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B˛rsen-Zeitung Zeitung fˇr die Finanzmärkte

Ausgabe

27 vom 10.02.2015, Seite 8

GASTBEITRAG

OECD-Aktionsplan trifft den Mittelstand B˛rsen-Zeitung, 10.2.2015 Im Juli 2013 hat die OECD den Aktionsplan gegen Base Erosion and Profit Shifting (Erosion der Bemessungsgrundlage und Gewinnverlagerung, ,,BEPS‘‘) – kurz BEPS-Aktionsplan – verabschiedet. Dieser richtet sich gegen die Aush˛hlung des Steuersubstrats in Hochsteuerländern durch Gewinnverlagerung und Erosion der Bemessungsgrundlage. Nachdem nun fˇr die Mehrzahl der im BEPS-Aktionsplan vorgesehenen Maßnahmen detaillierte und kontrovers diskutierte Entwˇrfe existieren, lassen sich die damit verbundenen steuerlichen Konsequenzen fˇr die Unternehmenspraxis abschätzen. Bereits Ende Oktober 2014 haben sich 51 Staaten auf dem globalen Forum der OECD in Berlin zum automatischen Informationsaustausch ab September 2017 bzw. 2018 verpflichtet. Neben Deutschland geh˛ren unter anderem auch Frankreich, Polen, Spanien und Großbritannien zu den Frˇhanwendern. Die neuen Regelungen werden daher zeitnah Auswirkungen auf den gr˛ßten Teil des international tätigen deutschen Mittelstands haben.

15 Maßnahmen Der BEPS-Aktionsplan wendet sich unmittelbar gegen aggressive Steuerstrukturen einiger globaler Großkonzerne. Durch komplexe Gestaltungsmodelle wie etwa der ,,Double-Irish‘‘ oder der ,,Dutch-IrishSandwich‘‘ haben international tätige Unternehmen insbesondere die Ertragssteuern auf Teile ihrer Gewinne eliminiert und ihre Konzernsteuerquoten signifikant reduziert. Die Eindämmung der hieraus resultierenden Nichtbesteuerung entsprechender Gewinne rˇckte mit dem BEPS-Aktionsplan an die Spitze der steuerpolitischen Agenda. Der 15 Maßnahmen umfassende BEPS-Aktionsplan zielt neben der Beseitigung bestehender Regulierungslˇcken auf eine grundlegende Überarbeitung internationaler Steuerstandards ab. Hierbei zeigt sich die OECD bestrebt, insbesondere der zunehmend steigenden Bedeutung globaler Wertsch˛pfungsketten und immaterieller Wirtschaftsgˇter Rechnung zu tragen. Als ˇbergeordnete Zielsetzung sollen zukˇnftig durch Strukturierungsmaßnahmen hervorgerufene Inkongruenzen von ID: 2015027042

Wertsch˛pfung und Besteuerung vermieden werden. Während Maßnahmen wie die ,,Verhinderung doppelter Nichtbesteuerung bei hybriden Gestaltungen‘‘ (Maßnahme 2) oder die Verhinderung von Abkommensmissbrauch (Maßnahme 6) im Wesentlichen auf bestimmte Gestaltungsmodelle zielen, verfolgen andere Maßnahmen erkennbar einen allgemeineren und methodisch umfassenderen Ansatz. Nach Ver˛ffentlichung entsprechender Entwurfsversionen ist zu bilanzieren, dass die Neuerungen der Verrechnungspreisrichtlinien in Hinblick auf immaterielle Wirtschaftsgˇter (Maßnahme 8), die Verhinderung der kˇnstlichen Vermeidung des Status einer Betriebsstätte (Maßnahme 7) sowie die Ausweitung von Dokumentationsanforderungen (Maßnahme 13) bei Weitem nicht nur globale Großkonzerne wie die in diesem Zusammenhang oft genannten Unternehmen Google oder Apple betreffen werden. Auch fˇr kleine und mittlere Unternehmen des deutschen Mittelstands (KMU) wird sich aus den Maßnahmen 8, 7 und 13 – soweit ersichtlich – ein signifikanter administrativer Mehraufwand ergeben. Ungeachtet dessen, dass ein administrativer Mehraufwand an sich schon Kostensteigerungen zur Folge hat, k˛nnte eine steuerliche NonCompliance gerade bei KMU, die in der Regel nicht auf die Ressourcen großer Steuerabteilungen zurˇckgreifen k˛nnen, sowohl zu einem Anstieg der steuerlichen Belastung als auch zu einer Erh˛hung des Risikos fˇr die Geschäftsfˇhrung fˇhren. Zukˇnftig soll durch die Umsetzung der Maßnahme 8 bei der Zuordnung von immateriellen Wirtschaftsgˇtern zwischen verbundenen Unternehmen rechtlichen Kriterien lediglich indikative Bedeutung beigemessen werden. Stattdessen wird zunehmend darauf abzustellen sein, welches der beteiligten Unternehmen die wesentlichen wertsch˛pfenden Funktionen ausˇbt. In der Praxis verbreitete Verrechnungspreisstrukturen, bei denen die klassische Auftragsforschung und -entwicklung als Routinedienstleistung eingestuft wird und welche mit stetigen, aber geringen Margen grundsätzlich angemessen vergˇtet wird,

drohen bei steuerlichen Außenprˇfungen durch die Finanzverwaltung zukˇnftig kritisch hinterfragt zu werden. Im Fokus werden hierbei funktionsarme Unternehmen stehen, die verbundene Unternehmen mit Forschungsaufgaben beauftragen, ohne ˇber die notwendige Substanz oder Kompetenz zu verfˇgen, die strategische Zielsetzung vorzugeben oder Kontrollaufgaben auszufˇhren. Auch im Zusammenhang mit Lizenzvereinbarungen sollte von einer kritischen Überprˇfung durch die Finanzbeh˛rden ausgegangen werden.

H˛here Transparenz Das Country by Country Reporting (CbCR) im Rahmen der Maßnahme 13 zielt auf eine erh˛hte Transparenz fˇr nationale Steuerbeh˛rden. Die Offenlegung von zusätzlichen Daten und Unterlagen fˇhrt zu einer Erweiterung der Dokumentationsanforderungen fˇr die betroffenen Unternehmen. Ergänzend zu den bisherigen Anforderungen an eine Verrechnungspreisdokumentation werden zukˇnftig Angaben zu Kennzahlen wie Gewinn, gezahlten Steuern oder Mitarbeiterzahl auf Länderebene anhand eines einheitlichen Vordrucks in Tabellenform einzureichen sein. Der OECD-Vorschlag sieht im Vergleich zu den derzeitigen Vorlagefristen nach deutschem Recht wesentlich kˇrzere Fristen vor. Durch das CbCR k˛nnen die Steuerbeh˛rden zukˇnftig ohne großen Aufwand eine Risikoeinschätzung auf globaler Ebene vornehmen. Es ist davon auszugehen, dass es zu intensiven Rˇckfragen seitens der Steuerprˇfer kommen wird, wenn auf ein Unternehmen mit einer im Vergleich zu Tochter- oder Schwestergesellschaften geringen Anzahl an Mitarbeitern ein wesentlicher Teil des Gewinns der Unternehmensgruppe entfällt. Mit Maßnahme 7 zur ,,Verhinderung der kˇnstlichen Vermeidung des Status einer Betriebsstätte‘‘ droht eine Ausweitung des Betriebsstättenbegriffs auf Kommissionärstrukturen. Engagierte Fachkreise haben im Konsultationsverfahren bereits hervorgehoben, dass Kommissionärstrukturen häufig betriebswirtschaftlichen Notwendigkeiten geschuldet sind und nicht


als Steuersparmodell aufgesetzt werden. Die hier grob umrissenen Auswirkungen fˇr den Mittelstand veranschaulichen leider eine mangelnde Zielgenauigkeit des BEPS-Aktionsplans. Hierbei ist grundsätzlich zu bemängeln, dass ein kritischer Abgleich der durch die OECD im Rahmen der BEPS-Maßnahmen vermuteten volkswirtschaftlichen Auswirkungen mit dem notwendigen Wirkungskreis entsprechender Maßnahmen unterbleibt. Eine entsprechende empirische Fundierung der Methoden zur Analyse von BEPS-Daten und Gegenmaßnahmen (Maßnahme 11) steht derzeit noch aus. Bis zur Erarbeitung dieser Entscheidungsgrundlage erscheint es sachgerecht, Maßnahmen mit einem weitgefassten Wirkungskreis beson-

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ders kritisch zu hinterfragen. Die Einfˇhrung von Safe-Harbor-Regelungen wäre insbesondere im Rahmen der Implementierung entsprechender Maßnahmen hilfreich, um potenziell negative Auswirkungen fˇr KMU zu vermeiden.

Kritische Prˇfung Aus Expertensicht ergeben sich fˇr die KMU-Steuerpraxis im Hinblick auf die kommende BEPS-Entwicklung die folgenden Handlungsempfehlungen: KMU sollten die weiteren Entwicklungen im Zusammenhang mit BEPS genau beobachten. Zudem sollten bestehende Verrechnungspreissysteme einer kritischen Prˇfung und gegebenenfalls Anpassung unterzogen werden, insbesondere sollte sich die steuerliche Tragfähig-

keit der Verrechnungspreise nicht mehr an den Ergebnissen zurˇckliegender steuerlicher Außenprˇfungen durch die Finanzverwaltung orientieren. Bei der Aktualisierung bestehender Verträge und Dokumentationen sollten die sich aus dem BEPS-Aktionsplan potenziell ergebenden Änderungen bereits heute berˇcksichtigt werden. Ein entsprechend proaktiver Ansatz erm˛glicht es KMU mit m˛glichst geringem zusätzlichem Aufwand, steuerliche Risiken frˇhzeitig zu erkennen und signifikant zu minimieren. ....................................................... Gertrud R. Bergmann, Partnerin und Leiterin des Bereichs Verrechnungspreise bei RBS Roever-BroennerSusat und Marcus von Goldacker, Partner und Spezialist fˇr Internationale Steuerberatung bei RBS Roever-BroennerSusat


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