5. jAHRGANG AUSGABE #30
CYBERWAR IMAN REZAI NACHTAKTIV SOPHIE SENONER PRINZESSIN MIT PEITSCHE ANA-MARIjA BILANDZIjA ARAB GIRL SCHOOL SAM E SAL
+ jOSEPH WOLfGANG OHLERT jULIUS PETIT & jACKEE WORD jOE KAKE fRAN jONATHAN MEESE
Orion Von Löwen überrascht noch in der Nacht angefallen da reißen zwanzig Silberkrallen mal sachte und mal fester einen Schmiss ins Polyester. Blick zum Himmel dem Wegweisergewimmel schon eingefleischt vom Katzenzahn zu einem guten viertel statt dem Schweizer Messer greif ich Besen ich hatte Orion und seinen Gürtel falsch herum gelesen.
Justus Sauerbier Bild von Matthias Müller
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OPENER
Moritz Stellmacher
HERAusGEbER Emin Henri Mahrt Richard Kirschstein
GRAFIK & IllusTRATION
CHEFREDAKTION
ART DIRECTION
AND THE PROuD CROWD Anne Eger Axel Gutske
Johann Zimmer
Moritz Stellmacher
Johannes Schebler sTEllV. CHEFREDAKTION
Nicola Feuerhahn
Sophie Senoner
Thomas Thomsen
Ariane & Karl Kirschstein
Benjamin Gruber Bruno Jubin
Moritz Stellmacher
FAMIlY
Ayfer Kaya
Carlos Falla Garzon Dana Avraham Raijman Daniel Zimmert
EDITOR
Hannes Greve
Daniel Penk
Hugo Korinth
Emin Henri Mahrt
Eva, Lale, Lukas & Nuri Sezer Mahrt
Leonor von Salisch Livia Matthes
Gesa Hollender & Yara Dib & Daniela
OFFICE & MONEY busINEss
Louis McGuire
Klaus Mabel Aschenneller
Anna-Lena Harbaum
Lukas Würzburger
Oliver Keresztes & Sünje von Ahn
Jakob Scheer MIss AMERICA
EVENTs
Tsellot Melesse
Cim Topal Daniel Penk Emin Henri Mahrt Fetzo Müller COVER Fucsia Werk Gergana Petrova
Karianne Etternavn Komet Bernhard
CONTRIbuTER
Luciano Santorro
Ana-Marija Bilandzija
Mario Martin
Desna Wackerhagen
Maximilian Duwe
Gulnara Petzold
Ricardo Kramer
Justus Sauerbier
Sarai Schubert
Joe Kake Jonathan Meese Joseph Wolfgang Ohlert Luka Balint Matthias Müller Sam E Sal
DANA EMPlOYEE OF THE MONTH
Janina Schönn
Sergei Evdokimov Sutida Vestewig Valentin Schöndienst Vinzent Britz Visa Vie proud loves you
Unsere Ansprüche waren hoch: Suchen IT-Spezailistin mit mehrjähriger Berufserfahrung, vorzugsweise im militärischen Sektor, immun gegen Chaos und Magazinproduktionsstress, verheiratet, aber bitte ohne Kinder, die auch mal ein paar Europaletten die Treppen hochwuchten und nebenbei die Rolle als seriöses Gegengewicht zum partysüchtigen Rest der Rasselbande einnehmen kann. Nach mehreren Casting-Trips rund um den Globus sind wir im heiligen Land fündig geworden. Welcome on Board, Dana!
PROuD WORKs GMbH Sonnenallee 106 12045 Berlin Neukölln +49 (0) 30 521 36 881 hq@ .de START
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FUTURE SUEDE
puma.com/social
EDITORIAL 30
Ausgaben proud magazine.
in die Küche. Kaffee. Die Tauben auf
Im Dezember 2008 lag die
der Erkstraße beobachten und wach
erste gedruckte Ausgabe auf
werden. Während ich darauf warte,
unserem Tisch. Statistisch gesehen
dass sich die Kaffemaschine selbst
haben wir alle 1,6 Monate eine Ausga-
säubert, klingelt das Telefon. Fetzo
be gedruckt und wir freuen uns schon
fragt ob wir auf die Döger (Dönerfach-
auf die nächsten 30. Viel ist passiert.
messe) gehen wollen und ob es Neuigkeiten zur geplanten Warehouse
Es ist 08:17, Dienstag, mein iPhone
Party mit Westbam gibt. Gibt es, sag
klingelt. Verpennt sucht meine Hand
ich und denk dabei an den Telefon-
nach dem vibrierenden etwas. Es klin-
marathon den ich durchlaufen bin.
gelt "Mac Miller - Nikes on my feet".
Chrissn große Anlage vom 1. Mai, Da-
Als ich es endlich zwischen Wand und
niels Promo-Video Dreh mit Bruno, das
Matratze aus der Ritze hervorhole bin
Einholen einer Dreherlaubnis und die
ich auch wach genug um mich dem be-
Versicherung von der Generali. Außer-
vorstehenden Arbeitstag zu widmen.
dem, ein 10KW Stromgenerator, eine
Noch ein kurzer Blick auf die Sleep
Woche Arbeit für Luci, Rob und Bim.
Cycle App verrät mir, dass ich unruhig geschlafen habe. Aha, denk ich mir
Ein
paar
Wochen
vergehen,
und schlurfe ins Bad. Alles zusammen
Warehouse Party wird noch vor ih-
dauert 25min und ich stehe vor meiner
rem Startschuss am Abend vor der
Haustür und überlege wo ich geparkt
Veranstaltung
habe. Garage! Stimmt ja - luxus pur.
Grundstücksbesitzerin war nicht aus-
Wohnungen werden unbezahlbar und
reichend informiert und die lokale
ein Stellplatz kostet 20 Euro im Monat,
Polizei mit der Situation überfordert.
weil sich keiner mehr ein Auto leis-
Nichtsdestotrotz war es ein Versuch
ten kann. Vor meinem inneren Auge
und Bestätigung, dass unsere Initi-
sehe ich meinen Facebook Stream und
ative willkommen geheißen wurde.
die verzweifelte Suche von Freunden
Das Angebot des Oberkommissars
nach einer bezahlbaren Wohnung,
schwirrt mir im Kopf, ich solle doch
durchmischt mit Angeboten wie: WG-
bitte anrufen, wenn wir wieder ein
Zimmer, Internet, 14qm, Neukölln,
solches Event planen, er würde uns
350€ ALL INKLUSIVE pro Monat. Berlin
unterstützen. Bevor die Streife den
wird zu einer teuren Metropole und
Schauplatz verlies, tauschten wir noch
versucht gleichzeitig an alten Styles
Visitenkarten. Mit letzter Kraft nach
festzuhalten. 9:18 Uhr, immer noch
fast acht Stunden Aufbau und einem
etwas verschlafen fummel ich am
schnellen Abbau schicken wir unseren
Türschloss und weis genau, dass mich
SMS-Verteiler durch Berlin, die Party
jeder im Büro hört, ich bin zu spät.
wird verlegt, wir feiern uns die Enttäu-
abgeblasen
-
die
die
schung von der Seele. Straße 12 mit DJ
6
Als erstes erblicke ich Dana, Sergei und
T., Alexander Lorz, Meggy und Herbert
Lukas, unser Tech-Team. Unermüdlich
Ten. Am nächsten morgen huscht ein
vor dem Computer. Sie bauen unsere
Bild durch meinen Facebook Stream.
Zukunft denk ich mir und winke dabei
Lorz schreibt: Also eigentlich ist es
Anna zu, die seit 7:00 Uhr Belege für
uns egal, ob wir für euch ein ganzes
die Buchhaltung sortiert. Erst einmal
Warehouse oder nur ein Clubhaus
EDITORIAL
einreißen sollen. One love <3 proud.
gemeinsamen Monaten. Alle sind da. Am nächsten Tag im Büro stricken
Daniel sagt: Wenn alles scheiße läuft,
wir weiter an unser Zukunft. Teils
dann merkst du erst wer wirklich zu
zermürbende Arbeit. Hoovering Art-
deiner Crew gehört. DANKESCHÖN <3.
Directors. Lebkuchenhäuser. Wieder ist Fetzo am Telefon, diesmal gehts
Ich bin stolz. Stolzer geht schon
um die Vabrique, seine Neueröff-
gar nicht mehr. Es freut mich, ich
nung eines Restaurant in der Ritter-
würde gerne mehr als liken. So-
straße 12. Und um Planungen für den
wieso, crew love is true love, stell
ersten Mai 2013. Meine Schwester
ich mal wieder fest. Gegen nix in
Lale ruft mir etwas zu und der neus-
der Welt würde ich meinen Freun-
te proud Podcast spielt auf meinem
deskreis tauschen. Danke Freunde.
Rechner. Multitasking ist angesagt.
Montag, die Vergangenheit holt mich
Unser Jahr endet mit einer vorge-
ein. Anna schreibt mir eine E-Mail, die
zogenen
GSW hätte einen Anwalt eingeschal-
on ice. Obwohl Komet und unse-
tet, wir sollen doch bitte endlich un-
re Israelin Dana noch nie auf dem
ser Lager in der Mariannenstraße räu-
Eis standen, schafften es schluss-
men - und 2000 Euro Strafe bezahlen.
endlich alle. proud magazine 2013
Scheiße denke ich mir, seit Ewigkeiten
wird geil. 100%. Und jeder der das
hatten wir uns vorgenommen unser
liest, ist bereits jetzt ein Teil davon.
Weihnachtsfeier:
proud
inzwischen riesiges Archiv aufzulösen. Gemeinsam mit Moritz entscheiden
Emin
.
wir die alten Magazine 1-29 in einer Aktion in Berlin verteilen zu lassen. Weni-
Last but not least: Eigentlich war es
ge Tage später verlassen knapp 40.000
nur ein flüchtiger Moment; eine kurze,
unser Lager auf die Straßen Berlins.
zufällige Bekanntschaft an einem kaltverregneten Montagmorgen, irgendwo
Es ist Freitag, Anna-Lena Blackbird
in diesem gottverlassenen Zug zwi-
Food & Event Catering Service und
schen Hamburg und Berlin. Doch als
die mit abstand beste Buchhaltung
er in seinem kitschtosenden Las Vegas
der Welt beglückt die Redaktion mit
Anzug vor mir stand, spürte ich einen
dem Restbestand ihres Zweitjobs als
Hauch von Disco im Speisewagen.
Caterer und Koch. Die Arbeiten liegen gelassen erreicht uns die Nachricht, dass sich Carlsberg 2013 auf die Zusammenarbeit mit proud freut, uns freut das auch. Carlsberg Support Your Local DJs Partys in Köln, Hamburg und Berlin - aber auch der Dialog auf Facebook gehören inzwischen zu unserem Tagesgeschäft im Office. Wieder
vergehen
einige
Wochen
und mein Vater lässt das 74. Lebensjahr hinter sich. Gemeinsam stoßen wir mit Raki und Mese-Platten im Adana-Grill in Kreuzberg an und schweifen in Erinnerung an eine Zeit proud magazine aus über 40 EDITORIAL
7
VODKA FROM THE LAND OF THE WOLF
10
REPORT
Die Leiche im Kofferraum Die aBeNTeur DeS KomeTeN
W
iesbaden, Ziegelei, weit drau-
Grund, anonymer Hinweis auf eine Lei-
spaßigen Moment zu haben. Doch
ßen, Richtung Ikstadt, eine klei-
che im Kofferraum dieses Fahrzeugs.
das Lachen sollte mir bald vergehen.
ne private Party.
Komet hatte in der Ziegelei sein Ateli-
In der Nacht zu Hause angekommen,
Das Bier ging aus. Komet, der Einzige der
er und ein 800 qm Lager aus dem auch
vor meiner Haustüre stand ein Polizei-
noch nicht alkoholisiert war, weil er in
schon mal eine Leiche zu entsorgen
wagen, zwei Beamten waren dabei die
dieser Nacht noch zurück nach Mainz
war. Jeder kannte meine Puppenkolla-
Klingelknöpfe, ich wohnte in einem
wollte. Petra, im geliehenem Auto der
gen, die für Performance Zwecken auch
Wohnblock von vier mal acht Parteien,
Eltern, von Roskilde kommend,bot mir
einmal auseinander genommen wur-
abzusuchen. Meine Autonummer plus
ihren Flitzer, einen Cabriolet an, von
den und aus künstlerischem Anlass in
Motorradkennzeichen, dass vor der
der Tanke in 10 Kilometer Entfernung
meinem Hänger durch das Rhein Main
Haustür stand waren schon registriert.
einige Six Packs Bier anzukarren. Ich
Gebiet kutschierten.
Jetzt wusste ich, dass ich jedem Polizei-
machte mich auf die Piste, und konn-
Die Lacher waren alle auf meiner Seite.
auto ausweichen musste, plus meine
te mir Zeit lassen, zwischendurch noch
Nur die Polizei lachte nicht. Bei meiner
Wohnung in dieser Nacht nicht mehr
kurz einen Freund zu besuchen. Viel-
Rückkehr war die Polizei schon un-
betreten konnte. Auch mein Laden und
leicht war ich insgesamt eine Stunde
verichteter Dinge abgedampft. Irgend-
meine Werkstatt waren keine Zuflucht
unterwegs, jedenfalls war nach meiner
jemand hatte ihnen sogar meine Han-
mehr. Ich war ratlos und wusste nicht
Rückkehr der Teufel los.
dynummer gegeben. Jetzt wurde nicht
wie ich die Angelegenheit werten soll-
Die Polizei war aus der Stadt mit Blau-
nur nach dem Auto sondern dazu auch
te. Petra hatte inzwischen auch wieder
licht angerückt um nach dem Auto zu
noch nach mir gefahndet. Petra nahm
die Ziegelei verlassen, um sich schlafen
suchen, dass Petras Eltern gehörte, die
ihr Auto in Empfang, ich stieg in mei-
zulegen. Sie maß der Angelegenheit
schon aus den Federn geholt Auskunft
nen Mercedes Kombi beladen mit einer
keine weitere Bedeutung zu, bis ein
über den Aufenthaltsort des Fahrzeugs
leicht bekleideten Schaufensterpuppe.
nächtlicher Anruf ihrer Eltern den gan-
geben konnten.
Noch schien die Angelegenheit einen
zen Sachverhalt offenbarten, denen die REPORT
11
12
Polizei zum Besten gab. Jetzt erst wurde
nur Gute, die sie nicht raus rückt. Hast
Kofferraum zu öffnen, um festzustel-
mir ins Bewusstsein gerufen, dass auf
du Geschirr für unsere Küche, oder
len, dass ihr Schlafsack, ihr Kissen und
meiner Fahrt zur Tanke, um Bier zu
Kreide für die Straße zu bemalen. Klar,
andere Utensilien im ersten Moment,
holen, an einer roten Ampel der Koffer-
Komet hatte immer alles.
und flüchtigem Hinsehn, tatsächlich
raumdeckel von Petras Auto aufsprang,
Bewusst hatte ich niemals Kinder in
den Eindruck eines Leichentransports
weil er nicht richtig verschlossen war.
meine Wohnung mitgenommen. Jetzt
aufkommen lies.
Ich hatte natürlich nichts eiliger zu tun
stand der blanke Angstschweiß auf
Sie hatten ein Foto gemacht und konn-
als ihn mit Eile und Wucht zuzuwerfen
meiner Stirn. Von meiner Leiche im
ten sich vor Lachen nicht mehr halten.
und davonzufahren. Der Fahrer eines
Kofferraum erzählte ich der jungen Bä-
Diese Nachricht hatte mich Minuten
hinter mir stehenden Wagens rief so-
ckerin lieber nichts, bis zur Aufklärung.
zuvor erreicht, und mir mein Selbstver-
fort über Handy die Polizei an, und gab
Wie wird diese Aufklärung aussehn,
trauen zurückgebracht und noch was,
die Wagennummer plus eine genau Be-
welches Geheimnis steckt hinter der
so klang es weiter durch den Äther, an
schreibung meiner Person zum Besten,
Leiche des Neugeborenen. Gab es eine
alle die, die nicht soviel Zivilcourage an
mit der Begründung er habe in meinem
Leiche in Petras Auto?
den Tag gelegt hätten, wie der geistes-
Kofferraum einen Menschen oder sogar
Einfach zu viele Frage um die Poli-
gegenwärtige Autofahrer hinter mir, in
eine menschliche Leiche gesehen. Da-
zeiwache zu besuchen. Würde ich in
dieser Nacht, in der mein Experiment
raufhin wurde eine Fahndung bundes-
Untersuchungshaft genommen? Wie
lief, danke an ihn. Nehmt euch ein Bei-
weit in Gang gesetzt.
lange würde die Lösung auf sich war-
spiel, verschließt nicht die Augen vor
Nun hatte Petra Angst ihren Koffer-
ten lassen, wird es jemals eine Lösung
dem was ihr seht. Auch wenn ihr nur
raum ohne Beisein einer Person zu öff-
geben? Bleibt ein Restverdacht auch bei
glaubt es gesehen zu haben. Geht nicht
nen. Der Standort des Fahrzeugs war
Freispruch?
blind durch die Welt.
nun nicht mehr bekannt, da sie bei
Am nächsten Morgen hatte ich wieder
Und an die Polizei! Überdenkt eure
einer Freundin übernachtete. Auf mei-
einen kleinen Liveauftritt im offenen
Übermittlungsmethoden.
nem Anrufbeantworter fand ich eine
Kanal von Radio Quer Studio Mainz.
schönes Festivalende.
Nachricht der Polizei, die mich freund-
Das Mikrophon war sofort für wenige
Die Polizei hatte sich noch an diesem
lich aufforderte, mich Herr Komet, im
Minuten mir. Das Openohr Festival ging
Tag den Kofferraum selbst angesehn,
Polizeirevier 4 doch bitte einzufinden.
zu Ende. Tausende wollten sich heute
auch Fotos gemacht, nach Spuren ge-
Alles immer noch nicht bedrohlich
auf ihren Heimweg machen. Mit Auto,
sucht und natürlich nichts gefunden.
doch mysteriös und unangenehm. Zu
Zug, zu Fuß, Fahrrad, Motorrad. Liebe
Nach dem ich erfahren hatte, dass der
viele Fragen waren offen. Ich fragte
Motorradfahrer unter Euch, Komet bit-
Fund in der Mülltonne aufgeklärt war;
mich, da Petra zum Unglückszeitpunkt
tet, macht es nicht wie Beethoven, bit-
habe ich die Bäckerin an ihrer Theke
in Roskilde war, ob es einen Toten mehr
te keine Unvollendeten. Ihr seid keine
mit meiner Geschichte bei einer Tasse
auf dem Festival gegeben hatte, und
Musiker, bitte keine unvollendeten Kur-
Kaffee erheitert. Den Kindern habe ich
jemand einen Illegalen auf diese Weise
ven, kommt gut Heim. Noch was, bleibt
niemals einen Ton berichtet und wei-
unterschlagen wollte. Sie versprach mir
dran, ich werde jetzt in einer wichtigen
ter ihre kleinen Wünsche erfüllt. Meine
in dieser Nacht am Telefon den Koffer-
Sache die Wiesbadener Polizei in eurem
Vorsicht ist gewachsen, doch ich hoffe,
raum bestimmt nicht alleine zu öffnen.
Beisein anrufen.
meine Spontanität nicht zu verlieren,
Am nächsten Morgen traute ich mich,
Live auf Sendung; Vorbereitet habe ich
Geschichten zu erfinden falls es nötig
bei meiner Wohnung um die Ecke zum
die Nummer der Polizei gewählt. Hallo,
ist, um dumme Geschichten aufzuklä-
Bäcker. Unvermittelt sprach die liebe
hier ist der Herr Komet, bevor ich wei-
ren, oder ungute Dinge zu entlarven.
junge Bäckerin, die ich sehr gut kann-
ter rede schalten sie bitte das Radio
Euer Komet!
te, von einer Kinderleiche, die in einer
ein 68,4 Radio Quer. Nein; Ihr habt ein
Mülltonne bei mir um die Ecke gefun-
Radio auf der Wache, ich rede nur wei-
den wurde. Ein Neugeborenes war vor
ter, wenn ihr euch selbst im Radio hört.
Text: Komet
meiner Haustür entsorgt worden. Wenn
Gut; Was ist das für eine Polizeiarbeit;
Illustration: Johann Zimmer
jemand mit den Kindern und Jugendli-
bei der sie eine Leichenentsorger bitten,
chen und jungen Frauen in der Gegend
sich auf der Wache zu melden. Wenn
zu tun hat dann war ich es. Alle riefen,
ich eine Leiche hätte, wäre mein Bart
wenn ich ankam, Komet! Komet! Hat-
längst ab, die Haare weg und ich auf
ten Wünsche wie: Hast Du eine Decke
der Flucht. Alles klar!! Petra hatte den
für unsere neue Hölle, die Mama hat
Mut gefunden mit einem Freund den
CHAT
Allen
ein
www.adrianarica.com/shop
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PASSENGERS
Walking ...through cities. Cities like doorways to other cities inside them. Doorways to others. To otherâ&#x20AC;&#x2122;s cities. Inside them. Walking through places. Your body slides through the concrete whirl. But you donâ&#x20AC;&#x2122;t leave a track. And you wish...but you are just a passenger... 24 a) buy, drink, eat, spontaneously decide to go out, take drugs, drink more, dance, take more drugs, meet random person that you think is cool, watch a sunrise together, make love, sleep, vomit, take painkillers, check your mail, go to bed. b) shower, go out, get Christmas presents for your parents, buy useless shit from a Turkish shop, be happy with it, do grocery shopping, have coffee with a friend, go home, check your mail, go to bed. c) do none of the above? d) use a lifeline
REPORT
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The Play At night, you see the light from inside the shops and look at all the mannequins sparkling in bold seductive red, innocent white satin, and deep blue velvet. The reflections of the passing cars on the glass, flickering in their hopeful eyes which stare unblinkingly to the outside. Searching. The figures are so glamorous in their dresses, bathed in light from the projectors pointed to them: they will hold this stage only until the night is gone. Their gestures - graceful; the poses - perfect, the scenes so romantic: do you want to buy? This hand, stretched out towards you - hold it, feel it? But they are all frozen in a beautiful moment somewhere far in this puppet play, their hands colder than the northern winds, the reflections in their eyes glimmering like the steel on the blade of a knife, just before you want to cut this pale, fake flesh…but aren’t they alive? At day’s first light, the mannequins and their nocturnal glory fade into the clouds of dust and burning sunlight. The silence is gone, the mystery neglected by the passing crowds, who desecrate the stage with their ignorance and greedy looks…
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REPORT
REPORT
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Creatures of the Night I stand in my room in N-skaya district, it’s late at night. Outside - travellers drift through the mist and coldness, their voices infused with joy. They continue further and their echo fades. A sudden smash of glass and a burst of laughter. You’ve heard this a thousand times... When you see someone bleeding you know he is finally alive to you. You stand back and merge between the walls of your own space, this cotton candy brain with these eyes attached as cold stones - you know you are just another story. You might be a traveller or simply passing by - but it makes no difference where you are, you’d always be just that. If you see your blood streaming down your thin pale fingers, you’d know it’s all been real, just at this very moment, that you’ve been waiting for. I remembered when we were walking together in the night mist - the faded facades of the buildings around now dark and silent. The streets were wet and the lights reflecting on them like moonlight on concrete water. All the shops were closed, some bars left open looked sad and the few people inside were lonely, falling asleep in front of their empty glasses. We were walking silently holding hands, hearing the echo of our steps. I wish I could see you once again as I knew you’d soon be gone, if we could walk this hostile street forever. I wish I could break this silence woven around us into many harmonious pieces of a puzzle, so they would fit perfectly together…silence and fear. Fear that this street has an end, an end where I have to tell you “bye”. Silence.
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REPORT
REPORT
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peeping into the Closet nackte Männer, maskierte Frauen und das Andere
Gender ist konstruiert. Eine beachtli-
hoben scheint. Dass auch im angel-
Neuzeit einem nackten Mann, wird
che Menge von Zeitgenossen stimmt
sächsischen Raum keine freiheitliche
sofort geschlussfolgert, der Künstler
dieser Aussage in Diskussionen gerne
und nebenbei klassenlose Uni-Sex
müsse homosexuell sein.
zu. Junge mehr oder weniger akade-
Gesellschaft lebt ist offensichtlich.
mische und politisch interessierte bis
Zwar gibt es Butler selbst als Positiv-
Erst kürzlich habe ich im Zeit Maga-
politisch engagierte Leute. Aber auch
Beispiel, aber als Ausnahme zeigt sie
zin einen Artikel über Bilder nackter
die biederen
Bildungsbürger haben
implizit, wo die Norm liegt. In den
Männer gelesen. Dort hieß es, dass
Butler gelesen und rezipiert. Ganz
Medien nämlich eher ziemlich nah
Frauen sich Penisse, wenn über-
klar, wir werden nicht als Mädchen
an Barbie.
haupt mit „höflichem Desinteresse“ anschauen. Bedeutet das, dass alle
geboren. Und Gender ist ein Spektrum, kein Dualismus.
Die Frau wurde erschaffen um ange-
(Männer?) gerne überall nackte Frau-
schaut zu werden. Nicht von einem
en betrachten wollen, während nur
In der Lebenspraxis sieht es anders
Gott sondern von der mächtigsten
Schwule ganz gerne mal mehr als
aus: Da wird nach der Geburt als ers-
Macht der Jetzt-Zeit, dem Diskurs.
hier und da einen Oberkörper mit
tes das Geschlecht angekreuzt und
In den darstellenden Künsten wim-
Sixpack sehen?
der neue Mensch in die Schublade
melt es von Frauen. Aller Klassen,
Die Annahme, dass Frauen grund-
gelegt, die seine Zukunft bestimmen
aller Kulturen, bei allen erdenklichen
sätzlich körperlich schöner seien als
wird. Die allermeisten leben dann
Handlungen und in allen erdenkli-
Männer, habe ich nie verstanden.
auch in einer Scherenschnittwelt
chen Posen. Lachende, ernste, und
Ohne
der Zweigeschlechtlichkeit. Nur die
immer wieder: Nackte. Nackte, die
Hintergrund näher zu untersuchen,
queersten tunken ihren Fuß in die
sinnlich dreinschauen, auch selbst-
bleibt die Frage vorerst offen.
Grenzenlosigkeit, die im Deutschen
vergessen, schamhaft oder frivol. Wo-
der Artikel „das“ verspricht. Manche
hin man auch schaut: Nackte Frauen.
ihren
kulturgeschichtlichen
Vielleicht ist die Beobachtung, dass medial unzählige nackte Frauen einer
sagen auch „Studis“ statt Studenten oder „mensch“ statt man. So versu-
Wo sind die Männer? Ein Blick in die
Handvoll nackten Männern gegen-
chen sie aus der Gender-Falle zu ent-
Kunstgeschichte zeigt, dass der Män-
überstehen von Bedeutung, um den
kommen.
nerakt ein vorrangig homoerotisches
Begriff Gender und die Kritik daran
und – verglichen mit den weiblichen
zu verstehen.
Wenn das alles ist, hat Feminis-
Akten – recht seltenes Phänomen ist.
Ich weiß nicht, ob Frauen gerne Frau-
mus in der Sprache also keine gro-
Im antiken Griechenland gibt es noch
enkörper anschauen, ob sie lieber
ße Revolution bewirkt. Da lobe man
viele Abbildungen von unbekleideten
mehr Männer sehen würden, oder ob
sich Englisch, wo neben dem Ge-
athletischen Männern und Jünglin-
sie sich überhaupt nichts anschauen,
schlechtsunterschied in den Artikeln
gen. Die hellenischen Sexualprakti-
weil sie mit anderen Dingen beschäf-
auch das Herr-Knecht Verhältnis in
ken der Knabenliebe sind hinreichend
tigt sind. Der Punkt ist, dass es darum
einem demokratischen you aufge-
bekannt. Begegnet man in Kunst der
auch nicht geht. 21
22
SHOOT
23
Geschlechtsunterschied
Weiblichkeit ist Maskerade. Die Funk-
Wie die Welt ist, können Menschen
ist kein Unterschied zwischen zwei
tion der Frau in der patriarchalischen
nicht wissen; sie können nur wahr-
gleichwertigen Vorlieben, zwischen
Gesellschaft ist es das Begehren zu
nehmen und interpretieren. Nicht
blau und rosa. Es ist ein kategorialer
verkörpern.
die Welt unterliegt unverbrüchlichen
Unterschied. Ein entscheidender. Es
Daher ist Nacktheit eine außerordent-
Regeln und Gesetzmäßigkeiten, viel-
geht um die sogenannte Definitions-
lich gute, sozusagen die weiblichste
mehr haben Menschen das Bedürfnis,
macht. In der heteronormativen und
aller Verkleidungen. Sie erzeugt am
überall Muster zu erkennen und da-
männlich dominierten Gesellschaft
meisten Begehren oder inszeniert es.
raus Regeln und Kategorien abzulei-
Denn
der
ten. Die Welt ist in Ketten der Begriff-
entscheiden die Frauen nicht selbst, welche Rolle sie einnehmen wollen
Männer dagegen sind nicht nackt
lichkeit gelegt, obwohl sie sich nach
(die Männer allerdings auch nicht).
und übertriebene Männlichkeit ist
Kräften dagegen sträubt. Ständig wi-
– als Maske – wiederum weiblich.
derlegt sie die aufgestellten Regeln
Der Norm-Mensch heutzutage ist
Oder
Maskulinität
und immer wieder formt der Mensch
weiß, männlich, heterosexuell und
kippt, sobald sie inszeniert wird, und
die Gesetze so um, dass sie auf die
in der Öffentlichkeit bekleidet.
Die
schlägt in ihr Gegenteil um. Der echte
Phänomene passen und für das Sin-
Norm ist ungefähr der Typ Nachrich-
Mann steht hinter seinem eleganten
guläre kein Raum bleibt. Das ist Wis-
tensprecher: mittelalt, mittelwohlha-
schwarzen oder robusten blauen An-
senschaft. Oder Pseudowissenschaft,
bend, mittelgebildet. Alle, die durch
zug und hinter seiner Tatkraft als Ge-
manchmal auch Religion oder Aber-
das Raster fallen, weil sie vom Stan-
heimnis (wer hat den größten?), als
glaube. Sie alle funktionieren, indem
dard zu sehr abweichen, sind das
Tabu. Darüber spricht man nicht. Der
sie Gesetze aufstellen.
Andere. Als Konterpart und Außen-
Mann ist durch seine gesellschaftli-
seiter wird an ihnen umgekehrt auch
che Funktion gewissermaßen körper-
Lacan beschreibt, wie das Gesetz als
ablesbar wer dazugehört und warum.
lich unsichtbar.
Sprache mit dem Vater in das Leben
Der Andere macht, was man nicht
Das männliche Modell präsentiert
eines Kindes tritt. Als Verbot zerstört
tut und ist, wie es sich nicht schickt.
sich den Blicken und wird Objekt der
es die Symbiose des Kindes, seine
Das sind nicht nur Frauen. Das Ande-
Begierde, also Frau; egal ob es seine
Verbundenheit mit der sorgenden
re des Mannes können auch Männer
Muskeln zeigt oder eine betont frauli-
Mutter. Die folgende Erfahrung des
sein, schwule Männer oder Gangster,
che Körperhaltung.
Mangels ist Ursache für das Begehren.
eben
schwul.
Das Begehren nach Vervollständi-
Freaks, Behinderte – auch Tiere.
24
Modellstehen ist die weibliche Tätig-
gung ist das Begehren nach der Frau.
Gerade Tieren und Frauen werden
keit schlechthin und Nacktheit ist die
Für Männer wie für Frauen. Jeder
häufig dieselben Eigenschaften zu-
Maske, die Natürlichkeit anzeigt. Na-
Mensch spürt es. Es kann nie erfüllt
geschrieben. Schönheit, Anmut und
tur ist das Weibliche, Zivilisation ist
werden, nur kurzzeitig beschwichtigt.
Natürlichkeit gehören ebenso zum
der Mann.
Niemand ist wie die Mutter war, und
Vorurteil über das Tier und die Frau
Natur ist menschengemacht. Sie ist
auch sie war nie, wie sie hätte sein
wie irrationales Verhalten, ihre ge-
ebenso Vorstellung und Setzung wie
sollen.
heimnisvolle Unverstehbarkeit. Tiere
Gender, das vermeintlich biologisch
wie Frauen werden dabei als Objekt –
vorprogrammiert ist. Eine historisch
Die Frau bringt nie die Erfüllung, die
des Blickes, der Begierde – charakteri-
gewachsene gesellschaftliche Verein-
sie verheißt, sie ist weniger Objekt des
siert. Selten nur sind sie eigenständig
barung.
Begehrens als Sinnbild für das Begeh-
handelndes und denkendes Subjekt.
Nach Butler gibt es nicht zwei Ge-
ren. Unabhängig von sexueller Orien-
Richtig zivilisiert sind sie nie.
schlechter, sondern ein Spektrum.
tierung oder Gender funktioniert sie
Wir können nicht endgültig entschei-
als Fata Morgana in der Wüste. Man
Die Nacktheit der Frau in den Medi-
den ob jemand einen kleinen Penis
strebt zu ihr hin und erreicht sie nie.
en spiegelt die Wildheit, die ihr zu-
oder einen sehr großen Kitzler hat.
Hinter der Weiblichkeits-Maske gibt
geschrieben wird. Unbekleidet, na-
Was wir tun ist eine Grenze zu ziehen.
es keine Weiblichkeit. Im schlimms-
türlich sein ist ihre Kostümierung. So
In Deutschland werden Neugebore-
ten Fall gibt es dahinter gar nichts.
sieht sie nicht aus, wie die Nachbarin
ne, deren Geschlecht uneindeutig ist,
Im besseren Fall wird da sogenannte
oder Zahnärztin, sondern wie die
operiert und der Norm entsprechend
Männlichkeit verborgen.
Frau.
korrigiert.
25
26
SHOOT
Es gibt unzählige Geschichten, in de-
Gender-Grenzen transzendieren – das
nen als Mann getarnte Frauen Großes
geht vielleicht gar nicht so explizit.
vollbringen. Indem sie sich als Mann
Das ist kein Ziel, das man sich setzt.
verkleiden, legen sie ihre Verkleidung
Vielleicht ist es eher eine stille Sub-
ab und werden handlungsfähig. Statt
version, über die keine Hausarbeit
Frauen-Maske zu sein, werden sie In-
geschrieben wird, zu der keine Foto-
dividuum.
reihe gemacht werden muss und die
Ich kenne keine Geschichte, in der ein
ohne Statements im Stile von „Ich
Mann Frau werden muss, um agieren
als homosexueller Mann“ auskommt.
zu können. Wenn Männer Frauen
Wenn es wenigstens bisexuell wäre!
werden, dann legen sie ein Kostüm an. Das ist keine Individuierung, kein
Gender-Grenzen transzendieren sagt
Herausbilden von Persönlichkeit und
sich schön. Aber es bedeutet uns
Handlungspotential. Das ist Travestie.
selbst, wie wir bisher waren, zu ver-
Mummenschanz und Karneval.
gessen und die Sprache, die wir benutzen, radikal zu zerhacken. Es be-
Für ein erfülltes Dasein reicht es nie
deutet alles Wissen, das wir bisher
aus, nur eine Gender-Komödie auf-
kannten, zu verneinen. Es geht nicht
zuführen. Man versucht, sobald man
die Schublade Gender abzuschaffen,
eine Vorstellung davon hat, das so
ohne den ganzen Schrank zertrüm-
genannte eigene Geschlecht zu ver-
mern. Und der Schrank ist unser Ske-
körpern. Wenn das scheitert, weil
lett.
Geschlecht nicht ausreicht, um eine Person zu werden, und falls nichts
Ich habe vor Kurzem ein Kind bekom-
anderes zum ergänzen da ist (Judo-
men. Wenn man ein Kind bekommt
club, Ponyreiten, Antifa oder Ähnli-
und ein Elternteil ist nicht EU-Bür-
ches) versuchen manche das andere
ger (auch eine gefährliche Katego-
Geschlecht aufzuführen. Manchmal
rie), dann muss man viele Formula-
mit mehr Erfolg. Nachdem man Cow-
re ausfüllen. Alle fragen nach dem
boy und Prinzessin gespielt hat, kann
Geschlecht. Ausgerechnet und einzig
man daran gehen ein Mensch zu wer-
und allein auf einem Formular der
den. Ohne sehr vereinfachte Posen,
Ausländerbehörde kann man bei Ge-
ohne zu viel in die Kategorien-Kiste
schlecht ankreuzen: männlich, weib-
zu greifen. Einer, der jenseits von Rol-
lich, unbekannt.
lenschablonen existenzfähig ist. Lesben- und Schwulenbewegungen
Photos Through the Desire, Joe Kake
leisten sehr häufig keinen Beitrag
Joekake.com
dazu
Text Nele Illner
Gender
Zuschreibungen
zu
entmachten. Sie operieren mit den Begriffen „Mann“ und „Frau“ und bilden allenfalls neue Klichees heraus. Die mögen manchen helfen, weil sie zumindest
neue
Identitätsmuster
schaffen. Das ist ein Anfang. Statt zwei Alternativen gibt es dann vielleicht vier oder fünf. Aber auch die sind normiert. Und keine neue Errungenschaft. Spätestens bei Shakespeare findet man sie alle.
27
Prinzessin miT PeiTsche interview mit einer Domina
T
agsüber ist Viktoria, 31, Homöo-
lich? Sie sieht so...brav aus. Ich fühle
Wie hast du herausgefunden, dass du
pathin. Abends ist sie je nach
mich in ein Blinddate versetzt und
eine Neigung zu SM hast?
Laune Ärztin, Polizistin, Herrin
stelle mir vor, wie es wäre, wenn sie
Schon als Teenager fand ich Fessel-
oder Sklaventreiberin. Seit sieben Jah-
eine Rose in der Hand hielte.
spiele ganz faszinierend. Eigentlich
ren versohlt sie als Domina „Bizarr
„Viktoria?“, frage ich vorsichtig. „Ja,
schon im Kindergarten – dieses Cow-
Princess“ Menschen den Hintern.
hallo!“. Erster Eindruck: positiv. Ich
boy- und Indianerspiel hat mir immer
bin mir sicher, dass wir uns verstehen
gut gefallen.
Wir treffen uns in einem Café in der
werden. Das sollten wir auch, schließ-
Innenstadt. Ich bin fünf Minuten zu
lich will ich ihr verbal an die Wäsche.
spät, sehe mich nach ihr um. Da steht
Ihre Bestellung? Kaffee, schwarz.
eine blonde Frau, aber ist sie das wirk28
REPORT
Viktoria hat ihr naturblondes Haar
Ich muss laut lachen. Lustige Vorstel-
Schallendes Lachen.
zu einem Dutt zusammengefasst, der
lung, dass Viktoria sich neben alten
Lachst du auch vor Kunden?
rosenholzfarbene Lippenstift harmo-
Damen als „Bizarr Princess“ meldet.
Bei manchen kann ich es mir nicht
niert mit ihrem Halstuch. Sie ist keine
verkneifen, aber Humor ist kein Tabu
Frau der großen Töne, wählt ihre Wor-
Und die Familie?
für mich. Manche Kunden kommen
te bewusst und spricht eher leise. Die
Meine Oma und Tante kommen nicht
extra zu mir, um ausgelacht zu wer-
perfekte Tarnung.
damit klar und haben den Kontakt ab-
den. Gerade die gut Betuchten. Das
gebrochen, aber das hat auch andere
würde ich persönlich nie wollen. Man-
Wann kamst du auf die Idee, dass
Gründe. Meine Eltern haben es recht
che Wünsche hingegen verblüffen
Cowboy und Indianer nicht ausrei-
schnell akzeptiert. Meine Mutter hat
mich, da bleibt mir das Lachen im Hals
chen?
das Thema eher sehr interessiert. Sie
stecken.
Als Teenager habe ich erste Fantasien
war sogar bei einer Session dabei, was
entwickelt, nach der Trennung von
ziemlich lustig war. Mit ihrem schwä-
Manche Dominas vereinbaren soge-
meinem letzten Freund wollte ich das
bischen Dialekt sagte sie: „Dass so en
nannte Safewords mit ihren Kunden,
endlich ausleben. Er hat nicht viel Sex
scheener Mann so ebbes macht, des
die man sagt, wenn aus Spaß Ernst
gebraucht, ich aber schon. Mit 24 be-
brauchsch du doch ned“. Sie kann halt
wird.
schloss ich, einfach meinen Spaß zu
die Erotik nicht so gut transportieren
Das mache ich nur ganz selten. Die
haben; das war der richtige Schritt
und für mich ist SM sehr mit Erotik
meisten Kunden wollen das überhaupt
zum SM.
verknüpft. Sie hat auch eine Klammer
nicht, es würde sie abturnen. Ich hab
angebracht und so weiter, aber das
ein ganz gutes Gespür dafür, wann ich
Wie genau bist du eingestiegen?
wiederholen wir besser nicht. Auch
aufhören sollte. Mein Bauchgefühl hat
Erst mal habe ich es rein privat aus-
wenn manche bestimmt darauf ste-
mich eigentlich noch nie getäuscht
gelebt. Dann habe ich in einem Studio
hen.
und dank meiner Ausbildung als Arzt-
als Domina angefangen. Dort habe
helferin kenne ich den menschlichen
ich etwa ein Jahr lang gearbeitet, aber
Was war der skurrilste Kunden-
recht schnell festgestellt, dass das
wunsch?
nicht mein Ding ist. Wenn einem die
Da gibt es zwei Sachen. Einer meiner
Warst du selbst jemals in Gefahr?
Kunden nicht passen, kann es passie-
Kunden steht auf teure Uhren. Eine
Ja. Ein Kunde hatte sich gewünscht,
ren, dass man den halben Tag umsonst
Rolex am Frauenarm turnt ihn so rich-
dass ich ihn, gleich wenn ich reinkom-
rumsitzt und nichts einnimmt. Oder
tig an. Ich zähle dreißig Sekunden ab
me, fessle. Das Geld würde ich auf dem
man macht eine Session mit jeman-
und wir schauen gemeinsam auf die
Küchentisch finden. Dort war es aber
dem, auf den man keinen Bock hat,
Uhr, bei null soll er abspritzen. Er hat
nicht. Er redete sich um Kopf und Kra-
nur, damit der Tag nicht umsonst war.
es fast geschafft, war nur ein bisschen
gen, ließ mich Taschen und Schränken
Außerdem finde ich es sehr wichtig,
zu früh.
durchsuchen und half mir bei der Su-
vor und nach einer Session mit dem
Körper sehr gut.
che, aber da war nichts. Er sprach dau-
Kunden zu sprechen – im Studio blieb
Viktoria schiebt ihren Ärmel ein Stück
ernd davon, dass er blockiert sei, ich
dafür so gut wie keine Zeit.
nach oben und schaut auf eine imagi-
bekam Angst und rief meinen Partner
näre Uhr. Mit Armen und Beinen gibt
an. Er nahm mich in den Schwitzkas-
Wie hat dein Bekanntenkreis reagiert?
sie ihren Worten Form, was für andere
ten; als ich ihm entkommen bin, habe
Die meisten sagen eigentlich „Wow,
eine laute Stimme ist, macht sie mit
ich Anzeige erstattet.
echt? Erzähl mal“. Wenn ich jeman-
Gestik.
den neu kennenlerne, erzähle ich das
Das andere ist wohl gar nicht so selten,
Hast du auch weibliche Kunden?
natürlich nicht gleich. Da muss ich
und zwar ein Wollfetisch.
Nicht so oft, aber es kommt vor.
ja immer das Escort-Telefon bei mir.
Er bringt seinen Ganzkörperwollan-
Was wollen Frauen von dir?
Kommt da ein Anruf, muss ich mich
zug mit, das ist so ein riesiges Teil mit
Die meisten wollen benutzt werden,
mit „Bizarr Princess Escort“ melden
Füßlingen und allem drum und dran.
viele haben Vergewaltigungsfantasien.
und wenn ich gerade im Supermarkt
Oben hat es einen weiten Kragen,
Ich glaube, dass Frauen mehr Schmer-
stehe, sehe ich zu, dass ich nur „Hallo“
den ich ihm dann um den Kopf stül-
zen aushalten können, ich hab man-
sage.
pe. Dann lege ich mehrere Wolldecken
chen Frauen schon einen sehr blauen
oben drauf und reibe mich daran.
Hintern verpasst. Einmal hat ein Bru-
manchmal aufpassen, denn ich habe
REPORT
29
der seiner lesbischen Schwester eine
sitzt das Domina Make Up. Und pfle-
und da ein Kilo zu viel, das kennt wohl
Session zum Geburtstag geschenkt,
gen würde ich mich auch ohne den Be-
jede Frau. Aber meine Kunden vergöt-
das fand ich ganz süß.
ruf. Da ist kein Druck, meine Kunden
tern mich.
finden mich immer toll. Vor kurzem Angenommen, dein Partner würde dir
war ich ungeschminkt bei einem Kun-
Hat der Beruf dein Menschenbild ver-
ein Ultimatum stellen – er oder der Be-
den und er sagte, dass er mich so am
ändert?
ruf. Wofür entscheidest du dich?
allerschönsten fand – das war niedlich.
Ich weiß nun, dass es nichts gibt, das
Für ihn. Gott sei Dank stand die Frage
Die meisten sagen, dass ich real jünger
es nicht gibt. Und zwar absolut gar
nie im Raum, mein Partner steht hin-
und besser aussehe, als auf den Fotos.
nichts. Ich lerne viele Menschen ken-
ter mir. Ich erzähle ihm von meinen
nen, die mir aus ihrem Leben erzählen,
Terminen, sage ihm sogar, wenn mir
Hat dein Beruf dich verändert?
gewinne also an Menschenkenntnis.
ein Kunde gefallen hat. Wir sind sehr
Ich bin selbstbewusster geworden.
Die wiederum kommt mir in meiner
offen zueinander.
Wenn mir Kunden die Füße küssen
Praxis natürlich zugute.
Ironisch, dass du tagsüber in deiner Praxis
Menschen
behandelst
und
abends Kunden Schmerzen zufügst... Für mich passt das sehr gut zusammen, ich sehe darin keinen Widerspruch. Man darf nie vergessen, dass ich als Domina eine Dienstleistung erbringe – das hat nichts mit Gewalt zu tun. Übrigens stammen viele Frauen im bizzaren Bereich aus medizinischen Berufen. Es gibt viele Arzthelferinnen, Erzieherinnen und so weiter. Hast du dich schon mal vor einem Kunden geekelt? Sie überlegt lange, mir scheint, als würde sie nach einer diplomatischen Antwort suchen. Nicht wirklich. Jeder Mensch hat etwas Schönes an sich. Menschen sind echt schön! Und zwar alle! Ich glaube, dass ich recht einfühlsam bin, vielleicht auch wegen meines anderen Berufs, und an jedem etwas Besonderes finden kann. Wenn ich einen Kunden ab-
und alles machen, was ich sage – „Bitte
lehne, dann eher aus Mangel an Sym-
Herrin, was soll ich machen, Herrin?“ –
Kannst du Männer überhaupt noch
pathie – ich will schließlich auch Spaß
das ist schon ein Ego-Boost.
respektieren?
haben.
Ja, auf jeden Fall. Ich habe vor jedem Sie lacht ein lautes, dreckiges Lachen.
Respekt. Gerade als Domina ist es sehr
Es muss unheimlich anstrengend
Dann zuckt sie kokett mit den Schul-
wichtig, Respekt vor seinen Kunden zu
sein, immer gut aussehen zu müssen.
tern.
haben, ohne geht es nicht.
ja auch im Alltag gut aussehen, für
Heißt das, dass du früher Selbstzwei-
Du bist Inhaberin einer Escortagentur.
meinen Schatzi. Und die paar Mal, die
fel hattest?
Worauf achtest du bei deinen Hostes-
ich mich schick machen muss, geht
Hm. So schlimm war es nicht, aber ich
sen?
das. Im Alltag schminke ich mich zwar
war nicht so selbstbewusst wie heute.
Wir sind eher im hochpreisigen Seg-
kaum, aber in einer halben Stunde
Ich hab ein kleines Bäuchlein und hier
ment angesiedelt, die Kunden haben
Nee, das empfinde ich nicht so. Ich will
30
REPORT
daher eine gewisse Erwartungshal-
landschaft...ich habe zwei Wochen
Champagner. Das macht schon Spaß“.
tung. Natürlich müssen sie gepflegt
gebraucht, um von dem Trip runter-
Aber nicht alle Kunden sind wohlha-
und attraktiv sein. Sehr gute Deutsch-
zukommen – nein, ich nehme keine
bend, ich habe zum Beispiel immer
kenntnisse sind Pflicht, Englisch soll-
Drogen – die Betten, die mit Zobel und
wieder Anfragen von Studenten, die
ten sie auch können. Eine meiner Hos-
Nerzen überzogen sind, ich kam aus
mir meinen Garten richten wollen als
tessen spricht sogar sieben Sprachen,
dem Staunen gar nicht mehr raus.
Gegenleistung für eine Session.
die kann ich überall hinschicken!
Die haben natürlich auch ganz andere Probleme. Da wird über Feste geredet
Lässt du dich darauf ein?
Welche Dienste bietet ihr an?
und darüber, welches Auto man sich
Wenn mein Garten mal ganz schlimm
Ich habe einen Bizarr-Escort mit devo-
als nächstes leisten sollte. Man hört
aussieht, ja. Aber manche wollen auch
ten und dominanten Damen, zu de-
viel und kriegt auch viel mit, z.B. Po-
wirklich nur arbeiten. Wobei ich da na-
nen auch ich gehöre, einen normalen
litisches. Das ist echt der Hammer. Ich
türlich immer schauen muss, wo der-
Escort, sprich Begleitservice mit Sex,
würde jetzt sehr gerne aus dem Näh-
jenige sich aufhält und was er macht, ganz so entspannt ist das also auch nicht. Ich darf Viktorias Dominastudio betreten. Als erstes sticht mir ein großer Käfig in der Ecke ins Auge, mit der Aufschrift „Princess Escort“. Es mag seltsam klingen, aber trotz der ganzen Foltergeräte erinnert ihr Studio mich an ein Prinzessinnenzimmer. Weißer Spiegelschrank, strassbesetzte Peitsche, heller Teppichboden. Nicht ganz so mädchenhaft sind allerdings der Gynäkologenstuhl, das Fesselsystem und die Haken an der Decke... Deine Ausstattung muss ein Vermögen gekostet haben. Ja, ein kleines. Den Käfig habe ich mir zum Beispiel extra anfertigen lassen, das ist natürlich etwas teurer. Ansonsten bekommt man so ziemlich alles im Internet – oder im Baumarkt. Eine Nagelrolle zum Beispiel, die nimmt man normalerweise zum Abtapezieren. Aus
und auch reine Dinnerbegleitung. Die
kästchen plaudern, aber Diskretion ist
dem Großmarkt hole ich mir Frisch-
bucht allerdings fast niemand.
Ehrensache.
haltefolie.
Du hast einige reiche Kunden.
Denkst du, es hat etwas mit der Höhe
Was machst du mit der Folie?
Ja. Menschen im gehobeneren, also
des Gehalts zu tun, dass viele mächti-
Folienbondage. Also den Menschen
wirklich gehobeneren Bereich.
ge Männer bei dir Verantwortung ab-
komplett in Folie einwickeln. Er kann
geben möchten?
dann gar nichts mehr machen, weil sie
Politiker? Prominenz?
Kann sein. Sie genießen es, mal nicht
so eng anliegt. Damit kann man auch
Da enthalte ich mich meiner Stimme.
immer sagen zu müssen, wo es lang-
ganz gut Atemreduktionen durchfüh-
Aber was man dort erlebt, ist unglaub-
geht. Einer von diesen „Großköpfen“,
ren, wenn man die Folie übers Gesicht
lich. Man kommt da hin und allein die
wie ich sie nenne, kocht für mich, das
legt.
Villa ist schon so gigantisch und rie-
ist irgendwie ganz nett – zwischen den
sig. Diese Einrichtung, die Wellness-
Sessions plaudern wir und trinken REPORT
31
Eigentlich braucht man gar nicht so
Ja. Eine Kollegin hat mir mal eine ganz
dass das nicht sein kann, dass er seine
viel Equipment, am Anfang hatte ich
krasse Geschichte erzählt. Ihr Kunde
Termine nicht einhält und so weiter.
fast gar nichts, das ging auch. Mit ein
wollte ein Schwein sein. Sie hat ihn
Und dann gibt es da noch diejenigen,
paar Fesseln kann man auch in einem
durchs Studio getrieben und gefüttert,
mit denen ich wie mit einem Baby
kleinen Hotelzimmer schöne Sachen
denn er musste ja für die Schlachtung
spreche - „Hast du fein gemacht! Toll“.
machen.
schön dick sein – also, natürlich keine
Die Kunden nennen mich Herrin oder
echte Schlachtung – und der hat sein
Herrin Viktoria.
Kreativität ist also auch gefragt.
eigenes Bolzenschussgerät aus Holz
Oh ja. Es ist nicht so, dass ich vor einem
mitgebracht. Sah aus wie ein echtes.
Genießt du die Macht?
Termin einen genauen Plan mache,
Am Ende der Session sollte meine Kol-
Sie schürzt die Lippen, ihre grünen Au-
das passiert alles spontan. Ich gehe auf
legin dem Kunden als Highlight das
gen rollen zur Seite.
den Kunden ein und spüre, was er will.
Gerät an die Stirn halten und „Peng“
Na klar. Es hat schon was, wenn Kun-
Viele haben keine konkreten Wünsche
sagen. Aber sie hat „Puff“ gesagt...die
den dir sagen: „Bitte Herrin, was soll
und lassen mich machen, worauf ich
ganze Session über hatte der Kunden
ich tun Herrin, du bist die Größte, Her-
Lust habe. Vorher werden natürlich die
nur gegrunzt, plötzlich stand er auf
rin“. Solch eine Bewunderung erlebt
Tabus festgelegt.
und sagte „Das muss Peng heißen!“.
man als Frau nicht alle Tage. Ich habe
Er kroch wieder auf alle Viere, und als
zum Beispiel einen Kunden, der mir zu
Was, wenn ein Termin ansteht und du
sie dann „Peng“ sagte, fing er an zu zu-
jedem Treffen einen riesigen Blumen-
keine Lust hast?
cken und hat abgespritzt.
strauß mitbringt. Er ist verheiratet und
Das kommt vor, wenn ein Tag mal blöd
seine Frau weiß von nichts.
gelaufen ist. Aber es ist ähnlich wie
Was geht in dir vor, wenn du einen
beim Sport: Wenn man mal angefan-
Kunden vor dir liegen hast?
gen hat, macht es richtig Spaß. Und
Unterschiedlich.
staune
Ich finde es schade, dass Paare so we-
das weiß ich auch, deshalb ziehe ich
ich, wie viel ein Mensch aushalten
nig kommunizieren. Und dass viele
es durch. Absagen würde ich nur im
kann. Manchmal macht es mir natür-
Frauen ablehnend auf ungewöhnliche
Ausnahmefall, wenn es mir richtig be-
lich auch Lust, wenn ich sehe, wie geil
Spielarten reagieren.
schissen geht.
es sie macht und wie erregt sie sind.
Kannst du dich an deinen ersten Kun-
Manchmal
Was hälst du davon?
Andermal ist es lustig, welche verrück-
Sind die Frauen ablehnend oder trau-
ten Ideen sie haben.
en sich die Männer vielleicht gar nicht,
den erinnern?
zu fragen?
Lange Stille. Dann – ein Grinsen.
Welche verrückten Ideen sind zur Zeit
Mir haben schon mehrere Kunden
Öhm, nein.
angesagt?
erzählt, dass sie Hinweise gegeben
In letzter Zeit wollten mehrere Kun-
haben, wie „Schatz, wie wär's denn
Wieder Stille. Dann fällt es ihr ein.
den, dass ich ihren Anusbereich mit
mal mit Fesseln?“, und ihre Frauen
Doch, an den kann ich mich erinnern.
einer Kochsalzlösung aufspritze und
das gleich abgelehnt haben. Das ist
Der Mann war Mitte Fünfzig und woll-
sie dann fiste. In den letzten zwei Mo-
echt traurig. Ich wünsche mir von den
te für mich putzen und gedemütigt
naten kamen dazu drei Anfragen, was
Frauen mehr Offenheit. Man kann sich
werden. Die ganz normalen Sachen
für so was Extremes echt häufig ist.
ja herantasten, Kompromisse finden.
eben.
Natürlich mache ich das nicht – alles,
Mal eine Augenbinde tragen, mit ei-
was mit hohen Risiken verbunden ist,
nem Schal locker die Hände zusam-
geht gar nicht.
menbinden...man muss ja nicht gleich
Sie hält kurz inne. Es ist schon ein wenig erschreckend, wie normal das alles für mich ist.
32
die Stahlketten auspacken. In welchem Ton sprecht ihr in einer Session miteinander?
Wie verabschiedet man sich?
Wir stöbern in ihrem Kleiderschrank.
Je nachdem, welche Neigungen der
Küsschen links, Küsschen rechts. Je
Zwischen Arztkostüm, Latexbody und
Kunde hat – ich kann sehr erniedri-
nachdem, wie devot der Mann ist und
Negligé entdecke ich eine Packung
gend sprechen, dann sage ich Sachen
ob er nach der Session immer noch in
Hundeleckerli.
wie „Drecksau, friss, geiles Stück“ – in
seiner Rolle ist, kommt es auch vor,
den meisten Sessions spreche ich aber
dass er mir die Stiefel küsst und dann
Du hast Kunden, die wie Tiere behan-
ganz normal. Wenn ich eine Ärztin
geht.
delt werden wollen.
spiele, spreche ich fordernd und sage,
REPORT
Hat sich schon einmal jemand bei dir
Wie bist du privat – dominant oder
führen, in einem kleinen Hinterzim-
beschwert?
eher zurückhaltend?
mer auf dem Hof.
Sozusagen. Ich hatte mal jemanden,
Ich mag es, Leuten eine schöne Zeit
der wegen seines kleinen Schwanzes
zu machen. Ich bin eher so der Ver-
ausgelacht werden wollte. Ich muss-
sorger-Typ. Im normalen Leben wirke
te wirklich lachen, weil der echt klein
ich nicht unbedingt dominant, auch
war. Und das hat er natürlich gemerkt.
vor einer Session sagen manche: „Och,
Nach der Session sagte er zu mir: „Du
die ist ja niedlich“. Ich trete den Her-
hast ja wirklich über meinen Schwanz
ren eben mit einem Grinsen in die Eier.
gelacht“, ich darauf: „Das sollte ich
Ich kann so sein wie ich bin und muss
doch!“ – er antwortete, so habe er es
mich nicht verstellen – das liebe ich an
sich nicht vorgestellt.
der Sache.
Dein schönstes Erlebnis als Domina?
Was sind deine Zukunftspläne?
Schwer. Ich habe einen Stammkunden,
In ein paar Jahren will ich auf einem
der kommt nur zum Kuscheln her. Das
kleinen Bauernhof leben und dort eine
ist allerdings eine Nähe, die ich nicht
Praxis für Burnout-Patienten und De-
mit jedem teilen könnte. Das mache
pressive einrichten, in der ich auch mit
ich nur, weil ich ihn sehr mag und wir
Tieren arbeiten kann. Aber im kleinen
ein gutes Verhältnis haben. Beim SM
Rahmen, mit vielleicht fünf Ziegen,
habe ich schon mehr Abstand zu den
zwei Eseln und ein paar Schafen. Das
Interview Ana-Marija Bilandzija
Männern.
Dominastudio würde ich wohl weiter-
Illustration Nicola Feuerhahn
Viktoria
REPORT
33
34
STATE OF TATTOO by Joseph Wolfgang Ohlert
35
36
SHOOT
37
39
All photos by Joseph Wolfgang Ohlert josephwolfgang.ohlert.de
40
SHOOT
41
ARAB ALL GIRL SCHOOLS Slipping beyond the veil
42
REPORT
I
n this article I will take a little stroll
In the midst of so much racial and na-
conduct and piety is enforced by the
down memory lane, going back
tional discrimination existed the ever
police and special “religious” forces,
some 13-15 years to the mid- late
present strong Islamic tradition of sex-
which patrol markets, fairs and most
90’s. This was a time where change was
ual segregation, which ruled over any
female institutions. They’re forever on
picking a faster pace, a pace that had
other Ethnographic Categorization of
the lookout to catch a boy and girl on
many of the older generation question-
beauty, power and wealth; this being
a date, oblivious to same gender inter-
ing their understanding of the world.
a direct link to the Arab (consequently
actions. Their sex starved minds in-
This was the start of the Google genera-
the Islamic) concept of “Honour” being
capable of any imagination outside of
tion, a world ruled through an invisible
directly related to the woman’s sexual
what’s indoctrinated. They would make
web of information called the Internet.
conduct , virtue and reputation. This is
sure that single dodgy men with doubt-
Alongside the countdown to the end of
seen as a great honour and privilege be-
ful intentions stayed clear of most
a millennium-the beginning of the digi-
stowed on the female.
malls and fairs, leaving more room for
tal age as we know it- there ran an un-
The woman’s sexual behaviour con-
the girls to cultivate their Emo-Lesbic
dercurrent of a sexual/romantic revo-
trols and decides the value and legiti-
hormonally charged friendships.
lution for the modern Arab girl/woman.
macy of a family or even a whole clan.
This special police also secure the en-
In a place where a woman, along with
trances of the All Girl Schools in order
In a culture of extreme gender and ra-
her feelings and emotional concerns,
to keep the boys from exchanging mes-
cial segregation, the types of circles,
are regarded as the property of her
sages, numbers or even abducting the
cliques and social mobs found were as
male guardian, be it a father, brother,
girls. The person collecting the girl after
variable as the resulting colours of an
uncle or husband; these women have
school has to be named and introduced
exploding rainbow.
only themselves to divulge their feel-
to the female teacher at the door, con-
The first thing to bear in mind is that
ings and emotions to.
trolling the exchange of female stu-
the schooling system in this world is
This gender segregation closely relates
dents. This female teacher also ensures
not a ready privilege that everyone
to the extensive culture of same gender
that the student’s modesty and attire
enjoys. The “locals” or the nationals of
gatherings, ranging from schools, wed-
were appropriate, including the ab-
the country are the first priority of the
dings and celebrations to amusement
sence of perfume – which is seen as a
school. Only once all the local students
parks and beaches.
great devil of seduction, only to be worn
of that area have been enrolled do they
Sexual growth and development after
for your husband – and appropriate fa-
start allowing neighbouring and other
puberty in most Arab girls is stunted
cial cover.
Arab countries, in this case, other gulf
by the lack of talk or information ex-
Yet the reality of the situation was that,
states citizens or as they’re called di-
change between the different genera-
neither the cops outside nor the teach-
rectly translated “Gulfers”.
tions and is distortedly centred on vir-
er at the door have little to no control
A foreign expatriate from Europe or
ginity and changed through a chain of
over the inner happenings of school
the USA is equal if not preferred to the
Chinese whispers along the lines of:
yard corners or the school bathroom
“Gulfer”, depending on their tone of
Losing your virginity is as painful as be-
stalls. The privacy offered through all
skin and social standing, but mainly
ing stabbed with a blunt knife.
that overwhelming seclusion provides
having a hair and eye colour other than
Some girls have a loose hymen that
the perfect bubble within this world.
brown is enough.
breaks with something as simple as rid-
I need to clarify that Adultery, Forni-
The Egyptians were laughed at, sus-
ing the bike.
cation and Sodomy from an Islamic
pected and looked down upon along
My cousin fainted on her wedding night
purely legal point are condemned upon
with the Palestinians. The Lebanese
after her new husband’s member had
penetration; thus, providing an unad-
and Iraqis were admired for their beau-
ripped through her, all the way to her
dressed loop-hole for some girl on girl
ty, the Syrians and Jordanians tolerated;
bellybutton!
action. This is again closely linked to
the Somalis were pitied and despised
The Gulf States are culturally ruled by
the concept of “honour”, the possibility
for their unfortunate history and lin-
a stricter more basic form of Islam. A
of child bearing or its natural preven-
guistic challenges. The north Africans
place like Saudi Arabia would exert the
tion.
were not many but also suspected of
capital sentence on Sodomy, especially
Although homosexuality is generally
“liberal” beliefs such as sex before mar-
when combined with another mortal
abhorred and shunned, female gay
riage and alcohol, and finally the Suda-
sin. For example a Sodomist is auto-
behaviour is tolerated and somehow
nese were respected to certain degree
matically also a fornicator or in most
ignored or even encouraged in recent
but also pitied for their skin colour.
cases a paedophile. Righteous sexual
times. It is seen as a temporary inREPORT
43
44
dulgence until she marries. Most girls
victims of their unfortunate beauty,
girl and teacher student attachments
are careful to fault about maintaining
attracting gifts, letters and finally the
and crushes, it was the norm to walk
their virginity, leaving room to less in-
teacher’s wrath and even jealousy.
in on girls in toilets together ( although
vasive ways of love making. Most of the
Under this cloak of invisibility, the girls
to that point I have not seen anything
relationships have a more emotional
were able to devise ingenious ways of
more than a hug) and my football ob-
and romantic motives; the sex being a
going about their business undetected
sessed mind had no room for anything
natural result of emotional and hormo-
(save for Valentine’s Day). In fact the
but Juventus’ next win and Zain Addin
nal needs. Most of these girls are not
whole school system seemed to be in
Zidan’s perfect headers. Rima was 14
gay; they’re just temporary prison cell
on it. Looking back in hindsight, I re-
months my senior and very much an
mates.
member how tightly, provocatively and
Arab girl aware of her spousal and fem-
Bearing all that in mind, thrusting a
alluringly, the female teachers dressed.
inine sexual value.
multi-racial, religiously non descript,
Their make-up done to perfection eve-
Nevertheless, nothing prepared me or
Culturally confused 8 year old girl, into
ry morning; their cleavage lifted and
her for her confession during summer
the most intolerant environment im-
adorned with jewellery, their competi-
break! Prim and proper Mrs. Amal, a
aginable- to a preteen way-wiser than
tive female streak for beauty and atten-
petite brunette with an almost girl-
her bare one decade- was to say the
tion glowing in their shiny styled hair
ish aura and soft voice, seduced Rima
least, a complete shock to a system.
and designer expensive wear.
in her office. The story went along the
By age twelve, I weighed 50kg and was
In one of the schools I attended in Jed-
lines of:
168cm tall. With this height advan-
dah, Saudi Arabia, Only the religious
“Once Rima was in the safe space of
tage and social survival skills learned
studies teachers adhered and followed
Mrs. Amal’s office she was asked about
through years of prior bullying – I was
the proper Islamic code indoors. Oth-
her activities in the bathroom stalls.
able to integrate and interact with
ers accepted gifts and even invited the
Rima was seen being intimate with a
some of the older more sought after
selected few to dine in their homes.
girl from the 10th grade... Mrs. Amal
girls. These were the daughters of dip-
They favoured openly and encouraged
saw her... asked if she had some things
lomats, oil businessmen or local trad-
students to rival and compete for their
to talk about... She had a soft sofa she
ers. The daughters of royalty and ex-
affections. They accepted rankings,
invited Rima to sit upon, Rima con-
alted families didn’t mix with public or
nominations and awards from the spe-
fessed that she was invited there by the
private school commoners.
cial students bodies and showed open
older girl a couple of times, she didn’t
Females of similar backgrounds and so-
support to certain groups of students.
mean to do anything wrong, starts to
cial standing start to find each other a
The whole structure set the scene to
cry and sob, stopped only by the shock-
safe sanctuary, an emotional outlet to
some ugly teenage girl crimes that no
ing question uttered from her favourite
their oppressed existence outside of the
Hollywood “Mean Girls” movie could
teacher... “Did you enjoy it?” she asked
school environment. Soul mate con-
ever do justice to. At age thirteen I was
her calmly, “Yeee-ss, I think...” answered
nections form between friends and are
at a private all girl international school
Rima, uncertainly. Rima said Mrs. Amal
confused for love and carnal expres-
in Abu Dhabi, UAE, when my Lebanese
had an almost evil smile when she
sions of teen-hood.
best friend was asked to have a private
spoke next, “Maybe you and I can reach
Another phenomenon was for the
review of her creative writing mid-term
an agreement to keep you out of trou-
younger or less popular girls to crush
paper. Rima loved Mrs. Amal and was
ble. You’re my favourite student Rima”.
and develop complex unrequited feel-
sad to disappoint her with less than
It might seem like a scene from a bad
ings for the prettier girls, higher up the
perfect grades. I remember waiting
Lesbian porno, but that’s exactly what
food chain.
in the car for her with my mother for
happened to Rima, who now lives in
In the late 90’s the form of secret ad-
almost an hour before we decided to
Toronto, Canada. With that began her
mirer exchange was love letters and
leave. After that Mrs. Amal called Rima
strange and first love affair with our
anonymous gift packages left in lock-
in for private interviews on regular ba-
creative writing teacher. Rima tells me
ers and pigeon holes. Valentine’s Day
sis, resulting in Rima’s grades improv-
today some of the stories I wouldn’t
was a strange ordeal all on its own,
ing dramatically.
have been able to handle at that age.
anonymous gifts start arriving with the
Now this would all be well and good, if
In Mrs. Amal’s room, lay a haven for all
special school mail, teachers are run-
not for Rima’s increased obsession with
girls of similar sexual appetites, they
ning right left and centre, trying to find,
the teacher, manifesting in her poetry
danced for each other, kissed, cuddled,
punish and even expel the guilty par-
and funny Calligraphic writing on her
and practiced non-penetrative sex.
ties. Some poor girls are the innocent
note books. By now I was used to girl on
REPORT
All sorts of massage instruments were
Bushra has discovered her pleasure bud
Text Sam E Sal
used as primitive dildos and Mrs. Amal
a couple of years ago and has been ex-
Illustration Thomas Thomsen
had a taste for threesomes and being
perimenting. She knew what many of
worshipped by her students all at once.
the other girls didn’t, that the feelings
At one time there were over six girls in
another girls touch ignite, your own
that office, which to a secretive, Islamic
touch can flame even higher. It was
society is way too daring and scandal-
during my acquaintance with Bushra,
ous!
that I truly understood the burden of
It might all appear a bit shocking, con-
being a full blooded, Arabian Gulf girl.
sidering the image portrayed to the
The defining honour of your whole ex-
world and in mixed gender gatherings,
istence is the cross you bear, the prison
but you need only ask any non “Gulfer”,
you occupy and the tight robe you have
female expatriate or anyone who grew
to walk on from your birth, to your
up in that region and they’ll confirm.
marriage, independence from virginity
After that summer, school would never
and finally to the question of your chil-
be the same again. I learned to watch
dren’s legitimacy.
out for the behaviours I took for grant-
Emo-Lesbic relationships provide that
ed before. I listened to who was in love
grey area of a loophole, in this airtight
with whom. Observed who followed
Islamic society with its many layers
whom into the bathroom stalls. It be-
and complexities; the girls and women
came our favourite game in school and
have but themselves to turn to for sol-
a steep learning curve.
ace and understanding. Their confine-
In my Last year there, I met Bushra.
ment and segregation creates an in-
Bushra was from a respected but poor
dependent world, within their greater
family background. She was living in
very much dependant reality.
Qatar before her family relocated to
With the dawn of the new millennium,
Abu Dhabi. She was worldly beyond
the explosion of information and life-
mine and Rima’s limited view. She told
style sharing on the internet; with the
us what happened in Qatar and the
glamorisation and acceptance homo-
secret messages and codes the girls
sexuality in popular culture; the con-
developed there. She was curious but
stant smuggling and black trading of
not indoctrinated in this Emo-Lesbo
sexual material into that world, the
inmate’s culture. She was our radar in
traditional acceptable form of female
detecting, and investigating different
love and friendships are being broken
cases. What we learned was:
and altered; raising awareness, fault
No direct contact or delivery of mes-
and suspicions.
sages or gifts was made. The girls used
Still the trend will grow and morph into
messengers, minions if you like to do
new waves and expressions of what
their dirty work.
essentially is a product of the loneli-
There was always a 2 minute delay be-
ness and confusion, created by the ig-
tween one girl’s entry into a cubicle and
norance and lack of sexual education
her lover’s.
within the home environment or the
The superior girl, who was being pur-
school system.
sued and courted always went in first,
The girls within this world do not feel
and came out first.
oppressed or wronged; they’re used to
The girls used the power water shower
it and delight in the new freedom and
heads attached to the toilet seat side, to
liberties they find in each other and in
masturbate each other.
this new world order. They’re Stock-
It was inside of these cubicles that we
holm Syndromed and have learned to
discovered the holy of all holies, the
make the most of their incarceration.
clitoris. REPORT
45
PHOTOGRAPHER Sutida Vestewig www.sutida.de PHOTOGRAPHER ASSISTANT Desna Wackerhagen MAKEUP & HAIR Luka Balint & Sutida Vestewig SPECIAL THANKS SteffaSuperheilig StylingArt
46
SHOOT
JULIUS PETIT & JACKEE WORD
SHOOT
47
48
SHOOT
SHOOT
49
50
SHOOT
SHOOT
51
52
GULNARA PETZOLD
GULNARA PETZOLD
53
+
=
56
REPORT
FRAN Dream, Discover, Explore
E
s ist nicht einfach über Fran zu
erfolgreiche Musiker-Karriere begrün-
ten, sondern auch weil sie sich nicht
sprechen, ohne den Namen Oliver
den. Auf Facebook konnte man verfol-
auf eine Richtung festlegen will. Frans
Koletzki ins Spiel zu bringen. Als
gen, in welch wahnsinnigen Interview-
Bezug zum Nightlife ist anders als man
das vielleicht bekannteste Pärchen der
Marathon sie sich in der Promophase
sich es wahrscheinlich vorstellt. Die
elektronischen Musikszene sind sie zu
stürtzte. Nahezu alle Radio Stationen
Berliner Clubs besucht sie nur ganz
einem globalen Erfolg geworden. Die
wurden besucht, ein Besuch auf der ro-
selten und ausschweifende 3 Tage Par-
elegante, zerbrechlich wirkende Fran
ten Couch im RBB, Features in fast allen
tys waren nie ihr Ding. Ihre Kreativi-
mit der großen Stimme und der Techno
relevanten Medien. Die studierte Psy-
tät zieht die studierte Psychologin aus
Star. „Hypnotized“ wurde zur romanti-
chologin glaubt an ihre Musik und das
den Begegnungen mit den Menschen,
schen Chart-Hymne und katapultierte
war in all ihren Auftritten zu spüren.
die sich in ihrem direkten Umfeld be-
Fran über Nacht in das Rampenlicht, in
finden. Fran erkennt die Geschichten
dem Oliver schon seit Jahren stand. Auf
Während die Texte bei „Lovestoned“
um uns herum und ist immer auf der
Youtube findet man Coverversionen
doch eher an der poppigen Oberfläche
Suche nach den leicht übersehbaren
aus der ganzen Welt und eine neue,
irgendwo zwischen „Verliebtsein“ und
Momenten alltäglicher Erfahrungen.
altersübergreifende Hörerschaft elekt-
„Großstadt Berlin“ angesiedelt waren,
Eines der stärksten Stücke des ins-
ronischer Musik bereiste die Beiden zu
ist das Songwriting auf „Frantastic“
gesamt gelungenen Albums ist „The
ihren Gigs. Oliver ist Entdecker, Förde-
sehr viel vielschichtiger. Jeder einzel-
Spell“ und thematisert eines dieser
rer und Ehepartner von Fran, allerdings
ne Track ist thematisch angelegt und
Themen. „Eine unerwiderte Liebe ist
macht man es sich zu einfach sie nur
Frans Stimme fasst die Atmosphäre in
wie ein Zauber, ein Fluch. Eines Tages
als „Frau Koletzki“ zu sehen. Schon lan-
Worte. Mal eindringlicher, mal verspiel-
wachst du auf und merkst und merkst
ge bevor sich beiden über Myspace ken-
ter. Discoide Klänge, die an die frühen
dass es vorbei ist. Das ist The Spell“ sagt
nenlernten, war Fran musikalisch aktiv,
Moloko erinnern finden darin genauso
sie und wenn man sie singen hört, weiß
spielte in Bands und produzierte ab
Platz, wie ruhigere, minimalistische
man dass es sich um eine persönliche
2008 mit ihrem BR600 Mehrspur Recor-
Arrangements. Das Stück „Summer“
Erfahrung handelt. Fran erkennt den
der eigene Songs. Die DIY-Attitude ihrer
stammt noch aus der Zeit vor ihrer ers-
Kern der Dinge und nimmt den Zuhörer
früheren Produktionen hat sie sich bis
ten Begegnung mit Oli. Aufgenommen
in ihre Gefühlswelt, die nahbar und er-
heute erhalten. Fran hält alle Fäden in
mit einer Drummachine auf ihrem Bal-
lebbar ist. Mit „Frantastic“ ist ihr ihr ei-
der Hand, wenn es um Produktion, Mar-
kon und wenn man genau hinhört kann
genes Psychogramm gelungen, manch-
keting und Promotion ihrer Musik geht.
man das Rauschen der vorbeifahren-
mal
Die Produktionskosten ihres neuen
den Autos hören. Fran probiert Dinge
stark und herausfordernd. Dass sie da-
Albums „Frantastic“ stemmte sie zum
aus und hat Spaß daran neue Bereiche
bei zufällig die Frau eines Superstar-DJs
Großteil aus eigener Tasche, das kom-
zu entdecken. Angebote als Vocalistin
ist, gerät in den Hintergrund. Vielleicht
plette Artwork gestaltete sie selbst. Das
auf verschiedenen Techno und Dance
eines der wichtigsten Merkmale um als
Coverbild entstand im Badezimmer der
Produktionen mitzwirken, hatte sie
Solokünstlerin so zu überzeugen, wie
Koletzkis – mit Selbstauslöser. Alles was
nach „Hypnotized“ genug, jedoch nahm
sie es mit „Frantastic“ geschafft hat.
man irgendwie selbst machen kann,
sie keines davon und fokussierte sich
wurde von Fran übernommen. Das Ge-
stark auf die Produktion ihrer eigenen
samtkunstwerk Fran ist ein Mosaik aus
Songs. Nicht nur weil die teils überlade-
den Teilen, die eine eigenständige und
nen Stücke nicht zu ihrer Stimme pass-
zurückgenommen,
manchmal
Daniel Penk
REPORT
57
CYBER WAR Interview mit Iman Rezai
58
KUNST
S
tell dich doch bitte kurz vor.
liegen, kann das Publikum entschei-
- Geheimnistuerei, Schritt vier - Über-
Ich heiße Iman Rezai und bin 1981
den, ob ein Schaf von einer von ihm
treibung, und Schritt fünf - Öffentliche
im Iran geboren. Dort habe ich
entwickelten bunten Guillotine exe-
Meinungen gewinnen. Und das sind
Kunst gelernt. Als ich nach Deutsch-
kutiert werden soll. Über einen Zeit-
genau die Mittel die z.B. auch der Spie-
land kam, wollte ich Kunst studieren,
raum von vier Wochen stimmten 4,2
gel benutzt. Jeder hat auf die Arbeit so
aber das hat nicht geklappt. Es war
Millionen Menschen aus der ganzen
reagiert, wie er ist. Die Arbeit war wie
vielleicht auch besser so, ich musste
Welt ab und über 500 verschiedene
ein Spiegel. Wir haben ein Spiegel vor-
erstmal andere Sachen machen. Ich
internationale Medien berichteten
gehalten und die Leute haben einfach
habe viele schlechte Seiten an mir ent-
über die Aktion von Iman Rezai und
sich selber kritisiert, der Spiegel und die
deckt. Einfach gesagt, ich habe Scheiße
dem Künstler Rouven Materne.
Medien haben sich selber kritisiert.
auch manchmal, denn ohne schlechte
Statt sich in langen Debatten über die
Wie ist die Arbeit entstanden, hab ihr
Erfahrungen lernt man auch nichts.
Ungerechtigkeiten der Welt zu erge-
von Anfang an diesen Plan gehabt?
hen,
Nein, das hat sich alles entwickelt und
geschluckt. Das muss man allerdings
ist gewachsen. So wie jetzt Cyberkrieg.
Ich wollte Kunst machen, aber auf einmal habe ich gemerkt, dass alle Wege
zeigt Iman den Menschen, was sie lie-
Wenn ich dir erzähle, wie das entstan-
geschlossen sind. Alle Freunde, die ich
ber sehen: eine Show.)
den ist, wirst du lachen.
Gut.
Ok, dann lass uns über Cyberkrieg re-
hier kennengelernt habe, verstanden nichts von dem, was ich in Teheran
den.
gelernt hatte. Ich kam aus der Kunstszene von Teheran mit Dichtern und
Es gab kein Schaf. Das hat die Pres-
Also ich hatte die Seite schon seit ei-
Künstlern. Dann kam ich nach Berlin
se aufgebaut. Ich habe es so geplant,
nem Jahr oder fünfzehn Monaten.
und erwartete eine kulturelle, europä-
dass die Presse ein künstliches Schaf
ische Stadt. Ich lernte neue Leute ken-
schafft. Es gab nur ein Video. Das Schaf
Was war an der Seite jetzt der Unter-
nen und die verstanden gar nicht, was
wurde ausgeliehen für den Photoshoot.
schied?
Kunst ist. Aber vielleicht ist es auch gut
Die Guillotine gab es allerdings, sie hat
Ich habe Neuenationalgalerie.com und
so, dass Leute es nicht verstehen.
auch funktioniert. Wir haben mit ei-
sie haben .de. Meine Seite war schein-
nem Video, das zehn Minuten lang war,
bar glaubwürdiger als ihre.
Bei der UDK angenommen zu wer-
28 Tage Angst gemacht. Durch die Pres-
den war für mich schon so, als ob Gott
se.
mich dadurch gerettet hätte. Da waren
Du hast die Seite dann nachgebaut? Nein, ich hab einfach meine Seite auf
Leute die meine Sprache sprechen. Sie
Ich könnte morgen sagen, du bist ein
deren Seite weiterverlinkt. Es ist alles
sprechen über aktuelle Geschehnisse.
Vergewaltiger, wenn die Presse das
wie auf der Orginalseite. Wenn man
Es geht um Zeitgeist, es geht um Zu-
sagt. Wenn alle sagen, du bist ein Ver-
auf meine Seite geht, wird man auf ihre
kunft.
gewaltiger, auch wenn du es nicht bist,
Seite weitergeleitet. Ich habe ihre Seite
haben sie recht. Dann bist du ein Ver-
weder kopiert, noch gehackt. Wir haben
gewaltiger. Wenn alle lügen und du die
eine E-Mail von meiner Adresse neue-
Nochmal ein paar Fragen zur Guillo-
Wahrheit sagst, bist du der Lügner und
nationalgalerie.com
tine.
sie sagen die Wahrheit. Denn die Mehr-
Erstmal Bullshit und dann eine seriöse
Oh nein.
heit hat immer recht. Leider.
E-Mail, dass unsere Seite gehackt wur-
Kein Bock drauf?
In der Arbeit ging es um Mehrheiten.
Ich glaube jeder kennt die jetzt. Cyber-
Ja natürlich. Mehrheit kann man mit
Was stand in der ersten E-Mail?
krieg ist für mich wichtiger.
Presse und Bildung lenken. Mit Des-
Das war eine Einladung für den 15. No-
information und Werbung. Das beste
vember in München zum Thema “Die
(Anm. d. Red. Der Pressetext zur Guil-
wurde von Spiegel Online geschrie-
Performative Postmoderne als Aus-
lotine frei übersetzt:
ben. Sie haben fünf Schritte genannt,
druck moderner Autorität im Zeital-
Ein weltweit bekanntes Experiment
die wir angeblich benutzt haben, was
ter der Präkarisierung”. Man sollte das
von Rezai heißt "Die Guillotine". In ei-
wir so natürlich niemals taten. Schritt
nicht unbedingt verstehen.
ner demokratischen Abstimmung, die
Nummer eins - Provokation, Schritt
Der Spiegel hat geschrieben: “Wollt ihr
den Regeln des Künstlers zugrunde
zwei - Medien einschalten, Schritt drei
euch lächerlich machen”?
rausgeschickt.
de.
KUNST
59
Da wussten sie noch nicht, dass die
CNN, BBC, N24, damit sie denken, dass
Nicht nur. Da ist auch Kritik dabei. Spaß
Seite gehackt wurde?
die Sache wirklich groß ist. Beide Seiten
muss sein, aber auch wenn ich Spaß
Nein. Die Nationalgalerie verschickt
haben an eine Illusion geglaubt.
habe, selbst wenn ich es nicht möch-
nicht einfach zwei Sätze, nach dem
Das war Ghosthacking. Ich habe nicht
te, werde ich das, was ich wahrnehme,
Motto heute gibt's Geburtstags Party,
die Seite gehackt, das ist meine Seite.
zurückgeben. Man funktioniert wie ein
komm um 18 Uhr, das muss schon ein
Das ist ein Kunstwerk, das man übri-
Schwamm: Nur das, was du aufsaugst,
richtiger Text sein.
gens auch kaufen kann. Das wichtigste
kannst du auch rausgeben. Du kannst
ist, dass die Köpfe von ihnen gehackt
z.b. keinen Schwamm in Öl tunken und
Aber warum hast du das überhaupt
wurden. Klar, man kann deinen Com-
beim drücken hast du Shampoo oder
verschickt?
puter hacken. Aber stell dir vor, dein
Orangensaft, da kommt auch wieder Öl
Einfach so um sie zu ärgern. Dann ha-
Kopf wird gehackt und du denkst, alles
raus.
ben wir eine Pressemitteilung im Na-
in deinem Leben läuft schief. Das ist
men der Neuen Nationalgalerie raus-
noch extremer als ein gehackter Com-
geschickt, dass die Seite gehackt wurde.
puter. Wenn ein Computer kaputt ist,
Was ist es genau, das du mit der Ar-
Einen Tag darauf haben uns viele Jour-
kannst du ja immer formatieren. Aber
beit kritisierst?
nalisten angerufen und wir haben uns
stell dir vor, alle deine Freunde rufen
Du gehst in die Neue Nationalgalerie
die Namen aufgeschrieben.
dich an und sagen, dein Vater sei ge-
und sie sagen, dass sie zeitgenössische
storben. Am Anfang glaubst du nicht
Kunst zeigen. Es ist allerdings keine Kri-
Mit den Journalisten und ihren Num-
daran. Aber irgendwie geht es dir auf
tik dabei. Du gehst rein und du siehst
mer haben wir die Neue Nationalgale-
die Nerven, du bist durcheinander und
nur alte tote Kunst. Im Hamburger
rie angerufen und behauptet, wir seien
am Ende glaubst du sogar daran.
Bahnhof gibt's noch ein paar inter-
von der Presse. Wir haben z.B. als CNN
essante Dinge, aber die werden auch
angerufen, damit sie denken, dass es
Haben sie dich verklagt?
alle langsam sterben, weil die Genera-
eine internationale Sache ist. Ich woll-
Nein.
tion zur Zeit so schnell weiter wächst,
te niemals die Internetseite hacken, ich
dass sie nicht mitkommen. Sie sollten
wollte ihre Köpfe hacken.
Das machen sie bestimmt auch nicht,
einfach aus der Neuen Nationalgalerie
Sie haben geglaubt, dass sie gehackt
das bringt der Aktion ja noch viel
eine Tankstelle machen, die National-
sind, weil alle das gesagt haben. Das ist
mehr Publicity.
tankstelle.
genau, wie wenn alle sagen, du seist ein
Ich würde es auch selber machen, wenn
Vergewaltiger. Dann bist du auch ein
sie es nicht machen. Ich kann auch al-
Als Künstler haben wir Aufgaben, die
Vergewaltiger. Du glaubst selbst irgend-
les faken. Fake ist eine Frage der Zeit.
gelöst werden müssen. Wir müssen un-
wann, dass du einer bist.
Wie gut und schlecht, Echt und Unecht.
sere Gesellschaft kritisieren. DiGuilloti-
Dann haben wir die Presse angerufen
Es ist alles eine Frage der Zeit, es ist
ne ist super negativ angekommen. Die
und behauptet, wir seien von der
alles relativ. Damals war es schlecht,
Leute haben uns gehasst und haben es
Neuen Nationalgalerie. Wir haben bei-
heute ist es gut, in der Zukunft wird es
auch am Ende nicht gecheckt, denn sie
de Seiten gefüttert sozusagen. Es ist
wieder schlecht oder gut werden.
waren einfach blind. Diesmal habe ich
wie ein Schachspiel, du spielst einmal
Dschingis Khan war in der Mongolei
gesagt, ich greife nur die Kunstszene
mit schwarz, einmal mit weiss, es gibt
ein böser Tyrann. Er hat viele Länder
an, denn die Kunstszene versteht das.
keinen Gegner, sie brauchen mich, ich
zerstörtund die Menschen haben ihn
Sie sind offener, und wenn das Kunst-
brauche sie. Sie können mich nicht fer-
damals gehasst. Jetzt ist er ein Nati-
fundament in einem Land fester wird,
tig machen, ich kann sie nicht fertig
onalheld. Die Zeit diktiert. Vor 80 Jah-
dann ist das Land stabiler.
machen. Wenn sie mich fertig machen
ren war Adolf Hitler ein Held, jetzt ist
würden, wären alle gegen sie.
er böse. Er kann aber auch wieder gut
Stell dir mal vor, in der ganzen Welt
Am Ende wusste ich sogar, welches Per-
werden. Er ist ein Mensch, was ist der
herrschen überall Betrüger. Alle Herr-
sonal von der Neuen Nationalgalerie in
Unterschied zwischen Adolf Hitler und
scher sind Betrüger. Und wir als Künst-
welchem Raum saß.
George Bush?
ler müssen Botschaften senden, wir
Wo Frau Schäfer oder Herr Eissenhau-
Es ist die gleiche Musik, aber ein ande-
müssen sagen was los ist, ähnlich ei-
er waren, wir haben alle Informationen
rer Dj.
nem Journalisten. Das funktioniert
bekommen. Ich wusste, dass sie super
60
heute nicht: Schau dir die vielen Zei-
durcheinander waren. Und dann ha-
Du machst Projekte wie Cyber War
tungen an, ich will die jetzt alle gar
benb wir nochmal extra angerufen, als
nur aus Spaß?
nicht namentlich nennen.
KUNST
Da wird oft zensiert und sie sagen, sie
für sie habe und sie respektieren mich
sind so frei zensieren zu können. Wenn
auch. Es kann allerdings auch sein,
ich das sage, dann sagen sie zu mir:
dass sie mich verklagen.
“Du denkst klischeehaft.” Es werden bestimmte Wörter benutzt, es gibt schon
Eigentlich ist es auch unwichtig. Jeder
ein Muster. Zeitungen manipulieren.
braucht jeden, es ist wie Schach. Dein
Wörter wie Freiheit oder Demokratie,
Partner ist dein Gegner und dein Geg-
das sind alles Sachen, die man manipu-
ner existiert gar nicht.
lieren kann. Selbst ein “gesund Leben”
Eine Stadt braucht einen Joker.
kann man manipulieren. Wenn du ein-
Wir kritisieren etwas, in dem wir Schei-
fach leben willst, musst du wachsam
ße machen, wir denken gar nicht: “wa-
sein und das sind wir zur Zeit nicht.
rum?”, “weshalb?”. Wir haben etwas zu sagen. Und weil wir das sprachlich
Die Welt brennt, wir koksen hier. Das ist
nicht ausrücken können, tun wir es.
der beste Beweis.
Später können wir darüber auch noch reden.
Ok, aber das war doch schon immer so. Das war immer so, aber die Leute sollten nicht rumheulen, wenn man Kritik übt. Man muss auch wach werden. Es war immer so? Natürlich. Aber wir entwickeln uns weiter. Alles sieht besser aus, aber es ist auch gefährlicher geworden.
Unsere
U-Bahnsysteme
funktionieren besser, unsere Flugzeuge funktionieren besser, unsere Schulsysteme versagen besser. Unsere Waffen zerstören besser. Alles ist besser geworden, und wenn es immer größer und größer wird, funktionieren einige Dinge super gut und auf der anderen Seite gibt es krasse Katastrophen. Ich arbeite oft mit der Presse. Es ist für mich Kunst mit der Presse Schach zu
Iman Rezai
spielen. Manchmal tust du so, als ob du dumm wärst und sie denken, dass sie schlauer sind. Dann sind sie auch schon darauf reingefallen. Aber es geht gar nicht ums gewinnen, denn die Presse ist mein Partner, auch wenn sie mein Gegner ist. Wir hassen und Wir lieben uns. Ja, sie freuen sich natürlich, dass sie darüber berichten können. Genau, und die Neue Nationalgalerie genau so, sie hassen mich, ich hasse sie auch. Ich liebe sie, weil ich Respekt KUNST
61
Jonathan Meese
Jonathan Meese
DOKTOR ALLPORN'S neue HITSINGLE:
GRINS' DOCH nicht so KULTURELL,
IT'Smy SCHEISS. (Das musste 'mal
sieh' Fu bl채h'!, 2012 Linolschnitt
raus.) , 2012 Linolschnitt
Papier: 106 x 79 cm, Platte: 85 x 60 cm
Papier: 106 x 79 cm, Platte: 85 x 60 cm
Edition 6 + 4 E.A. (rechts)
Edition 6 + 4 E.A. (links)
64
LAST WORD
Samstag, 7. Februar 00:14 Komische Adresse im Richardkiez, denke ich. Bemerke dann, dass ich direkt vor dem Haus stehe, das ich gesucht habe, und erinnere mich auch, dass er gesagt hat: „Fünfter Stock“, was in diesem Fall bedeutet, Wohnung ist Penthouse-Loft mit Dachterrasse. Ich denke: Jackpot. Fahre hoch, gehe durch offene Tür, und da steht er dann. Lässig in grellblauen Designerjeans. Etwas an seinem anzüglichen Blick sagt mir, dass er ziemlich genau weiß, wer ich bin. Er kommt auf mich zu, drückt mir einen kräftigen Kuss auf den Mund, gerade als ich die Peinlichkeit der Situation mit den Worten „So sieht also ein Cornelius aus“ beheben wollte. Die wird aber anscheinend nur von mir empfunden. Er führt mich in der Wohnung herum, die schon ziemlich gefüllt mit Leuten ist. Ich gehe hinterher, kopfschüttelnd über diese schreckliche Kombination, wenn zu viel Geld auf zu wenig Geschmack trifft. Das endet immer in Maxi-Couch auf Presslaminat neben Elektrokamin und dann vielleicht noch ein Jonathan Meese an der Wand. Er stellt mich seinen Freunden vor unter dem Gebrauch der Worte: „Das ist die aus dem Haiden“, und ich weiß mir nicht anders zu helfen, als das, dümmlich grinsend hinter ihm stehend, mit einem Nicken zu bestätigen. Dann ist er auf einmal verschwunden. Irgendwo zwischen Besenkammer und Schuhschrank habe ich ihn verloren. Ich gehe ins Wohnzimmer zurück. Es gibt diese Theorie von Luise und mir, dass Partys mit Buffet nichts bringen, weil schon von vornherein das Konzept Party nicht verstanden wurde. Das immer in ungefähr so endet: Knabberzeugs in hässlichen Plastikbechern und Kartoffelsalaten von ALDI, während wir Mädchen krampfhaft versuchen, nicht die Kalorien der Erdnussflips zu zählen. Was nämlich verfluchte kleine Dinger sind. Buffet auf Partys gefällt eigentlich nur Kiffern. Die sind zwar die besten Freunde, die man im Winter haben kann, weil erstens immer da und zweitens im Besitz sämtlicher Staffeln von allen Serien der ganzen Welt. Aber halt eher nicht so vital und daher weniger zum Feiern zu gebrauchen, sondern eher so zum Runterkommen nach Golden-Gate-Tour Donnerstag bis Sonntagmorgen, wie Mia immer sagt. Aber dann sehe ich das Buffet hier, und es ist so was von extravagant! Vor mir leuchtet diese Zwei-Meter-Tafel, überhäuft mit dem krassesten Essen, das ich mir mit aller Phantasie nicht hätte vorstellen können: In der Mitte prangte ein Schweinekopf, geformt aus Pasteten, umgeben von einem Meer aus bunten Petits Fours. Das Buffet ist mit einer sexuellen Energie aufgeladen, als hätten sie eine Frau nackt und breitbeinig auf den Tisch gelegt. Der Kopf grinst mich hämisch an. Ich nehme ein Lachskaviartürmchen und stelle fest, es gibt nichts Perverseres, als eine Pastinake als Phallussymbol zu benutzen. Blicke mich im Raum um. Wer sind all diese Menschen? Eigentlich selten ein gutes Zeichen, wenn ich keinen der Gäste kenne, aber die um mich herum, das sind alles Models! Große, schlanke Frauen, riesig, mit langen Haaren und teuren Kleidern. Solche, wie wir sie in den Modestrecken des Weltmeister-Magazins hatten, weswegen ich links von mir auch das Etuikleid als das von der kommenden Louis-Vuitton-Sommer-Kollektion identifiziere, und das ist schon sehr absurd, wenn man bedenkt, dass wir uns auf dem Dachboden des Fabrikhauses einer ehemaligen Britzer Reinigungsfirma befinden. Selbst die Jungs haben richtig Stil, ja, das ist mit purer Ironie geschrieben, so mit Westen und verrückten Seitenscheiteln, Gel, Tollen und Bluejeans. Dann entdecke ich Gloria, jetzige Affäre, ehemals Freundin von Bornerd. Schwarz, wie all seine Frauen, und dazu dieses „aus ihnen allen hätte was werden können in Richtung Moderation/Dauerwerbesendung“, aber dann haben sie sich leider doch für Koks entschieden. Mir ist also sofort klar, wenn die irgendwo ist, dann sind Drogen dabei. Sie sieht auch so aus. Sitzt hibbelig auf einem großen Ledersitzsack und spuckt beim Reden unaufhörlich kleine Speichelfäden auf das rote Kleid ihrer Gesprächspartnerin. Ach verdammt, um mich herum sind alle drauf! Ich bin auf einen Kokser reingefallen! Das erklärt auch, warum er erst verschwunden war, jetzt plötzlich wieder da, auffällig aufmerksam allen gegenüber ist, nur um dann wieder zur Anlage zu rennen und laut Ace of Base aufzulegen. LAST WORD
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Greife als Reaktion auf Erkenntnis – schon wieder ein Traum zerplatzt – erst mal Flasche Dom Pérignon und öffne im Flur die Besenkammer, um mich im dort installierten Kleiderschrank zu verstecken. Fange an zu trinken, so umgeben von den Wintermänteln eines jungen Mannes mit zu viel Geld, dem man anscheinend eingeredet hat, dass jedes Jahr ein anderer Schnitt in Mode ist. Komme mir vor wie früher, als ich mich im Kleiderschrank meiner Mutter versteckte, was ich natürlich nicht durfte, weil ich immer alle Kleider zerknitterte. Und einmal habe ich auch noch alles mit rotem Lippenstift beschmiert, der auch von ihr war… Da werde ich plötzlich entdeckt, die Tür wird aufgerissen, und Cornelius' Nase nähert sich mir. Ich bin mir sicher, kleine weiße Pulverreste daran zu erkennen. Er lokalisiert mich und schreit: „Mensch, Heli, was machst 'n da drin? Leute, die ist im Schrank!“ Ich murmele etwas von: „Komisch, nicht das Klo?" Aber da ist er auch schon drin, schiebt mich gegen die Wintermäntel, küsst mich, zieht mir mit einem Schwung das schwarze Kleid runter – und ich denke: mein Gott, diese Kokser können aber viel auf einmal machen. Und dann fällt mir auch ein: genauso ist dieses Boris-BeckerBesenkammer-Baby mit den orangen Haaren und dem Albino-Lächeln entstanden! Worüber ich total lachen muss, über das Kind, meine ich, weil das ist ja wirklich das witzigste Kind der Welt. Ich meine, da versucht er immer Schwarze zu pimpern, und dann spritzt er einmal in die falsche Russin rein, und dann kommt ein rothaariges, sommersprossiges Albino-Kind heraus! Weswegen mir die blöde Champagnerflasche runterfällt, woraufhin ich begeistert schreie: „Wow, wir stehen in einem See aus Champagner!“ Aber er sagt im gleichen Moment: „Du Schlampe, du hast gerade eine hundertzwanzig Euro teure Dong Pärijong auf meine brasilianischen Prada-Boots geschüttet!“, worüber ich noch mehr lachen muss, weil er hat halt wirklich „Dong Pärijong“ gesagt. Und ich sage, vielleicht etwas schnippisch, weil ich aber auch so betrunken bin: „Sorry. Du bist eh mehr der Typ Lebensart: Mode, Essen, Trinken, Partnerschaft.“ Und er: „Ach ja, und was bist du?“ „Ich …“ – Versuche ich mich selbst zu reflektieren, während ich halbnackt mit einer fast leeren Champagnerflasche im Kleiderschrank eines fremden Typen stehe. „Ich bin so eher eine Mischung aus Miss Dior Cherie und Kirschkaugummi.“ Hebe die Flasche vom Boden auf, ziehe mein Kleid hoch und verschwinde kichernd zur Tür hinaus. 02:47 Bei Mia. Sitzen auf dem Hausdach und bauen zweiten Joint von dem Gras, das sie von der Klofrau des Schlösschens bekommen hat. Völlig breit mittlerweile, ich kiffe ja sonst nicht. Kaum habe ich mich beruhigt, sagt Mia wieder „Dong Pärijong“, und ich kugle mich vor Lachen.
Sophie Senoner, Nachtaktiv Originalausgabe ISBN: 978-3-548-28472-9 Erscheinungstermin: 15. Februar 2013 © Ullstein Buchverlage, Berlin GmbH 2013 © Photo Christoph Mack
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