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Der ästhetische Widerstand Die Verwendung der Symbole in der Kunst
Meine Damen und Herren, erlauben Sie mir bitte,
mehr an dem, was vor ihnen liegt, sondern an
mein Thema »Anwendung der Symbole in der
dem, was sie glauben, verloren zu haben.
Kunst« heute zu erweitern, um diesem Thema
Und so gehen sie vorwärts und haben doch den
von einer anderen Seite her näherzukommen, von
Blick nach rückwärts gewandt auf der Suche
der noch viel zu wenig bekannt ist und über die
nach der verlorenen Zeit. Diese Suche nach der
nachzudenken mir noch sehr wichtig erscheint.
verlorenen Zeit glauben sie, rückwärts blickend
Heute schon müssen wir frühzeitig in diese Diskus
erkennen zu können. Dabei vergessen sie den
sion eintreten, da sie unmittelbar unser Leben
Standort ihres »Jetzt«, dem sie kaum noch Impulse
selbst angeht. So erlauben Sie mir bitte, folgende
geben, um Zukünftiges bewältigen zu können.
Überlegungen anzuschließen.
Der Westen huldigte vornehmlich seit dem 19. Jahrhundert einer mythischen Überhöhung
In unserer Umwelt heute werden ununterbrochen
seiner Vergangenheit. Und diese rückwärts
ästhetische Werte zerstört. In diesem allgemeinen
gewandte bürgerliche Utopie verschmolz sich
Zerstörungsprozess wird langsam visuelle Sensibi
mit unartikulierten Sehnsüchten und unerfüllbaren
lität betäubt, und dieser Prozess entzieht unserem
Träumen. Aggressive Melancholie vereinte sich
kreativen Leben immer mehr Lebensraum. Kaum
mit hermetischer Eingeschlossenheit jener Zeit.
sind wir noch fähig, dem Zauberwort Ökonomie
Aber die Gebundenheit jenes hermetischen
und Technokratie andere Lebenswerte gegenüber-
ästhetischen Ausdrucks ist noch heute eine
zustellen. Wir besitzen kaum eine andere Magie
unausgeschöpfte Anfrage an unsere Zeit. Zumin
mehr.
dest habe ich selber bis heute noch keine gültige Antwort auf diese Anfrage gefunden.
Auf diesem Hintergrund möchte ich versuchen, Ihren Blick in eine Richtung zu lenken, in der
Eugene Ionesco hat dieses aus dem 19. Jahr
die »Anwendung der Symbole in der Kunst« sich
hundert zu uns herüberreichende ästhetische
mehr denn je zu einem Ȋsthetischen Wider-
Unbehagen in seiner aufsehenerregenden Rede,
stand« formieren könnte. Vielleicht könnte dieser
die er in Salzburg zur Eröffnung der Salzburger
»ästhetische Widerstand« unser Leben entschei-
Festspiele 1972 gehalten hat, überdeutlich
dend beeinflussen und lebensgerechter werden
artikuliert; ich zitiere:
lassen. »Wir wissen seit langem, dass die totalitären
Hans-Günther Van Look, Stadterhaltung, Landschaftsschutz aus sozial-kultureller Sicht, 1. Europäische Begegnung im Hause des Europarates, Strasbourg 1975
Die Träume nach vorn aber sind selten geworden.
Gesellschaften nur die strengsten bürgerlichen
Der Glaube an eine bessere Zukunft ist erschüttert.
Bürokratien der Welt errichtet haben. Und gerade
In der Resignation des Alltags gehen letzte humane
in diese Richtung wenden sich die bürgerlichen
Positionen verloren. Die Menschen verhärten sich
Antibürgerlichen, wissentlich oder unwissentlich, ob
im Status quo: ihr Blick vom Glück formt sich nicht
sie es zugeben wollen oder nicht. Vielleicht,
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