Ein datenbasiertes, computergestütztes Qualitätsmanagementsystem im Modellprojekt Integrierte Psychiatrie Winterthur (Zürich/Schweiz) A. Andreae, Ch. Schuetz; ipw – Integrierte Psychiatrie Winterthur (Zürich/Schweiz) Einleitung
Software-Lösung qtools
Im patienten- und netzwerkorientierten Modellprojekt Integrierte Psychiatrie Winterthur des Kantons Zürich (Schweiz) wurde seit 1999 ein regionales System mit integrierter Versorgungs- und Leistungssteuerung, Koordination der Angebote und Umsetzung moderner Versorgungsgrundsätze in der Psychiatrie konzipiert und erprobt (Versorgungsregion mit 190‘000 Einwohner, davon die Hälfte im städtischen Regionszentrum). Das Projekt orientiert sich dabei an den internationalen Grundsätzen der psychiatrischen Versorgungswissenschaft, welche die Bedarfs- und Zielorientierung, die Prävention und Früherkennung, die ergebnisorientierte Qualitätssicherung, die Evidence Based Medicine sowie die laufende Bewertung von Public Mental Health Daten besonders gewichten (Jenkins, R. et al. 1999). Seit 2001 sind alle im Modellprojekt notwendigen subsidiären Angebote und Leistungen des Staates in die dezentral strukturierte Organisation Integrierte Psychiatrie Winterthur ipw eingefasst (Koordinations- und Beratungsstellen, Case Management, Konsiliar- und Liaisondienste, Ambulatorien, Tageskliniken, Kriseninterventionszentrum, Behandlungsstationen).
Von 2002 bis 2005 wurde die spezifische Software qtools entwickelt und ausgetestet. qtools ist eine vollständig webbasierte Lösung, die auf der Datenbank eines führenden Herstellers aufbaut. Dabei lässt sich der Applikationsserver sowohl in der Klinik selber als auch bei spezialisierten externen Anbietern betreiben (über Internet). Da qtools vollständig über gängige Webbrowser bedient wird, waren in der ipw keine Änderungen oder Investitionen an der bestehenden IT-Infrastruktur notwendig.
Im Aufgabenbereich Qualitätssicherung und Public Mental Health Daten führt die ipw eine Abteilung für Behandlungsevaluation zur laufenden Entwicklung, Überprüfung und Bewertung ihres Versorgungsangebotes (Messung der Ergebnis-, Prozess- und Strukturqualität). Diese schliesst zum einen das umfassende Outcome- und Monitoringsystem (Qualip-W) für alle Angebote und Behandlungsfälle der ipw ein (klinisches Qualitätsmanagement und gesetzliche Qualitätskontrolle). Zum anderen führt die Abteilung in Zusammenarbeit mit wissenschaftlichen Partnern Forschungsstudien über innovative Versorgungsprojekte der ipw durch (Evaluative Research) und bereitet gesetzlich geforderte Kenndaten für die Leistungsträger auf. Mittel- bis längerfristiges Ziel ist der Einbezug der Primärversorgung (haus- und fachärztliche sowie psychotherapeutische Praxen, psychiatrische Spitex, u.a.) in das Qualip-W, sobald im Versorgungsmodell Netzwerkverbindlichkeiten entwickelt sind. Entwicklung einer geeigneten Software-Applikation Mit der 2001 begonnenen Implementierung von Qualip-W in Strukturen der ipw zeigte sich, dass ein Computerprogramm mit entsprechender Funktionalität und Controlling-Möglichkeiten auf dem Markt fehlt. Es war deshalb ein Ziel im kantonalen Modellprojekt, eine umfassende Software-Applikation zu entwickeln, mit der sich die Erhebung der Ergebnis- sowie Prozessqualität sowie das Feedback der Ergebnisse an die Behandler (auf Einzelfall- und Gruppenebene) optimieren liessen und die prototypisch für den Einsatz in psychiatrischen Einrichtungen im Kanton Zürich zum Einsatz kommen konnte. Darüber hinaus sollte die Software-Lösung in der Lage sein, komplexe Controlling-Aufgaben zu bewältigen und Datenexporte gemäss behördlichen Spezifikationen gewährleisten. Das Instrument soll den administrativen Aufwand begünstigen und dem Einzelanwender in der Fallbehandlung wie allen Führungsstufen der interdisziplinären Behandlung unmittelbare und anschauliche Fall- und Gruppenauswertungen nach verschiedensten Kriterien der Datenverrechnung ermöglichen.
Die Realisierung von Qualip-W wird wesentlich durch die anwenderfreundliche Softwarelösung qtools unterstützt, die den ursprünglich aufwendigen, manuellen Prozess der Datenerfassung und -auswertung in einer professionellen, automatisierten Applikation vereint. So beinhaltet qtools sämtliche Werkzeuge zur Erhebung, Archivierung und Auswertung von Fragebogendaten in einem System und dient somit dem professionellen Qualitätsmanagement sowie der ganzheitlichen Basisdokumentation in der Psychiatrie. Über Beamer lassen sich die grafischen Ergebnisdarstellungen in qtools ohne Aufwand direkt in Fallkonferenzen, Qualitätszirkeln, Weiterbildungen und Leitungssitzungen präsentieren. Darüber hinaus unterstützt qtools sämtliche Controlling-Aufgaben und integriert die automatische Erinnerung der pro Behandlung erforderlichen und angewandten Befragungswerkzeuge. Durch die vom System in Echtzeit vorgenommene Datenplausibilisierung ist eine hohe Datenqualität auch in einem nicht-universitären Betrieb der psychiatrischen Grundversorgung gewährleistet. Mit qtools ist es ohne grösseren administrativen Aufwand möglich, je nach Patientengruppen unterschiedliche Befragungsinstrumente (z.B. definiert durch Tracerdiagnosen oder bestimmte Patientencharakteristika) automatisiert anzuwenden. Mit der eingesetzten Informationstechnologie stehen dank den umfangreichen und anpassbaren Auswertungsmöglichkeiten aussagekräftige Daten über die Entwicklung der Klinik sowie der Behandlungsarten in Echtzeit zur Verfügung. Die Erfassung von Qualitätsdaten zu verschiedenen Zeitpunkten während der gesamten Behandlung ermöglicht es der ipw, die qualitative Entwicklung der Therapien jederzeit zu überprüfen und wenn nötig zu verändern. Eine objektivierende Betrachtung wird gepflegt, die Transparenz im Fallverlauf wird erhöht, so dass eine gesamthafte und plastische Übersicht über die Fälle und Verläufe der Institution ermöglicht wird und damit die institutionelle Steuerung und Planung unterstützt wird.
Qualip-W In diesem seit Anfang 2001 laufenden Projekt wird die Ergebnisqualität (Outcome) stationärer, teilstationärer und ambulanter psychiatrischer Leistungen in den Teilinstitutionen der ipw mit Prä-/Post-Befragungen gemessen. Erfasst werden alle Personen (Vollerhebung), die gemäss den PSYREC-Kriterien eine Behandlung in Anspruch nehmen. Die Daten werden sowohl mit Patient(inn)en-Selbstratings als auch mit Fremdeinschätzungen durch Ärzte und Ärztinnen, Therapeut(inn)en oder Pflegefachpersonen (multiperspektivisch) mit international anerkannten und validierten Instrumenten erhoben. Die Wirksamkeit der psychiatrischen Behandlungen (Veränderungen) wird auf den Dimensionen Wohlbefinden, Symptomatik, soziales Funktionsniveau und Lebensqualität (mehrdimensional) leistungszenter-spezifisch abgebildet. Diese diagnoseunabhängigen Qualitätsindikatoren orientieren sich am Drei-Phasen-Modell psychotherapeutischer Veränderung von Howard et al. .
Nutzen Dokumentation Systematische Dokumentation der Wirksamkeit einzelner Behandlungen/ Angebote Auswertungsmöglichkeiten Vielfältige grafische und statistische Auswertungsmöglichkeiten bieten einen Beitrag zur Qualitätssteuerung in der Behandlungsroutine der Integrierten Psychiatrie Winterthur Tracerdiagnose Anhand von Booklets können Intervalle und Fälligkeiten von terminierten Datenerhebungen bequem und flexibel je Tracerdiagnose oder anderer Variabeln gepflegt werden
Abb. 1: BADO Erfassungsmasken Abb. 2: Controlling durch To Do-Liste Abb. 3: Ausgabegrafiken Skalenwerte
Visualisierte Rückmeldung Laufende visualisierte Rückmeldung ermöglicht ein Monitoring der qualitativen Entwicklung der Therapien auf verschiedenen Stufen der Behandlungs- und Betriebsführung Strategische Angebotsplanung Aktuelle Daten zur strategischen Angebotsplanung stehen jederzeit zur Verfügung
Abb. 1
Korrespondenzadresse Abb. 2
Abb. 3
lic. phil. Christopher Schuetz Leiter Behandlungsevaluation & Datenmanagement Integrierte Psychiatrie Winterthur ipw Postfach CH-8408 Winterthur christopher.schuetz@ipwin.ch www.ipwin.ch
Literatur Eidg. Bundesgesetz über die Krankenversicherung , 2. Titel Obligatorische Krankenpflegeversicherung, 3. Kapitel Leistungen, 2. Abschnitt Voraussetzungen und Umfang der Kostenübernahme Datum, 1994; Howard, K.I., Lueger, R.J., Maling, M.s. & Martinovich, Z. (1993). A phase model of psychotherapy outcome: causal mediation of change. Journal of Consulting and Clinical Psychology, 61, 678-685; Bitterlin, R., Haug, H.J., Rothenbühler, M., Schaefer, J. & Wengle, H.P. (1999). Qualitätsstandards für die stationäre Psychiatrie. Zürich: Schweizerische Vereinigung psychiatrischer Chefärzte SVPC; Kordy, H. & Lutz, W. (1995). Das Heidelberger Modell: Von der Qualitätskontrolle zum Qualitätsmanagement stationärer Psychotherapie durch EDV-Unterstützung. Psychotherapie Forum, 3, 197-206; A.R. Laireiter und H. Vogel (Hrsg). Qualitätssicherung in der Psychotherapie und psychosozialen Versorgung. Ein Werkstattbuch (S. 355-376). Tübingen: Deutsche Gesellschaft für Psychotherapie. 1998; Quality Indicators: defining and measuring quality in psychiatric care for adults and children : report of the APA Task Force on quality Indicators and report of the APA Task Force on quality Indicators for Children.- 1st ed., Washington DC 2005-11-17; Outcome Measurement in psychiatry: a critical review/edited by Waguih William IsHak, Tal Burt, Lloyd I. Sederer, Washington DC 2005