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Dieser Anblick bot sich Jahrzehnte hindurch bis 1969 Österreichs Nationalzirkus, der legendäre Zirkus Rebernigg, den Besuchern.

Fotos: Privates Circusarchiv/Christoph Enzinger

Ein Zirkusleben Der österreichische „ Zirkus Rebernigg“ hat das Land wie keine andere Manege geprägt – 1969 wurden die Zelte endgültig abgebaut. In Wien-Leopoldstadt wohnt ein Herr mit feinen Manieren und einem Generationen hindurch klingenden Namen: Rebernigg. „ Ich bin ein echtes Zirkuskind und ein berühmter Mann“, erzählt der 94-jährige Egon Rebernigg voll Stolz auf seine Zirkusfamilie, auf all die Artisten und Musiker, die sie seit 1840 hervorgebracht hat. Der legendäre „ Zirkus Rebernigg“, lange Zeit Österreichs Nationalzirkus, baute 1969 zum allerletzten Mal seine Zelte ab.

Besucher vorstellen: Probleme mit den Gemeinden, wo der Zirkus gastierte, Konkurrenzkämpfe auch in der Familie. Nach dem Krieg massive Schwierigkeiten, Futter für die gewaltige Menagerie aufzutreiben: Löwen, Tiger, Panther, zwei Elefanten, 25 Pferde und Schimpansen. „ Die Zirkuskinder haben es schwer gehabt, mussten rumreisen und gingen alle paar Wochen in eine an-

Mutter Anna war eine legendäre Manegenreiterin, Vater Sigismund ebenso „ein fantastischer Reiter der hohen Schule, er hat auch Regie geführt“, Onkel Carl (II) war Zirkusdirektor. Egon studierte Geige, Saxophon und Klarinette in Prag und Wien, schon mit 18 war er Kapellmeister im Familienzirkus. Der Bruder wurde ebenfalls Geiger, die Schwester Reiterin wie die Eltern. Zwischendurch war Egon Rebernigg auch erster Geiger im Kurkonzert Bad Ischl und Baden, nach 1969 arbeitete er im „ Zirkus Krone“ und im spanischen Nationalzirkus. Egon Rebernigg trinkt nicht und raucht nicht, ist körperlich erstaunlich agil – man würde ihn kaum auf 94 Jahre schätzen. Im Rückblick neigt er dazu, sein Zirkusleben zu idealisieren, obwohl das Leben in der Manege hart und keineswegs so romantisch ist, wie es sich

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Plakatwerbung: Die Rebernigg-Eltern waren legendäre Manegenreiter.

dere Schule.“ Dazu „ Dreck, Gummistiefel, Kälte und furchtbar viel Staub“ Die Zirkus-Burschen, die für eine Saison angeheuert wurden, „ waren alles Kleinkriminelle“, schwängerten viele Küchenmädchen, es gab Tragödien. 1934 ist Rebernigg der Gewerkschaft beigetreten: „Ich habe ihre Hilfe zwar nie nötig gehabt, aber es wäre schlecht, wenn es keine Gewerkschaft gäbe“. Denn: „Die Artisten haben zweimal am Tag ihr Leben für ein bisserl Unterhalt riskiert. Mit 40 Jahren war die Wirbelsäule kaputt.“ Mit Saisonende war der Kapellmeister stets arbeitslos und musste auf den nächsten Frühling warten. Doch Rebernigg erzählt lieber über die schönen Seiten des Manegenlebens: „ Die Artisten haben im Notfall kolossal zusammengehalten“. Dann erinnert er sich aber auch an den Krieg und an seine schwere Verwundung in Russland 1942 durch Bombensplitter. Wenn die Erinnerung trügt, zückt Rebernigg ein altes, gebundenes Heft, leicht vergilbt – sein Schatz: das Städteverzeichnis der Zirkusreisen, beginnend 1921, präzise geführt, letzte Einträge 1987. Eintrag 1944: Zirkus Rebernigg gastiert auf dem Matzleinsdorferplatz und wird von Bomben getroffen. 1945 macht der Zirkus auf der Friedensbrücke Halt, 1948 im Wiener Burggarten, dazu die Saison 1961

Ausgabe 00/2010


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