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Bebauen und bewahren

Journalistinnen und Journalisten erzählen an dieser Stelle davon, welcher Bibelvers für ihre Arbeit eine besondere Bedeutung hat. Dieses Mal: Was für Dora Schöls die Berichterstattung über Wirtschaft mit dem Schöpfungsbericht zu tun hat.

Auf den ersten Blick haben Wirtschaft und Glaube nicht allzu viel gemeinsam. Schließlich geht es in der Wirtschaft um Wissen, um Fakten und Zahlen. Wie viel Gewinn an die Gesellschafter eines Unternehmens ausgeschüttet werden kann, lässt sich rational nachprüfen. Noch nie hat mir ein Geschäftsführer gesagt, seine Strategie basiere auf seinem Glauben. Und doch lässt sich aus der Bibel manches für unser Wirtschaftssystem lernen.

Da sind die vielen Verse, die den Fleiß und die Arbeit loben. Um nur einen zu nennen: „Lässige Hand macht arm; aber der Fleißigen Hand macht reich“ (Sprüche 10,4). Gleichzeitig heißt es, dass das Ziel nicht das Geld sein soll – das Gleichnis vom Kamel, das eher durch ein Nadelöhr geht als ein Reicher ins Himmelreich, kennt wohl auch mancher, der noch nie eine Bibel in der Hand hatte. Viel spannender, auch für die Wirtschaft, ist ein noch grundlegenderer Gedanke aus der Bibel. Nämlich dass der Mensch die Schöpfung bewahren soll: „Und Gott, der Herr, nahm den Menschen und setzte ihn in den Garten Eden, dass er ihn bebaute und bewahrte“ (1. Mose 2,15). Letztlich sollte das die Maxime sein. Bewahren heißt dabei nicht, dass alles so bleiben soll, wie es ist.

Die Wirtschaft lebt von Wachstum. Aber die Frage ist doch, wie dieses Wachstum gestaltet wird. Denn es gilt, neben dem Erwirtschaften von Gewinnen, nachhaltig zu handeln. Und zwar für das Unternehmen, für die Menschen, die dort arbeiten, aber eben auch für den Planeten. Werden Gewinne immer nur ausgeschüttet und nicht in die Firma reinvestiert, hat sie keine Chance, langfristig stabil zu sein. Arbeiten die Menschen mit zu viel Stress, in einem diskriminierenden Klima und für zu wenig Geld, halten sie das nicht auf Dauer aus, ohne krank zu werden. Ganz abgesehen davon, dass sie unter solchen Umständen nicht ihre beste Leistung bringen können.

Und dass die Weltwirtschaft mit ihrem Hunger auf Energie und Ressourcen die Erde nicht kaputt machen darf, weil sie sonst unser aller Lebensgrundlage zerstört, ist – zum Glück – bei den allermeisten inzwischen angekommen. Kaum ein Unternehmen, das nicht versucht, die Produktion energiesparender zu machen, eigene Photovoltaikanlagen aufzustellen oder das Produkt mit weniger knappen und mehr nachwachsenden Ressourcen herzustellen. Nicht nur fürs Image, sondern weil es nötig ist. Und vor allem, weil es sich einfach rechnet. Vielleicht noch nicht heute, aber auf lange Sicht. Bewahren heißt hier also, die alten Wege zu verlassen – um die Erde und die Menschheit vor Schaden zu bewahren. Das ist ein schwieriger Weg, keine Frage. Branchen wie die Chemie- oder Autoindustrie können nicht von heute auf morgen CO2-neutral produzieren. Da ist es die Aufgabe von Journalistinnen und Journalisten, diesen Weg kritisch zu begleiten. Zu schauen, was auf dem Papier gut aussieht – und was wirklich etwas bringt. Egal, ob der Ansporn dazu aus der Bibel kommt oder schlicht gesunder Menschenverstand ist. |

Zur Person

Bettina Tietjen, Jahrgang 1960, hat Germanistik, Romanistik und Kunstgeschichte studiert. Sie war für mehrere öffentlich-rechtliche Rundfunksender und Printmedien tätig. Seit 30 Jahren ist sie Gastgeberin in der NDR-Talkshow „DAS“ und sie moderiert einmal im Monat in der „NDR Talkshow“. In der Sendereihe „Tietjen campt“ trifft sie sich mit Prominenten auf Campingplätzen in Norddeutschland. Sie hat mehrere Bücher veröffentlicht, zuletzt „Früher war ich auch mal jung“.

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