TdZ Look Out: Die Nachwuchsbesorgerin

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Look Out

/ TdZ  Februar 2014  /

Von diesen KünstlerInnen haben Sie noch nichts gehört? Das soll sich ändern.

Die Nachwuchsbesorgerin Die Heidelberger Theatermacherin Beata Anna Schmutz arbeitet mit Jugendlichen ausschließlich postdramatisch – und zeigt genreübergreifend große Kunst

U

nglaublich, dass eine derart strahlende Frau so düsteres Theater machen kann – mit bleischweren Texten in abrissreifen Häusern, im Wurstküchenkolorit, im spröden Jugendhaus … Ihre Mittel: Performance, Video, bildende Kunst – und Sprache. Und nicht zuletzt: ästhetische Überwältigung mit Twens und Teenagern, deren frühreife Grenzüberschreitungsbereitschaft schlicht atemberaubend ist. 2005 gründete Beata Anna Schmutz, Germanistin, Kunsthistorikerin, Pädagogin, Re­ gisseurin, Dramaturgin (und einiges mehr), im Heidelberger Haus der ­Jugend eine Theatergruppe. So weit, so unspektakulär. Was die gebürtige Danzigerin dort aber mit Theater Performance Kunst Rampig, aus Rampe und pig, den „Rampen­ säuen“ also, entwickelt hat, ist weit mehr als landesübliches Jugendtheater. „Die Inszenierungen haben Werke der klassischen Literatur zur Vorlage, die mit den Mitteln der neuen Dramatik sprachliche und visuelle Motive und Zitate aus der Pop- und Hochkultur kombinieren und so die Aufhebung herkömmlicher narrativer Erzählverfahren zum Ziel haben“, stellt Schmutz ihre Arbeitsweise trocken vor. Doch was zu sehen ist, ist weitaus sinnlicher, emotionaler und klüger als das. Ins Geschäft ist Schmutz, die zuvor auch als Museums­ pädagogin arbeitete, gleich ganz theatergegenwärtig eingestiegen. Vorne tobt Hamlets multipel besetzter Wahnsinn, daneben wird getanzt, in der Ecke performt, während an der Bühnenwand live ein Gemälde entsteht. Hier spielt die Musik; und Videos flimmern, die Angst und Unsicherheit assoziieren und damit psychologisch gleichwohl die Lebenssituation der Hauptfigur wie auch der rund 25 Darsteller spiegeln. Dass Rampig mit diesem bemerkenswerten „Hamlet“ im vergangenen Jahr zum Theatertreffen der Jugend ins Haus der Berliner Festspiele eingeladen wurden, ist somit kein Wunder.

Verwunderlich hingegen sind die Verve und das unverkrampfte Selbstverständnis, mit denen sich Theaterneulinge mit ihr in die Arbeit stürzen. „Antigone“, „Faust“, „Die Pest“, Kafkas „Schloss“ und seine „Verwandlung“ kommen bei Beata Anna Schmutz freilich anders um die Bücherecke als im Deutschunterricht. Die Grenze zwischen Publikum und performativem Akt wird in Schmutz’ Arbeiten meist bewusst aufgebrochen. Wer zum Beispiel das leerstehende Haus durchwanderte, das Rampig bei der Kafka-Produktion „Winterquartier/Spuren im Schnee“ im Oktober elf Tage lang als Spiel- und Lebensort diente, musste gelegentlich selbst entscheiden, ob er seine Rezipientenrolle als aktiver Teilnehmer oder eben nur als Beobachter einnehmen wollte, während die Akteure in den Räumen (und/oder Videoräumen) neben Darstellern immer auch Ausstellungsobjekte waren. Die Arbeitsweise, Performance mit postdramatischen Ausdrucksformen des Schauspiels zu verbinden und in einen Kontext zu Rauminstallationen und anderen Formen bildender Kunst zu stellen, entsteht aus dem Kollektiv selbst. Alles wird gemeinsam entwickelt – und längst haben einstige jugendliche Kunden den professionellen Weg zum Theater eingeschlagen. Unter ihnen sind mittlerweile Szenografen, Schauspiel- und ­Kostümbildschüler, Studenten der Theaterwissenschaften, die nun auch als junge Erwachsene weiterhin in freier Anbindung mitwirken. Seit 2012 sind Theater Performance Kunst Rampig deshalb auch nicht mehr beim Heidelberger Jugendamt, sondern als freischaffendes Künstlerkollektiv in Form eines gemeinnützigen Vereins aufgestellt. Für Nachwuchs aus dem Jugendhaus sorgt Beata Anna Schmutz selbst, wenn sie dort mit Jugendlichen zwischen zwölf und 16 Jahren in der Jungen Theatergruppe Ramy weiterarbeitet – und die Begeisterungsfähigen mit Begeisterung zu Fähigen macht. // Ralf-Carl Langhals Beata Anna Schmutz. Foto Nikola Haubner

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„Das Schloss – Permafrost“ von Beata Anna Schmutz ist am 8. Februar 2014 bei zeitraumexit in Mannheim zu sehen.


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