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Mehr Argumente, weniger Meinung!





Es ist mal wieder in der politischen Debatte: das Ehegattensplitting. Damit ist gemeint, dass zwei Ehepartner steuerlich so behandelt werden, als hätte jeder genau die Hälfte des gemeinsamen Einkommens erzielt. Dadurch fällt die Steuerpflicht niedriger aus als mit zwei unterschiedlich hohen Einzeleinkommen. In den vergangenen Jahren ist in der Berichterstattung darüber der Eindruck entstanden, dass nur politisch Ewiggestrige wider besseres Wissen am Ehegattensplitting festhielten. Kürzlich veröffentlichte die „Zeit“ ein vehementes Plädoyer ihrer Autorinnen Tina Groll und Katharina Schuler zu dessen Abschaffung. Ihre Argumente: Das Ehegattensplitting halte Frauen von einer Berufstätigkeit ab, mache sie abhängig von ihren (häufig besser verdienenden) Ehemännern und schade deswegen der Emanzipation der Frauen.
Nicht dargestellt wird in den meisten Berichten der Grund für das Ehegattensplitting: die Idee des Gesetzgebers, dass berufstätige Ehemänner und Ehefrauen jeweils ihren Teil zu einem gemeinsamen Familieneinkommen beitragen. Vielleicht ist dies nicht oder nicht mehr selbstverständlich, aber es entspricht nach meiner Wahrnehmung der Lebenswirklichkeit vieler Ehepaare. Sie verdienen unterschiedlich viel, entscheiden aber gemein-


Dr. Hartmut Spiesecke, Jahrgang 1965, Leiter des ErnstSchneider-Journalistenpreises der deutschen Wirtschaft bei der Deutschen Industrie- und Handelskammer und ehrenamtlicher Vorstandsvorsitzender der Christlichen Medieninitiative pro sam über Ausgaben, Sparraten und Kredite – und auch darüber, wie viel jeder für sich behalten oder ausgeben darf. Deswegen wird ein Familieneinkommen besteuert und nicht zwei Einzeleinkommen.


Die Abschaffung des Ehegattensplittings würde für die meisten Familien bedeuten, dass ihre Steuerpflicht insgesamt steigt. Das Einkommen der (häufig geringer verdienenden) Ehefrauen würde geringer besteuert, das ihres (häufig besser verdienenden) Ehemanns aber deutlich höher. Das heißt, durch die Abschaffung des Ehegattensplittings müssten Ehepartner insgesamt mehr Steuern zahlen als heute – von 20 Milliarden Euro ist die Rede. Moderne Familienpolitik?






























Übersehen wird in der Berichterstattung
Übersehen wird in der Berichterstattung häufig auch, dass Ehegatten zum gegenseitigen Unterhalt verpflichtet sind, falls ein Partner nicht arbeitet. Ob ohne die Annahme eines steuerlichen Familieneinkommens eine gegenseitige Unterhaltspflicht begründet werden kann, ist verfassungsrechtlich zu prüfen. Denn wenn jeder sein Einkommen selbst versteuert, warum soll dann einer für den anderen aufkommen müssen? Der Wirtschaftsweise Peter Bofinger wies darauf hin, dass der Staat Ehen als „Bedarfsgemeinschaften“ versteht. Katrin Christmann nahm dies im Berliner „Tagesspiegel“ als eine der wenigen Journalisten auf. Mitte Juli räumte Bundeskanzler Scholz das Thema zunächst ab, allerdings ohne Begründung in der Sache.


Über das Ehegattensplitting darf man streiten. Dass Journalisten die Argumente pro und kontra angemessen darstellen, sollten die Bürger erwarten dürfen. Viele werden dieser Erwartung jedoch leider nicht gerecht. Statt Fakten dominieren Meinungen die Berichte. Das sollte nicht so bleiben. |