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Editorial

Editorial der Präsidentin

Sehr geehrte, liebe Kolleginnen und Kollegen,

am 1. August ist die BRAO-Novelle in Kraft getreten.

Kernstück der Novelle ist die Reform des anwaltlichen Gesellschaftsrechts. Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte haben mit der Reform größere Gestaltungsspielräume bei der beruflichen Zusammenarbeit erhalten. Alle Berufsausübungsgesellschaften, in denen sich Rechtsanwälte zur gemeinschaftlichen Berufsausübung verbinden, sind grundsätzlich zulassungspflichtig. Ausnahmen gelten nur für Gesellschaften, bei denen die Haftung der Gesellschafter nicht beschränkt ist und bei denen Geschäftsführer und Gesellschafter zum Kreis der bisher in § 59 e Abs. 1 BRAO genannten Berufe gehören.

Mit der Reform ist der Gesetzgeber auch dem Wunsch nach einem beA für Kanzleien nachgekommen. Eine Einschränkung gibt es hierbei insoweit, als das beA für Berufsausübungsgesellschaften deren Zulassung bei der zuständigen Rechtsanwaltskammer voraussetzt.

Die Formulare für die Zulassung haben wir für Sie auf unserer Homepage unter https://rak-stuttgart.de online gestellt. Die wesentlichen Inhalte der Reform des anwaltlichen Gesellschaftsrechts finden Sie zudem noch einmal ab Seite 16 zusammengefasst.

Neben den gesellschaftsrechtlichen Neuerungen traten am 1. August weitere Neuregelungen des Berufsrechts in Kraft, die etwas weniger Beachtung gefunden haben, aber nicht weniger bedeutsam sind. Ein paar wenige möchte ich Ihnen an dieser Stelle vorstellen.

Gesetzliche Regelung der Interessenkollision Mit § 43 a Abs. 4 BRAO-Neu werden die bisher in der BORA geregelten Grundsätze der Interessenkollision nunmehr gesetzlich verankert.

Nachweis von Kenntnissen im anwaltlichen Berufsrecht Neu ist ebenfalls die in § 43 f verankerte Pflicht, zur Teilnahme an einer Lehrveranstaltung im anwaltlichen Berufsrecht im Umfang von zehn Zeitstunden innerhalb des ersten Jahres seit der Zulassung. Diese Pflicht entfällt, wenn der Rechtsanwalt nachweist, dass er innerhalb von sieben Jahren vor seiner erstmaligen Zulassung zur Rechtsanwaltschaft an einer entsprechenden Lehrveranstaltung teilgenommen hat.

Berufshaftpflicht für alle Berufsausübungsgesellschaften Gemäß § 59 n BRAO-Neu sind alle Berufsausübungsgesellschaften verpflichtet, eine Berufshaftpflichtversicherung abzuschließen und während der Dauer ihrer Betätigung aufrechtzuerhalten. Diese Verpflichtung besteht also für alle Berufsausübungsgesellschaften und zwar unabhängig davon, ob sie zugelassen sind oder nicht. Unberührt von dieser Regelung bleibt die Verpflichtung jedes einzelnen Rechtsanwalts eine Berufshaftpflichtversicherung gemäß § 51 BRAO für die Dauer des Bestehens seiner Zulassung zu unterhalten. Rügerecht des Vorstands und Verjährung Neu geregelt wurde auch § 74 Abs. 1 BRAO. Nunmehr unterbricht die erste Anhörung im Beschwerdeverfahren die Verjährung ebenso wie die erste Vernehmung durch die Staatsanwaltschaft im anwaltsgerichtlichen Verfahren. Die Verfolgung einer Pflichtverletzung verjährt darüber hinaus nunmehr erst nach fünf Jahren und nicht wie bisher bereits nach drei Jahren.

Erweiterung der Rechtsberatungsbefugnisse von Syndikusrechtsanwälten Für Syndikusrechtsanwälte wurden die Beratungsbefugnisse erweitert. Diese dürfen gemäß § 46 Abs. 6 BRAO-Neu auch gegenüber Dritten Rechtsdienstleistungen erbringen, wenn und soweit der nichtanwaltliche Arbeitgeber zur Erbringung von Rechtsdienstleistungen befugt ist. Der Syndikusrechtsanwalt muss in diesen Fällen jedoch darauf hinweisen, dass er keine anwaltliche Beratung im Sinne von § 3 BRAO erbringt und ihm auch keine entsprechenden Zeugnisverweigerungsrechte zustehen. Zudem handelt es sich bei dieser Form der Erbringung von Rechtsdienstleistungen nicht um eine anwaltliche Tätigkeit im Sinne von § 46 Abs. 2 BRAO. Zur Erfüllung der Zulassungsvoraussetzungen als Syndikusrechtsanwalt kann sie somit nicht herangezogen werden.

Sehr geehrte, liebe Kolleginnen und Kollegen,

dieser kurze Auszug aus dem neu geregelten anwaltlichen Berufsrecht zeigt, dass die gesetzlichen Grundlagen unserer beruflichen Tätigkeit nicht in Stein gemeißelt sind. Es ist stets zu prüfen, ob das Berufsrecht den sich ändernden Anforderungen und Erwartungen an die Ausübung des Anwaltsberufs (noch) gerecht wird. Bei allen Tendenzen zur Liberalisierung müssen wir uns jedoch immer vor Augen halten, dass unser Beruf wesentlicher Bestandteil des rechtsstaatlichen Gefüges ist. Bestimmte Grundpfeiler anwaltlicher Berufsausübung dürfen wir nicht preisgeben. Zu diesen Grundpfeilern gehört auch das Fremdbesitzverbot, dessen Aufgabe im Rahmen der BRAO-Reform verhindert werden konnte. Die Aufhebung des Fremdbesitzverbots würde die anwaltliche Unabhängigkeit aushebeln und damit letztlich die Positionierung des Anwaltsberufs als Teil des Rechtsstaats in Frage stellen.

Ihre -Ulrike Paul-

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