BİZ MAGAZIN - WIEN Biz-Magazin: Und was ist ganz konkret Ihre Aufgabe? Shams Asadi: Ich koordiniere das Projekt für Wien. D.h. ich habe Abteilungen der Stadt und andere Organisationen, die in diesem Bereich aktiv bzw. zuständig sind, zu einer Arbeitsgruppe zusammengeschlossen. Dabei ist zum Beispiel die MA 17 (Integration und Diversität), die Presseabteilung der Stadt Wien, die MA 23 (Wirtschaft, Arbeit und Statistik), die MA 63 (Gewerbe), die Wirtschaftskammer Wien und die Wirtschaftsagentur Wien – im nächsten Schritt geht es darum, auch UnternehmerInnen einzubinden. Denn es liegt an den PraktikerInnen und an den ExpertInnen, konkrete Strategien zu erarbeiten. Ich achte auf den zügigen Projektablauf und auf den kontinuierlichen Austausch mit den ProjektpartnerInnen. Denn das Projekt ist zeitlich befristet. Biz-Magazin: Was heißt das? Shams Asadi: Für Dezember 2014 ist ein Koordinationstreffen aller teilnehmenden Städte in Wien geplant und im Juni 2015 findet eine Europäische Ergebnisund Abschlusskonferenz statt. Bis dahin versuchen wir, weitere Zahlen, Daten und Fakten zu recherchieren und Empfehlungen zu formulieren. Biz-Magazin: Sie wollen auch Unternehmen einbinden. Ich kann mir noch immer sehr wenig vorstellen – für mich klingt alles sehr nach Bürokratie und Arbeitsgruppen. Was sollte ein Unternehmer davon haben, mitzumachen? Shams Asadi: Lassen Sie mich das an ganz konkreten Dingen festmachen: Wir wissen etwa, dass im Jahr 2011 mehr als 37.500 in Wien wohnende Personen aus mehr als 130 verschiedenen Nationen selbstständig tätig waren, das heißt, rund 37% der Wiener Wirtschaft hat Migrationshintergrund! Viele von ihnen haben Probleme mit Bestimmungen des Fremdenrechts, der Nostrifizierungsproblematik oder hinsichtlich anderer Vorschriften und Gesetze. Die einen kämpfen mit formellen wie informellen Zugangshürden bei relevanten Behörden und die anderen haben zu wenig Zugang zu wichtigen Informationen. Längst ist auch bekannt, dass die Betriebe ganz unterschiedlich sind. Das geht vom one-man- oder one-woman-Unternehmen bis hin zur Firma mit 50 und mehr Angestellten. Vom traditionellen Dienstleistungsbetrieb im Grätzel bis zum Start Up, das von vornherein international agiert. Auch von den Branchen her sprechen wir längst nicht mehr nur von ‘pizza & kebabs’: MigrantInnen arbeiten europaweit im Handel, im Transportwesen, im Bereich der Beratung und Dienstleistung, im neuen Technologiebereich und im Finanzwesen. Auf keinen Fall sollten wir auch kreative und künstlerische Bereiche außer Acht lassen. In Wien ist rund ein Drittel der selbstständig Erwerbstätigen
mit Migrationsbezug in der Gastronomie oder im Handel tätig. Wichtige Berufsfelder sind auch die Bauwirtschaft und freiberufliche, wissenschaftlich/technische Dienstleistungen. Biz-Magazin: Können Sie etwas zu türkischen Unternehmen sagen? Shams Asadi: Die wichtigsten Herkunftsländer ethnischer Ökonomien in Wien sind die Slowakei, Polen und Rumänien (rund vier von 10 migrantischen Selbstständigen kommen aus einem dieser drei Länder). Rund 6 von 10 Selbstständigen mit Migrationsbezug stammen aus Ländern der EU, aber die Türkei ist unter den Top-5. Selbstständige mit türkischem Migrationshintergrund sind in Wien in hohem Ausmaß im Handel, am Bau und im Bereich Beherbergung und Gastronomie tätig. Wir wissen zum Beispiel, dass die Ausbildung von Lehrlingen in solchen Betrieben ein wiederkehrendes Thema ist. Mit 963 Arbeitgeberbetrieben waren die türkischen UnternehmerInnen im Jahr 2011 als ArbeitgeberInnen führend (zweiter: Deutschland mit 487). Biz-Magazin: Zum Abschluss noch eine persönliche Frage: Haben Sie auch Migrationserfahrung oder Erfahrung als Selbstständige? Shams Asadi: Ja. Ich habe selbst Migrationserfahrungen, nicht nur in Österreich. Ich lebte auch u.a., einige Jahre in der Türkei. Daher kenne ich migrationsbezogene Herausforderungen für ZuwanderInnen - abgesehen von Sprachbarrieren. Entrepreneure benötigen persönliches Engagement und Erfolgswillen – doch sie erwarten meiner Meinung nach zu Recht von der Stadt gleiche Chancen beim Zugang zu unternehmerischer Betätigung, zu Beratung, Förderung und Finanzierung sowie Unterstützungsangebote, die ihren Bedürfnissen entsprechen und zu ihrem Fortkommen beitragen. Mir persönlich ist das Recht auf Gleichstellung und Nicht-Diskriminierung als das elementare Menschenrecht ein besonderes Anliegen - und ich betreue dieses Projekt auch in meiner Funktion als Menschenrechtskoordinatorin der Stadt Wien. Wenn wir mit diesem Projekt dazu beitragen können, dass Impulse für Gleichstellung und Unterstützung des migrantischen Unternehmertums gesetzt und die Wiener Gleichstellungs-, Menschenrechtsund Diversitätspolitik damit unterstützt werden, bin ich sehr zufrieden.
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