Interview-Magazin Oktober November

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Wirtschaft / Recht

fen. Wer die Graphik anschaut, für den ist sonnenklar, dass man „oben“ auch mal verkaufen muss und „unten“ wieder einsteigt. Nur: Wo ist „oben“ und wo ist „unten“? Weiß man das nicht erst im Nachhinein? Zwar ist bekannt, dass zwei Drittel aller Kalenderjahre Hausse-Jahre für Aktien sind und ein Drittel Baisse-Jahre. Doch einen praktischen Nutzen aus dieser Erkenntnis hat der Anleger nicht. Wer zu Beginn des Jahres 2006 seine Aktien verkaufte, weil die Jahre 2003 bis 2005 steigende Kurse gebracht hatten, bereute seine Entscheidung bald. Denn auch in den Jahren 2006 und 2007 gab es noch einmal kräftige Kursgewinne. Erst im Jahr 2008, als trotz Finanzkrise die Wenigsten mit einem Absturz rechneten, kam es zu schweren Kursverlusten. Was also ist zu tun? Gibt es nicht auch objektive Anhaltspunkte dafür, wo aus fundamentalen Erwägungen heraus der faire Wert eines Index liegen müsste? Ist dieser faire Wert bekannt, wären davon abweichende Index-Stände jederzeit als Übertreibungen nach oben und unten erkennbar. Einer fundamentalen Betrachtung nach Unternehmensgewinnen steht freilich die Tatsache gegenüber, dass die KursGewinn-Verhältnisse nie aktuell sind, sondern in der Regel erst mit einem Jahr Verspätung korrekt dargestellt werden. Vorhergehende Schätzungen sind meist falsch; in der Hausse sind sie viel zu optimistisch, in der Baisse zu pessimistisch. Einen wertvollen Ansatz für eine faire fundamentale Betrachtungsweise hat der Amerikaner James P. O’Shaughnessy geleistet. In einer Studie, die sich über die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts erstreckte, wies er nach, dass die Betrachtung des durchschnittlichen Kurs-UmsatzVerhältnisses wertvolle Hinweise liefert, ob der Aktienmarkt als Ganzes zu hoch oder zu tief liegt. Nehmen wir die Aktien, die zum SMI gehören, und lassen dabei die Bank- und Versicherungsaktien weg, deren Umsätze mit denen von Industrieunternehmen nicht vergleichbar sind, dann kommen wir in den Jahren 1992 bis 2011 zu einem durchschnittlichen Kurs-Umsatz-Verhältnis

KUV beim SMI seit 1999

der Industrietitel von 2,16. Das ist also das durchschnittliche faire Kurs-UmsatzVerhältnis. Warum Umsätze und nicht Gewinne? Umsätze sind konjunkturunabhängiger als die Gewinne und daher auch konstanter als diese. Sie sind daher viel geeigneter, um einen langfristigen Vergleich mit den Börsenkursen herzustellen. Wenn wir also von einem durchschnittlichen Kurs-Umsatz-Verhältnis von 2,16 ausgehen, dann waren die Kurs-UmsatzVerhältnisse, wie wir sie am 21. Dezember 2007, also vor dem großen Absturz, feststellten, schon bedenklich. Die SMI-Aktien – ohne Finanztitel – meldeten damals ein durchschnittliches KUV von 2,85; das war 32% höher als dem „fairen Durchschnittswert“ entsprach. Der SMI lag bei 8468 Punkten. Es war also völlig verfehlt, wenn Analysten zu dieser Zeit immer noch von „niedrigen Bewertungen“ sprachen. Extrem niedrig war das KUV des SMI am 7.März 2003 mit 1,27! Gehen wir von diesem niedrigen Extremwert aus, so hätte man Ende 2007 wissen können, dass in einer kommenden Wirtschaftskrise ein Absturzpotential des Index von 55% durchaus möglich war. Und dazu kam es ja auch nahezu; im März 2009 lag das SMI-KUV wieder bei 1,30 und der SMI bei 4312 Punkten.

Durchschnitts-KUV kaufen und verkaufen sollten. Es gibt auch noch andere günstige Zeitpunkte zum Kauf oder Verkauf. Aber diese Zahlen sollten für Sie auf jeden Fall Hinweise dafür sein, wann die Kurse allmählich gefährlich hoch oder erfreulich niedrig sind. Die Konsequenzen für die gegenwärtige Lage? Der SMI (KUV bei Redaktionsschluss Ende August 2011 nur 1,85) ist mit einem Kurs von rund 5250 Punkten um rund 15% unterbewertet. Das sind also insgesamt eher Kauf- als Verkaufskurse. Diese Betrachtung berücksichtigt freilich nur den objektiven Wert der Unternehmensbeteiligungen, nicht aber die weiter möglichen kurzfristigen Übertreibungen nach unten, die durch eine Panikstimmung ausgelöst werden können.

Sie sehen, dass sich Aktienkurse, zumindest was ihre durchschnittlichen Kurse betrifft, nicht „zufällig“ nach oben und unten bewegen, wie Stefan Klein vermutet, sondern dass es stimmungsbedingte Übertreibungen gibt, die dann auch wieder korrigiert werden. Das bedeutet nun nicht, dass Sie nur noch antizyklisch nach dem Stand des

interview Magazin, Ausgabe Oktober / November 2011

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