren ist eine stetige Einschränkung der umsatzsteuerlichen Vergünstigungen für Leistungen von Physiotherapeuten zu beobachten. Nachdem die Finanzverwaltung bereits seit 2012 die Anwendung der Steuerbefreiungsvorschrift des § 4 Nr. 14 lit. a Satz 1 UStG lediglich eingeschränkt gewährt, soll nun auch der ermäßigte Steuersatz gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 9 UStG nur noch begrenzt anwendbar sein.

Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 14 lit. a Satz 1 UStG Grundsätzlich gilt die Umsatzsteuerbefreiung nach § 4 Nr. 14 lit. a Satz 1 UStG für Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin, die im Rahmen der Tätigkeit als Physiotherapeut oder einer ähnlichen heilberuflichen Tätigkeit durchgeführt werden. Heilbehandlungen sind nach der Rechtsprechung des EuGH Tätigkeiten, die zum Zweck der Vorbeugung, Diagnose, Behandlung und, soweit möglich, Heilung von Krankheiten oder Gesundheitsstörungen bei Menschen vorgenommen werden. Die Leistungen von Physiotherapeuten stellen keine Heilbehandlung im umsatzsteuerlichen Sinn dar, weil es ihnen aufgrund ihres Berufsrechts nicht erlaubt ist, zu diagnostizieren. Ein umsatzsteuerbefreites Tätigwerden ist für sie daher erst nach ärztlicher Diagnose und Verordnung oder im Rahmen einer Vorsorge- oder Rehabilitationsmaßnahme möglich. Auch Behandlungen im Anschluss an eine ärztliche Diagnose, für die die Patienten selbst die Kosten tragen, sind daher mangels ärztlicher Verordnung nicht umsatzsteuerbefreit. Daraus resultiert vor allem für diejenigen Patienten eine zusätzliche finanzielle Belastung, die auf der Basis einer existierenden Diagnose auf eigene Kosten weitere physiotherapeutische Behandlung in Anspruch nehmen, weil ihr behandelnder Arzt aufgrund der fortschreitenden Verknappung des Budgets nicht mehr im notwendigen Umfang Heilmittel verschreibt. In diesen Fällen wendete die Finanzverwaltung bis zum Ende des Jahres 2011 eine Billigkeitsregelung an, die die private Inanspruchnahme physiotherapeutischer Leistungen im Anschluss an eine ärztliche Verordnung als steuerbefreit behandelte. Aufgrund der Annahme der Finanzverwaltung, dass jede kranke Person stets physiotherapeutische Verordnungen durch einen Arzt erhält, bis die Erkrankung austherapiert ist, wurde diese Regelung jedoch zum 1. Januar 2012 aufgehoben. Diese Unterstellung erweist sich in der Praxis jedoch als falsch. Denn bei weiter anhaltenden Beschwerden begeben sich die Patienten auf Basis der bestehenden Diagnose oft auch auf eigene Kosten in physiotherapeutische Behandlung, um die Beschwerden zu beseitigen oder zu lindern. Ungeachtet dieser tatsächlichen Umstände qualifiziert die Finanzverwaltung privat bezahlte Behandlungen im Anschluss an eine ärztliche Verordnung als nicht steuerbefreit, da sie lediglich der Verbesserung des Wohlbefindens bzw. der Verbesserung des allgemeinen Gesundheitszustands dienen.

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Abweichend von der dargestellten Verwaltungsauffassung, dass für die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 14 lit. a Satz 1 UStG stets eine ärztliche Verordnung erforderlich ist, hat das Finanzgericht (FG) Schleswig-Holstein mit Urteil vom 5. Februar 2014 – 4 K 75/12 entschieden, dass Podologen auch ohne ärztliche Verordnung steuerfreie Heilbehandlungen erbringen können. Maßgebend war hier jedoch, dass die medizinische Indikation der podologischen Behandlung auf anderem Wege nachgewiesen wurde, nämlich durch Patientenunterlagen und ein medizinisches Gutachten. Diese Entscheidung hat der Bundesfinanzhof (BFH) kürzlich im Rahmen des Revisionsverfahrens (Urteil vom 1. Oktober 2014 – XI R 13/14) insoweit bestätigt, als er ausführt, dass der Nachweis des therapeutischen Zwecks einer Leistung mit allen zulässigen Beweismitteln, die diesbezüglich eine vergleichbare Aussagekraft wie eine ärztliche Verordnung haben und von Personen stammen, die zur Feststellung des therapeutischen Zwecks befähigt sind, geführt werden könne. Zur Begründung wird ausgeführt, dass bei Vorliegen der materiellen Voraussetzungen einer Norm (hier: der Steuerbefreiung des § 4 Nr. 14 UStG), deren Anwendung grundsätzlich nicht allein aufgrund fehlender formeller Nachweise (hier: eines Kassen- oder Privatrezepts) versagt werden dürfe. Die vom BFH bestätigte Auffassung des FG Schleswig-Holstein könnte auch auf Leistungen von anderen Angehörigen der nichtärztlichen Heil- und Gesundheitsberufe (Physiotherapeuten) übertragen werden. Dann würde abweichend von der Forderung der Finanzverwaltung nach einer ärztlichen Verordnung auch ein anderweitiger Nachweis der medizinischen Notwendigkeit genügen.

Ermäßigter Steuersatz gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 9 UStG Soweit die Voraussetzungen für die Steuerbefreiungsvorschrift des § 4 Nr. 14 lit. a Satz 1 UStG nicht vorliegen, war für Leistungen, die typischerweise von Physiotherapeuten erbracht werden, zumindest der ermäßigte Steuersatz nach § 12 Abs. 2 Nr. 9 UStG anwendbar. Bislang wurde es seitens der Finanzverwaltung für ausreichend erachtet, dass die verabreichten Heilbäder ihrer Art nach allgemeinen Heilzwecken dienen. Von dem Begriff „Heilbäder“ wird neben Wannenbädern auch die Physiound Elektrotherapie in Form der Heilmassage und -gymnastik erfasst (Abschnitt 12.11. Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 UStAE). Der Nachweis eines bestimmten Heilzweckes sowie die Verordnungsfähigkeit des Heilmittels waren im Einzelfall nicht erforderlich. Aufgrund des am 28. Oktober 2014 veröffentlichten BMF-Schreibens wird nun auch diese Steuerbegünstigung eingeschränkt. Demnach sind künftig nur noch diejenigen Leistungen eines Physiotherapeuten steuerbegünstigt, die verordnungsfähige Heilmittel im Sinne der Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Verordnung von Heilmitteln in der vertragsärztlichen Versorgung („Heilmittel-Richtlinie“) in Verbindung mit dem zugehörigen sog. Heilmittelkatalog darstellen. Auf das tatsächliche Vorliegen einer ärztlichen Verordnung kommt es weiterhin nicht an. Verordnungsfähig im Sinne der Heilmittel-Richtlinie sind u. a. Heilmassagen, Heilgymnastik, Elektrotherapie und Unterwasserdruckstrahl-Massagen. Nicht verordnungsfähig sind hingegen Maßnahmen, deren therapeutischer Nutzen nicht nachgewiesen ist, sowie Maßnahmen, die der persönlichen Lebensführung zuzuordnen sind, wie z. B. Ganzkörpermassagen, Sauna, Teil- und Wannenbäder, soweit sie nicht nach den Vorgaben des Heilmittelkataloges verordnungsfähig sind.

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Praxishinweis In Anbetracht des Urteils des BFH vom 1. Oktober 2014 kann argumentiert werden, dass eine ärztliche Verordnung für die Anwendung der Steuerbefreiung nicht notwendig ist, soweit der Nachweis des therapeutischen Zwecks durch medizinisch dazu befähigtes Fachpersonal geführt werden kann. Das Urteil erlangt Allgemeingültigkeit jedoch erst nach Veröffentlichung im Bundessteuerblatt II. Im Hinblick auf die realitätsfremde Annahme der Finanzverwaltung, physiotherapeutische Maßnahmen würden bis zur erfolgreich beendeten Behandlung von Ärzten verschrieben werden, bleibt zu hoffen, dass sie diese aufgibt und die bis 2012 geltende Billigkeitsregelung wieder anwendet. Jens Krieger T +49 30 208 88-1280 E j.krieger@rbs-partner.de Danica Haida T +49 30 208 88-1564 E d.haida@rbs-partner.de

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Für Physiotherapeuten bleibt darüber hinaus die Möglichkeit, eine Qualifikation als Heilpraktiker, beschränkt auf das Gebiet der Physiotherapie, zu erlangen. Dies erlaubt den betroffenen Physiotherapeuten aufgrund berufsrechtlicher Befähigung zu diagnostizieren; mit der Konsequenz, dass sie sich auf die Steuerbefreiungsnorm des § 4 Nr. 14 lit. a Satz 1 UStG berufen können, sofern die Tätigkeit einem therapeutischen Ziel dient.

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Neuere Rechtsprechung zur Abgrenzungsfrage „freiberufliche vs. gewerbliche Tätigkeit von Arztpraxen“ Arztpraxen sind immer wieder mit der Fragestellung konfrontiert, unter welchen Umständen die Beschäftigung von qualifiziertem Fachpersonal den steuerlichen Status der „Freiberuflichkeit“ der Praxis gefährdet. Als Faustregel gilt, dass mit zunehmender Eigenverantwortung des angestellten Personals bei der Patientenbehandlung das Risiko der Annahme gewerblicher Einkünfte für die Gesamtpraxis steigt. Der Bundesfinanzhof (BFH) hat in einer Anfang Januar 2015 veröffentlichten Entscheidung die Kriterien zur Beteiligung von angestellten Ärzten an Behandlungsmaßnahmen konkretisiert. Auch im Fall der GbR-Beteiligung von nachgeordneten selbstständigen Ärzten an einer bestehenden Praxis können diese Anforderungen relevant werden. Dieses hat das Finanzgericht (FG) Düsseldorf in zwei – beim BFH zur Revision anhängigen – Verfahren entschieden. Im Urteilsfall wurde die von den Steuerpflichtigen angenommene steuerliche Mitunternehmerschaft an der „Altpraxis“ nicht anerkannt. Aufgrund der fehlenden Überwachung der Neugesellschafterin kam es zu einer gewerblichen Infizierung der Altpraxis. Hintergrund Der Beruf des Arztes ist ein sogenannter „freier Beruf“, der bei dem Arzt zu Einkünften aus selbstständiger Arbeit nach § 18 EStG führt. Die Besonderheit der freiberuflichen Tätigkeit ist, dass sie nicht der Gewerbebesteuerung unterliegt und von der Pflichtmitgliedschaft in der IHK ausgenommen ist. Der Übergang zur Einkunftsart der „gewerblichen Einkünfte“ nach § 15 EStG ist fließend. Die Schwelle zur Gewerblichkeit wird immer dann überschritten, wenn sich die Tätigkeit des oder der Praxisinhaber weniger auf die Heilbehandlung am Patienten als vielmehr auf die unternehmerische Leitung der Praxis konzentriert. Eine solche Situation tritt typischerweise ab einer gewissen Größe der Praxis ein, wenn die eigentliche Patientenbehandlung zunehmend an angestellte Arzte delegiert wird. Auch die Aufnahme originär gewerblicher Tätigkeiten, beispielsweise der Handel mit Waren, führt zu einer gewerblichen „Infizierung“ der selbstständigen Einkünfte. Grundsätzlich wird einem Arzt zugestanden, sich der Mithilfe fachlich vorgebildeter Arbeitskräfte zu bedienen (§ 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG). Freiberuflich tätig bleibt er jedoch nur dann, wenn er aufgrund eigener Fachkenntnisse leitend und eigenverantwortlich tätig ist. Dies setzt nach ständiger Rechtsprechung voraus, dass die persönliche Teilnahme des Arztes an der praktischen ärztlichen Arbeit in ausreichendem Umfang gewährleistet ist. Die Ausführung jeder einzelnen Patientenbehandlung (bzw. bei Laboren: jedes einzelnen Laborauftrags) muss dem Praxisinhaber selbst und nicht dem qualifizierten Mitarbeiter zuzurechnen sein. Plastisch formuliert der BFH in ständiger Rechtsprechung, dass die Praxisinhaber in dem Betriebsablauf ihrer Praxis sicherstellen müssen, dass sie jeder einzelnen Behandlung „den Stempel ihrer Persönlichkeit aufdrücken“. Bei der Feststellung des „persönlichen Stempels“ handelt es sich nach dem BFH allerdings um eine im Einzelfall zu prüfende Frage, die revisionsrechtlich nur auf die Missachtung gesetzlicher Auslegungsregeln oder allgemein anerkannte Auslegungsgrundsätze überprüfbar ist.

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Neue Rechtsprechung Ausgehend von diesen Grundsätzen hat der BFH mit dem am 7. Januar 2015 veröffentlichten Urteil vom 16. Juli 2014 – VIII R 41/12 entschieden, dass bei kleineren Praxen wie einer mobilen Anästhesiepraxis die Einstellung eines weiteren Berufsträgers, der nicht Gesellschafter ist, unter bestimmten Umständen unschädlich sein kann. Das FG Düsseldorf hat hingegen mit Urteilen vom 19. September 2013 – 11 K 3969/11 G und 11 K 3968/11 F (jeweils Revision zum BFH eingelegt unter Gz. BFH VIII R 62/13 bzw. VIII R 63/13) für eine etwas andere Konstellation die Grenzen der Freiberuflichkeit aufgezeigt: Wird ein seinerseits selbstständiger Arzt vertraglich zum Mitgesellschafter einer Gemeinschaftspraxis gemacht, obwohl er kein nennenswertes Gesellschafterrisiko trägt und im Prinzip wie ein Angestellter vergütet wird, ist er im steuerlichen Sinne lediglich „Scheingesellschafter“. Für die Beurteilung, ob die eigentlichen Praxisinhaber noch freiberuflich oder aber schon gewerblich tätig sind, ist die vorgenannte ständige Rechtsprechung des BFH heranzuziehen. Entscheidung des BFH In dem vom BFH zu beurteilenden Sachverhalt handelte es sich um eine mobile Anästhesiepraxis, die von niedergelassenen Ärzten für die Narkose bei anfallenden Operationen im Einzelfall angefordert wurden. Anästhesistische Leistungen umfassen vor allem die Voruntersuchung und die eigentliche Narkosesetzung sowie die laufende Überwachung der Lebensfunktionen während des Eingriffes. Der BFH hat in seiner Entscheidung die Delegation auf eine angestellte Ärztin als noch innerhalb der vom Gesetz für Freiberufler gezogenen Grenzen liegend beurteilt. Er entschied, dass es für die eigenverantwortliche und leitende Tätigkeit des Arztes nicht zwingend notwendig ist, dass dieser die eigentliche Anästhesietätigkeit unmittelbar ausführt; dies könne auch eine angestellte Ärztin übernehmen, wie es in dem zu beurteilenden Sachverhalt der Fall war. Ausreichend sei es, wenn die Ärzte-Gesellschafter die jeweils anstehenden Voruntersuchungen bei den Patienten durchführen, für den Einzelfall die Behandlungsmethode festlegen und sich die Behandlung „problematischer Fälle“ vorbehalten. Diesen Anforderungen genüge schon eine patientenbezogene regelmäßige und eingehende Kontrolle der Tätigkeit des angestellten Fachpersonals. Würde man darüber hinaus die unmittelbare Ausführung der Anästhesietätigkeit durch die Gesellschafter verlangen, so der BFH, würde man den Einsatz fachlich vorgebildeten Personals im Bereich der Heilberufe faktisch ausschließen und damit die Anforderungen des Gesetzes überdehnen.

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Entscheidungen des FG Düsseldorf In dem vom FG Düsseldorf entschiedenen Sachverhalt war unstreitig, dass die in einer bereits bestehenden zweigliedrigen Gemeinschaftspraxis tätige Ärztin ohne Überwachung und persönliche Mitwirkung der ursprünglichen Praxisinhaber die Patienten eigenverantwortlich behandelte. Sie war allerdings – anders als im eben genannten BFH-Fall – durch einen „Vertrag über die Errichtung einer Gemeinschaftspraxis“ im Jahr 1998 in die Berufsausübungsgemeinschaft aufgenommen worden. Die Gemeinschaftspraxis firmierte als „A & B und andere GbR“, womit mit „andere“ die weitere Gesellschafterin gemeint war. Von der zum 31. März 2001 eingeräumten Option, ein Drittel der Gemeinschaftspraxis zu erwerben, machte sie keinen Gebrauch; die Praxis wurde bis zu der dem vorliegenden Rechtsstreit zugrunde liegenden Betriebsprüfung im Jahr 2009 (für das Streitjahr 2007) wie vor dem 31. März 2001 fortgeführt. Erst im Jahr 2011 erwarb die Ärztin einen 5 %-Anteil. Aufgrund des vorgelegten Gesellschaftsvertrages kam das Finanzgericht zu der Auffassung, dass steuerlich keine Mitunternehmerschaft vorliege. Eine solche bestehe nur dann, wenn ein Gesellschafter sowohl ein Mitunternehmerrisiko trägt wie auch Mitunternehmerinitiativemöglichkeiten zugestanden bekommt. Zwar müssten beide Merkmale nicht vollständig und gleichmäßig ausgeprägt sein, die im konkreten Fall vorliegende Vereinbarung wurde jedoch als nicht ausreichend beurteilt. Folgende Regelungen sprachen im Urteilsfall gegen ein Mitunternehmerrisiko: Der hinzugetretenen Ärztin stand zum streitgegenständlichen Steuerjahr nur eine 0%ige Beteiligung zu und ihre Gewinnbeteiligung an der Praxis-GbR war auf 37 % (ggf. 42 %) ihres selbst erwirtschafteten Honorars begrenzt. Der Vertrag schloss eine Beteiligung der hinzugetretenen Ärztin an den stillen Reserven der Wirtschaftsgüter aus; eine Regelung zur Beteiligung an den immateriellen Werten der Praxis im Fall des Ausscheidens eines Gesellschafters oder der Auflösung der Gesellschaft enthielt der Vertrag nicht. Sowohl Praxisinventar als auch Neuinvestitionen wurde im Sonderbetriebsvermögen der Altgesellschafter geführt, sodass de facto außer den Honorarforderungen kein Gesamthandsvermögen bestand. Die Außenhaftung war unter anderem durch einen vertraglich vorgesehenen Innenausgleich unter den Gesellschaftern und den Abschluss von Berufshaftpflichtversicherungen für jeden Arzt eingeschränkt. Die hinzugetretene Ärztin hatte keine Verfügungsmacht über die Konten und die Barkasse. Hinsichtlich der Mitunternehmerinitiative (die grundsätzlich ein schwach ausgeprägtes Mitunternehmerrisiko ausgleichen kann) war der hinzugetretenen Ärztin keine ausgeprägte Geschäftsleitungsbefugnis eingeräumt worden, vielmehr konnten Geschäftsführungsentscheidungen laut Gesellschaftsvertrag nur mehrheitlich (und damit ausschließlich mit Zustimmung der „Altgesellschafter) getroffen werden.

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Mangels Mitunternehmerstellung der aufgenommenen Ärztin bildeten die ursprünglichen Praxisinhaber nach Auffassung des FG Düsseldorf eine eigene Mitunternehmerschaft, während die neu aufgenommene Ärztin Einkünfte aus einem (freiberuflichen) Einzelunternehmen beziehe. Das FG Düsseldorf bestätigte somit das Vorgehen der Betriebsprüfung, die zwar alle Einkünfte der GbR gesondert und einheitlich festgestellt, aber nur den Altgesellschaftern für steuerliche Zwecke zugerechnet hatte. Soweit in den Einkünften der GbR auch Honorarumsätze der hinzugetretenen Ärztin enthalten waren, lagen bei der GbR wegen der fehlenden Überwachung der Behandlungstätigkeit der später aufgenommenen Ärztin gewerbliche Einkünfte vor (Urteil des FG Düsseldorf vom 19. September 2013 – 11 K 3968/11 F). Aufgrund dieser „Infizierung“ mit gewerblichen Tätigkeiten waren – wie das FG Düsseldorf am gleichen Datum in einem abgetrennten Verfahren entschieden hat (11 K 3969/11 G) – die Einkünfte der GbR insgesamt als gewerblich zu qualifizieren. Fazit Beide Entscheidungen adressieren Aspekte der Gewerbesteuerpflicht. Sie geben insoweit Anhaltspunkte, wenn auch noch keine umfassende Handlungsanweisung, für die steuerlich sinnvolle Ausrichtung und Organisation einer Gemeinschaftspraxis: Der BFH stellt in seinem Urteil zunächst – in Anknüpfung an seine ständige Rechtsprechung sowie in Übereinstimmung mit berufs- und vertragsarztrechtlichen Vorgaben – klar fest, dass selbstständig tätige Ärzte ihren Beruf grundsätzlich auch dann leitend und eigenverantwortlich ausüben (können), wenn sie ärztliche Leistungen von angestellten Ärzten erbringen lassen; Voraussetzung ist dabei, dass die Leistung den „Stempel der Persönlichkeit“ des Steuerpflichtigen trägt.

Jens Krieger T +49 30 208 88-1280 E j.krieger@rbs-partner.de Norman Langhoff T +49 30 208 88-1448 E n.langhoff@rbs-partner.de Marcel Ruhlmann T +49 30 208 88-1328 E m.ruhlmann@rbs-partner.de

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Soweit dann als typisierte Form der eigenverantwortlich freiberuflichen Leistung die höchstpersönliche Durchführung der Voruntersuchung, die Festlegung der Behandlungsmethode im Einzelfall und der Vorbehalt der persönlichen Behandlung problematischer Fälle genannt werden, sollte aber – insbesondere z. B. mit Blick auf die weit ausdifferenzierten und arbeitsteiligen Strukturen im Bereich der Labormedizin – davon auszugehen sein, dass es sich bei diesen Formulierungen nicht um eine abschließende Aufzählung handelt. Dies ergibt sich daraus, dass es sich – wie oben ausgeführt – nach der Rechtsprechung des BFH bei der Feststellung des „persönlichen Stempels“ um eine stets im Einzelfall zu prüfende Frage handelt. Als grundsätzliche Maßschnur gilt damit auch nach diesem Urteil: Die Freiberuflichkeit der ärztlichen Tätigkeit setzt – patientenbezogen – eine maßgebliche Einflussnahme auf die Tätigkeit des angestellten Fachpersonals durch regelmäßige und eingehende Kontrolle seitens der Praxisinhaber voraus, die es für den Fall der Betriebsprüfung angemessen zu plausibilisieren bzw. dokumentieren gilt. Die Entscheidung des FG Düsseldorf verdeutlicht durch die Anforderungen an die steuerliche Mitunternehmerschaft die gewerbesteuerlichen Risiken einer sog. „Nullbeteiligung“; unklar bleibt dabei jedoch, ob und ggf. in welchem Umfang eine Nullbeteiligung während einer Kennenlernphase steuerrechtlich unschädlich ist.

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Grundsatzentscheidung des BGH zur Vergütungsfähigkeit honorarärztlich erbrachter Wahlleistungen Nach jahrelanger divergierender Instanzrechtsprechung und kontroverser Diskussion im Fachschrifttum zur Vergütungsfähigkeit von von Honorarärzten erbrachten Wahlleistungen liegt nun eine Grundsatzentscheidung des BGH vor. Mit Urteil vom 16. Oktober 2014 – III ZR 85/14 hat der BGH entschieden, dass § 17 Abs. 3 Satz 1 KHEntgG den Kreis der liquidationsberechtigten Wahlärzte abschließend festlegt und eine Wahlleistungsvereinbarung mit dem Krankenhausträger oder eine gesonderte Vergütungsvereinbarung mit dem behandelnden Arzt (hier: mit einem Honorararzt), die davon abweichen, gemäß § 134 BGB nichtig ist. Wir stellen die Entscheidung dar und zeigen Konsequenzen für die Praxis und sich ergebenden Handlungsbedarf auf. Der Sachverhalt Die Entscheidung des BGH wurde durch einen privaten Krankenversicherungsträger (Kläger) herbeigeführt. Dieser beglich zunächst die von einer Versicherungsnehmerin eingereichte Rechnung eines seine erbrachten Wahlleistungen liquidierenden Honorararztes und begehrte sodann aus abgetretenem Recht von dem Honorararzt (Beklagten) die Rückzahlung des Rechnungsbetrages. Der Behandlungsgang ist wie folgt zu umreißen: Der Beklagte ist als niedergelassener Facharzt für Neurochirurgie in einer Berufsausübungsgemeinschaft tätig. Zugleich war er im Jahr 2010 aufgrund einer Kooperationsvereinbarung mit einem Krankenhausträger in der von diesem betriebenen Klinik tätig, ohne dass eine Anstellung als Krankenhausarzt erfolgte. Die Versicherungsnehmerin der Klägerin war Patientin in der Praxis des Beklagten. Im Hinblick auf eine bevorstehende Rückenoperation unterzeichnete sie am 10. März 2010 eine „Vereinbarung über Behandlung gegen Privatrechnung“, in der sie sich mit einer privaten Abrechnung der ärztlichen Leistungen einverstanden erklärte. Am 12. März 2010 schlossen die Versicherungsnehmerin und der Krankenhausträger einen Behandlungsvertrag über in der Klinik zu erbringende stationäre Leistungen ab. Gleichzeitig wurde eine Wahlleistungsvereinbarung geschlossen, in der für die zuständige Fachabteilung ein bestimmter Klinikarzt als Wahlarzt benannt wurde. Die Angabe eines ständigen ärztlichen Vertreters unterblieb („N. N.“). Der Beklagte nahm den Eingriff am 19. März 2010 in der Klinik vor und liquidierte mit Rechnung vom 29. April 2010 ärztliche Leistungen in Höhe von EUR 1.174,23 bei der Versicherungsnehmerin. Diese beglich die Forderung und erhielt die Kosten von ihrer sodann den Honorararzt auf Erstattung verklagenden privaten Krankenversicherung ersetzt.

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Die Klägerin begründete den Rückzahlungsanspruch damit, dass der beklagte Honorararzt als liquidationsberechtigter Wahlarzt im Sinne von § 17 Abs. 3 KHEntgG tätig geworden sei. Als Honorararzt habe er lediglich allgemeine Krankenhausleistungen nach § 2 KHEntgG erbracht, die durch das Krankenhaus über Fallpauschalen zu liquidieren seien. Der beklagte Honorararzt wurde sowohl vom Amtsgericht Düsseldorf als auch vom Landgericht Düsseldorf zur Zahlung verurteilt. Der BGH hat die vorinstanzlichen Entscheidungen bestätigt. Die Entscheidung Definition des Honorararztbegriffes Der BGH definiert zunächst den Begriff „Honorararzt“ dahingehend, dass dieser die Erbringung fachärztlicher Leistungen „im stationären und/oder ambulanten Bereich eines Krankenhauses für den Krankenhausträger, ohne bei diesem angestellt oder als Beleg- oder Konsiliararzt tätig zu sein“, umschreibe. Die Tätigkeit erfolge „zeitlich befristet freiberuflich auf Honorarbasis, wobei das Honorar mit dem Krankenhausträger frei und unabhängig von den Vorgaben der GOÄ vereinbart wird und mangels Anstellung des Honorararztes keinen tarifvertraglichen Bindungen unterliegt“. Die Entscheidung betrifft daher weder Beleg- noch Konsiliarärzte. Keine Abrechnungsfähigkeit aufgrund Wahlleistungsvereinbarung mit Krankenhausträger Krankenhausleistungen umfassen allgemeine Krankenhausleistungen und (gesondert zu vereinbarende) Wahlleistungen (§ 2 Abs. 1 Satz 1 2. Halbsatz KHEntgG). Letztere müssen in einer gesonderten Vereinbarung vereinbart werden, was vorliegend auch der Fall war. Nach Auffassung des BGH wird der Kreis der in Betracht kommenden Wahlärzte durch § 17 Abs. 3 Satz 1 KHEntgG jedoch abschließend festgelegt. In Betracht kommen daher ausschließlich „alle an der Behandlung des Patienten beteiligten angestellten oder beamteten Ärzte des Krankenhauses, soweit diese zur gesonderten Berechnung ihrer Leistungen im Rahmen der voll- und teilstationären Behandlung berechtigt sind, einschließlich der von diesen Ärzten veranlassten Leistungen von Ärzten und ärztlich geleiteten Einrichtungen außerhalb des Krankenhauses“. Die von dem Beklagten erbrachten Leistungen waren auf Grundlage der Wahlleistungsvereinbarung deshalb nicht abrechenbar, weil auf den Beklagten keiner dieser Tatbestände zutraf: Der Beklagte war in der Wahlleistungsvereinbarung weder als Wahlarzt noch als gewünschter Stellvertreter aufgeführt. Der Beklagte war weder in der Klinik als angestellter noch als beamteter Arzt tätig. Der Beklagte hat seine Leistung schließlich auch weder „auf Veranlassung eines angestellten oder verbeamteten Klinikarztes“ noch „außerhalb des Krankenhauses“ erbracht.

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Keine Abrechnungsfähigkeit aufgrund separater privatrechtlicher Abrede Der BGH verneint schließlich unter Anwendung der üblichen Methoden der Gesetzesauslegung auch die Möglichkeit, die soeben genannten Vorgaben gemäß § 17 Abs. 3 Satz 1 KHEntgG durch separate privatrechtliche Vereinbarung zwischen Honorararzt und Patient abzudingen; § 17 Abs. 3 Satz 1 KHEntgG sei vielmehr zwingendes Recht („zwingende preisrechtliche Norm“). Zur Begründung wird ausgeführt: Wortlaut („grammatikalische Auslegung“): Der Wortlaut von § 17 Abs. 3 Satz 1 KHEntgG sei eindeutig und schließe die Dispositivität aus, denn anderenfalls liefe die im Normtext zum Ausdruck gebrachte inhaltliche Begrenzung leer. Sinn und Zweck der Vorschrift („teleologische Auslegung“): Durch den Abschluss einer Wahlleistungsvereinbarung wolle der Patient über den vom Krankenhaus ohnehin geschuldeten Facharztstandard hinausgehende Leistungen hoch qualifizierter Spezialisten hinzukaufen. Diese herausgehobene Qualifikation könne bei honorarärztlichen Leistungen nicht automatisch unterstellt werden. Allein der Umstand, dass zwischen Leistung und individualvertraglich vereinbartem Honorar kein unangemessenes Verhältnis bestehe, genüge nicht, um eine solche Vereinbarung mit einem „beliebigen“ Honorararzt zuzulassen. Gesetzessystematik („systematische Auslegung“): Aus den Kostenerstattungsregelungen in § 19 Abs. 1 bis 3 KHEntgG lasse sich erkennen, dass eine Abrechnung wahlärztlicher Leistungen durch (dort nicht erwähnte) externe Ärzte vom Gesetzgeber nicht gewollt sei. Gesetzgebungshistorie („historische Auslegung“): Aus der Entstehungsgeschichte der aktuellen Vorschrift in § 17 Abs. 3 Satz 1 KHEntgG ergebe sich, dass der Gesetzgeber den Kreis liquidationsberechtigter Wahlärzte abschließend habe festlegen wollen. Vollziehe man die Genese der die Abrechnung von Wahlleistungen regelnden Vorschriften (§ 6 Abs. 4 Satz 4 BPflV [1973], § 7 Abs. 3 Satz 1 BPflV [1985], § 22 Abs. 3 Satz 1 BPflV [1994] und schließlich § 17 Abs. 3 Satz 1 KHEntgG [2004]) chronologisch nach, so sei festzustellen, dass der Gesetzgeber den Kreis der liquidationsberechtigten Wahlärzte kontinuierlich eingeengt habe. Dem stehe auch die Neufassung von § 2 Abs. 1 Satz 1 KHEntgG durch das PsychEntgG nicht entgegen. Vielmehr sei hierdurch gerade (nur) die Möglichkeit der Erbringung allgemeiner Krankenhausleistungen (und eben nicht Wahlleistungen) durch „nicht fest im Krankenhaus angestellte Ärzte“ geregelt worden, wohingegen § 17 Abs. 3 Satz 1 KHEntgG durch das PsychEntgG unverändert geblieben sei.

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Konsequenzen und Handlungsbedarf Unabhängig von denkbaren Einwänden gegen bestimmte Argumente des BGH im Rahmen der vorstehend wiedergegebenen Argumentationslinie ergibt sich aus den Ausführungen des BGH zunächst, dass ein Honorararzt nicht durch Aufnahme in die Wahlarztvereinbarung zum Wahlarzt werden kann und dass eine von § 17 Abs. 3 Satz 1 KHEntgG abweichende einzelvertragliche Abrede zwischen Patient und Honorararzt, gemäß der eine Vergütung als wahlärztliche Leistung vereinbart wird, von Gesetzes wegen nichtig ist. Unklar bleibt jedoch, ob und inwieweit die Abrechenbarkeit wahlärztlicher Leistungen durch Honorarärzte erreicht werden kann „auf Veranlassung von liquidationsberechtigten (d. h. angestellten oder verbeamteten) Krankenhausärzten außerhalb des Krankenhauses“ (§ 17 Abs. 3 Satz 1, vorletzter Halbsatz). Soweit in diesem Zusammenhang nun teilweise empfohlen wird, die Abrechenbarkeit durch eine explizite Leistungsanforderung durch einen angestellten liquidationsberechtigten Krankenhausarzt herbeizuführen (etwa durch entsprechende Arztbriefe oder sonstige Dokumentation) löst dies jedenfalls nicht die weitere Frage, inwieweit eben diese angeforderte Leistung überhaupt – als weitere Voraussetzung – außerhalb der Klinik erbracht werden kann, ohne dabei die Eigenschaft als „Krankenhausleistung“ zu verlieren. Eine etwa § 115a Abs. 1 Satz 2 SGB V entsprechende Regelung aus dem Bereich der vor- und nachstationären Behandlung, die die Leistungserbringung „in den Räumen des Krankenhauses oder der Arztpraxis“ explizit zulässt, existiert nämlich für stationäre (Haupt-)Leistungen nicht. Keinen direkten Aufschluss gibt die Entscheidung darüber hinaus hinsichtlich der Frage, ob es einem Krankenhausträger verwehrt ist, von Honorarärzten erbrachte (Haupt-)Leistungen als eigene Wahlleistungen abzurechnen. Der BGH führt u. a. aus: „Die Operation […] erfolgte nicht außerhalb des Krankenhauses, sondern stellte die vom Krankenhausträger geschuldete Hauptbehandlungsleistung dar, die von dem Beklagten auf Grund des Kooperationsvertrags gegenüber dem Krankenhaus erbracht wurde“. Mit Blick auf die Ausführungen des BGH zum abschließenden Charakter der Aufzählung der potenziell liquidationsberechtigten Ärzte in § 17 Abs. 3 Satz 1 KHEntgG könnte man folgern wollen, dass Hauptleistungen als Gegenstand von Wahlleistungsvereinbarungen generell nicht von Honorarärzten erbracht werden dürfen. Andererseits könnte auch fraglich sein, ob § 17 Abs. 3 Satz 1 KHEntgG auch in Bezug auf vom Krankenhaus als Wahlleistung abgerechnete Leistungen als Verbotsgesetz im Sinne von § 134 BGB anzusehen ist.

Norman Langhoff T +49 30 208 88-1448 E n.langhoff@rbs-partner.de Lena Simone Harmann T +49 30 208 88-1448 E l.harmann@rbs-partner.de

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Diese Unsicherheit kann vermutlich nur durch die Begründung von (auch: Teil-) Anstellungsverhältnissen beseitigt werden. Generell ist darauf hinzuweisen, dass sich aus der Entscheidung des BGH auch insoweit Handlungsbedarf ergibt, als bestehende Kooperationsvereinbarungen mit Honorarärzten, die (auch) die private Liquidation von ärztlichen Leistungen durch die Honorarärzte beinhalten, im Lichte der genannten Entscheidung auf ihre Rechtmäßigkeit überprüft werden sollten.

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Rechtmäßigkeit von Defizitausgleichen zugunsten kommunaler Kliniken in Berufungsinstanz bestätigt Das Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart hat die Berufung des Bundesverbands Deutscher Privatkliniken (BDPK) gegen das die Praxis der Defizitausgleiche zugunsten kommunaler Kliniken bestätigende erstinstanzliche Urteil des Landgerichts (LG) Tübingen zurückgewiesen (Urteil vom 20. November 2014 – 2 U 11/14). Nach Auffassung des zweiten Zivilsenates verstößt die bisherige Praxis weder gegen EU-Recht noch gegen Wettbewerbsrecht. Hintergrund Der Landkreis Calw hatte 2012 Verluste der Kreiskliniken Calw und Nagold sowie Ausfallbürgschaften für Investitionen übernommen. Konkret legte der Kreistag des Landkreises Calw die Übernahme nicht durch Eigenkapital gedeckter Verluste der Kreiskliniken Calw und Nagold für das Jahr 2012 (ca. EUR 6,2 Mio.) und für die Folgejahre bis 2016 (in zu erwartender Höhe von jährlich deutlich über EUR 1 Mio.) fest und übernahm in den Vorjahren Bürgschaften zur Absicherung von Krediten von knapp EUR 15 Mio. (Stand 2012). Nach Auffassung des BDPK ist dieses Vorgehen wettbewerbswidrig; die Kostenübernahme stelle eine den Wettbewerb zwischen privaten und gemeinnützigen Krankenhäusern verzerrende genehmigungspflichtige EU-rechtswidrige Beihilfe dar. Das LG Tübingen hat die auf Unterlassung der skizzierten Defizitausgleichspraxis gerichtete Klage des BDPK in erster Instanz mit Urteil vom 23. Dezember 2013 – 5 O 72/13) abgewiesen (vgl. hierzu bereits Langhoff, RBS Newsletter Health Care 1/2014, S. 14). Die Entscheidung des OLG Stuttgart In seiner Entscheidung vom 20. November 2014 bestätigt das OLG Stuttgart die erstinstanzliche Entscheidung des LG Tübingen und lehnt im Ergebnis einen Unterlassungsanspruch ebenfalls ab. Wegen der grundsätzlich klärungsbedürftigen Rechtsfragen ist die Revision zum Bundesgerichtshof (BGH) zugelassen worden, die dort inzwischen zum Gz. I ZR 263/14 auch rechtshängig ist. Ausgleichszahlungen von Freistellungsentscheidung gedeckt Die tatsächliche Klärung der Frage, ob tatsächlich eine nicht mit dem Binnenmarkt zu vereinbarende, weil nicht von der Europäischen Kommission genehmigte staatliche Beihilfe im Sinne des Art. 107 Abs. 1 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) vorliege, lässt der Senat offen. Denn jedenfalls liege kein Verstoß gemäß § 4 Nr. 11 UWG gegen die Marktverhaltensregel des Art. 108 Abs. 3 Satz 3 AEUV vor, weil der beklagte Landkreis nach Art. 106 Abs. 2 AEUV in Verbindung mit der – für den vorliegenden Sachverhalt (noch) anwendbaren (inzwischen durch den sogenannten Freistellungsbeschluss der Europäischen Kommission vom 20. Dezember 2011 [2012/21/EU, Anlage B 5] abgelöst) – Freistellungsentscheidung der Kommission (2005/842/EG; „Freistellungsentscheidung“); von der Notifizierungspflicht freigestellt sei.

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Der Senat prüft und bejaht in diesem Zusammenhang, dass es sich bei den Leistungen des Krankenhauses um Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse („Dawl“) handelt, dass das Krankenhaus hiermit explizit betraut worden ist und dass die rechtlichen Begrenzungen des Umfanges der Ausgleichszahlung eingehalten worden seien. Leistungen des Krankenhauses als DawI Der Senat führt aus, dass Art. 2 b) der Freistellungsentscheidung deren Geltungsbereich ausdrücklich auf Ausgleichszahlungen an Krankenhäuser, die Tätigkeiten ausführen, die von dem jeweiligen Mitgliedstaat als Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse („Dawl“) eingestuft worden seien. Die Regelung enthalte jedoch nur eine allgemeine Beschreibung der DawI, sodass den Mitgliedstaaten ein weiter Beurteilungsspielraum bei der Definition der Dawl zukomme. Zwangsläufig liege damit auch die Kompetenz zur Organisation von DawI in den Händen der Mitgliedstaaten. Von dieser Kompetenz sei – wie vom LG Tübingen angenommen – mit der Regelung in § 1 Abs. 1 Satz 3 Landekrankenhausgesetz Baden-Württemberg (LKHG BW), welche explizit festlege, dass es sich bei der bedarfsgerechten Versorgung der Bevölkerung mit Krankenhausleistungen um eine Dawl handele, Gebrauch gemacht worden. Darüber hinaus ergebe sich für Krankenhäuser in kommunaler Trägerschaft gemäß § 3 Abs. 1 LKHG BW eine Verpflichtung zum Betrieb des Hauses, solange die Bedarfsnotwendigkeit des Krankenhauses qua Ausweisung im Landeskrankenhausplan festgeschrieben sei. Anders als Krankenhäuser in privater oder freigemeinnütziger Trägerschaft könnten sich kommunale Krankenhausträger dieser Betreibenspflicht auch nicht entledigen. Angesichts der Aufnahme der Kreiskliniken des Landkreises in den Krankenhausplan – und der damit verbundenen Verpflichtung zum Betrieb des Krankenhauses – kann nach Auffassung des OLG Stuttgart beihilferechtlich nicht beanstandet werden, wenn die öffentliche Hand ihre Krankenhäuser nicht nur mit Teilleistungen, wie etwa der stationären Notfallversorgung, sondern umfassend mit der stationären Krankenversorgung betraue und entsprechend die hierfür erforderlichen Kosten übernehme, weshalb die betreffende Beihilfe nicht als unzulässig zu qualifizieren sei. Die klägerseits insoweit in Bezug genommene Entscheidung des Europäischen Gerichts CBI/Kommission (Urteil vom 7. November 2012 – T 137/10) hielt der Senat nicht für anwendbar, weil diese Fragen die Zulässigkeit der Finanzierung von sog. Krankenhaussonderaufgaben betreffe, vorliegend jedoch die gesamte stationäre Versorgung Gegenstand der Betrauung sei. Rechtmäßigkeit des Betrauungsaktes Die von Klägerseite eingewandten Bedenken, wonach die Betrauungsakte nicht den Anforderungen der Freistellungsentscheidung genügten, teilt das OLG Stuttgart nicht.

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Eine bestimmte Rechtsform für den Betrauungsakt schreibe die Freistellungsentscheidung nicht vor. Die von dem beklagten Landkreis erlassenen Betrauungsakte vom 22. April 2008 und 19. Dezember 2013 beruhten auf dem vom Landkreistag Baden-Württemberg bzw. dem Deutschen Landkreistag erstellten Musterbetrauungsakt, den die Europäische Kommission bereits zu einem früheren Zeitpunkt untersucht und akzeptiert habe. Jedenfalls genügten die genannten Betrauungsakte in Zusammenschau mit der Vorschrift des § 3 LKHG BW i. V. m. dem Feststellungsbescheid über die Aufnahme der Kreiskliniken in den Landeskrankenhausplan den an einen Betrauungsakt gemäß der Freistellungsentscheidung zu stellenden Anforderungen. Umfang der Betrauung Im Übrigen bestätigt der Senat auch die Beachtung der weiteren inhaltlichen Anforderungen gemäß der Freistellungsentscheidung. So sei in den Betrauungsakten der Verpflichtung zur kostenmäßigen Trennung von DawI- und Nicht-DawI-Bereichen, sofern die DawI nur einen Teil der Tätigkeiten eines Unternehmens ausmachen, Rechnung getragen worden. Einen Verstoß gegen das Verbot der Quersubventionierung von Nicht-DawI-Bereichen sah der Senat als klägerseits nicht hinreichend dargelegt an. Demgegenüber habe der beklagte Landkreis unter Hinweis auf die Gemeinnützigkeit der Trägergesellschaft zu der steuerlichen Trennung der Sphären Zweckbetriebe einerseits und wirtschaftliche Geschäftsbetriebe und Vermögensbetriebe andererseits detailliert vorgetragen. Soweit gemäß Art. 4 und 5 Abs. 1 der Freistellungsentscheidung die Höhe der Ausgleichzahlungen begrenzen (nämlich auf den um Einnahmen und Rendite auf Eigenkapital bereinigten Betrag, der zur Erfüllung der Gemeinwohlinteressen erforderlich ist), so bliebe es nach Auffassung des Senates jedenfalls folgenlos, wenn eine konkrete Benennung einzelner defizitträchtiger DawI-Leistungsbereiche und eine Zuordnung zu konkreten Parametern nicht erfolgt sei. Denn nach Auffassung der Europäischen Kommission bleibe eine gewährte Beihilfe auch dann zulässig, wenn im Einzelfall die entsprechende Betrauung nicht allen Transparenzerfordernissen der Freistellungsentscheidung 2005/842/EG entspreche (Entscheidung der EUKommission, Generaldirektion Wettbewerb, vom 25. August 2010 – CP 6/2003). Fazit Das OLG Stuttgart bestätigt im Ergebnis die Argumentation des erstinstanzlich befassten LG Tübingen und bejaht wie dieses eine Ausnahme von der Notifizierungspflicht. Das Bestehen einer DawI für Leistungen eines Plankrankenhauses wird ebenfalls aus § 1 Abs. 3 Satz 1 LKHG BW abgeleitet; allerdings wird die entsprechende Betrauung aus den Betrauungakten der Jahre 2008 und 2013 abgeleitet, wobei diesbezüglich formelle und materielle Mängel der Betrauungsakte abgelehnt werden. Insbesondere wird deutlich gemacht, dass eine Betrauung unter Verwendung des Musterbetrauungsaktes des Deutschen Landkreistages nicht zu beanstanden sei. Die Entscheidung CBI/Kommission ist nach Auffassung des OLG Stuttgart nicht einschlägig. Das Urteil des OLG Stuttgart ist ein Etappensieg der kommunalen Krankenhausträger. Auch mit einer Entscheidung des bereits angerufenen BGH wird der Rechtsstreit vermutlich jedoch nicht sein Ende finden.

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Sozialgericht Hamburg verneint Zulässigkeit der Umstrukturierung durch „direkten Transfer von Arztstellen“ zwischen MVZ Werden von einem MVZ-Träger mehrere MVZ betrieben, so stellt sich die Frage, inwieweit – meist wirtschaftlich getriebene – Umstrukturierungsprozesse vertragsarztrechtlich umgesetzt werden können. Mit der Einführung der Möglichkeit der Rückumwandlung von mit angestellten Ärzten besetzten Arztstellen in einem MVZ in „freie“ Zulassungen (§ 95 Abs. 9b SGB V) zum 1. Januar 2012 scheint ein passender Mechanismus zu existieren. Das Sozialgericht (SG) Hamburg hat jedoch jüngst entschieden, dass die Übertragung von Arztstellen zwischen MVZ mittels Rückumwandlung in freie Zulassungen mit direkt folgendem erneutem Verzicht zugunsten einer Anstellung in einem anderen MVZ unzulässig sei und insoweit die Auffassung des Hamburger Berufungsausschusses für Ärzte bestätigt (Urteil vom 27. August 2014 – S 27 KA 76/14). Hintergrund Die klagende MVZ-Trägergesellschaft betreibt zwei MVZ mit drei angestellten Ärzten. Da beabsichtigt war, eines davon aufgrund von Unwirtschaftlichkeit aufzugeben, sollten die dort angestellten Ärzte künftig in dem zweiten MVZ tätig werden und die betreffenden Arztstellen entsprechend überführt werden. Es wurde deshalb die Umwandlung der betreffenden Anstellungsgenehmigungen in vier unmittelbar aufeinanderfolgenden Schritten beantragt: 1. Umwandlung der in dem zu schließenden MVZ vorhandenen Arztstellen in Zulassungen, 2. Zulassung der jeweils zuvor angestellten Ärzte zur vertragsärztlichen Versorgung, 3. Verzicht der jeweiligen Ärzte auf ihre Zulassungen zugunsten einer Anstellung im zweiten MVZ und 4. Genehmigung der Anstellungen in dem zweiten MVZ. Der zunächst angerufene Zulassungsausschuss folgte den Anträgen grundsätzlich, verband die Genehmigungen jedoch aus der Erwägung der Sicherstellung einer bedarfsgerechten Versorgung am Standort des zu schließenden MVZ heraus mit den Bedingungen, dass die Klägerin die Genehmigung einer Zweigpraxis am Sitz des aufzugebenden MVZ beantragen müsse, die anzustellenden Ärzte ausschließlich dort tätig würden und diese Stellen auch nach Ausscheiden der jetzt angestellten Ärzte nachzubesetzen seien. Auf die entsprechenden Widersprüche hat der beklagte Berufungsausschuss die Beschlüsse des Zulassungsausschusses in Gänze aufgehoben. Zur Begründung wurde u. a. ausgeführt, der beantragte Stellentransfer sei vom Gesetz nicht vorgesehen und dessen Teilakt „Zulassung“ widerspreche dem Vertragsarztrecht. Unter Berücksichtigung von Wesen und

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Zweck der Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung sei es ausgeschlossen, einen Arzt zuzulassen, der zugleich mit seinem Zulassungsantrag erkläre, von dieser Zulassung keinen Gebrauch machen zu wollen, weil er die Zulassung nur für eine „logische Sekunde“ und allein deshalb brauche, um zugleich wie bereits vorher erklärt darauf zu verzichten und eine Anstellung in einem anderen medizinischen Versorgungszentrum zu erhalten. Ein solcher Antrag sei widersprüchlich und deshalb unbeachtlich. Mit ihrer Klage hat die Klägerin ihr ursprüngliches Begehren zum Transfer der Arztstellen (Umwandlung der Anstellungen der drei Ärzte, Zulassung der Ärzte und unter Verzicht auf die Zulassung der Ärzte die Genehmigung ihrer Anstellung im anderen MVZ) erfolglos weiterverfolgt. Die Entscheidung Das SG Hamburg hat die Klage abgewiesen. Nach Auffassung der Kammer waren die betreffenden Beschlüsse des Zulassungsausschusses insgesamt (d. h. insbesondere die unter Bedingungen erteilten Anstellungsgenehmigungen) rechtswidrig und damit aufzuheben. Dies folge aus der dem Zulassungsrecht widersprechenden, in vier Schritten geplanten Übertragung der Arztsitze über eine Zulassung für nur eine logische Sekunde. Dieses Vorgehen stehe insbesondere im Widerspruch zu dem öffentlichrechtlichen Interesse an einem Abbau der Überversorgung in einem gesperrten Planungsbereich. Zur Begründung verweist das SG Hamburg zum einen auf die Gesetzesbegründung zu der mit Wirkung ab dem 1. Januar 2012 eingeführten Regelung des § 95 Abs. 9b SGB V zum Verfahren der (Rück-)Umwandlung von Angestelltenstellen in Zulassungen, in der explizit nur die „Rückkehr in die freie Ärzteschaft“ erwähnt werde, nicht aber von dem Weg über eine Rückumwandlung einer Anstellung in eine Zulassung diese wieder in ein anderes Anstellungsverhältnis einzubringen. Zum anderen verstoße die Umwandlung einer angestellten Arztstelle in eine Zulassung mit dem alleinigen Ziel, diese sofort wieder unter Verzicht auf die Zulassung in eine Angestelltenstelle in einem anderen medizinischen Versorgungszentrum umzuwandeln, gegen den Sinn und Zweck der Bedarfsplanung, welche neben der Sicherstellung einer gleichmäßigen Versorgung auch dem öffentlichen Interesse an einem Abbau der Überversorgung in gesperrten Planungsbereichen diene. Der Aspekt des Abbaus der Überversorgung müsse aber dann im Vordergrund stehen, wenn der geplante Transfer zwar – wie vorliegend – bezogen auf die im Planungsbereich Hamburg bestehenden Arztstellen neutral wirke, es sich aber „nicht aufdränge, dass der Transfer der Arztstellen in ein anderes MVZ die Wirtschaftlichkeit für die Klägerin (die ein MVZ wegen Unwirtschaftlichkeit schließen wolle) wesentlich verbessere“.

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Die Kammer nimmt darüber hinaus auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) Bezug, wonach an eine Praxisfortführung im Wege des Nachbesetzungsverfahrens vor dem Hintergrund einer gesetzgeberisch nicht gewollten Kommerzialisierung von Vertragsarztsitzen strenge Anforderungen zu stellen seien. Ein Arzt komme danach als Nachfolger dann nicht in Betracht, wenn er sich mit dem erklärten Ziel auf einen Vertragsarztsitz bewerbe, diese Zulassung sofort in eine Berufsausübungsgemeinschaft einzubringen, um dort als angestellter Arzt tätig zu werden (BSG, Urteil vom 11. Dezember 2013 – B 6 KA 49/12 R). Das Gleiche gelte im vorliegenden Fall der geplanten Übertragung der Arztsitze auf ein anderes MVZ. Der geplante Transfer der Arztstellen von dem unwirtschaftlichen MVZ zu einem anderen MVZ stelle eine andere Art der Kommerzialisierung von Vertragsarztsitzen dar, weil die klägerseits vorgetragene Unwirtschaftlichkeit des einen MVZ den Vergleich zu einer – nicht nachfolgefähigen – nicht mehr existierenden Praxis erlaube und es so der Klägerin in unzulässiger Weise ermöglicht würde, unabhängig von der öffentlich-rechtlichen Bedarfsplanung eine eigene, ihren wirtschaftlichen Interessen entsprechende Verteilung der vertragsärztlichen Versorgung vorzunehmen. Zudem fehle es an dem vom BSG geforderten Fortführungswillen der in Aussicht genommenen Praxisnachfolger, weil diese von der Zulassung keinen Gebrauch machen wollten, da unstreitig sei, „dass die drei Ärzte Angestellte der Klägerin seien und es auch bleiben wollten“. Die zugelassene Sprungrevision ist beim BSG zum Geschäftszeichen B 6 KA 38/14 R anhängig. Fazit Die Verwaltungspraxis der Zulassungsgremien hinsichtlich der Rückumwandlung von Arztstellen zum Zwecke der MVZ-Umstrukturierung ist bundesweit uneinheitlich. Anders als nach der vom SG Hamburg bestätigten Auffassung des Hamburger Zulassungsausschusses ist in anderen Bundesländern bislang unterschiedlich verfahren worden. Teilweise sind vierschrittige Umwandlungsvorgänge, wie in dem Hamburger Sachverhalt beabsichtigt, vollzogen worden, teilweise wird aber auch eine „interimsmäßige“ vertragsärztliche Tätigkeit der vormals und nachgehend angestellten Ärzte in freier Praxis verlangt. Norman Langhoff T +49 30 208 88-1448 E n.langhoff@rbs-partner.de Lena Simone Harmann T +49 30 208 88-1448 E l.harmann@rbs-partner.de

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MVZ-Träger sollten bei geplanten Gründungs-/Umstrukturierungsvorhaben unter Ausnutzung der Rückumwandlung von Arztstellen gemäß § 95 Abs. 9b SGB V der Spruchpraxis der maßgeblichen regionalen Zulassungsgremien Rechnung tragen. Die Argumentation mit Wirtschaftlichkeitsgesichtspunkten sollte mit Blick auf die Entscheidung des SG Hamburg zumindest bis zur Entscheidung durch das BSG kritisch überdacht werden.

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Titel der Veranstaltung

Ort

Datum

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Leipzig

24.02.2015

Expertenkreis Versorgungswerke

Frankfurt am Main

14.04.2015

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Ihre Ansprechpartner Rechtsberatung Dr. Tatjana Ellerbrock Rechtsanwältin, Fachanwältin für Steuerrecht, Fachanwältin für Arbeitsrecht

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Norman Langhoff, LL.M. (Staffordshire) Rechtsanwalt, Fachanwalt für Medizinrecht

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Wirtschaftsprüfung/Steuerberatung Gertrud R. Bergmann Wirtschaftsprüferin, Steuerberaterin, Diplom-Kauffrau

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RBS RoeverBroennerSusat Newsletter Health Care 1/2015

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