PRESTIGE Germany Volume 15

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VOLUME 15 I AUTUMN 2018

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Publisher Francesco J. Ciringione

rundschauMEDIEN AG St. Jakob-Strasse 110 I CH-4132 Muttenz  T +41 (0)61 335 60 80 I F +41 (0)61 335 60 88 info@rundschaumedien.ch www.rundschaumedien.ch Member of the Board Boris Jaeggi I b.jaeggi@rundschaumedien.ch Publishing Director Hasan Dursun I h.dursun@rundschaumedien.ch

Product Manager Adrian Borer I  a.borer@rundschaumedien.ch

Sales & Marketing Sandro Zoppas I s.zoppas@rundschaumedien.ch

Editor-in-Chief Nike Schröder I n.schroeder@rundschaumedien.ch

Editors Anka Refghi, Wilma Fasola, Gisbert L. Brunner, Iris Wimmer-Olbort, Dr. Thomas Hauer, Bernhard Bauhofer, Wilhelm J. Grusdat, Andreas Faust, Helena Ugrenovic, Anna Karolina Stock, Dieter Günther, Roland Hildebrandt, Alain Wafelmann

Be an Insider !

Erfahre, ab wann sie in deiner Nähe erhältlich sind.

Corrector Andreas Probst Head of Production & Art Director Sandra Rizzi I s.rizzi@rundschaumedien.ch Product Public Relation Laura Giarratana I l.giarratana@rundschaumedien.ch Online Public Relation Vladimir Popovic I v.popovic@rundschaumedien.ch

Cover Picture Lucia Giacani Model: Anastazja Niemen @ Elite Milano Photographs Hey Reilly, MoMA, Lucia Giacani, Xavier Veilhan, Visit San José, Belmond, MOHR life resort, Tourist Board Dominikanische Republik, Fernando Jorge, Dave Nauli, RM Sotheby’s, Renault, Infiniti, Maserati / Bulgari, Daimler AG, Kai Weissenfeld, Just Loomis, Cecil Beaton, Horst P. Horst, Emporio Armani, Hermès, Dior, Ermenegildo Zegna, Prada, Burberry, Diego Delgado Elias, Rutz Feuerstellen, Tobias Colz, Marcel van der Burg, Alexander Hana, Martinuzzi, Creator, Moley Robotics, The Fontenay, Chocosuisse, MaMa Kelly, Thomas Egli, Miles Aldridge Bilddatenbanken

Admin, Coordination & Subscriptions Serpil Dursun I s.dursun@rundschaumedien.ch Admin Assistant Sarah Senn I s.senn@rundschaumedien.ch Price  Issue CHF 10.– / € 9.50 I Year ­CHF 39.– / € 35.– IT Support  Dejan Djokic I deki@rundschaumedien.ch Web Services websiteria GmbH I info@websiteria.ch Internet prestigemagazin.com

by PRESTIGE prestigemagazin.com is a registered trademark. (IGE 596’147) Wieder­gabe von Artikeln und Bildern, auszugsweise oder in Ausschnitten, nur mit ausdrücklicher Genehmigung der Redaktion. Für unverlangte Zusendungen wird von Redaktion und Verlag jede Haftung abgelehnt.


3 0 Y E A R S O F R E G U L AT O R

F LY I N G R E G U L AT O R O P E N G E A R CH-8753- S I S I

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• A u ß e r g e w ö h n l i c h e A r m b a n d u h r v o m R e g u l a t o r- E x p e r t e n C h r o n o s w i s s A u t o m a t i k k a l i b e r C . 2 9 9 m i t i n n o v a t i v e m „ O p e n G e a r “ D e s i g n , d a s d e n R e g u l a t o r- M e c h a n i s m u s s i c h t b a r m a c h t Auf wendige 3D-Zif ferblat tkonstruk tion auf mehreren Ebenen, mit Einblick ins Werk (freigelegtes Sekundenrad )

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INHALT TRAVEL 50 MEHR ALS HIGHTECH San José 56 REISETREND Digital Detox 60 HOTELLEGENDE «Copacabana Palace»

38

49

64 HIDEAWAY FÜR ALLE SINNE MOHR life resort 66 DESTINATION Städte so bunt wie der Herbst 70 WILLKOMMEN IM PARADIES! Dominikanische Republik 75 SHORT CUTS Leseecke 76 DAS INSELPARADIES Sportlicher Naturtourismus auf Barbados

ART & CULTURE 20 «HOLLYWOOD-LEGENDE» Clara Bow 24 DIGITAL ART Hey Reilly im Gespräch

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32 AUSSTELLUNG Stadt-Träume von Body Isek Kingelez 35 EDITOR’S CHOICE Von Neorealisten und Kameravirtuosen 38 FOTOGRAFIE Im Gespräch mit Lucia Giacani 49 DIE KUNST DES WAHRNEHMENS Xavier Veilhan

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ALPINE, ASIAN, AUTHENTIC The Chedi Andermatt will captivate and move you. With its authenticity, the unusual liaison of Alpine chic and Asian expression. At the heart of the Swiss Alps, 1,447 meters above sea level and just 90 minutes by car from Zurich, this exclusive hotel in Andermatt will captivate your imagination with its 123 elegant rooms and suites, four outstanding restaurants and bars and a modern Health Club. Another highlight is the multi award-winning Spa area that is probably unique in Switzerland – an oasis of calm and relaxation. The Chedi Andermatt offers a glimpse of another world and views of an unforgettable piece of Switzerland. For further information and reservations please contact +41 41 888 74 88 or info@chediandermatt.com

6490 ANDERMATT SWITZERLAND T (41) 41 888 74 88 F (41) 41 888 74 99 THECHEDIANDERMATT.COM


INHALT WATCHES & JEWELLERY 80 HERBST-ZEIT Die Zeitmesser der Stunde 90 KOMPETENZ UND TRADITION Neuheiten der Swatch Group 96 CONTEMPORARY JEWELLERY Fernando Jorge

90

102 RARITÄTEN Conch-Perlen

DRIVE STYLE 104 GUT IM RENNEN Porsche 908 Works Short-Tail Coupé

96

107 WUSSTEN SIE …? Von Hupen und Tankstellen 108 HISTORY Renault – eine Erfolgsgeschichte

108

115 EDITOR’S CHOICE Von Boliden und zwei Rädern 116 UNTER HOCHSPANNUNG Q Inspiration Concept 120 KOOPERATION DER SUPERLATIVE Maserati und Bulgari 122 DER DRITTE RAUM Wo die Zukunft beginnt

12 I PRESTIGE

115



INHALT

126

157 LIVING

148

158 INTERIOR Diego Delgado Elias 164 WAND-COUTURE Handbemalte Tapeten 170 LOFT LIFE Wohnform für Individualisten 176 KLASSIKER Die Kommissar-Leuchte

FASHION 126 FASHION-EDITORIAL Caroline Lossberg 138 ODE AN DIE WEIBLICHKEIT Die Fotografien des Just Loomis 144 DER EXZENTRIKER Charles James 147 EDITOR’S CHOICE Von Kopf bis Fuss 148 RESPEKTLOS UND CHIC Nicolò Beretta 150 ERSTE REIHE Menswear

176

157 WUSSTEN SIE …? Von Schulterpolstern und Sirenen-Anzügen

164 14 I PRESTIGE


AUS DEM HERZEN DER SCHWEIZER ALPEN Im wunderschönen Simmental ist das Schreinerhandwerk noch ein traditionelles Handwerk. Der Stolz auf unsere Arbeit zeigt sich in jeder von uns individuell angefertigten Küche. Die raue Landschaft, die majestätischen Berge und die unberührte Natur inspirieren dabei unsere Arbeit. Ob Penthouse-Besitzer oder Chalet-Liebhaber, sie alle teilen die Leidenschaft mit uns, die uns dazu motiviert, die exklusiven Küchenträume unserer Kunden wahr werden zu lassen. Die Zbären Küchen werden dabei mit hochwertigsten Materialien in feinster Handarbeit und mit hochmodernen Maschinen gefertigt. Von der kleinen Manufaktur im Herzen der Schweizer Alpen liefern wir die massgefertigten Küchen in die ganze Welt.

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INHALT FINANCE 2 08 INVESTMENT MIT WIRKUNG Im Gespräch mit Sheila von Hoerner 214 ERLEBNIS-ÖKONOMIE Erleben statt nur kaufen 220 SPAREN «ANNO DOMINI» Sparclubs

200 CULINARIUM 178 SÜSSE KUNSTWERKE Wagashi 182 SPEISEN 2.0 Digitalisierung in der Gastronomie 187 WUSSTEN SIE …? Burger neu erfunden 188 «CELLER DE CAN ROCA» Dreigestirn am katalonischen Küchenhimmel

208

192 FOOD-WASTE Bis zum Rest 196 HAUTE CUISINE «The Fontenay» 2 00 BARBETRIEB Das «MaMa Kelly» in Amsterdam 204 MIT TRADITION Die Geschichte der Schweizer Schokolade

36 Kunstvoll 59 Fernweh 95 Blue Dreams 101 Eyecatcher 119 PS-stark 137 It’s Fashion! 143 World of Beauty 149 Made for him 175 Mit Stil und Charme 207 Gaumenzauber 223 Für Macher

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KOLUMNEN 31 WILHELM J. GRUSDAT: Farben! 94 ALAIN WAFELMANN: Aktionismus führt nicht zu Beständigkeit 6 Impressum 19 Editorial 224 Vorschau

HARRY WINSTON

NEWS

LOUIS VUITTON



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D

LESERINNEN LESER

&

er Sommer neigt sich dem Ende zu, und wehmütig blicken wir zurück. Auf das herrliche Licht, die warmen Temperaturen und den herrlichen Sommerurlaub. Aber auch der Herbst hat seine wunderschönen Seiten. Das bunte Laub der Bäume, das beim Wind von den Ästen tanzt und am Boden einen schönen Teppich bildet. Der Morgennebel, der alles in seinen zarten Schleier hüllt. Das erste Glas neuer Wein, das vorzüglich zu einer Quiche Lorraine passt. Eben eine Jahreszeit mit vielen Facetten. Ebenso wie unsere neue Ausgabe. Auch hier präsentieren wir Ihnen eine wunderbare Vielfalt.

Freuen Sie sich auf einen Ausflug zu den buntesten Strassen und Gebäuden der Welt. Zum Beispiel das zeitgenössische Happy Rizzi House in Braunschweig, entworfen von dem US-amerikanischen Künstler James Rizzi (1950 –2011) und umgesetzt durch den Architekten Konrad Kloster. 2012 wurde das Gebäude komplett saniert und mit der Fassaden-Gestaltung der Künstler Oliver Kray beauftragt. Auf rund 2000 Quadratmetern konnte er dem Gebäude neues Leben einhauchen. Mutig und lebendig ziert es seitdem den Achterhof. Aber mehr möchte ich Ihnen an dieser Stelle über diese wunderbare Strecke nicht verraten. Nur so viel: Erleben Sie noch weitere besondere und überraschende Ziele, die immer eine Reise wert sind. Ein weiteres Highlight dieser Ausgabe sind die atemberaubenden Conch-Pearl-­ Schmuckstücke. Die Perlen unter den Perlen, die Conch Pearls, sind extrem selten und damit natürlich auch sehr wertvoll. Man schätzt, dass nur eine von 10’000 Conch-Muscheln eine Perle hervorbringt und davon weniger als 10 % Schmuckqualität haben. Jede ein Unikat. Die Schmuckstücke, die daraus entstehen, sind echte Kunstwerke. Aber lassen Sie sich verzaubern von der atemberaubenden Laune der Natur. Diese und noch viel mehr interessante Geschichten erwarten Sie in dieser Ausgabe. Lassen Sie sich von uns immer wieder verführen und überraschen. Wir freuen uns jedenfalls darauf, Sie zu inspirieren und zu begleiten durch einen sicherlich wunderbaren Herbst.

Francesco J. Ciringione Verleger

Nike Schröder Chefredakteurin

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DAS

MOTIONMAGAZIN AUS DER SCHWEIZ

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DER PREIS, EIN ZU SEIN

IT-GIRL

Kecker Blick aus dunklen Kulleraugen im Puppengesicht, entwaffnende Natürlichkeit, Charisma, Sexappeal und sprühender Charme: Das ist Clara Bow. Sie ist der Superstar der 20er-Jahre-Stummfilm-Ära und das wohl erste It-Girl. Doch das gnadenlose Hollywood, gehässige Neider und eine zerbrechliche Seele werden für sie zur Rutschpartie zwischen Himmel und Hölle.

E

Helena Ugrenovic

s hätte eines der berühmten Märchen und Stoff für einen Hollywood-Blockbuster werden können: bitterarmes Mädchen aus New Yorks verkommenem Brooklyn-­Ghetto, vom Vater missbraucht, eine schizophrene Mutter mit gescheiterten Selbstmordversuchen, gewinnt einen Persönlichkeits-Wettbewerb, wird danach ein gefeierter Filmstar, das erste It-Girl der Geschichte, lebt frei Schnauze und vor allem sich selbst. Doch das Leben schreibt seine eigenen Drehbücher, in denen Hauptdarsteller zu Statisten mutieren, Riesen zu Zwergen schrumpfen und magische Momente abrupt in tragische Momente wechseln. Der Griff nach den Sternen ist möglich, doch unsagbar schwer. Zu viel Geröll befindet sich auf dem vermeintlichen Regenbogen, über den das hoffnungsvolle Mädchen überschwänglich tanzt. Es ist ein Tanz auf dem Seil und ohne Auffangnetz.

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Clara Bow balanciert in High Heels, kurzem Rock, mit sexy Naht in den halterlosen Strümpfen und allen Widrigkeiten zum Trotz. Doch sie hat die Rechnung ohne das skrupellose Hollywood gemacht.

Slumdog-Girl Clara Bow wird am 29. Juli 1905 in Brooklyn und in die grösste Armut der damaligen Zeit hineingeboren. Ihr Vater ist ein erbarmungsloser Schläger, der sich an dem Mädchen vergeht. Ihre Mutter eine gewalttätige und psychisch instabile Frau. Clara ist eine verlassene Kinderseele, die sich in den Strassen Brooklyns rumtreibt und als «Tomboy» von den lokalen Gangs akzeptiert wird. Doch hinter dem burschikosen Wesen mit der frechen Klappe verbirgt sich ein filmvernarrter Teenager, der von Glanz und Glamour träumt und sich nach dem Reichtum der Welt sehnt. Als sie 1921 ein Foto von sich bei einem Ausschreiben einreicht und mit 16 Jahren den Persönlichkeitswettbewerb


CULTURE

ART & «Ich bin eine Kuriosität in Hollywood. Ich bin ein grosser Freak, weil ich ich selbst bin!» – Clara Bow –

Her Wedding Night I 1930


ART & CULTURE

gewinnt, wittert sie ihre grosse Chance und bricht die Schule ab. Der Preis sind eine Trophäe und eine kleine Filmrolle, jedoch kein Vertrag. Was wie das typische «erste Sporen verdienen» im Film­ business anmutet, wird sich über die Jahre ihrer Karriere hinweg als unweigerliche Dauerhürde erweisen, die wie eine rabenschwarze Wolke über ihrem Kopf hängt und jedes bisschen Sonne, das hervorblitzt, wieder verschluckt. «Da war immer etwas», erinnert sie sich in einem Interview, «ich war entweder zu jung, zu dünn, zu dick, und normalerweise stempelten sie mich als zu fett ab.» Es sollten noch zwei Jahre vergehen, bevor sie nach Hollywood zieht, und weitere drei, bis Paramount ihr endlich einen Vertrag anbietet.

«Dancing Mothers» und «The Plastic Age» sorgen für ihren Durchbruch. Claras Bildschirm­­-Präsenz ist überwältigend. Amerika verliebt sich in die Schönheit mit dem Babyface und den dramatisch grossen Augen, jedoch ist es vielmehr ihr faszinierendes Wesen, dem die breite Masse unterliegt. Clara ist sorglos, energisch, selbstbewusst, gelassen und unabhängig und fühlt sich unsagbar wohl in ihrer Haut. Sie trägt kurze Haare, kurze Röcke und ist die archetypische, moderne Frau, die sich für kein Geld auf der Welt verbiegen lässt. Sie ist ein sogenannter «Flapper» und für Hunderttausende Frauen, die jede Woche ins Kino strömen, ein Vorbild.

Das gewisse Etwas

Der X-Faktor

Die Existenz des Kinos als Massenindustrie gibt Clara die Chance, ihr Leben neu zu erfinden, doch es ist ein Pakt mit vielen Teufeln. Sie arbeitet Tag und Nacht und dreht allein im Jahr 1925 15 Filme.

1927 spielt sie die Hauptrolle in der romantischen Komödie «It». Es ist die Verfilmung eines Romans der ungeheuer populären Schriftstellerin Elinor Glyn, wobei Paramount eine landesweite Publicity­ schlacht austrägt, um die perfekte weibliche Schauspielerin für die Rolle aufzuspüren. Die mit

True to the Navy I 1930

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Wie keine andere versteht es Clara, einen Naturalismus in ihre Schauspielerei einzubringen, der zuvor noch nie gesehen worden war. Während andere Stars eher gekünstelt wirken, ist sie lebhafter, lustiger, spontaner und natürlicher. Sie ist das Mädchen von nebenan, könnte aber einer der Jungs sein, und sie besitzt die Gabe, das Publikum immer wieder aufs Neue zu überraschen.


ART & CULTURE

dem «it», dem X-Faktor, dem gewissen Etwas. Elinor Glyn persönlich wählt Clara Bow, deren Karriere-­ Stern über Nacht in den Himmel schiesst. Sie spielt nicht nur das It-Girl, sie ist es, und wie Elinor Glyn es beschreibt, besitzt sie unermessliches Selbstvertrauen und die Gleichgültigkeit, ob sie gefällt oder nicht, ohne dabei kalt zu wirken. Der Film ist ein Kassenschlager, und Amerika liegt Clara Bow ihrer hemmungslosen Natürlichkeit und Offenheit wegen zu Füssen. Sie dichtet keinen aristokratischen Ursprung in ihren Lebenslauf, sondern erzählt den Reportern genauso schonungslos über ihr desillusioniertes Elternhaus wie über ihr Faible zum Glücksspiel und ihre unzähligen Liebhaber, zu denen Persönlichkeiten wie Bela Lugosi, Victor Fleming, Gary Cooper oder John Gilbert gehören. Ihr Charakter ist modern, sexy, mitfühlend, witzig und zielstrebig, und sie ist so etwas wie ein Aschenputtel, jedoch ohne fulminantes Happy End. Die lebensfrohe Offenheit

und Unbekümmertheit, die sie in vollen Zügen in den «Roaring 20s» zu einem Idol machen, ist in den von Depressionen verwüsteten 1930er Jahren verpönt, und die Boulevardblätter zerreissen Clara in der Luft.

Hollywoods triefende Arroganz Während Clara Bow Millionen in die Kassen von Paramount spielt, sehen die Studiobosse das schmuddelige Kind aus der Unterschicht in ihr, den «Underdog» und das «Spatzenhirn», das sie zu manipulieren versuchen. Sie wird brüskiert und diffamiert, doch sie schiesst mit spitzer Zunge zurück und führt ein aufregenderes und interessanteres Liebesleben als die Filme, die sie dreht, und setzt es durch, keine moralische Klausel in ihrem Paramount-­Vertrag zu haben. Claras ausschweifender Lebensstil unterscheidet sich nicht von demjenigen anderer Hollywood-Stars. Doch während sie offenherzig darüber berichtet, vertuschen es ihre Kolleginnen mit Bravour. Sie ist ein Flapper, It-Girl und Jazz-Baby, das für den Erfolg doppelt so hart arbeitet als die anderen Schauspielkollegen und bei dem sich der innere Dämon, genährt durch die äusseren Umstände, immer weitläufiger über ihre Seele legt. «Die ganze Zeit lacht und tanzt der Flapper. Darunter jedoch liegt ein tragisches Gefühl. Der Flapper ist unglücklich und desillusioniert.»

Dämonen

Hula I 1927

Der Beginn der Tonfilmära beeinflusst den Geschmack des Publikums, und das Image des bis dahin grössten weiblichen Stars der Paramount Studios als Flapper und It-Girl beginnt zu wackeln. Einerseits stehen den Studios andere weibliche Stars wie Marlene Dietrich, Nancy Carroll, Ruth Chatterton oder Frances Dee zur Verfügung, andererseits kämpft Clara Bow mit Gewichtsproblemen, braucht haufenweise Pillen, um morgens aus dem Bett zu stolpern und nachts überhaupt schlafen zu können. Die Geräuschkulisse am Set der Tonfilm-­Studios, der Stress und die Hetze ihres Umfelds triggern ihre Dämonen, und ihr Gesundheitszustand verschlechtert sich. Sie erträgt den Stress nicht mehr. Im Alter von 28 Jahren beendet sie 1933 ihre Filmkarriere und zieht sich mit ihrem Ehemann Rex Bell, den sie 1931 geheiratet hat, auf eine Rinderfarm in Nevada zurück. Doch das beschauliche Eheleben mit zwei Kindern ist fragil. Clara unternimmt wie einst ihre Mutter einen Suizidversuch. 1949 wird bei ihr Schizophrenie diagnostiziert, an der sie bis zu ihrem Tod durch Herzversagen 1965 leidet.

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ART & CULTURE

&

MASHUPS

VON DIGITALER ARCHÄOLOGIE Bilder von ihm selbst gibt es keine. Seine Arbeiten aber sind weltberühmt. Der Multimedia-Künstler Hey Reilly begeistert auf Instagram mit schwindelerregender Kreativität und seiner Auseinandersetzung mit dem Zeitgeist der digitalen Welt. Durch die Grossen der Modewelt – von Gucci bis Fendi – haben sich seine Bilder nun auch den Weg in die analoge Welt gebahnt. Anka Refghi I

Hey Reilly

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ART & CULTURE

Das «Fila-Fendi»-Mashup war die Initialzündung zur Zusammenarbeit mit dem Hause Fendi.

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Hey Reilly für die Herrenkollektion «FW18» von Fendi

ART & CULTURE

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ART & CULTURE

M

it seinem unverwechselbaren Gespür für die Verschmelzung von Mode und bildender Kunst ist der gebürtige Schotte Hey Reilly berühmt geworden. Als Absolvent des legendären «Royal College of Art» in London lancierte er einst sein eigenes Kleiderlabel, bevor er sich gänzlich der digitalen Kunst zuwendete. Seine Arbeiten sind bunt, vielschichtig und fluten seinen Instagram-Account mit digitalen Collagen, handgezeichneten und gerenderten Elementen, die Vergangenheit und Gegenwart aufeinandertreffen lassen. Als er mit seinen Arbeiten «#FakeNews»

die Logos und Schriftzüge der grössten Marken neu interpretierte, dauerte es nicht lange, bis er von denselben entdeckt wurde. So holte ihn nicht nur Guccis Creative Director Alessandro Michele für Guccis Instagram-Kampagne «#GucciGram», sondern auch Fendi für die aktuelle Männerkollektion Fall / Winter 2018 an Bord. PRESTIGE: Hey Reilly, Sie sind Absolvent des «Royal College of Art» in London und arbeiten heute für Marken wie Nike, Lamborghini, Gucci und viele mehr. Inwiefern hat Instagram Ihre Karriere beeinflusst? HEY REILLY: Instagram hat die Art und Weise beeinflusst, wie ich darüber nachdenke, was ich tue. Die Struktur von Instagram mit seinem Feed und der Scroll-Funktion hatte in mir den Wunsch geweckt, den Betrachtern mit meinen Bildern einen visuellen «Ruck» zu geben. Durch Instagram besitze ich aber auch eine öffentliche Plattform für meine Followers und biete zur gleichen Zeit einen unterhaltsamen und informellen Rahmen, in dem mich potentielle Kunden kontaktieren können. Mir gefällt auch die Idee des Scrollens, wodurch man Arbeiten über Jahre hinweg chronologisch gegen unten verfolgen kann. Es gibt mir das Gefühl einer Art «digitaler Archäologie». Vor allem aber hat mir Instagram kreative Freiheit gegeben – ob es sich um kurz anskizzierte Bilder oder aufwendige Arbeiten handelt – sie alle haben die Chance, im gleichen «digitalen Pool» zu schwimmen. Ihre «FakeNews»-Entwürfe, bei denen Sie humorvoll mit Veränderung von bekannten Logos spielen, haben weltweit für Furore gesorgt … Kam dieser durchschlagende Erfolg überraschend? Ich interessiere mich sehr für Roland Barthes und die ­Semiotik. Dabei geht es auch darum, Marken und Logos als nonverbale Zeichensysteme zu sehen und darüber nachzudenken, wie neue digitale Marken und Mode-Logos ihre Botschaften von Identität, Exklusivität und Begehren vermitteln. Jeder Künstler hofft natürlich, dass seine Arbeit eine Wirkung erzielt, und ich wusste, dass die «#FakeNews»-­Serie als Bilder funktionieren würde, aber ich hätte nie erwartet, dass sie so viel Aufmerksamkeit auf sich zieht. Natürlich bin ich dankbar und erfreut. Welche Reaktionen haben Sie von den Unternehmen selbst erhalten? Als Künstler besitze ich natürlich die Freiheit, mit Bildern zu arbeiten und sie öffentlich zu präsentieren, aber als Fendi mich kontaktierte, hatte ich Ärger erwartet! Als ich dann erfuhr, dass die Chefdesignerin Silvia Venturini Fendi mit mir für die aktuelle Herrenkollektion «FW18»

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ART & CULTURE

z­ usammenarbeiten wollte, war ich fassungslos! Sie hatte mich auf Instagram gefunden, und wir haben uns sofort verstanden. Ich bin begeistert, dass meine Arbeit offline in die reale Welt und auf reale Körper übergehen konnte. Fendi ist ein traditionelles italienisches Modehaus, Sie sind ein multimedialer Künstler und fest in den sozialen Medien verankert. Wie haben Sie die Zusammenarbeit mit Fendi erlebt? Silvia Venturini Fendi erkannte sofort das Potenzial, das mein «Mashup» «FILA / F ENDI #fakenews» für ihr Unternehmen hatte, was mich sehr beeindruckte. Sie hat mir sofort die Kreation der Bilder für die Herrenkollektion anvertraut, und es war wunderbar, sie kennenzulernen. Sie ist eine wirklich warme und grosszügige Person, und im Fendi-Team sind einige der glücklichsten Kreativen, die ich je getroffen habe. Das ist besonders Silvia zu verdanken, die diesen Geist am Arbeitsplatz gefördert hat. In der Kollektion kombinieren Sie Bananen und Pferde und spielen auf humorvolle Weise mit dem «F» von Fendi. Was steckt als Idee hinter dieser Kollektion? Ich kann nicht wirklich erklären, wie die Bildkombinationen zustande gekommen sind, aber im Wesentlichen habe ich ein angeborenes «Ad-hoc»-System, bei dem gefundene Bilder mit einem plastischen Sinn für Balance und Ungleichgewicht gemischt werden. Wenn die Magie in einer

Collage stimmt, gehe ich einfach mit. Die Bilder für Fendi testen unser Gefühl, in nonverbalen Zeichen einen Sinn zu finden. Mir gefällt die Vorstellung, dass sie als digitale Hieroglyphen fungieren könnten, die in der zeitlosen digitalen Archäologie verloren gehen, aber darauf warten, von einem Experten gefunden und übersetzt zu werden. Grosse Logos und Statement-T-Shirts sind derzeit ein zentrales Thema in der Modewelt. Was sagt das Ihrer Meinung nach über den Zeitgeist unserer Gesellschaft aus? Ich denke wieder an Roland Barthes und an die Semiotik von Logos und Brandings. Sie sind mächtige nonverbale Sprachsysteme, die als Abkürzung für Konzepte der kommerziellen Exklusivität dienen. Im Kontext komplizierter politischer Zeiten können die besten Marken und Logos noch eine relativ einfache Botschaft vermitteln: «Ich bin schlau. Ich bin in Mode. Ich bin im Bilde» – und solche einfachen Nachrichten sind mächtig, auch wenn sie sehr simpel sind. Sie sind Grafiker und Künstler … Woher kommt Ihre starke Affinität zur Mode? Während meiner Studienzeit am «Royal College of Art» kombinierte ich instinktiv Bilder mit der von mir entworfenen Kleidung. Mode ist ein grandioses «Message Board» für den Austausch von Bildern und Ideen. Ich liebe T-Shirts als einen physischen Raum auf dem Körper des Trägers, der sich perfekt zum Übermitteln von Nachrichten und Bildern eignet. Meine digitale Arbeit funktioniert auf die gleiche Weise, nur mit einer «Instagram-Zelle» als Nachrichtenraum. In Ihrem Kunstwerk verarbeiten Sie auch immer wieder klassische Werke, Gemälde und berühmte Skulpturen – welche Rolle spielen die Wurzeln der Kunst in Ihrem Werk? Ich benutze gerne Bilder, die gemeingültig als «Grosse Kunst» bezeichnet werden. Ich denke auch an John Bergers grossartiges Werk «Ways of Seeing», durch das er den Menschen das Betrachten von Kunst lehrte – vom Sehen zum Betrachten – und wie diese Idee in unserem überstimulierten, digitalen Zeitalter noch relevanter ist. Gibt es etwas, das Sie gerne auf diesem Gebiet realisieren würden, wenn Sie die Gelegenheit dazu hätten? Ich würde gerne vermehrt in der institutionellen Kunstwelt experimentieren – beispielsweise in einer Kollaboration mit der Nationalgalerie. Interessant wäre es, die Möglichkeiten zu erforschen, wie die grossen Ikonen der klassischen Kunst anders verwendet werden könnten. Sie zu dekonstruieren oder ihre bekannte Ikonographie zu überlagern oder zu konterkarieren. Es wäre eine Herausforderung, mit der Anmut und Kraft bedeutender Kunstwerke in einem kuratierten Raum zu konkurrieren, aber ich würde es gerne versuchen.

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ART & CULTURE

Ihre Arbeiten sind auf der ganzen Welt bekannt. Sie selbst halten sich als Person im Hintergrund … Ich mag es nicht, vor einer Kamera zu stehen oder die Kontrolle an einen Fotografen abzugeben. Es ist natürlich eine besonders konträre Position, Bilder von mir selbst auf Social Media zu vermeiden, während ich auf diesem Gebiet arbeite. Doch das Vermeiden der Darstellungen meines

«Selbst» und dadurch die Aufmerksamkeit gänzlich auf meine Arbeit zu richten, ist für mich eine sehr interessante – und vielleicht auch auf Dauer unmögliche – Herausforderung. Eine fehlende Präsenz in der digitalen Welt fasziniert die Menschen sehr. Ich bin nicht davon besessen, die Anonymität zu wahren, aber ich bin glücklich, solange sie dauert.

Collagen sind ein zentrales Thema in Hey Reillys Schaffen.

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ART & CULTURE

AUS DEM LEBEN EINES GALERISTEN: FARBEN! zu trocknen. Für Picasso, der seine Werke gerne spontan entwickelte und oft noch wenige Stunden vor einer Ausstellung veränderte, dauerte das viel zu lange. So verwundert es nicht, dass er sich für die industriell hergestellten Wandfarben der Firma Ripolin interessierte. Diese hatten den Vorteil, dass sie extrem schnell – innerhalb eines Tages – trockneten und ihren glänzenden Charakter behielten. Dass sie auch noch günstig waren, kam Picasso gerade recht. Er gehört damit zu den ersten Künst­ lern, die nicht mehr mit individuell angefertigten Ölfarben malten, sondern die standardisierten Produkte der Farbenindustrie verwendeten. WILHELM J. GRUSDAT

1966 hatte Gerhard Richter einen kurzen Flirt mit der Pop Art. Damals begann er, maschinell hergestellte Farbmusterkarten abzumalen. Daraus entstanden seine berühmten Farbtafelbilder, die verschiedene Raster aus Farbrechtecken in unterschiedlichen Tönen auf einem weissen Hintergrund zeigen. Da es ihm nach einer Weile zu langweilig wurde, die von den Firmen vorgegebenen Farb­ nuancen abzumalen, begann er mit den Zwischentönen und Helligkeitsstufen der vier Farben Rot, Gelb, Grün und Blau zu spielen und sie willkürlich auf der Leinwand anzuordnen. Sein letztes Bild aus dieser Serie zeigt 4096 Farb­ felder – eine Nuancenvielfalt, die das Auge kaum fassen kann. Die Firma Surrey NanoSystems stellte dem Künstler Anish Kapoor 2014 das schwärzeste Schwarz zur Verfügung. Die Farbe besteht aus Kohlenstoff-Nanoröhrchen, die wegen ihrer thermischen, mechanischen, elektronischen Eigenschaften eigentlich in der Industrie eingesetzt werden und auf Aluminiumbögen «wachsen» müssen. Kapoor war der Erste, der sich auch mit den optischen Eigenschaften dieses Materials auseinandersetzen durfte. Im Gegensatz zu anderen schwarzen Farben absorbiert Vantaschwarz 99,9 % des Lichts. Formen, die damit gemalt werden, verlieren sofort ihre Körperlichkeit und wirken für das Auge wie ein schwarzes Loch in der ansonsten bunten Welt.

Auch der abstrakte Maler Mark Rothko verwendete industrielle Farben – was nicht immer eine gute Entscheidung war. 1964 schenkte er der Universität Harvard eine Bilderserie, welche die Passion Christi darstellen sollte. Die Komposition bestand aus verschiedenen Rottönen, für die der Künstler die Druckfarbe Lithol-Rot verwendet hatte. Die Kunst­ werke wurden im Penthouse eines Bürogebäudes aufgehängt – einem Raum, der durch seine grossen Fenster und seinen sensationellen Blick über Boston beeindruckte. Hier waren die Bilder nicht nur dem Sonnenlicht ausgesetzt, der Raum wurde auch für Dinnerpartys genutzt. Ende der 70er war die ehemals strahlend rote Farbe zu einem Hellblau ausgeblichen. Das Werk galt als unwiderruflich zerstört, bis in den 1990ern der Konservator Raymond Lafontaine auf die Idee kam, das Werk mit einer individuellen Beleuchtung zu versehen, die den Farbverlust rein optisch ausgleicht. Rothkos Bilder strahlen erneut in frischem Rot. Allerdings nur, bis das Licht ausgeknipst wird, dann tauchen die Werke wieder in stumpfes Graublau ab. Da die Lampen täglich zu einer bestimmten Zeit an- und ausgeschaltet werden, kann man die Geburt und das Sterben des Bildes sehen – eine schöne Metapher und ein schönes Happy End für ein Meisterwerk!

«Warum beginnen zwei Farben, die man neben­ einandersetzt, zu singen?»

Ein so facettenreicher Künstler wie Pablo Picasso hatte naturgemäss eine starke Beziehung zu Farben. Nicht umsonst stammt von ihm die unbeantwort­ bare Frage: «Warum beginnen zwei Farben, die man nebeneinandersetzt, zu singen?» Er war aber auch ein rastloser und unge­duldiger Maler. Ölfarben brauchen normalerweise mehrere Wochen, wenn nicht sogar Monate, um

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ART & CULTURE

CITY

DREAMS Die bunten, utopischen und komplexen Gebäude, Städte und Parks von Body Isek Kingelez wirken wie «Polly Pocket» für Erwachsene. Es sind zauberhafte Welten, geboren aus der Vorstellung und der tiefen Hoffnung auf ein glückliches Morgen sowie dem Streben nach qualitativer Verbesserung. Helena Ugrenovic I

MoMA

E

r baut sie aus Plastik, Papier, Pappe, Wellpappe, Stanniol, Kronkorken und verwendet gelegentlich gebrauchte Verpackungen, Flaschenverschlüsse oder Getränkedosen. Die farblich harmonisch aufeinander abgestimmten, schillernden Meisterwerke spiegeln mit äusserster Perfektion seine Vorstellung über die glänzende Zukunft für seine Heimatstadt Kimbembele-Ihunga und für Kinshasa. Es sind seine zu Miniaturwerken auf­er­ standenen Fantasien, Verbesserungen, von Orten, die er scheinbar noch nie besucht hat, Länder

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wie Belgien, Deutschland, die Vereinigten Staaten, Japan, Palästina oder die Sowjetunion. Body Isek Kingelez erschafft Welten, die den Wunsch wecken, auf eine Körpergrösse von fünf Millimeter zu schrumpfen und für alle Ewigkeiten in diesen verschollen zu bleiben.

Blutige Erde 1948 wird Body Isek Kingelez als ältestes von neun Kindern und unter dem Namen Jean-Baptiste im Dorf Kimbembele-Ihunga, Belgisch-Kongo, geboren. Knapp 600 Kilometer trennen die Einöde von


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Kimbembele Ihunga I 1994

der Hauptstadt Léopoldville, in der immer noch die Belgier präsent sind. Es ist ein Land, das unter der Herrschaft von König Leopold II. und der belgischen Kolonialherrschaft von 1885 an eines der grausamsten Kolonialregimes erlebt hat und nach der Unabhängigkeit von 1960 und mehrjährigen innenpolitischen Konflikten mit diktatorischer Härte und bis zu dessen Sturz 1997 von Mobutu Sese Seko regiert wird. Ein weiterer Bürgerkrieg entbrennt. Für die gebeutelte Bevölkerung ist es eine Hölle ohne Ausweg, für Träumer wie Body Isek Kingelez der Nährboden für seine, neue, Welten. In denen Har-

monie überwiegt, bunte Farben, bizarre Formen und Fantasielandschaften nicht nur eine Flucht aus der Realität, sondern Mut und Hoffnung spiegeln.

Der Autodidakt Body Isek Kingelez zieht 1970 nach Kinshasa, studiert Teilzeit, unterrichtet an einer Schule und restauriert im Nationalmuseum von Kinshasa traditionelle afrikanische Masken. In dieser Zeit beginnt er mit seinen ersten Werken. Er ist ein Autodidakt und, was seine Kreationen betrifft, alles andere als bescheiden. Er beschreibt sich als «kleinen

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Gott sowie aufgeklärten Künstler mit neuen Horizonten und dass noch niemand seit undenklichen Zeiten solch eine Vision hatte». Wie prahlerisch das auch klingen mag, ist sein atemberaubendes Werk «Body Isek Kingelez: City Dreams», eine eupho­rische Ausstellung als utopisches Wunderland im Museum of Modern Art in New York, der Beweis dafür.

Von 1985 an arbeitet Body Isek Kingelez ausschliesslich als Künstler. Die futuristischen Objekte, die er erfindet, triggern sowohl das Auge als auch den Geist und bringen die eigene Bilddatenbank auf Hochtouren. Es ist nicht leicht, die Vielzahl an Stilen und Richtungen nachzuvollziehen, die sich in Kingelez’ Traumstädten wiederfindet. Chinesische Pagoden? Las-Vegas-­­Casino-Spirit? Romanische Gewölbedecken? Amerikanische Mega-­K irchen? Ostblock-Architektur? Empire-Manteluren? Es sind Suggestionen, von denen jede einzelne perfekt in ein komplexes Ganzes integriert ist. Die Formen seiner Gebäude sind unterschiedlich abgestuft, hochragend, schlangenförmig, gefiedert und gerippt und mit Gittern aus Kreisen, Streifen, Diamanten, Sternen und floralen Mustern verziert. Die Farben Rot, Gelb und Grün der Nationalflagge von Zaire sind in seinen Traumstädten tief verankert.

Body Isek Kingelez

Am 14. März 2015 stirbt Body Isek Kingelez in ­Kinshasa und hinterlässt eine Welt, die nicht nur ihm gefällt.

City Dreams im MoMA New York

Bis Januar 2019 zeigt das MoMA 33 Kreationen des visionären Künstlers. Darunter einzelne Gebäude, Sitzplätze und verrückte kleine Stadtzentren, von denen einige die grossen Boulevards und Gebäude von Kinshasa im belgischen Art-déco-Stil zeigen. Sie stammen aus den Jahren 1980 bis 2007. Seinen Ruf als unverkennbarer Künstler erarbeitete er sich 1989, als sechs Modelle in «Magiciens de la Terre» im Centre Pompidou in Paris aufgenommen wurden.

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Kinshasa la Belle I 1991


ART & CULTURE

EDITOR’S

CHOICE Der Neorealist

Norbert Bisky gehört zu den bedeutendsten deutschen Malern der Gegenwart. Er war Meisterschüler von Georg Baselitz; seit seinem Studien­ jahr 1995 in Madrid zählen Francisco de Goya, Francisco de Zurbarán und Jusepe de Ribera zu seinen Einflüssen. Seine grossformatigen, neorealistischen Werke zeigen überhelle Darstellungen von jungen Männern in freier Natur, in scheinbar heroischem Idyll, das jedoch auf den zweiten Blick Fragen aufwirft. Der Katalog umfasst Biskys Werke aus den Jahren 2008 bis 2018 und begleitet seine erste Schweizer MuseumsEinzelausstellung, die vom 2. September bis 9. Dezember 2018 im Museum Langmatt in Baden zu sehen ist. #SENDNUDES MENDO TeNeues Norbert Bisky Hatje Cantz

Kameravirtuosen

Der sorgfältig kuratierte Bildband nähert sich dem Thema der erotischen Fotografie aus weiblicher Perspektive. Das Buch ist eine spielerische, kokette und humorvolle Interpretation der traditionellen Aktfotografie und eine pulsierende Hommage an den weiblichen Körper. Mit einer differenzierten Bildauswahl von jungen und aufregenden Fotografen aus aller Welt werden die zahlreichen Facetten der weiblichen Schönheit und des weiblichen Körperbewusstseins im 21. Jahrhundert eingefangen.

Donald: The Book Assouline

Andy Warhol of Instagram

Es ist kein Zufall, dass Donald Robertson, bekannt als @drawbertson für seine Hundert­ tausende von Anhängern in sozialen Medien, zum beliebtesten Künstler der Modewelt in der Instagram-Ära geworden ist. Robertson, der sich den Namen «Andy Warhol of Instagram» verdient hat, wird von Mitgliedern der Modeund Kunstwelt und von fast jedem, der seine Arbeiten sieht, als Inspiration gefeiert. Diese Monographie enthält das Beste seiner Kunstwerke sowie eigens für diesen Titel geschaffene Originalarbeiten. Mit spielerischen Anekdoten und Zitaten von Branchenführern, Modedesignern und seinen vielen Mitarbeitern und Musen ist «Donald: The Book» bereits jetzt ein Sammlerstück.

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ART & CULTURE

Kunstvoll Gesch riebenes Wor t, U h r oder Tasche – auch d iese Sa ison beweist, dass Ku nst übera l l z u fi nden ist.

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1 I PRADA

Prada präsentiert eine Kollektion mit verspielten Details in Form von Kronen, Diamanten, Herzen und Robotern in farbigem Email, die Taschen, Geldbörsen und Kreditkartenfächer schmücken.

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2 I SWATCH

Kreative Zusammenarbeit mit dem niederländischen Rijksmuseum: Swatch dienen erstmals grosse Werke der Kunst­ geschichte als Grundlage für drei neue «Gemälde» am Handgelenk. «Worldhood»-HerbstWinter-Kollektion 2018.

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3 I VITRA DESIGN MUSEUM

5 I DIOGENES

In «Hippie» lässt Paulo Coelho die Leser an unbekannten, frühen Kapiteln seines Lebens teilhaben. Ein Buch über die Liebe, eine gemeinsame Reise, Erfahrungen auf dem Hippie-Trail und die Suche nach eigenen Werten.

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Retrospektive «Victor Papanek – The Design of Politics»: Der Designer, Autor und Aktivist Victor J. Papanek (1923–1998) war Wegbereiter eines sozial engagierten, nachhaltigen Designansatzes. Seiner Auffassung nach sollte Design nicht nur der Formgebung dienen, sondern ein Werkzeug politischen und gesellschaftlichen Wandels sein. Bis 10. März 2019

4 I MOSCHINO

Für die Pre-Collection Herbst / Winter 2018 / 19 stehen erotische Polaroids des Künstlers Carlo Mollino im Zentrum, die zwischen 1960 und 1973 auf­ genommen wurden. Eine Auswahl präsentiert Moschino nun als Drucke auf Kleidung und Taschen.

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VISUAL

FEAST


Lucia Giacani arbeitet als Modefotografin für die italienische «Vogue» und die exklusivsten Modemarken weltweit. Ihre Bilder provozieren und begeistern durch surrealistische Inszenierungen und den Ausdruck starker Weiblichkeit, der schon einmal gängige Schönheitsideale mit einem Augenzwinkern entlarvt. Anka Refghi I

Lucia Giacani


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eit über zehn Jahren arbeitet Lucia Giacani als Modefoto­ grafin mit eigenem Studio in Mailand. 1976 in einer kleinen mittelalterlichen Stadt namens Jesi im Zentrum von Italien geboren, begann sie schon als Teenager, mit der Fotografie zu experimentieren. Doch erst nach einem Sprachstudium in Bologna und einem Designstudium in Rom entdeckte sie die Fotografie als eine zukunftsweisende Karriereoption für sich. Der Erfolg blieb nicht lange aus. Ausgezeichnet mit mehreren Preisen in Italien und im Ausland, fotografiert sie heute für renommierte Magazine wie «Vanity Fair» oder «Vogue» und namhafte Kunden von Prada bis Gucci.

immer für das offen zu sein, was einen umgibt, und zu sehen, was man in seinen Projekten verwenden oder anpassen kann, hat mich nie mehr verlassen.

PRESTIGE: Lucia, wie entstehen Ihre aufwendigen Produktionen? LUCIA GIACANI: Nun, wenn ich Editorials produziere, bei denen ich grosse schöpferische Freiheiten besitze, beginne ich manchmal bis zu einem Jahr vorher damit, Ideen zu sammeln. Ich denke über eine Geschichte nach und über die Art Frau, die ich porträtieren möchte. Beim Skizzieren des Storyboards mache ich mir Gedanken zur Beleuchtung, zu Haaren und Make-up und zur Szenerie im Allgemeinen. Skizzen helfen mir, den Dreh gedanklich besser zu organisieren, und dem Team, das Projekt zu verstehen.

Ihre Modelle sind von ätherischer Schönheit und auf wunderbare Weise bizarr. Welches Bild von Weiblichkeit möchten Sie transportieren? Es ist eine Weiblichkeit, die nicht unbedingt das ist, was ich bin oder sein will, aber eine, die ich interessant finde. Die Auswahl ist ein unbewusster Prozess, aber ich neige dazu, immer eine bestimmte Art von Frau darzustellen. Frauen, die ich wähle, würde man selten als kommerzielle Models bezeichnen. Sie sehen etwas ungewöhnlicher

In Ihren Bildern spielen Sie mit Provokationen … Ich erschaffe Bilder, die meine eigenen Empfindungen widerspiegeln. Das ist die Hauptantriebsfeder für das, was ich tue. «Provokation» hängt immer auch von einem Standpunkt ab. Manchmal sind Künstler aber so tief in ihrer eigenen Welt versunken, dass sie den Blick dafür verlieren, was eventuell zu provokativ sein könnte. Auch ich muss mich manchmal selber daran erinnern, dass meine Bilder um die Welt gehen und nicht nur für den Mailänder Modemarkt gemacht sind. Aber grundsätzlich erschaffe ich keine Bilder, nur um zu provozieren.

Woher kommt Ihre Liebe zum Surrealismus? Das ist nicht ganz leicht zu beantworten. Es ist ein natürlicher Teil von mir, ohne, dass ich dafür einen besonderen prägenden Moment ausmachen könnte. Als Teenager habe ich mich oft mit meinen Freunden verkleidet. Wir gingen an verlassene Orte, wo wir die Räume mit dem veränderten, was herumlag. Wir waren sehr kreativ und drehten mit Diafilm und entwickelten mit «C-41», um interessante Farben und stärkere Kontraste zu erhalten. Die Eigenschaft,

Lucia Giacani

Sie arbeiten unter anderem auch oft für die italienische «Vogue». Wie wichtig war die einstige und legendäre Chefredakteurin Franca Sozzani der «Vogue Italia» für den heutigen Stil der Fotografie in Italien? Franca war auch Chefin der «Vogue Accessory», für die ich viel gearbeitet habe. Ich fühlte mich jedes Mal geehrt, wenn sie sich auch für das Cover für eine meiner Auf­ nahmen entschied. Sie war der Inbegriff von Stil und Eleganz und zugleich das humane Gesicht der Modewelt. Es ist schwer, Italien von der Welt zu trennen, wenn wir über Franca Sozzanis Einfluss sprechen. Mit ihrem Support für Fotografen wie Steven Meisel hat sie eine Generation von Menschen weltweit beeinflusst.

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ART & CULTURE

aus, sind dabei aber gleichermassen schön und interessant. Ich positioniere die Mädchen oft in bizarren Szenerien, die es offensichtlich machen, dass für das Verstehen eine Art Dekodierung durch den Betrachter notwendig ist. Es sind komplexe Themen, und dadurch, dass die Models in surrealen Umgebungen posieren, wird ihnen ein Leben jenseits der gewohnten Ästhetik eingehaucht. Sie präsentieren mehr als ein nur ein Lächeln oder einen zur Schau gestellten Körper. Meine Models können schrullig, surreal, nachdenklich und selbstbewusst zugleich sein. Hat sich der Geschmack für die Auswahl der Models in den letzten 10 Jahren verändert? Für mich nicht, denn ich wähle je nach Projekt ganz unterschiedliche Models. Generell aber hat sich definitiv viel geändert. Die Models spiegeln heute die Gesellschaft wider. Zurzeit haben wir eine Ästhetik, die sich mehr über die Haltung und Einstellung als über traditionelle Schönheit definiert. Die traditionelle Vorstellung von «Schönheit» wird infrage gestellt. Diese Veränderungen sind aber auch marktbedingt, da sich der Betrachter mit möglichst «echt» wirkenden Models identifizieren soll und so die Bindung zur Marke gestärkt wird. Glauben Sie, dass die «me-too»-Bewegung einen Einfluss auf die Repräsentation von Frauen in der Modewelt hat? Grundsätzlich gilt, dass Models – egal ob männliche oder weibliche – vorsichtig sein sollten, wenn sie zu Beginn ihrer Karriere in ein unbekanntes Fotostudio gehen, denn ich denke, dass sie am Set zum Teil auch unter Druck gesetzt werden. Aber ich bin sicher, dass sich die «me-too»-Bewegung bereits positiv auf die Modebranche auswirkt. Das sind wichtige Themen, die im kollektiven Bewusstsein unserer Gesellschaft ständig an vorderster Front stehen sollten. Diese «glamourösen» Berufe der Mode- und Filmindustrie benötigen eine «Überarbeitung». Der «männliche Blick» ist mit einem männlichen Gehirn verbunden, und dieses Gehirn braucht Bildung. Die Problematik des Missbrauchs hat immer viel mit Macht zu tun und damit, dass mächtige Leute glauben, Regeln gälten nicht für sie. Im Vordergrund steht der «Nervenkitzel der Jagd» oder der Drang zu kontrollieren oder zu zerstören. Das sind wichtige Themen, über die diskutiert werden muss. Die Fotografie ist eine komplexe Disziplin … Betrachten Sie Ihre Arbeit aus der Perspektive einer Malerin, die ein Bild komponiert, oder aus der Perspektive einer Filmregisseurin, die eine Szene, eine Geschichte gestaltet? Das ist eine gute Frage. Die Perspektive ändert sich – wenn ich das Storyboard skizziere, habe ich die Sicht einer Malerin. Beim Fotografieren betrachte ich zwar Perspektive, Farbe und Licht wie eine Malerin, besitze jedoch nicht deren Freiheit. Eine Filmregisseurin muss zusätzlich auch an Be-

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wegung und Ton denken. Wenn ich also eine Disziplin beschreiben soll, die nicht meine eigene ist, wäre es wohl diejenige einer Theaterregisseurin. Vieles ist zurzeit im Wandel. Können Sie auch eine generelle Veränderung der Ästhetik in der Modefotografie ausmachen? Ja, es gibt eine sich wandelnde Ästhetik. Die Modefotografie hat sich im Laufe der Jahre, mit dem Aufkommen von For-


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maten wie Instagram und Social Media, von einer elitären Kunst hin zu einer demokratischeren Disziplin entwickelt. Sie ist momentan weniger kuratiert, und die verschiedenen Zweige der Modefotografie existieren nebeneinander. Ihre Fotos sind ungeheuer kunstvoll. Wo ziehen Sie die Grenze zwischen Kunstfotografie und Modefotografie? Für mich ist Kunst weder eine «furchteinflössende» Sache, noch ist sie so einfach wie die Grunddefinition des Wortes

«Kunst», die so viel bedeutet wie «eine Fähigkeit, die durch Lernen oder Üben erworben wurde». Natürlich beinhaltet Modefotografie den kommerziellen Aspekt, aber oft steht nicht die Kleidung im Vordergrund. Wenn eine Person «künstlerisch» ist oder «künstlerische» Werke produziert, macht sie das zu einem Künstler? Für mich persönlich ist diese Art von Definitionen auf jeden Fall nicht wichtig. Mich durch visuell interessante und kreative Fotografie auszudrücken, ist meine Leidenschaft, da ziehe ich persönlich keine Grenze.

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«Meine Models können schrullig, surreal, nachdenklich und selbstbewusst zugleich sein.» – Lucia Giacani –

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DIE KUNST DES WAHRNEHMENS XAVIER VEILHAN

Kunstformen wie Bildhauerei, Malerei, Videokunst, Fotografie und technische Installation neu erfassen, wobei er facettenreich die Moderne zitiert, ohne die klassische Bildhauerei aus den Augen zu verlieren. Der 55-jährige Xavier Veilhan lebt und arbeitet in Paris. «Kunst ist eine Vision, ein Werkzeug, durch das wir schauen müssen, um unsere Vergangenheit zu verstehen, unsere Gegenwart und Zukunft», so Veilhans Auffassung der Kunst. Seine Ausstellungen in Städten, Gärten und Galerien weltweit sind auffallend inszeniert und fordern die Wahrnehmung, aber auch die Sinne des Betrachters immer wieder aufs Neue heraus.

Die Ton-Skulptur

Wer kennt sie nicht, die Skulpturen des Künstlers Xavier Veilhan, die auf der ganzen Welt zu finden sind? Imposant sind sie, seine Werke. Für sein Werk «The Skater» schichtete er im südkoreanischen Seoul riesige blaue Aluminium-­ Platten so, dass die Figur eines kolossalen Eisläufers entstand, in Paris, und direkt vor dem Centre Pompidou, installierte er 2,60 Meter hohe grüne Skulpturen. Geprägt durch namhafte Hochschulen und deren Meister, wie Georg Baselitz, möchte Veilhan in seinen Werken das Reale durch verschiedene

So, wie auch 2017, als er zur 57. Kunstbiennale in Venedig den französischen Pavillon in ein luxuriöses Aufnahmestudio verwandelte, in dem Musiker aus aller Welt sieben Monate lang arbeiten konnten. Über das «Studio Venezia», das für alle Stimmen, alle Melodien und sogar alle Missklänge offen war, sagte Veilhan: «Ich stelle es mir als totale Erfahrung vor: eine Installation, die die Besucher eintauchen lässt in die Atmosphäre eines Tonstudios. Musiker verschiedenster Stilrichtungen sind eingeladen, in dieser Tonstudio-Skulptur zu experimentieren, die dadurch während der 7-monatigen Biennale zum Medium für deren Kreationen wird. In dem Pavillon verschmelzen bildende Kunst und Musik, und die Installation reflektiert verschiedene künstlerische Bezüge.»

1 ZITAT «Für mich ist alles von der Position des Betrachters und nicht von der Position der Dinge abhängig.» – Xavier Veilhan –

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TRAVEL In einem Umfeld voller Wohlhabender hat sich ausgerechnet ÂŤStreet ArtÂť einen bemerkenswerten Platz erobert.


HIGHTECH

MEHR ALS NUR

Allseits bekannt als Hauptstadt des Silicon Valley glänzt San José neben Facebook und Apple auch mit dem richtigen Mass an Geschichte, Wissenschaft und Natur. Anna Karolina Stock I

Visit San José

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TRAVEL

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rittgrösste Stadt Kaliforniens, durchschnittlich 300 Sonnentage im Jahr, Heimat von Apple, Facebook, Google, Tesla und Co – und dennoch ist San José im Silicon Valley immer noch ein Geheimtipp. Dabei bietet das weltgrösste Hightech- und IT-Zentrum weitaus mehr als nur Computer-Clouds, Silizium-Chips und Geheim­ labore. «Rund 60 verschiedene Sprachen erklingen Tag für Tag in den Strassen von San José und machen die Stadt zu einem multikulturellen Ort», berichtet Rich Saito vom Japanese American Museum. Zwar sind auch lateinamerikanische, polynesische und vietnamesische Einflüsse zu spüren, doch spiele die japanische Kultur eine ganz besondere Rolle. San Josés Japantown (Nihonmachi) entstand genau dort, wo sich die japanischen Einwanderer um 1890 als Farmer im Santa Clara Valley niederliessen. Mehr als ein Jahrhundert später bildet die japanische Gemeinde von San José eines der drei letzten historischen Japantowns in den Vereinigten Staaten. Das Leben im Land der unbegrenzten Möglichkeiten war alles andere als leicht, das zeigen die Ausstellungsstücke im Japanese American Museum. Als Museumsguide möchte Rich Saito, pensionierter Polizist und selbst Nachkomme japanischer Einwanderer, ein Stück Geschichte an zukünftige Generationen weitergeben. «Unsere bewegte Vergangenheit ist der Grund, wieso San José heute unser Zuhause ist», erklärt er. Das dürfe nicht in Vergessenheit geraten.

Auf Kunstwerke der Westküste aus dem 20. und 21. Jahrhundert spezialisiert: das «Museum of Art»

Valley. Die viktorianische Villa gehörte Sarah Winchester, der Witwe des Gewehrfabrikanten William Winchester. Sie ist aus rund 160 Zimmern unterschiedlicher Grössen zusammengesetzt. «Neben 40 Schlafzimmern gibt es 47 Kamine, sechs Küchen, 13 Badezimmer, mehrere Geheimgänge und über 1000 Fenster – aber nur eine einzige Dusche», zählt die skurrile Museumsführerin Eve Santana und das Geheimnis auf. Sarah Winchester befürchtete, der Legende von Winchester nach, von den Geistern der getöteten Ureinwohner Etwas ausgelassener geht es auf der berühmten und Bürgerkrieg-Soldaten, die zu Hunderten durch Einkaufsstrasse «Santana Row» in Downtown San Kugeln aus den Winchester-Gewehren gestorben José zu. Schattenspendende Eichen, Skulpturen waren, im Schlaf heimgesucht und getötet zu französischer Künstler und antike Springbrunnen werden. Um von ihnen nicht gefunden zu werzieren die luxuriöse Shoppingmeile mit ihren mon- den, schlief sie jede Nacht in einem anderen Zimdänen Boutiquen und gehobenen Restaurants. mer und liess über 38 Jahre lang kontinuierlich Ganz ohne Hightech geht es aber auch hier nicht: neue Zimmer anbauen. «So entstand ein riesiges Mitten im Gewusel befindet sich der Flagship-­ Labyrinth aus Sackgassen, Türen, hinter denen Show­room von Tesla – typisch San José. Nur ein sich Wände befinden, und Treppen, die einfach in paar Blocks weiter steht das Winchester Mystery der Decke enden», berichtet Eve mit geheimnisHouse, die wohl kurioseste Attraktion des Silicon voller Stimme.

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1927 erbaut: das «California Theatre» in San José

Das Leben im Silicon Valley ist vielseitig und bunt.

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Auf dem Mount Hamilton gelegen: das «Lick-Observatory» in Kalifornien

Von Bits und Bytes Nichtsdestotrotz ist und bleibt San José das Tor zu Innovation und Technologie. Dies wird deutlich, sobald man am Terminal B des internationalen Flughafens aus dem Flieger steigt und vom «Space Observer», einer acht Meter hohen, kinetischen Skulptur des Kölner Künstlers Björn Schülke, begrüsst wird. Falls der Erfindergeist beim Anblick dieses raumsondenartigen Kolosses noch nicht geweckt wurde, steht er spätestens im Tech Museum of Innovation – kurz «The Tech» genannt – von den Toten auf. Denn hier taucht man ein in die Welt von Morgen: Roboter designen, Gene manipulieren, alternative Energien entwickeln. Dank der interaktiven Exponate werden sogar Bits und Bytes endlich verständlich. Für viele Tech-Fans ist eine Reise nach San José ein Muss. Weltberühmte Unternehmen wie Apple und Hewlett Packard sind hier gegründet worden. Die legendäre Garage in Los Altos, in der Steve Jobs und Steve Wozniak 1976 den ersten Apple-Computer gebaut haben, befindet sich nur wenige Kilometer vom heutigen Apple-Hauptsitz entfernt.

Gegensätze ziehen sich an Obwohl San José Dreh- und Angelpunkt der internationalen Technologiebranche ist und mit über 6600 Unternehmen das «Who-is-who» der digitalen Zukunft beheimatet, hat die Hauptstadt des Silicon Valley auch eine ganz natürliche Seite. Nur eine dreissigminütige Autofahrt entfernt warten Naturschönheiten wie weitläufige Weinanbaugebiete, die Berge der Santa Cruz Mountains, die Felsbrücken am Natural Bridges State Beach oder der «Henry Cowell Redwood State Park» mit seinen riesigen

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Küstenmammutbäumen («Sequoia sempervirens»). «Die Giganten können über 110 Meter hoch werden und wachsen nur in den Küstengebieten Nord­ kaliforniens und im Süden Oregons», berichtet Parkranger Dave Solloy. Da die Bay Area ab Mitte des 19. Jahrhunderts ein wichtiger Umschlagplatz für die Holzindustrie war, seien heute nur noch fünf Prozent der Altbestände übrig.

Auf der Suche nach neuen Planeten Ähnlich beeindruckend wie die Baumgiganten ist auch der Blick in die Sterne durch den «Great Lick Refractor». Als das 36 Zoll grosse Linsenteleskop 1888 in Betrieb genommen wurde, war es das grösste und modernste der Welt. Damit kann sich das Lick-Observatorium auf dem Mount Hamilton heute zwar nicht mehr brüsten, dafür können Besucher in fast 1300 Meter Höhe noch immer einen fantastischen Blick in den nächtlichen Sternenhimmel werfen. «Dank der Höhe liegt die Sternwarte über dem Nebel, der sich oft in der Bay Area bildet», erklärt Wissenschaftler Paul, während er das Teleskop einstellt. «Mit 330 klaren Nächten im Jahr haben wir hier ideale Sichtverhältnisse.» Wer mehr über Stephen Hawking, die Suche nach Planeten ausserhalb unseres Sonnensystems und extraterrestrischer Intelligenz erfahren möchte, sei im Observatorium genau richtig. Sein Namens­ geber war übrigens der amerikanische Pianobauer James Lick, aus dessen Nachlass der Bau finanziert wurde. Ähnlich wie Sarah Winchester hatte auch Lick ein spezielles Leben – doch das ist eine andere Geschichte … Die Recherchereise für diesen Beitrag wurde unterstützt von Visit San José und Lufthansa.


Maximum Wellbeing „Was bedeutet Luxus, wenn Sie keine Zeit haben, ihn zu geniessen?“ Maura Wasescha

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Offline geniessen heisst das Rezept fĂźr die perfekte Erholung.

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OFFLINE

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GENIESSEN Die meisten können sich ein Leben ohne Smartphone, Tablet oder Computer nicht mehr vorstellen. Auch beim Check-in im Hotel gilt eine der ersten Fragen dem Passwort für das WLAN. Digital Detox heisst daher der neue Trend, den auch immer mehr Reiseveranstalter und Hotels anbieten.

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ind wir alle süchtig? Gewissermassen ja. Die meisten Menschen fühlen sich ohne ihr Smartphone nahezu hilflos. Der kleine Alleskönner ist ja so viel mehr als nur ein Telefon. Schon morgens nach dem Aufstehen ist der erste Griff der zum Handy. E-Mails checken, News lesen, immer «up to date» sein. Aber nicht nur das Smartphone, auch die modernen Haushaltsgeräte verbinden sich automatisch mit dem WLAN und lassen sich so sogar von unterwegs steuern. Ob Licht, Kühlschrank, Geschirrspüler oder Waschmaschine, Smart-Home hält in immer mehr Haushalten begeistert Einzug und ist dann auch nicht mehr wegzudenken. Alles an sich Kleinigkeiten, die aber in Summe die digitale Abhängigkeit ziemlich klar aufzeichnen. Ein echter Teufelskreis. «Fear Of Missing Out» – kurz FOMO, die Angst, etwas zu verpassen, lässt uns ständig aufs Handy schauen. Geniessen wir beim Spaziergang überhaupt noch bewusst die Natur? Waren am Bachlauf Blumen? Haben die Vögel gezwitschert? Kön-

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nen wir uns zuhause ­daran erinnern, oder sind wir dazu durch den ständigen Blick aufs Handy schon zu abgelenkt? Diese Fragen kann sich nur jeder selbst beantworten. Aber ein guter Schritt ist sicher einer zurück ins analoge Dasein. Zumindest zeitweise. Sich beispielsweise eine kleine Auszeit aus der digitalen Welt gönnen und das Smartphone ausgeschaltet für ein paar Stunden in die Schublade, wäre schon ein Anfang. Ob eine Tasse Tee oder Kaffee auf der Terrasse in der Sonne oder was auch i­mmer glücklich macht – bewusst geniessen, ganz ohne Ablenkung oder digitale Störung, wirkt Wunder.

Digitales Entgiften worldwide Digital Detox heisst die Devise, und schon längst ist dieser Trend auch in der Travel-Branche an­ gekommen. Angefangen hat die Idee unter dem Motto «Disconnect to Reconnect» mit Hippiecamps im Silicon Valley. Ziel war es, eine gewisse Zeit ohne jegliche digitalen Medien auszukommen.

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schalten weit entfernt von der Hektik des Alltags und bieten ihren Gästen zahlreiche Meditationsoder Detox-Programme.

Verhinderung einer energetischen Insolvenz Wieder zu lernen, auch ohne Smartphone glücklich zu werden, ist ein anspruchsvolleres Unterfangen, als so manch einer glaubt. Doch auch einer der profiliertesten Ayurveda-Ärzte Deutschlands, Dr. Ulrich Bauhofer, fordert eine «Energiewende», da mit dem digitalen Überkonsum Raubbau an den Energiereserven betrieben wird, was früher oder später in eine energetische Insolvenz führen wird.

© Belmond

Digital-Detox-Urlaubsangebote erleben einen rie­si­ gen Boom, sie sollen uns vor dem digitalen Burn­out retten. Wer dabei allerdings an eine einsame Berg­hütte, abgeschieden von der restlichen Welt, denkt, liegt falsch. Auch im Luxus-Segment gibt es immer mehr Hotels, die ihren Kunden eine digitale Auszeit offerieren. Das kann im Kleinen beginnen, wie in der «Mandarin Oriental Group» – hier wird dem Gast unter anderem ein 90-minütiges Digital-Detox-Wellnessprogramm angeboten, und der Spa-Bereich wurde zudem zu einer handyfreien Zone erklärt. Aber auch Designhotels in ganz Europa setzen immer mehr auf das Ab-

Wortwörtlich einmal abzuschalten wird für die Gesundheit immer wichtiger.

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Wenn die Tage kälter werden, locken Reisen i n wärmere Reg ionen – a m besten mit den perfekten «It-Pieces» im Koffer.

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SEHNSUCHTSORT

COPACABANA


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Vor einhundert Jahren noch war der fünf Kilometer lange weisse Sandstrand der Copacabana völlig unbekannt und abgeschnitten vom Rest der Welt. Dass eines der schönsten Hotels Brasiliens heute direkt an dem wunderschönen Sandstrand emporragt, daran hätte damals noch keiner gedacht.

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Belmond

eit seiner Eröffnung im Jahr 1923 beherbergt das Hotel im Art-déco-Stil die Reichen und Schönen der Welt. Die unvergleichliche Lage macht es zu einer exklusiven Kulisse, vor der Jahr für Jahr die grössten Veranstaltungen der Stadt abgehalten werden, darunter der berühmte Karneval.

Ein Blick zurück Lange war die Bergkette, die mit dem Zuckerhut so eindrücklich im Meer endet, nahezu unpassierbar. Lediglich ein kleines Serpentinensträsschen

führte hinüber. Im Mai 1892 sollte sich dies schlagartig ändern: Mit einem Tunneldurchstich wurde der Weg frei zu einem der schönsten Orte der Welt: Copacabana, einem kleinen, verschlafenen Fischernest. Seine Lage an einem atemberaubenden Strand, den hier niemand vermutet hätte, gepaart mit dem angenehmen tropischen Klima, liess die Einwohner von Rio schnell das Potential des Örtchens erkennen. Die Einwohner Rios, die «Cariocas», suchten eine Alternative zu der verschmutzten Stadt, in der die Luft schlecht war und es Probleme mit Kanalisation und Strom gab.

Das Hotel ist seit 1923 Treffpunkt der Reichen und Schönen.

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TRAVEL

Luxuriöses Idyll am exklusiven Pool

Die einmalige Lage an der Copacabana ist legendär.

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den französischen ­Architekten Joseph Gire, und 1923 konnte das «Copacabana Palace» seine Pforten im Art-déco-Stil öffnen. Tradition und Luxus werden in dem imposanten Gebäude in Szene gesetzt, dafür schaffte man die edelsten Materialen der Welt wie den berühmten italienischen Marmor oder Mahagoni an. Die Rechnung ging auf: Das prächtige Hotel wurde zur Bühne für politische, kulturelle und gesellschaftliche Ereignisse. Dutzende von Weltstars wie Josephine Baker, Ella Fitzgerald, Frank Sinatra, Marlene Dietrich oder Fred Astaire kamen und hinterliessen ihre Spuren im «Palace». So galt es 40 Jahre lang als das begehrteste Hotel unter den internationalen Jetsettern und wurde zum Synonym für Luxus und High Society.

Die Wiege das Bossa Nova

Auch Weltstars wie Marlene Dietrich oder Fred Astaire stiegen im «Palace» ab.

Denn die Industrie wuchs rasant und damit auch die Arbeiterviertel. Also ergriffen die Betuchten die Chance und fanden in Copacabana genau den Ort, den sie für ihren Stand und ihre Zwecke suchten.

Prunk, Bohème und Laster Es wurde investiert und gebaut wie noch nie. Weitere Tunnel wurden angelegt, eine moderne Infrastruktur als Basis für herrschaftliche Villen und später auch Hochhäuser, die in den Himmel schossen, wurde geschaffen. Damit einher entstanden auch im «alten» Rio neue Strassenzüge im Gründerzeit­ ähnlichen Stil, der das Stadtbild der «neuen Stadt» mitprägte. Später dann setzte sich der Art déco durch. Noch vor der Côte d’Azur etablierte sich hier das Apartmenthochhaus zum Symbol des unabhängigen Wohnens moderner und mondäner Menschen. Heute ist der Ort längst ein Teil Rios geworden, und nichts ist mehr geblieben von der einst so jungfräulichen Landschaft. Und das Strassenbild wirkt heute eher verrucht als mondän. Kaum jemand ahnt, dass es einst ein Hotel war, das dem Viertel zum Durchbruch verhalf.

Das Viertel erlangt Weltruhm Der damalige Staatspräsident Epitacio Pessoa erkannte die globale Sogwirkung seiner «neuen Stadt» und setzte sich persönlich für den Bau e ­ ines Luxushotels ein, um seinen Staatsgästen zu imponieren. Pessoa beauftragte

Wenn wir an Rio und die «Copa» denken, denken wir automatisch auch gleich an die heissen Rhythmen des Karnevals, die pure Lebensfreude versprühen. In den 1950er Jahren entstand hier nicht nur der Bossa Nova, der Samba schwappte erst von hier aus über die Welt. Und Frank Sinatras legendäres «Girl from Ipanema» wohnte gleich um die Ecke. Leider hätte das «Palace» aber fast nicht überlebt. Längst wohnen in der Nachbarschaft nicht mehr die «oberen Zehntausend». Das Viertel überkam das gleiche Schicksal wie so viele andere hippe Orte. Es zog immer mehr Menschen an, die sich dort an ihrem Lieblingsplatz niederlassen wollten, und eine Flut von Billigbauten überrollte das einst so würdevolle Quartier. Die Luxuspiste wurde zur Feiermeile und war nicht mehr die Ultima Ratio für gehobene Staatsgäste, die Konkurrenz hatte aufgeholt.

Neu in altem Glanz Ein Grossbrand in den 1970er Jahren und der Konkurrenzdruck anderer Luxushotels bedeuteten fast das Ende des «Palace». Die Rettung kam mit dem Verkauf. So glänzen heute wieder alle 226 Zimmer um die Wette mit der Sonne an der Copacabana. Für höhere Ansprüche eignen sich bestens die 26 Apartments und Suiten im «Executive Floor» sowie die «Präsidentensuite». Natürlich ist für alle erdenklichen Annehmlichkeiten gesorgt – vom kulinarischen Highlight des Restaurants bis hin zu authentischen Freizeitmöglichkeiten aller Art.

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HIDEAWAY FÜR ALLE SINNE Wer den Alltag ganz weit hinter sich lassen möchte, der ist im MOHR life resort in Lermoos genau richtig. Inmitten der imposanten Bergkulisse der Tiroler Ferienregion «Zugspitz Arena» gelegen, lässt sich hier exklusiv entspannen – und das wusste bereits der bayerische Märchenkönig Ludwig II. Anka Refghi I

MOHR life resort

S

chneller, höher, weiter – der Alltag fordert immer mehr. Umso wichtiger sind dann die Auszeiten, in denen man die Seele einfach baumeln lassen kann. Ganz im Zeichen der Entspannung steht das von der Familie Künstner-­Mantl geführte Tiroler Hotel MOHR life resort, seines Zeichens eines der besten und beliebtesten Wellnessresorts des Landes und gleichermassen Top­ adresse für Aktivferien. Das denkmalgeschützte Ge­ bäude blickt auf eine 212 Jahre lange Tradition als Gasthaus zurück, das zu seinen illustren Gästen einst auch den bayerischen Märchenkönig Ludwig II. zählen konnte, der regelmässig das heutige Zimmer 106 bewohnte.

Wo sich die schönen Seiten des Lebens verbinden Heute werden mit dem architektonisch modernen Anbau Lifestyle, Wellness, Beauty und Gourmetküche auf höchstem Niveau ebenso zelebriert wie

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Gastfreundschaft, die hier noch mehr als eine leere Worthülse ist. Das 4-Sterne-Superior-Hotel wartet nicht nur mit exklusivem Service auf, sondern auch mit 18 verschiedenen Zimmer-Kategorien für jeden Geschmack und Anspruch – vom Doppelzimmer, über die 007-Suite, die als echter Männertraum sogar Platz für das eigene Auto bietet, bis hin zur Feuersuite mit eigenem Kamin oder dem Pent­ house Adlerhorst. Unbezahlbar aber ist die Lage des Hotels mit seiner Panorama-Sicht auf die Zugspitze, die ihresgleichen suchen muss.

Wellnesstempel der Superlative Vielfältig und höchst exklusiv präsentiert sich der Wellness- und Beautybereich des Hauses, der weit über die Landesgrenzen hinaus bekannt ist. 2500 Quadratmeter auf zwei Etagen sind hier die imposanten Eckdaten. Ein beeindruckender Indoor-­ Pool mit grossen Glasfronten und schwebenden Ruheinseln, ein Aussenbecken, ein moderner Fitnessraum mit Technogym-Geräten und zahlreiche


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Traumhaftes Idyll für Wellness-Fans und Wanderer: das MOHR life resort

Bewegungs- und Entspannungsprogramme von Yoga bis Pilates bieten hier alles, was man sich nur wünschen kann. Ganz im Auftrag der Schönheit heisst das Credo im Beautybereich des Hauses, wo neben individuell massgeschneiderten Schönheitsanwendungen auch Bäder, Massagen, Packungen oder der «Aqua Thermo Jet» oder die «HydroMassage»-Wanne für Entspannung und ein unvergessliches Wohlgefühl sorgen. Wer es privater mag, dem empfiehlt sich die Reservation des VIP-SPA, einer Sauna- und Entspannungswelt im Flair einer marokkanischen Oase mit «Farasha»-­ Bad, original marokkanischen Betten und einem herrlichen Panoramablick.

Ein Paradies für Wanderer Seit jeher ist das Hotel MOHR life resort für seine ausgefallenen Angebote zu jeder Jahreszeit bekannt. Dazu gehören exklusive Privilegien, die einzig den Hotelgästen vorbehalten sind: das Reiten in der hoteleigenen Reithalle mit Pferden aus der Quarter-

horse-Pferdezucht, Fischen und Tauchen in den kristallklaren MOHR-life-Privatseen oder das Fliegenfischen auf 1000 Meter Höhe, das, wie das Wandern, schon längst auch von jungen Menschen als perfekter Ausgleich zum Alltag mit meditativem Charakter entdeckt wurde. Und wer Wandern liebt, der wird hier glücklich. Denn die Tiroler Zugspitz Arena bietet mit ihren insgesamt über 150 Wanderrouten ein wahres Eldorado für Wanderer und Spaziergänger – atemberaubende Naturkulissen und spektakuläre Ausblicke auf die Alpenwelt inklusive. Der weite Talkessel rund um Lermoos bietet alles von der Blumenwiese bis hin zum imposanten Bergmassiv. Highlights in der Region sind der Zugspitzgipfel, die Sonnenspitze oder der Grubigstein. Wer es allerdings etwas gemütlicher mag, der kann ganz bequem mit den modernen Bergbahnen der Tiroler Zugspitz Region die Höhenlagen erreichen, in einer der urigen Almhütten einkehren und während der Talwanderung die klare Bergluft und wunderbare Natur geniessen. Willkommen im Paradies!

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GEBÄUDE

SO BUNT WIE DER HERBST Einige Bauten und Strassenzüge sind so farbenfroh, dass man sie überall auf der Welt kennt. Kleine und grosse Perlen der Baukunst, die nicht nur Architektenherzen höherschlagen lassen. Nike Schröder


«La Muralla Roja» in der Kleinstadt Calpe im Südosten Spaniens


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ine rosarote Residenz, gebildet fast wie eine Festung. Der furiose Komplex ragt von den Klippen hervor, im Hintergrund schimmern der Himmel und die Costa Blanca in den schönsten Blautönen um die Wette. Die Rede ist von «La Muralla Roja» in der Kleinstadt Calpe im Südosten Spaniens. Nur wenige Gehminuten von der Altstadt entfernt erreichen Sie dieses aussergewöhnliche Bauwerk, entworfen in den 1970er-Jahren von Ricardo Bofill. Eine essenzielle Rolle in den Bauwerken Bofills spielt der Kubismus. Die vielen Stufen, Ecken, Innenhöfe, Nischen machen seine Bauweise so einzigartig. Für die Aussenfassade wählte der Spanier rosarote Töne, die Treppen und Verkehrsflächen in Violett, Himmel- und Indigoblau setzen wunderbare Akzente. Ein Highlight der Wohnanlage ist die grosszügige Dachterrasse mit traumhaftem Ausblick. Die Dachterrasse mit Pool steht allen Bewohnern von «La Muralla Roja» zur Verfügung. Bofill wollte nach seinem abgeschlossenen Architekturstudium die starren Strukturen der Gesellschaft aufbrechen. Dabei ging es vor allem um die Art des Zusammenlebens. «La Muralla Roja» ist daher mehr als nur ein aussergewöhnlich konstruiertes Bauwerk – es bietet die Möglichkeit eines neuen Miteinanders, die Grundlage für eine sozialere Gesellschaft. «Unsere Bauten sollten dem konventionellen Strassenbild den Rücken zu­kehren. Im Inneren wollten wir die Bewohner zu einem neuen Miteinander animieren, soziale Experimente provozieren, die Kleinfamilie überwinden. Wir waren jung damals, wir waren Utopisten», so Ricardo Bofill einmal.

Pink Street Pink ist auch die «Nova do Carvalho», die Nightlife-­ Strasse in Lissabon. Die «Pink Street» erblüht nachts zum Leben, wenn Clubs, Bars und Restaurants öffnen. Die «Pink Street» wurde 2011 als Teil eines Sanierungsprojekts neu gestaltet, um Lissabons ehemaliges Rotlichtviertel zu einem trendigen Ort für das Nachtleben zu machen. Natürlich haben

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Farbenfroh: die Insel Burano in der Lagune von Venedig

viele Restaurants auch tagsüber geöffnet, aber in den späten Abendstunden, bis morgens die Sonne aufgeht, ist hier der grösste Trubel. Eine Kneipen-­ Tour in der «Nova do Carvalho» ist beim nächsten Lissabon-Kurztrip jedenfalls ein Pflichtprogramm.

Kunterbuntes Pop-Art-Haus Von dem Trubel der Hauptstadt Portugals geht es in das beschauliche Braunschweig. Das zeit­ genössische «Happy Rizzi House», entworfen von dem US-amerikanischen Künstler James Rizzi (1950–2011) anlässlich der Expo 2000 und umgesetzt durch den Architekten Konrad Kloster, wurde 2012 komplett saniert. Die Fassaden-Gestaltung stammt von dem Künstler Oliver Kray. Auf rund 2000 Quadratmetern konnte er dem Gebäude neues Leben einhauchen. Mutig und lebendig ziert es seitdem den Achterhof, mitten in der Stadt im


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«Happy Rizzi House» in Braunschweig

Magniviertel. Das knallig bunte Gebäude gegenüber dem Shopping Center «Schloss-Arkaden» hat Kray ganz im Rizzi-Stil mit Gesichtern, Augen, Sternen und Herzen verziert. Auch die Fenster haben ganz individuelle Formen, mal ein Herz, mal ein Dreieck, mal plan mit der Fassade, mal erhaben. Das Pop-Art-Gebäude springt einen förmlich an. Weitere herausragende Werke des populären zeitgenössischen Künstlers Rizzi waren der Rizzi-­ Bird – der Künstler kreierte zum Jubiläum der Fluggesellschaft Condor 1996 die Aussenflächen einer Boeing 757 – sowie die 1999 designten drei New Beetles für die Volkswagen AG.

Venedigs bunte Insel Unser nächstes Ziel ist Burano, eine der grösseren und dichtest besiedelten Inseln in der Lagune von Venedig und Teil der Stadt Venedig. Lange

Sandstrände sucht man hier vergeblich. Dennoch ist Burano ein Urlaubsziel mit besonderem Charme. Schon die Anfahrt mit der Gondel ist ein ein­ maliges Erlebnis, links und rechts entlang der Wasserstrasse prägen die bunt gestrichenen Häuserfassaden von Burano das Inselbild. Fast jede Fassade hat einen individuellen Farbton. Der Grund für diese Farbenpracht hat eine lange Tradition: Für die Fischer dienten die bunten Fassaden der kleinen Fischerhäuser einst der Orientierung, wenn Sie bei Nacht und Nebel von ihrem Tag auf See zurück nach Hause kamen. Und genau diese farben­ frohen Fassaden haben Burano berühmt gemacht und zählen heute wohl zu den bekanntesten Sehenswürdigkeiten der kleinen Insel. Burano liegt etwa 45 Minuten von Venedig, der Hauptstadt Venetiens, entfernt. Für individuelle Erkundungen bietet sich der Vaporetto-Wasserbus an. Die Vaporetti legen an der Fondamenta Nuove ab. Ein Ausflug mit einem Guide hat den Vorteil, dass dieser natürlich alles Wissenswerte über diese kleine, bunte Insel erklärt. Aber egal, für welche Variante man sich entscheidet, die Kamera sollte in keinem Fall fehlen. Vor allem die Nachmittagssonne lässt die bunten Fassaden förmlich erstrahlen und zaubert die schönsten Urlaubserinnerungen auf die Fotos.

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WILLKOMMEN

IM PARADIES Die Dominikanische Republik steht für Genuss und den karibischen Traum schlechthin. Mit seinen rund 1300 Kilometern Küstenlinie ist der Karibikstaat eine Destination, die Vielseitigkeit, Luxus wie auch Erholung pur verspricht und das auch hält. Anka Refghi I

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Tourist Board Dominikanische Republik

en Alltag hinter sich lassen und einfach geniessen – kaum woanders gelingt das so gut wie in der Dominikanischen Republik. Der Karibikstaat auf der Insel Hispaniola ist lebendig, bunt und mit üppiger Natur bewachsen. Ob Badeferien, Kultur oder sportliche Aktivitäten von Golf bis Surfen – die Dominikanische Republik und ihre verschiedenen Regionen bieten alles, was das anspruchsvolle Herz begehrt.

Hauptstadt Santo Domingo Wer das lebendige Treiben liebt, dem empfiehlt sich ein Besuch der Hauptstadt Santo Domingo – mit ihrer zum UNESCO-Welterbe zählenden kolonialen Altstadt und den zahlreichen Shoppingangeboten. Die dominikanische Kultur ist vor allem auf der «Calle de las Damas» zu bewundern: Die «Strasse der Damen» zählt mit der berühmten «Plaza España», dem Nationalpantheon, dem Haus «Casa de Francia» und dem Museum «Casas Reales» zu den meistbesuchten Orten dieser lebensfrohen Stadt. Neben Restaurants und kulturellen Events bietet die Stadt eine Vielzahl aussergewöhnlicher und exklusiver Hotels wie das «Casa Sánchez», das «Billini Hotel Santo Domingo» und das «Hotel Casas del XVI.». Letzteres besteht aus vier unterschiedlichen, prächtigen «Casas» aus dem 16. Jahrhundert, die auf luxuriöse Weise Tradition und Moderne verbinden und über die ganze Stadt verteilt sind. Unter ihnen die früher von Aristokraten hoch geschätzte «Casa de Árbol» oder die «Casa de los Mapas» mit traumhaftem Innenhof und eigenem Pool. Für den sorgenfreien Genuss steht in jeder der Casas ein Butler zur Verfügung, der

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Traumhaft schön: der Stadtstrand «Boca Chica» von Santo Domingo

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Paradiesisch und direkt am Strand gelegen: das «Tortuga Bay Hotel»

Christoph Kolumbus

Ihren Namen verdankt die dominikanische Hauptstadt dem Seefahrer Christoph Kolumbus. Als er im Jahre 1492, nach fast zweieinhalb Monaten auf See, an einem «Heiligen Sonntag», einem «Santo Domingo», auf dieses unbekannte Land stiess.

Eldorado für Golfer: der berühmte Golfplatz «Teeth of the Dog», «Casa de Campo Resort & Villas»

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Geringeren als dem legendären Golfplatzdesigner Pete Dye entworfen. Direkt am Meer gelegen, entzückt er die Golfer mit grossflächigen Bunkeranlagen, kleinen Teichen und Wellentälern. Nicht weniger begeistern der 18-Loch-Golfplatz «The Links» und der 27-Loch-Platz «Dye Fore» des Resorts. Neben Golf-Paradiesen, Traumstränden und luxuriösen Hotels bietet diese Region im Süden des Landes noch viel mehr. So beispielsweise das Künstlerdorf «Altos de Chavón», das auf dem riesigen Areal des «Casa de Campo Resort & Villas» im Stil eines Mittelmeerdorfes aus dem 16. Jahrhundert nachgebaut wurde und einen traumhaften Blick auf den Fluss «Chavón» und das Meer bietet. Für einen unvergesslichen Tag sollte man den Besuch der atemberaubend schönen, zum Naturpark «Parque Nacional del Este» gehörenden Insel «Saona», mit Schildkröten, Delfinen und 112 Vogelarten, nicht versäumen.

«Secrets Cap Cana Resort & Spa»

seinen Gästen jeden Wunsch von den Augen abliest. Wer sich für Santo Domingo entscheidet, muss jedoch keineswegs auf Strand verzichten. Nur 30 Kilometer östlich liegt der berühmte «Hausstrand der Hauptstadt» «Boca Chica». Berühmt für seinen feinen, weissen Sand ist er geradezu perfekt für die Erholung nach einem kulturellen City-Trip.

Golf-Eldorado im Südosten Wer sich dem Golfsport verschrieben hat, ist im Südosten des Landes, in den Regionen «Punta Cana» und «La Romana», mit 17 von insgesamt 30 Golfplätzen in der Dominikanischen Republik genau richtig. Hier befindet sich eines der Resorts, das sich mit dem Titel «Bestes Golfresort der Welt» schmücken darf und seit mehr als 40 Jahren als beliebter Rückzugsort für Persönlichkeiten wie Julio Iglesias, Shakira und Beyoncé gilt: das «Casa de Campo Resort & Villas». Ein Eldorado für Golfer, das seinesgleichen sucht. So wurde der 18-Loch-Golfplatz mit Namen «Teeth of the Dog» von keinem

In der Dominikanischen Republik erfreuen sich, wie vielerorts auf der Welt, Resorts mit ausschliesslich erwachsenem Publikum immer grösserer Beliebtheit. «Adults Only» heisst das Konzept, das in der Region «La Romana» von dem Fünf-Sterne-Hotel «Catalonia Royal La Romana» angeboten wird. Absolutes Highlight sind hier die elf 55 Quadratmeter grossen Duplex-Suiten über zwei Etagen, mit grosszügiger Terrasse und eigenem Pool und Liegestühlen.

Der Stoff, aus dem die Träume sind An der östlichsten Spitze der Dominikanischen Republik liegt die Region «Punta Cana», die sowohl an das Karibische Meer als auch den Atlantik grenzt. Das klare Wasser und die rund 32 Kilometer Strand sind der Stoff, aus dem die Träume sind. Stilvoll residieren lässt sich hier vor allem im eleganten und luxuriösen Fünf-Sterne-Boutique-Hotel «Eden Roc» mit seinen 26 «Ocean Front»-Suiten, die von den Mailänder Designern Carlos Belgir und Marina Nova gestaltet wurden. Ein eben­ solches Highlight ist das zum «Punta Cana Beach Resort & Club» gehörende «Tortuga Bay Hotel», das einzige Resort auf der Karibikinsel mit «AAA Five Diamond»-Klassifizierung. Das exklusive Interior-­ Design trägt die Handschrift des weltberühmten dominikanischen Designers Oscar de la Renta. Zu den weiteren Hotel-Neuigkeiten mit eleganten Unterkünften im Luxussektor in Punta Cana zählen das «Secrets Cap Cana Resorts & Spa» am Strand «Juanillo» mit 457 Suiten, World-Class-Spa

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und Gourmet-Verköstigung sowie das «Blue Beach Punta Cana Luxury Resort», ein wahrer Hotspot für Luxus, Wellness und Kulinarik.

Puerto Plata im Norden Das exzellente Tourismusangebot wird im Norden der Dominikanischen Republik weiterhin stark ausgebaut. Schon längst gilt diese Region als Eldorado für Abenteurer und Sportler. Allen voran zählt der Strand von «Cabarete», in den sich Abenteuer­ suchende aus aller Welt verlieben, mittlerweile zu den fünf Top-Reisezielen der Welt für Windsurfer, Kitesurfer und Wellenreiter. Ein Hotel-Highlight ist auch das zur Luxushotelgruppe «Aman» gehö-

rende Luxus-­­­Resort «Amanera». Es liegt an einem er­habenen Ort, über dem halbmondförmigen Playa Grande Beach, umrahmt von saftig-grünem Dschungel und dem atemberaubenden Gebirge «Cordillera Septentrional». Auch die «Freunde des grünen Sports» sind hier bestens aufgehoben, denn das weitläufige Resort ist der erste golfintegrierte Aman, direkt am berühmten und kürzlich renovierten «Playa Grande Golf Course». Er gilt als Golfplatz mit der grössten Anzahl an Löchern mit Meerblick in der westlichen Hemisphäre und wird daher als «Pebble Beach der Karibik» bezeichnet. Kurz und gut: Die Dominikanische Republik empfiehlt sich sehr für die perfekten Ferien.

Lebensfroh und lebendig: die Hauptstadt Santo Domingo

Santo Domingo

Der historische Stadtkern der ersten Stadt des amerikanischen Kontinents zählt seit 1990 zum UNESCO-Welterbe. Die 300 Gebäude aus der Kolonialzeit – von denen 160 erst kürzlich saniert wurden – sorgen für unver­ gessliche Eindrücke. Zur Kultur der Dominikanischen Republik gehören ebenso die typische Merengue-Musik und der Merengue-Tanz, die Ende 2016 von der UNESCO zum imma­ teriellen Kulturerbe der Menschheit ernannt wurden.

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Der Strand von «Cabarete»: Paradies für Windsurfer, Kitesurfer und Wellenreiter


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WORLD

WIDE

Orte mit Geschichte

Von Sofia Coppolas luxuriösem Familien-Retreat im schönen Bernalda, Italien, über die Strände von Kate Winslets geheimem schottischen Versteck von Eilean Shona bis hin zu Kate Moss’ Lieblingsstrand auf den Malediven – jede dieser sechsunddreissig persönlichen Geschichten über die schönsten Orte der Welt ist vollgepackt mit Anekdoten und lyrischen Beschreibungen. Die traumhaften und grossformatigen Fotografien von dem kristallklaren Wasser und azurblauen Himmel des UXUA Casa Hotel & Spa über die üppigen Hänge Sri Lankas bis hin zu den Hipster-Hängen von Portland, Oregon, machen den Reiz des Buches aus und wecken den Wunsch, diese wunderbaren Orte der Welt auch selbst einmal zu entdecken.

Chic Stays Assouline Verlag

Von Souks und betörender Musik

Wenngleich nur das Mittelmeer Marokko von Europa trennt und es kaum einen Steinwurf vor der Südspitze Spaniens entfernt liegt, könnte es uns doch kaum ferner sein. Mit seinen Berg- und Wüstenlandschaften, seinen verwinkelten Souks, einer leckeren Küche, erlesenen Teppichen und Stoffen, farbenfrohen Mosaiken, intensiven Düften, betörender Musik und seinen gastfreundlichen Einwohnern ist Marokko ein höchst verführerisches und verlockend exotisches Reiseziel. Barbara und René Stoeltie tauchen tief ein in den Mythos Marokko und präsentieren diese bunte Auswahl von Wohnhäusern, um zu zeigen, was den marokkanischen Stil ausmacht: von gekachelten türkisfarbenen Schwimm­becken und üppigen Gärten bis zu geschnitzten Holzmöbeln und jadefarbenen Marmorspringbrunnen. Das 500-seitige Buch enthält bis anhin unveröffentlichte Fotos.

Living in Morocco Barbara & René Stoeltie Taschen Verlag

Venetian Chic Francesca Bortolotto Possati & Robyn Lea Assouline Verlag

Die Stadt am Canal Grande

Die venezianische Kunstkennerin, Innen­ architektin und Hotelière Francesca Bortolotto Possati kennt die Feinheiten Venedigs. Sie als Reiseleiterin zu haben, bedeutet, ihre Leidenschaft für die private Seite der my­ thischen Stadt, deren tägliche Besucherzahl die der Bevölkerung übersteigt, hautnah zu erleben. Besuchen Sie mit ihr Künstlerateliers, elegante venezianische Freunde und die Geheimnisse der Paläste. Wo auch immer man sich in dieser magischen Stadt befindet, überall erzählen Gebäude und Strassen von ihren Künstlern der Renaissance und den legendären Maskenbällen vergangener Jahrhunderte. Das anspruchsvolle Auge der Fotografin Robyn Lea macht dieses Buch zu einer Offenbarung für alle, die Venedig lieben.

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SPORTLICHES

BARBADOS

Faulenzen war gestern: Das Inselparadies setzt auf sportlichen Naturtourismus und bietet seinen Gästen die perfekte Mischung aus Bade-, Erholungs- und Aktivurlaub. Anna Karolina Stock

Hier sind Profis am Werk: Road-Tennis ist eine Mischung aus Tennis und Tischtennis.

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arbados steht für kulinarische Hoch­ genüsse, mitreissende Ka­­ri­bikklänge, eine bewegte Kolonialgeschichte und perfekte Sonnenuntergänge. Nicht umsonst landeten «Die Flippers» schon in den Neunzigern mit «Die rote Sonne von Barbados» einen Kassenschlager. Nicht umsonst gilt die Karibik­ insel mit ihren zahlreichen Rum-Shops als Paradies für jeden Rumliebhaber. Nicht umsonst kehrt R&B-­Legende Rihanna regelmässig in ihre Heimat zurück, so wie jedes Jahr im August zum traditi-

onellen «Crop Over»-Festival. Dieses wird zum Ende der Zuckerrohrernte gefeiert, und besonders sein Abschlussfest, der «Kadooment Day», ist bei Party-­Touristen aus aller Welt äusserst beliebt. Während der strassenkarnevalähnlichen Kostümparade wird gesungen und im Takt des Calypso durch die Strassen getanzt. Damit aber nicht nur feierwütige Amerikaner auf die Karibikinsel kommen, setzen ihre Inselbewohner auf Sporttourismus und rücken die aktive Seite ihrer sonnigen Insel in den Vordergrund.

© Anna Karolina Stock

Ein Nationalsport für Arm und Reich Schon seit den Dreissigern gilt «Road Tennis» als barbadischer (nicht barbarischer!) Nationalsport. Diese Mischung aus Tischtennis und Tennis wird auf einem sechs mal drei Meter grossen Spielfeld ausgetragen. Anstatt eines Netzes teilt ein circa 20 Zentimeter hohes Brett das Feld. Wer dann mit dem einfachen Holzschläger und Gummiball zuerst 21 Punkte erreicht, gewinnt. Die aktuelle Nummer eins ist der 32 Jahre junge Mark Griffith aus Bridgetown. «Besonders spannend ist es, wenn wir Turniere ausserhalb von Barbados haben und nach Kanada oder Grossbritannien reisen dürfen», berichtet der Profi. Sein grösster Turniergewinn war bisher ein Mittelklasseauto und Bargeld im Wert von 70’000 Barbados-Dollar (fast 35’000 Schweizer Franken). Doch das Beste an Road Tennis sei immer noch, dass es wirklich jeder spielen kann, egal ob arm oder reich. Man brauche kein teures Equipment wie bei Polo oder Golf, sondern nur ein bisschen Platz, zwei Holzschläger und einen Gummiball. Daher sieht Griffith gute Chancen, dass sich der Sport auch international etabliert. Wenn Road Tennis zur olympischen Disziplin erklärt wird, würde sein grösster Traum in Erfüllung gehen, schwärmt der Bajaner mit strahlenden Augen.

Teuer, teurer, Sandy Lane Obwohl sein Nationalsport nicht gerade zu den abgehobenen Upper-Class-Sportarten gehört, ist und bleibt Barbados auch ein karibisches Steuerparadies für die Schönen und Reichen dieser Welt. Wenig überraschend ist also, dass einer der teuersten Golfplätze der Welt auf Barbados zu finden ist: der «Green Monkey» des legendären «Sandy Lane Hotel» in der Nähe von Holetown. Bei einer Greenfee von 4000 US-Dollar und einem traumhaften Meerblick an 15 der 18 Löcher fährt

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hier wirklich nur die Crème de la Crème mit ihren ­Golfcarts über die perfekt rasierten Grünflächen. «Es kommt nicht von ungefähr, dass Golflegende Tiger Woods einst hier geheiratet hat», brüstet sich Golfmanager Elvis Medford stolz. Neben der Tatsache, dass sich regelmässig Stars wie Rihanna und Tiger Woods im «Sandy Lane» einquartieren, hat das an der Westküste gelegene Holetown auch historischen Wert. Denn genau hier landeten im Jahr 1625 mit Kapitän John Powell und seinem Schiff «Olive Blossom» (übersetzt ­Olivenblüte) die ersten britischen Siedler. Powell beanspruchte die Insel für den britischen König James I. und legte damit den Grundstein für die britische Kolonialherrschaft. Zwei Jahre später folgten die ersten britischen Kolonisten und gründeten eine Siedlung mit 80 Zivilisten und zehn afrikanischen Sklaven. Erst drei Jahrhunderte später, im Jahr 1966, erlangte Barbados seine vollständige politische Unabhängigkeit von Grossbritannien. Ein Denkmal im Stadtzentrum von Holetown erinnert bis heute an die historische Bedeutung des Ortes.

Kleine Insel, grosses Angebot Barbados liegt im Südosten der Kleinen Antillen und ist innerhalb des karibischen Archipels eine verhältnismässig kleine Insel: dreieckig, 33 Kilometer lang und an der weitesten Stelle 23 Kilometer breit. Mit ihren 431 Q uadratkilometern ist sie ungefähr halb so gross wie Berlin. Ihre Küstenabschnitte haben eine Gesamtlänge von 110 Kilometern (circa 85 Prozent der Küste), und ihr Sand schillert von strahlend weiss bis zartrosa. Am Silver Sands Beach im Süden von Barbados hat sich Windsurf­legende Brian Talma niedergelassen. Mit Hilfe seines Windsurfkumpels Richard Anderson leitet der ehemalige «König der Wellen» eine Kite- und Windsurfschule inklusive Shop und Unterkünften für Urlauber. D ­ er selbsternannte «Action Man» verkörpert ein Leben, von dem viele nur träumen: lässige Beach Culture. Für seine sportlichen Leistungen wurde ihm 2003 sogar der Ehrenstatus als «Barbados Ambassador» verliehen. Eine solche Auszeichnung hätte auch der 74-jährige George von Barbados National Trust verdient. Die Einrichtung wurde per Parlamentsbeschluss damit beauftragt, Orte und Stätten von ökologischer Bedeutung und landschaftlicher Schönheit zu erhalten und zu schützen. Mit 12 Wanderern fing die Gruppe an, mittlerweile ist es eine grosse Community, die sich jeden Sonntag am «Hackleton’s Cliff» trifft, um gemeinsam durch die Zuckerrohrplantagen und

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Besonders die Südküste der Insel ist ein Paradies für Wind- und Kitesurfer.

die üppige Vegetation des barbadischen Nordens zu wandern. «Man muss die Natur schützen, solange sie noch existiert», konstatiert der ehemalige Lehrer. Dies sei jedoch nicht möglich, wenn man nichts über das eigene Land weiss. Deshalb spreche er gerne über die geschichtlichen und botanischen Hintergründe seiner Heimat. Zum Beispiel, dass die Insel mit tropischen Regenwäldern übersäht war, bevor die Briten einmarschierten und sie landwirtschaftlich erschlossen. «Meine Weisheiten bringen rein gar nichts, wenn ich sie nicht teile», erklärt der Rentner.

Sieben auf einen Streich Barbados ist wie alle Karibikinseln ein pulsierendes Stückchen Erde im Atlantik. Allerdings hat es auch


© BTMI Europe

© BTMI Europe

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Karibikträume werden wahr: weiss-rosa schillernde Sandstrände und türkisblaues Meer so weit das Auge reicht.

eine stille Seite. Wer diese kennenlernen möchte, muss abtauchen. Abtauchen in die schlummernde Unterwasserwelt vor der Küste, wo schillernde Korallenriffe und Meeresbewohner aller Formen und Farben zu Hause sind: Riffkalmare, Bermudaund Zackenbarsche, Papageienfische, Barrakudas, Zylinderschwämme, Stachelrochen, Ammenhaie sowie Muränen. Atemberaubende Unterwasserpflanzen wiegen sich gemächlich in den warmen Meeresströmungen der Karibik, eine Schildkröte zieht zügig vorbei, während ein Seestern lieber gemütlich am Meeresgrund ruht. Zum barbadischen Unterwassermuseum gehört ausserdem eine erlesene Sammlung von über 200 Schiffswracks, welche im Laufe der Zeit ge-

wollt oder ungewollt auf den Meeresgrund hinabsanken. Abhängig vom ­«Todeszeitpunkt» ist jedes einzelne mehr oder weniger dicht mit gelben und roten Schwämmen bewachsen. Hartkorallen bedecken die noch intakten Bordwände, und Schwärme von Gelbstreifen-Grunzern bewohnen die Unterwasserkajüten. Jeder, der einen Blick durch die Taucherbrille wagt, wird feststellen, dass die Farbenpracht der Insel nicht am Strand aufhört, sondern sich bis an den Meeresgrund fortsetzt. Tauchlehrer Robert von der Tauchbasis Barbados Blue geniesst diesen Anblick täglich: «Tauchen ist ein sehr beruhigender Sport, denn man lässt den ganzen Trubel hinter sich und konzentriert sich nur auf sich und die Unterwasserwelt.» Der Carlisle Bay Marine Park in der Nähe von Bridgetown beheimatet gleich sieben überwucherte Schiffswracks in Schnorcheltiefe von 9 bis 18 Metern. Sie liegen sogar so nah aneinander, dass man sie auch in einem Tauchgang abgrasen könnte. Die Turboversion sozusagen: sieben Wracks auf einen Streich – ein Rekord für jedes Logbuch. Die Recherchereise für diesen Beitrag wurde unterstützt von Barbados Tourism Marketing.

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HERBST

WATCHES  JEWELLERY

ZEIT Der Herbst naht und damit die Zeit, in der man sich gerne mit der Zeit beschäftigt. Das Thema verlangt nicht unbedingt nach einer Uhr. Aber mit dem passenden Zeitmesser am Handgelenk lebt es sich dennoch besser.

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Gisbert L. Brunner

legant oder sportlich, zugekaufte oder selbst gefertigte Mechanik, schlicht und einfach oder kompliziert. Die Uhrenindustrie weiss, was ihre internationale Kundschaft wünscht. Und sie handelt danach. Gestalterische, technische und uhrmache­rische Vielfalt kennzeichnet die Neuheiten des Jahres 2018. Erdenbürger mit begrenztem finanziellen Budget kommen ebenso zu ihrem Recht wie Zeit-­Genossen, denen das Beste und Teuerste gerade gut genug ist. Was zählt ist die Maxime, das kostbarste, weil unaufhörlich verstreichende und unwiederbringliche Gut der Menschheit nicht irgendeinem Zeitmesser anzuvertrauen. Analog zur Lage bei Immobilien spielt bei Uhren die Provenienz eine wichtige Rolle. Auf einem ganz anderen Blatt Papier steht das optische Erscheinungsbild, bei dem alleine der persönliche Geschmack entscheidet.

Zeitschreibendes zum 160. Geburtstag 2007 schlüpfte die 1858 von Charles-Yvan und Hyppolite Robert ins Leben gerufene Uhrenmanufaktur Minerva unter das Dach von Montblanc. Sechzig Jahre nach der Firmengründung machte ein erstes Chronographenkaliber von sich reden. Seitdem prägten Taschen- und Armbanduhren mit zeitschreibender Funktion das Unternehmensbild. Insofern ist die Vorstellung nostalgiebetonter Chronographen nur logisch. Ins Jubiläumsprogramm des

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HUBLOT

MONTBLANC

Hamburger Traditionsunternehmens mit Uhren­ ateliers im Westschweizer Jura passt der «1858 Automatic Chronograph». Sein Stahlgehäuse misst 42 Millimeter, verfügt über einen Massivboden und verträgt Wasserdruck bis zu zehn bar. Im Inneren tickt das zugekaufte Selbstaufzugskaliber Sellita SW-510, welches Montblanc zum MB 25.11 veredelt. Kugellagerrotor-Selbstaufzug, Kulissenschaltung, Schwingtrieb-Kupplung, Achtelsekunden-­ Stoppgenauigkeit, 30-Minuten-Totalisator bei «3» und circa 48 Stunden Gangautonomie gehören zu den technischen Merkmalen. Vor der Lieferung absolviert jede Armbanduhr den strengen Montblanc Laboratory Test 500.

mehr als 2000 Vickers. Vor allem dann, wenn komplette Gehäuse mit Durchblick entstehen sollen. Auf solche versteht sich Hublot. Zum Einsatz kommen ausgeklügelte Verfahren unter Einsatz hoch präziser Laser. Transparenz und perfekte Oberflächen entstehen durch Politur mit Hilfe diamantbesetzter Schleifscheiben, Diamantpulver und anderen chemischen Substanzen. Beim neuen «Big Bang Sapphire Tourbillon» ist es mit der 45 Millimeter grossen und 14,25 Millimeter hohen Schale noch lange nicht getan. Um eine «glasklare» Angelegenheit handelt es sich dank Saphir auch beim skelettierten, aus 175 Teilen assemblierten Manufakturkaliber HUB6016. Das Handaufzugswerk verfügt über 115 Stunden Gangautonomie. Sein Tourbillon Im Zeichen vollkommener Transparenz vollzieht seine Pirouetten unter einer durchsichtiZur Herstellung von Saphir braucht es natürlichen gen Brücke aus besagtem Werkstoff. Somit stört Bauxit, Hitze und ein gerüttelt Mass Zeit. Der sol- nichts die Blicke wissbegieriger Mechanik-Voyeure. cherart erzeugte Grundstoff verfügt über hohe Die im Drehgestell untergebrachte Unruh vollzieht mechanische Festigkeit. Nach viel Bearbeitung-­ stündlich 21’600 Halbschwingungen. Wasser bleibt Know-how verlangt die enorme Materialhärte von bis zu drei bar Druck aussen vor.

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Tief-Taucher aus Genf

Klein, aber fein und sehr sportlich

Die «Oyster Perpetual Sea-Dweller Deepsea» entsteht bei Rolex nach der Devise «sicher ist sicher». Heisst: Jedes Exemplar muss schon in der Manufaktur einen Druck aushalten, der in 3900 Meter Wassertiefe herrscht. Über dem Meeresspiegel fühlt sich dieser stählerne Zeitmesser mit Heliumventil selbstverständlich genauso wohl. Auf dem funktionalen Zusammenwirken dreier Elemente basiert die patentierte «Ringlock»-Konstruktion: stickstoffbehandelter Hochleistungsring zwischen Glas und Gehäuseboden, 5,5 mm dickes Saphirglas und Gehäuseboden aus Titan. Zu den Käufern findet er mit fünfjähriger internationaler Garantie auf Funktion und Mega-Ganggenauigkeit im engen Toleranzbereich zwischen minus und plus zwei Sekunden täglich. Verantwortlich für Zuverlässigkeit und Präzision zeichnet das neue Automatikkaliber 3235 mit patentierter «Chronergy»-Hemmung und beruhigenden 70 Stunden Gangautonomie. Das stählerne Gliederband am 44-mm-Oystergehäuse besitzt eine adaptierte «Oysterlock»-Sicherheitsfaltschliesse. Dank eines «Glidelock»-Verlängerungssystems lässt sich das Band schrittweise um etwa zwei Zentimeter verlängern.

39 Millimeter bringt das Edelstahlgehäuse der Tudor «Black Bay Fifty-Eight» zwischen die Backen einer Schieblehre. Dieses Modell knüpft an die seit 1954 währende Taucheruhren-Tradition der Rolex-Tochter an. Anfangs reichte die Wasserdichte des «Oyster»-Gehäuses mit Schraubkrone bis zu zehn bar Druck, sprich 100 Meter. Ab 1956 konnte man –rein theoretisch- doppelt so tief abtauchen. Wiederum zwei Jahre später, also 1958 wartete die bei Sammlern sehr begehrte Referenz 7924 erstmals mit markanter Krone auf. Dieses Stilelement zeichnet den Retrolook-Newcomer von 2018 aus. Wie einst ist die Big-Crown-Schale dicht bis zu 20 bar Druck. Zuverlässige Ablesbarkeit selbst bei widrigen Sichtverhältnissen gewährleistet Super-LumiNova-­ Leuchtmasse. Im Verborgenen agiert das 26 mm kleine, 4,99 mm hohe Automatikkaliber MT5402. Wie die grösseren MT56xx-Schwestern verfügt es über Rotor-Selbstaufzug, 70 Stunden Gangautonomie, amagnetische Silizium-­ Unruhspirale und vier Hertz Unruhfrequenz. Fast von selbst verstehen mag sich die amtliche Chronometerprüfung jedes Uhrwerks.

Es lebe die Vergangenheit Exakt vor 52 Jahren präsentierte Favre-Leuba eine Armbanduhr mit integriertem Tiefenmesser. Eine ausgeklügelte Mechanik übertrug den steigenden oder sinkenden Druck des nassen Elements von der Membrandose auf ein entsprechend kalibriertes Zeigerwerk der «Bathy 50». In Gestalt der 48 Millimeter grossen «Raider Bathy 120 MemoDepth» feiert dieses durchdachte Instrument seine Renaissance. Natürlich haben findige Techniker die im Gehäuse verbaute Mechanik auf den neuesten Stand gebracht. Wasser gelangt weiterhin in eine Boden­ kammer, wo es auf ein Dosenaneroid einwirkt. Allerdings verträgt die neue Konstruktion Druck bis zu 20 bar. Der vom modifizierten Hebelwerk angesteuerte Zeiger überstreicht eine nicht-­lineare Tiefenskala bis zu 120 Meter. Ein nullstellbarer mechanischer Speicher merkt sich die maximal erreichte Tauchtiefe. Wie beim historischen Vorbild gibt es Dekompressions-Markierungen zum richtigen Auftauchen. Für die unter Wasser extrem wichtige Uhrzeit zeichnet das auf dem Eterna-Kaliber EMC 3903M basierende Handaufzugswerk FL321 mit 65 Stunden Gangautonomie und Gangreserve­ anzeige bei «12» verantwortlich. ROLEX

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Kosmopolitischer Zeitschreiber Heuer 02 heisst das von TAG Heuer selbst entwickelte Automatikwerk mit integriertem Chronographen. Neben der stabilen Chronographenbrücke ist das Schaltrad als einziges Bauteil mit der Grundplatine verschraubt. Alle übrigen Komponenten der zeitschreibenden Mechanik werden intelligent zusammengesteckt oder eingehängt. Ihre Funktion selbst oder andere Teile halten sie sicher in der richtigen Position. Die neueste Repräsentantin dieser durchdachten Kaliberfamilie mit riesigem Federhaus, 80 Sunden Gangautonomie und vier Hertz Unruhfrequenz trägt den Zusatz GMT, welcher auf das Vorhandensein eines zusätzlichen Zeitzonen-­ Dispositivs hinweist. Der Blick aufs Zifferblatt des «Carrera Chronograph GMT» lässt gleich zwei

FAVRE-LEUBA

TAG HEUER

TUDOR

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URBAN JÜRGENSEN

PATEK PHILIPPE

Stundenzeiger erkennen. Der rote davon rotiert innerhalb von 24 Stunden um 360 Grad. Folglich ist er für die Referenzzeit zuständig. Das weisse, ebenfalls im Zentrum drehende Lokalzeit-­Pendant lässt sich vom Minutenzeiger unabhängig in Stundenschritten vorwärts verstellen. Die bis zu 100 Meter wasserdichte Edelstahlschale mit Sichtboden, deren Vorderseite eine zweifarbige Keramiklünette ziert, misst 45 Millimeter.

Klangvolle Weltzeit Für das Debüt der Referenz 5531 im Jahr 2017 wählte Patek Philippe New York. Die limitierte Edition zur Ehren des «Big Apple» war sofort vergriffen. Zu kurz Ge­kommene können sich mit der 42 Millimeter grossen Rotgold-Referenz 5531R trösten. Sie fasziniert durch ein aufwändiges Zifferblatt. Das in Cloisonné-­ Email ausgeführte Zentrum zeigt eine Landschaft am Genfer See. Dahinter agiert das Kaliber R 27 HU, ein komplexes Automatikwerk mit massivgoldenem Mikrorotor und klangvoller Minutenrepetition. Die 8,5 mm hoch bauende Edel-­ Mechanik, deren «Gyromax»-Unruh samt Siliziumspirale stündlich 21’600 Halbschwingungen vollzieht, besteht aus insgesamt 462 Komponenten. HU,

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sive stählerne Armbanduhr, die sich nur auf der Homepage des Unternehmens bestellen lässt. Nach der Fertigstellung sind die Käufer eingeladen, das edle Stück Uhrmacherkunst persönlich in Biel entgegenzunehmen und bei dieser Gelegenheit auch mit den verantwortlichen Handwerkern zu plaudern. «The Alfred», so heisst der ausgesprochen klassisch gehaltene Zeitmesser, besticht durch ein elegantes 42-Millimeter-Gehäuse mit tropfenförmigen Bandanstössen, handgefertigte «Jürgensen»-Zeiger, massives Silber-Zifferblatt und natürlich ein Uhrwerk aus eigenen Ateliers. Nach spätestens 72 Stunden möchten die beiden Zugfedern des liebevoll feinbearbeiteten Kalibers P4 von Hand gespannt werden. Die Unruh oszilliert mit drei Hertz unter einer stabilen Brücke. Natürlich zeigt sich die feine Mechanik mit allen ihren subtilen Details beim Blick durch einen Sichtboden. Als Tribut an die Ahnen kann schliesslich auch die «grosse» kleine Sekunde auf dem Zifferblatt gelten.

Zeitschreibende Manufaktur

ausgeschrieben heure universelle, weist auf eine Indikation hin, bei der Patek Philippe zu den anerkannten Pionieren gehört. Das 32 mm grosse, vorderseitig montierte Modul bildet die Zeit simultan in den 24 Standard-Zeitzonen ab. Zum unkomplizierten Ein- und Verstellen gibt es im Gehäuserand bei «2» einen Drücker. Logischer- und korrekterweise tut das feine Schlagwerk die Zeit am jeweiligen Aufenthaltsort minutengenau kund.

Michel Parmigiani, Präsident der Uhrenmanufaktur Parmigiani Fleurier und qualifizierter Meister-Uhrmacher, weiss genau, was er sagt. Sein Credo: «Verglichen mit einem Tourbillon ist die Konstruktion eines integrierten Chronographen und dessen Entwicklung zur Serienreife fünf Mal schwieriger. Immerhin müssen sehr viele Komponenten funktional perfekt zusammenwirken. Fällt ein kleines Teil aus oder ist eine Baugruppe falsch justiert, versagt der Stoppmechanismus.» Daher dauerte es sechs Jahre, bis das hauseigene Chronographenkaliber PF365 zur Zufriedenheit funktionierte. Wie es sich für ein Spitzenprodukt gehört, obliegt die Steuerung der Funktionen Start, Stopp und Nullstellung einem Schaltrad. Die Verbindung zwischen Uhrwerk und Stopper mit 30-Minuten- und 12-Stunden-­ Zähler stellt eine vertikale Friktionskupplung her. Nachdem die Unruh des teilweise aus Massivgold gefertigten Uhrwerks mit flinken fünf Hertz oszilliert, lassen sich Zeitintervalle per Knopfdruck auf die Zehntelsekunde genau erfassen. Ein COSC-­ Zertifikat bescheinigt die Ganggenauigkeit von dem auf 50 Stück limitierten «Kalpa Chronor» mit ton­ neau­förmigem Goldgehäuse in den Dimensionen 48,2 x 40,4 mm.

Hommage an Alfred

Terrassen am Handgelenk

Wer Jacques Alfred Jürgensen nicht kennt, besitzt keine allzu grosse Wissenslücke. Der 1842 Geborene gehört zu einer Dynastie herausragender Uhrmacher mit dänischen Wurzeln. Ihm widmet die Manufaktur Urban Jürgensen & Sønner eine exklu-

Zweifellos gehört der neunstufige Terrassenbau zu den Wahrzeichen des Schwarzwald-Städtchens Schramberg. Genau pünktlich zum Jahrestag der Einweihung vor 100 Jahren hat Junghans seine architektonische Ikone gründlich saniert. Die

PARMIGIANI FLEURIER

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Fertigstellung ist der deutschen Traditionsmarke eine limitierte Uhrenedition wert. Wie der Name «Meister Chronoscope Terrassenbau» andeutet, dient diese Armbanduhr auch zum Stoppen von Zeitintervallen. Einstmals im spektakulären Terrassenbau, der nun ein Museum beherbergt, montierten die Junghans-Uhrmacher das hauseigene Chronographenkaliber J 88. Heutzutage kauft das Unternehmen seine mechanischen Uhrwerke zu. Als Basis für das J880.1 dient ein Valjoux 7750 mit Kulissensteuerung, Schwingtrieb, 30-Minuten- und 12-Stunden-Zähler, Rotoraufzug sowie maximal 48 Stunden Gangautonomie. Das schlichte Gehäuse misst 40,7 Millimeter. Hundert Exemplare sind in Roségold erhältlich, tausend mit einer Schale aus Edelstahl. Einigendes Element ist eine Abbildung des getreppten Bauwerks im massiven Gehäuseboden.

Tickender Ozean für anspruchsvolle Frauen Wenn anspruchsvolle Frauen von Welt Harry Winston hören, lässt sich ein Leuchten in den Augen schwerlich übersehen. Der Nobeljuwelier versteht sich auf nahezu alle Arten schmückender Pretiosen. Uhren gehören selbstredend auch dazu. Seit genau zwanzig Jahren beglückt Harry Winston das zarte Geschlecht regelmässig mit neuen «Ocean»-Kreationen. In manchen Modellen finden sich elektronische Quarzwerke. Andere huldigen der überlieferten Mechanik. Genau das tut auch die «Ocean 20th Anniversary Bi-­ retrograde Automatic» mit 36 Millimeter grossem Roségoldgehäuse. Es umfängt das Automatikkaliber HW3302 mit zwei retrograden Zeigern. Der bei «8» bewegt sich innerhalb von 30 Sekunden über die zugehörige Skala, springt dann blitzschnell zum Ausgangspunkt zurück und beginnt seine kurze Wanderschaft aufs Neue. Das Gegenüber widmet sich den Wochentagen. Im Fenster bei «6» zeigt sich das Datum. Ein Zeigerpaar unterhalb der «12» stellt die Stunden und Minuten dar. Insgesamt 3,34 Karat bringen summa summarum 131 Diamanten auf die Waage. Dem Modellnamen alle Ehre macht die Wasserdichte bis zu zehn bar Druck, was hundert Metern Tauchtiefe entspricht.

Edition». Trotz der bekannten linearen Zeiger-Anordnung verstrahlt diese Armbanduhr eine andersartige Optik. Einen wichtigen Beitrag hierzu leistet das drei­dimensionale Zifferblatt mit scheinbar «fliegenden» Elementen. Darüber hinaus erlaubt die Konstruktion neugierige Blicke auf das bislang verborgene Getriebe zur Ansteuerung des aus­sermittigen Stundenzeigers. In einem Fenster bei «6» zeigt sich schliesslich das speziell gestaltete Sekundenrad des Automatikkalibers C.299. Als Basis dient das bewährte Eta 2892-2. Zum Jubiläum offeriert Chronoswiss verschiedene Versionen mit 41 Millimeter grossem Gehäuse aus edlem Stahl oder Gold.

Ganz schön smart Die weltweit erste Armbanduhr mit Manufaktur-­ Automatik und gleichzeitig auch smarten Funktionen stammt von Frédérique Constant. Selbstverständlich ist das hauseigene Rotorkaliber FC-710 in der «Hybrid Manufaktur» vor magnetischen Strahlungen der Elektronik geschützt. Weil sämtliche Indikationen auf analoge Weise erfolgen, erkennt man die Smartwatch erst auf den zweiten Blick. Konventionell fortbewegt werden Zeiger für Stunden, Minuten, Sekunden und Datum. Auf den fünften im Bunde, positioniert bei «12», wirkt die Elektronik ein. Unterwegs bewahrt er unter anderem die Referenzzeit. Ferner übermittelt er Daten

Manufakturarbeit mit Einblick Die Modellbezeichnung «Defy” gehört zu Zenith wie das Salz zum Meer. Kein Wunder, dass man sie in jüngster Zeit für bahnbrechende Modelle wie «Defy El Primero 21», einen Hundertstelsekunden-Chronographen oder «Defy Lab» mit komplett neuartigem Silizium-Oszillator nutzt. «Das Wort weckt, wie die Biographie der Traditionsmanufaktur lehrt, ganz eindeutig Erinnerungen an die Zukunft. Uhrenliebhaber mit ausgeprägtem Faible für Manufakturarbeit, die sich dem Thema aber auf eher unkomplizierte Weise nähern wollen, können dies mit der 41 Millimeter grossen «Defy Classic» tun. Sie ist in unterschiedlichen Ausführungen erhältlich und spricht deshalb Menschen mit zurückhaltendem Naturell genauso an wie Augenmenschen, die das mechanische Geschehen bildlich erleben möchten. Erstere schätzen die Version mit geschlossenem Zifferblatt, Letztere die offenherzige Ausführung. Deren neues, aus 187 Einzelteilen assembliertes Automatikkaliber Elite 670 SK verfügt über 48 Stunden Gang­autonomie. Anker und Ankerrad bestehen aus Silizium. Unruh und Unruhspirale vollziehen stündlich 28’800 Halbschwingungen.

Als Chronoswiss den «Regulateur» lancierte, schrieb man 1988. Die Gestaltung des Zifferblatts mit exzentrischem Stundenzeiger leitet sich ab von feinen Präzisionspendeluhren, bei denen es auf jede Sekunde ankam. Den 30. Geburtstag der aus­sergewöhnlichen Armbanduhr, welche sich rasch zum Leadermodell entwickelte, zelebriert der «Flying Regulator Open Gear Anniversary

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JUNGHANS

Der Regulator wird 30


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HARRY WINSTON

ZENITH

CHRONOSWISS

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FREDERIQUE CONSTANT

CARL F. BUCHERER

zum Ladezustand der Batterie mit einer Kapazität für sieben Tage. Das mitgelieferte Etui beinhaltet ein speziell konstruiertes Umlaufgerät zum Spannen der Zugfeder. Ladekontakte finden sich im Halter. Ein Sensor dient der Aktivitäts- und Schlaf­ erfassung. Daten zur Ganggenauigkeit, Schwingungsweite sowie zur Präzision des Anker-Abfalls liefert ein elektronischer Mechanik-Kontrolleur. Seine Ana­lyse lässt sich über das mit passender App gefütterte und per Bluetooth energiesparend verbundene Smartphone abrufen.

Zurück im Fluge Liebhaber detailgetreuen Retrostils kommen beim «Manero Flyback»-Chronographen von Carl F. Bucherer auf ihre Kosten. Sein Auftritt erinnert an die zweite Hälfte der 1930-er Jahre, als Armbanduhren

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mit Stoppfunktion unter anderen bei Piloten hoch im Kurs standen. In jener Epoche entwickelten Uhrmacher die so genannte Temposchaltung, auch Flyback genannt. Sie erleichterte den strapaziösen Job im Cockpit. Wozu sonst drei Bedienvorgänge notwendig sind, nämlich Anhalten, Nullstellen und danach Neustart des Stoppers, lässt sich einzig und allein durch die Betätigung des Nullstelldrückers bei «4» bewerkstelligen. Aussen am mehrfarbigen Zifferblatt findet sich eine Tachymeterskala zum unkomplizierten Ermitteln von Durchschnittsgeschwindigkeiten. Durch den Sichtboden des 43 Millimeter messenden Edelstahlgehäuses zeigt sich das von La Joux-Perret zugelieferte und von Carl F. Bucherer sorgfältig finissierte Automatik­ kaliber CFB 1970. Der Schutz gegen eindringendes Wasser reicht bis zu drei bar Druck.



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KOMPETENZ MIT

TRADITION

OMEGA SEAMASTER

Die Swatch Group vereint eine faszinierende Fülle von Kompetenzen. Diese reichen von der Erforschung ausgefallener und moderner Materialien bis hin zur Konstruktion von Uhrwerken und deren Optimierung. Das stellen Neuheiten der zur Gruppe gehörenden Marken eindrucksvoll unter Beweis.

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Iris Wimmer-Olbort

Jahre – fast ein ganzes Menschenleben währt die Ära der «Seamaster»-Kollektion von Omega. Dieses Jubiläum nahm sich die Top-Marke der Swatch Group zum Anlass für einen ganzen Reigen an Neuheiten und für einen Rückblick auf die Geschichte der «Seamaster». Deren Historie begann Mitte der 1940er Jahre, als man bei Omega eine sportliche, robuste und wasserdichte Uhr entwickelte. 1948 wurde das Ergebnis dieser Bemühungen vorgestellt: Zur Premiere der ­«Seamaster» erschienen zwei Versionen – ein Modell mit Kleiner Sekunde bei sechs Uhr und eine Variante mit Zentralsekunde. Beide sehr klassisch, ganz im eleganten Stil ihrer Zeit gehalten, was ein interessanter Kontrast zu ihrem robusten Wesen war. Die Mischung aus Widerstandsfähigkeit, zeitloser Eleganz und der fortschrittlichen Mechanik von damals nicht selbstverständlichen Automatikwerken machte die «Seamaster» zum Erfolg, sodass ihre Geschichte in vielen Kapiteln weitergeschrieben wurde. Der klassische Look wurde variiert, die Gehäuseform immer wieder verändert und schliesslich um eine ganz neue, sportliche Komponente erweitert. 1957 stellte Omega die speziell für Berufs­ taucher entwickelte Automatikuhr «Seamaster 300» vor. Mit einem rastenden Drehring auf dem Gehäuse und einer Druckfestigkeit von 20 bar war sie die erste moderne Taucheruhr von Omega.

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LONGINES

BLANCPAIN

1993 erschien die moderne Weiterentwicklung des Modells, die bis 30 bar wasserdichte «Seamaster Professional Diver» und die ebenfalls bis 30 bar geprüfte und sogar unter Wasser bedienbare «Seamaster Professional Chrono Diver». Zugleich kam eine Variante der «Seamaster Diver 300M» mit einer Lünette aus dem seltenen Metall Tantal heraus. Diese Premieren jähren sich nun zum 25. Mal – Anlass für eine komplette Überarbeitung der Linie «Seamaster Diver 300M», die nun zahlreiche neue Details aufweist. Dazu zählt zum Beispiel ein Zifferblatt mit Wellenmuster. Highlight der neuen Kollektion ist ein auf 2500 Exemplare limitiertes Jubiläumsmodell. Die «Seamaster Diver 300M Titanium Tantalum» mit dem Automatikkaliber 8806 nutzt Tantal als Basis für die Lünette aus Sedna-Gold. Auch die mittleren Armbandglieder bestehen aus Tantal – die anderen Bandelemente sowie das Gehäuse sind aus unlegiertem Titan gefertigt. Das Design der Uhr zeigt die Verschmelzung von eigenständigem Stil, Eleganz und Sportlichkeit. Für die-

sen Look steht auch eine Herbstneuheit von Omega, das von Denim inspirierte Modell «Railmaster». Diese Linie geht ebenfalls weit in die Geschichte der Marke zurück: Omega lancierte die «Railmaster» im Jahr 1957. Heute ist sie mit ihrem schlichten und eleganten Design Teil der OmegaKollektion – bereichert von neuen Stilelementen und mit modernen mechanischen Uhrwerken kombiniert. Die Omega «Railmaster Denim» verkörpert einen besonderen Look, der durch das Zifferblatt in Jeansblau und das dunkelblaue Nato-Band mit braunen Lederschlaufen entsteht. Im Inneren des 40 Millimeter grossen Edelstahlgehäuses ist wieder das Automatikkaliber 8806 tätig, das besonders resistent gegenüber Magnetfeldern ist.

Moderne Mechanik von Glashütte Original Kompetenz in Sachen Uhrwerke kennzeichnet auch Glashütte Original. Die deutsche Marke hat in den vergangenen Jahren gleich mehrere eigene Kaliber vorgestellt, die für moderne Mechanik

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stehen und nun in neuen Modellen zu Ehren kommen. Mit anspruchsvollen Komplikationen ergänzt, belebt zum Beispiel das noch junge Basiskaliber 36 die «Senator Excellence Ewiger Kalender» in einer Sonderedition. Das auf 100 Stück limitierte Modell mit 42 Millimeter grossem Weissgoldgehäuse bietet eine ungewöhnliche Zifferblattansicht mit einer grau galvanisierten und guillochierten Moduldeckplatte, auf der die verschiedenen Anzeigen inszeniert sind. Der Ewige Kalender präsentiert das Datum in der für Glashütte Original typischen Panorama-Ausführung – also extra gross und gut ablesbar. Etwas zurückgenommener finden sich die Anzeigen von Wochentag, Monat und Schaltjahr. Dem zur Seite steht eine Mondphasenanzeige.

Die sportliche Seite von Blancpain Blancpain, eine weitere Premium-Marke der Swatch Group, bewegt sich zwischen zwei Polen: Da gibt es zum einen die klassische «Villeret»-Kollektion und zum anderen die legendäre «Fifty Fathoms», die 1953 als professionelle Taucheruhr präsentiert wurde. 1956 folgte die Variante «Bathyscaphe» als ziviles Modell. An diese grossartige Geschichte knüpft heute die «Fifty Fathoms»-Kollektion an, die aktuell um die «Fifty Fathoms Bathyscaphe Quantième Annuel» mit Jahreskalender erweitert wurde. Diese Komplikation bietet die Anzeige von Wochentag, Datum und Monat, wobei während des Jahres die unterschiedlichen Monatslängen berücksichtigt werden. Eine Korrektur ist nur einmal jährlich im Februar erforderlich. Dafür sorgt das neue Automatikkaliber 6054.P, das auf Basis des Kalibers 1150 von Blancpain entwickelt wurde. Es arbeitet in einem 43 Millimeter grossen Edelstahlgehäuse mit schwarzer Keramiklünette.

Durch das Jahr mit Longines Longines ist eine der erfolgreichsten Marken der Swatch Group und wird für das solide Preis-Leistungs-Verhältnis geschätzt. Dies beweist einmal mehr der neue Jahreskalender aus der «Master Collection». Diese Linie umfasst Uhren, die Mechanik mit einer zeitlos-eleganten Optik verbinden. Beides kennzeichnet auch den neuen «Master Collection»-Jahreskalender. Diese Komplikation berücksichtigt – wie beschrieben – die unterschiedlichen Monatslängen, während Uhren mit «einfacher» Datumsanzeige in Monaten mit weniger als 31 Tagen von Hand korrigiert werden müssen. Beim Jahreskalender ist nur einmal im Jahr eine Korrektur erforderlich, da er den Februar mit seinen 28 oder 29 Tagen nicht «beherrscht».

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OMEGA RAILMASTER

Das macht den Jahreskalender zu einem perfekten Begleiter, von Longines als elegante und klassische Uhr mit 40 Millimeter grossem Edelstahlgehäuse inszeniert. Die Kalenderangaben Monat und Datum stehen dezent zurückgenommen in zwei Fenstern bei 3 Uhr. Gesteuert werden sie von einem neu entwickelten Uhrwerk: Das Automatikkaliber L897 mit 64 Stunden Gang­ reserve wurde bei der Konzernschwester ETA speziell für Longines auf Basis des Kalibers A31.L81 konstruiert und gefertigt. In Bezug auf die Optik stehen mehrere Varianten zur Wahl: Modelle mit schwarzem, silberfarbenem oder blauem Zifferblatt und sogar mit Diamantindizes.

Neues Materialduo von Rado Die Marke Rado ist für ihre Materialkompetenz bekannt. Diese dreht sich um Hightech-Keramik – ein Thema, das keiner in dieser Vielfalt und Virtuosität beherrscht wie Rado. Deutlich wird dies durch immer wieder neue Farben und Oberflächeneffekte. Nun gibt es erstmals eine Verbindung von Keramik und Bronze: Rado präsentiert den auf 999 Exemplare limitierten «HyperChrome Chronograph». Bronze ist derzeit ein angesagtes Thema in der Welt der Uhren und überzeugt sowohl durch ihren Farbton als auch durch die Eigenheit, sich im Laufe ihres Lebens zu verändern. Denn Bronze oxidiert an der Luft, sodass eine individuelle Patina entsteht. Laut Rado wird damit der Lauf der Zeit sichtbar. Der «HyperChrome Chronograph» kombiniert ein 45 Millimeter grosses Gehäuse aus schwarzer Keramik mit Bronze, aus der die Chronographendrücker sowie seitliche Gehäuseeinsätze gefertigt sind. Betont wird dieses Duett durch roségoldfarbene Zeiger und Indizes auf dem schwarzen Zifferblatt sowie durch ein Armband aus braunem Vintage-Leder. Im Inneren ist bewährte Mechanik zugange – das Automatikkaliber 2894-2 aus dem Hause ETA. So finden wieder die Kompetenzen der Gruppe zusammen.


GLASHÜTTE ORIGINAL

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RADO

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AUS DEM LEBEN EINES LYRIKERS: AKTIONISMUS FÜHRT NICHT ZU BESTÄNDIGKEIT! Dieser blinde Aktionismus gipfelt neu in den Unend­ lichkeiten der sinnlosen Beiträge in den virtuellen, digitalen Netzwerken. In der pervertierten Sucht, ständig sich selber darzustellen und neu zu er­ finden, auf dass jemand darauf aufmerksam werde und das Individuum zur seligmachenden Be­ rühmtheit erküre. Wut und Ohnmacht werden durch das tägliche Scheitern angefeuert, was sich in unkontrollierbarem Hass und endlich in Blut, Schweiss und Tränen manifestieren wird. Auch der Protagonist von Luigi Pirandellos eingangs er­ wähntem Roman landet endlich in der Irrenanstalt.

ALAIN WAFELMANN

Zeitgeist ist die Vermischung des Vergänglichen im Jetzt und des Bestehenden, das darüber hinaus die Zeit prägt. Luigi Pirandello (1867–1938), italienischer Novellist, Dramatiker, Lyriker und Nobelpreisträger, hat in seinem wundervoll-virtuosen Roman «Uno, Nessuno E Centomila» (dt. «Einer, Keiner, Hunderttausend») bereits vor hundert Jahren die Möglichkeit ins Auge gefasst, die unseren Zeitgeist erstaunlich präzise beschreibt. Die Digitalisierung praktisch aller Lebens­ bereiche unserer Zeit führt in der Tat dazu, dass das Individuum heute Einer, Keiner und Hunderttausend gleichzeitig sein kann; ja, vielleicht ist.

Es würde unserem Zeitgeist jedoch nicht gerecht, würden wir nicht ein Gegenbeispiel einführen, das die Ambivalenz unserer Zeit sehr schön unter­ mauert. Es soll dies das Pflegen und Weiterführen von Traditionen und die Suche nach Perfektion im meisterschaftlichen Handwerk sein. Seit einigen Jahren erfahren die besten Uhrenmanufakturen einen Aufschwung bei den kompliziertesten und kunstvollsten Meisterwerken, die ihre Werkstätten verlassen, um einem Besitzer aufzuzeigen, dass die Kunst vermag, was digitale Vergänglichkeit nicht kann; Freude an der Perfektion, die sich in der Schönheit der Form und der Funktion manifestiert. Die sich an einer Unsterb­lichkeit der Werte orientiert, nach der Menschen streben, seit sie existieren.

«You can never be overdressed or overeducated.»

Nehmen wir ein Beispiel, das für unsere Zeit sympto­ matisch ist: Die «Occupy-Wall-Street-Bewegung», die sich in unzähligen Aktionen manifestiert hat, ohne eine wirkliche Veränderung herbeizuführen, ohne eine substan­ tielle Verbesserung der angeprangerten Missstände erreicht zu haben. Der Versuch, mit blindem Aktionismus die Welt zu retten, scheitert am fehlenden intellektuellen Fundament. Scheitert an der fehlenden Ausformulierung gesellschaftspolitischer und gesellschaftsphilosophischer Grundsätze, die den Versuch unternehmen muss, die Komplexität des Zeitgeistes und der Umstände adäquat darzustellen und eine lebenswerte Perspektive für die Zukunft aufzuzeigen. Dazu passt auch das Verstecken hinter einer Maske. Kaum erstaunlich, geht die Etymologie des Wortes «Maske» auch auf die Posse und die Geister zurück.

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Als Besitzer einer Patek Philippe «Calatrava» werde ich jeden Tag daran erinnert, dass Meister­ schaft zur Kunst erhoben beides ist; der verflossene Moment der Sekunde und die Beständigkeit der Schönheit in der Bewegung. Der Mut zum Eigenen und die Suche nach Perfektion im Schaffen führen mich zum Zitat von Oscar Wilde (1854–1900), mit dem ich diese Zeilen schliessen will: «You can never be overdressed or overeducated.»


Dreams

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BLUE

So berauschend wie das Meer u nd sei ne T iefen: Z eit me sser i n blauem Gewa nd. by

AUDEMARS PIGUET

«Royal Oak Offshore» mit einem 42-mmEdelstahlgehäuse; entspiegeltes Saphir­glas und Gehäuse­boden, blaue Keramik-Drücker und verschraubte Krone, wasserdicht bis 100 m. Blaues Zifferblatt mit «Méga Tapisserie»-Muster.

HUBLOT

Die «Spirit of Big Bang Blue» ganz in den Farben des Meeres. 6 H-förmige Titanschrauben, ein «sandwichartiger» Gehäuseaufbau und Materialien, die der «Art of Fusion» eine Ehre erweisen. Limitiert auf 100 Exemplare.

TAG HEUER

TAG Heuer feiert das 50. Jubiläum des ersten «Gulf»-Siegs und präsentiert die neue TAG Heuer «Formula 1 Edition Spéciale Gulf» sowie die auf 50 Exemplare limitierte Edition der «Monaco Gulf».

PARMIGIANI FLEURIER

Die neue «Kalpa»-Generation, ausgestattet mit Kompli­ kationen, die zu 100 Prozent aus den hauseigenen Werkstätten stammen, und dem typischen, Tonneau-förmigen Uhrwerk, das sich dem Gehäuse ideal anpasst.

ZENITH

Die auf 25 Exemplare limitierte Sonderedition der «Defy el Primero 21 Porto Cervo» in einem maritimen Design. Angetrieben von einem Uhrwerk mit der Präzision der Messung von einer Hundertstelsekunde und aus­gestattet mit einer 50-StundenGang­reserve.

CERTINA

«DS-8 Lady Chronograph: True Blue». Der zierliche Chronograph präsentiert sich in einem roségol­ denen PVD-Gehäuse von 34,5 mm Durchmesser. Das satinierte Zifferblatt mit Sonnenschliff schimmert tiefblau.

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MIT BRASILIANISCHER

LEICHTIGKEIT

Seine Liebe zum Schmuck entdeckte der gebürtige Brasilianer Fernando Jorge mehr durch Zufall. Heute trifft er mit seinen fliessenden und sinnlichen Kreationen nicht nur den Puls der Zeit, sondern transferiert in ihnen auch die wunderbare Leichtigkeit der brasilianischen Kultur. Anka Refghi I

Fernando Jorge

M

anchmal sind es die Zufälle, die die Weichen für ein ganzes Leben stellen. So auch im Fall von Fernando Jorge, als ihm während seines Designstudiums in São Paulo ein Praktikum in einer Schmuckmanufaktur angeboten wurde, in dem er detaillierte technische Zeichnungen anfertigen und den Fortschritt der Schmuckstücke in der Werkstatt verfolgen sollte. Die Faszination, zu sehen, wie Zeichnungen in den schönsten und edelsten Materialien zum Leben erweckt und dabei alte Techniken mit neuen Technologien kombiniert wurden, sollte ihn für immer fesseln. Nach seinem Studium arbeitete Fernando Jorge einige Jahre für verschiedene brasilianische Schmucklabels, bevor er für seinen Master in Schmuckdesign an die renommierte «Central Saint Martins» nach London wechselte. Seine erste gleichnamige Kollektion lancierte der smarte Brasilianer 2010 und überzeugte damit nicht nur die ganze Schmuckbranche, sondern auch Kundinnen – und Kunden – weltweit. PRESTIGE: Fernando, was bedeutet Schmuck für Sie? FERNANDO JORGE: Generell mag ich Schmuck, der Freude beim Anschauen, Tragen und Fühlen bereitet. Auf einer tieferen Ebene sehe ich in Schmuck eine höchst emotionale und intime Ausdrucksform von Werten und Sehnsüchten der Trägerinnen und Träger, wodurch Schmuck wiederum zum Repräsentanten seiner Zeit und Kultur wird. Schmuck ist seit jeher Teil der menschlichen Geschichte und verbindet damit auf eine einzigartige Weise Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Ich mag es sehr, ein Teil dieser «Konversation» zu sein.

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«Ich entwerfe, um die natürliche Schönheit der von mir verwendeten Materialien und damit die natürliche Schönheit der Frauen, die meine Stücke tragen, zu unterstreichen.» – Fernando Jorge –

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Sie sind in Brasilien geboren, leben und arbeiten aber heute in London. Inwiefern findet dieses kulturelle Spannungsfeld Ausdruck in Ihrer Ästhetik und Designsprache? Meine Designs sind organisch, feminin und sinnlich und von der ungezwungenen Haltung und Leichtigkeit Brasiliens inspiriert. Charakteristisch für meine Schmuckstücke ist auch ein sehr fliessendes Design, das ohne gestalterische «Exzesse» oder abrupte Enden auskommt. Ich möchte eine entspannte und sinnliche Eleganz vermitteln, die ich mit meiner Heimat verbinde. Gleichzeitig hat sich meine Ästhetik während meiner Zeit in London stark verändert. London hat mir eine Art Aussenperspektive auf meine Entwürfe gegeben, die dadurch heute «hybrider» und internationaler geworden sind als noch zu Beginn. Für Ihr Studium an der «Central Saint Martins» haben Sie Ihre Heimat Brasilien verlassen. Zwei sehr unterschiedliche Kulturen … Ja, der Umzug nach London war aufregend und erschreckend zugleich. Meine Lebenssituation in Brasilien war stabil und komfortabel, aber da war dieser innere Drang, wegzugehen, um gewisse Dinge aufzubrechen. Und genau das ist passiert – London hat mich in meinem Fundament erschüttert und mich alles anders sehen lassen. Es war natürlich eine Herausforderung, so weit entfernt von meiner Familie, meinen Freunden und meiner Heimat zu sein. Ich fühlte mich verwundbar, aber genau diese Verwundbarkeit war während meines Studiums sehr wichtig. Es war eine unglaubliche Zeit, die einen grossen Einfluss auf meinen kreativen Prozess hatte. Die britische Bildung ist für mich etwas vom Grossartigsten überhaupt, weil sie einen einzigartigen Blickwinkel auf Kulturen und Traditionen bietet. Und ich bin London treu geblieben, weil mich die Stadt bis heute inspiriert und neugierig macht.

Die aktuelle Suche nach Authentizität wirkt sich sehr positiv auf den Markt für kostbaren Schmuck aus. Die Menschen richten ihr Augenmerk wieder vermehrt auf Qualität und Handwerkskunst, was edlen und individuellen Schmuck so aktuell wie schon lange nicht mehr macht. Kostbarer Schmuck bedingt aussergewöhnliche Edelmetalle und Edelsteine. Wie wichtig ist Ihnen die Herkunft Ihrer Materialien? Edelmetalle und Mineralien sind Teil unseres Bodens, und es ist mir wichtig, dass sie mit Sorgfalt geschürft werden. Ich arbeite ausschliesslich mit Unternehmen und Menschen zusammen, die einen verantwortungsvollen und nachhaltigen Ansatz verfolgen. Aber natürlich gibt es eine unermesslich grosse Industrie rund um Edelmetalle, die es schwermacht, die Transparenz zu finden, wofür ich und viele andere Designer kämpfen. Es ist eine positive Bewegung im Gange, aber es gibt noch viel zu tun.

Ob in London, New York, Berlin oder Zürich – Menschen suchen wieder vermehrt verlässliche Inhalte. Welchen Einfluss hat diese Zeitqualität auf Schmuckdesign im Allgemeinen?

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WATCHES & JEWELLERY

Nun verbindet man mit dem Begriff «Schmuck» in erster Linie Frauen. In Ihrer Kollektion «Parallel» sind aber einige sehr androgyne Kreationen zu finden. Sollten Männer mehr Schmuck tragen? Ja, das ist genau das, was ich dachte, als ich mich damals zu dieser Kollektion entschloss. Ein Zeitpunkt, zu dem ich bereits seit 15 Jahren Schmuck entworfen hatte, ohne dabei auch nur ein einziges Stück für mich selbst zu kreieren. Als ich dann den Wunsch dazu verspürte, habe ich die Herausforderung angenommen, Schmuckstücke zu kreieren, die einerseits zu meiner Ästhetik passen und die ich andererseits selbst mit Stolz tragen würde. Aus den ersten androgynen Entwürfen ist dann eine ganze Kollektion entstanden.

Ihre Kollektionen sind an Ausstellungen zu sehen, werden weltweit ausgezeichnet und sind in den renommiertesten Geschäften vertreten … Was steht als Nächstes an? Ich bin natürlich sehr dankbar, dass ich so viel Anerkennung für meine kreative Arbeit erhalte. Meine «Antwort» darauf ist, konzentriert zu bleiben und hart daran zu arbeiten, konsistente Kollektionen zu entwickeln. Zurzeit arbeite ich an einer Erweiterung der neuen «Surround»-Kollektion und bereite mich auf meine bevorstehenden Reisen in diesem Herbst zu bestehenden, aber auch einigen neuen Märkten, wie beispielsweise Bahrain, vor. Darauf freue ich mich sehr!

Fernando Jorge

Woran arbeiten Sie zurzeit? Meine letzte Kollektion «Brilliant» war ausschliesslich auf Diamanten fokussiert, daher wollte ich als Fortsetzung etwas Warmes und Naturinspiriertes. In der aktuellen Kollektion «Surround» stelle ich natürliche Materialien wie die Taguanuss oder versteinertes Holz gleichauf neben Diamanten, um meine Verbundenheit zur Natur zum Ausdruck zu bringen.

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WATCHES & JEWELLERY

BEYER

Feinste Handarbeit aus dem hauseigenen Atelier von Beyer Uhren und Juwelen: raffiniertes Collier mit expressivem Kreuz­ anhänger. Kette in Rotgold (70 cm) und Anhänger mit 6 Morganiten (total 23,38 ct.) und 9 Diamanten (total 0,29 ct.).

Eyecatcher

GÜBELIN

Ob für den Abend oder tagsüber – sie sind das funkelnde Highlight eines jeden Outfits! by

BUCHERER

An diesem Ohrclip mit Stift aus 18 Karat Roségold glänzen seltene Schön­ heiten: 2 Rubellite im Tropfen-Schliff (total 8,12 ct.), 2 Tansanite im TropfenSchliff (total 5,8 ct.) und 4 Diamanten im BrillantSchliff (total 0,42 ct.).

Der Ring «Red Dahlia» beruht auf der spektakulären Innenwelt eines seltenen Rubins in Taubenblutrot. Umrahmt wird der Rubin (2,18 ct.) von farben­ prächtigen Saphiren und diamantbesetzten Strahlen aus Rotgold.

GRAFF

Von dem Schaffen des amerikanischen Künstlers Cy Twombly inspiriert: spektakuläre Ohrringe aus Diamanten (total 4,27 ct.) und Rubinen (total 11,92 ct.), die so gefasst sind, dass das Metall kaum sichtbar ist.

HARRY WINSTON

Ikonisch: der Armreif der HW-LogoKollektion. Eine Hommage an die berühmte Tradition und Handwerkskunst des Hauses Harry Winston. 18 Karat Gelbgold mit 106 runden Brillanten und mit «H» und «W» beschriftet.

HERMÈS

Das «Grand Jete»-Armband ist eine komplexe, farbenfrohe Zusammenstellung aus Roségold, Diamanten, rosa Opalen, schwarzer Jade, Perlen, orangefarbenem Saphir und Topas. Ein Mix-and-Match mit den besten Motiven von Hermès.

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WATCHES & JEWELLERY

DER TAU DES

MONDES

Sie ist eine Rarität und wird geboren in der grössten Meeresschnecke überhaupt, der «Queen Conch»-Meeresschnecke, die im Karibischen Meer zwischen Venezuela und den Bahamas beheimatet ist. Nur jede 10’000ste Schnecke birgt eine schillernde Schönheit in zarten Farbtönen, von der es bisher nicht gelungen ist, sie künstlich zu züchten.

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Helena Ugrenovic I

Sotheby’s

ie sind schimmernde, geheimnisvolle Schönheiten, Kostbarkeiten aus den Ozeanen der Welt, um die sich viele Legenden ranken. Die Perser glaubten, Perlen seien Tränen der Götter. Die Chinesen dachten ähnlich wie die Griechen und waren der Meinung, der Mond liesse sie wachsen, während es sich den Griechen nach bei Perlen um den Tau des Mondes handelt, der sich ansammelt, während die Austern nachts mit offenen Schalen auf dem Meer treiben. Der eigentliche Fremdkörper, sei es eine Alge, ein Parasit oder ein Sandkorn, verliert sich in den Weichteilen einer Muschel, die, kann sie den Fremdkörper nicht ausschwemmen, eigenes Material, Perlmutt, Schicht um Schicht um den Eindringling legt, um sich selbst davor zu schützen. Ob Tau des Mondes, Träne der Götter oder ein wie in einem Spinnennetz ummantelter Fremdkörper, sind Perlen seit jeher Symbol für Könige und als hoch geschätzte Handelsware ein Zeichen für Wohlstand.

Die unbekannte Schöne Sie ist sehr selten und ausgesprochen exklusiv, und da es noch niemandem gelungen ist, sie zu züchten, ist sie eine einzigartige Naturperle. Eine äusserst kleine Ausbeute von 300 bis 500 Stück wird jährlich gefunden, und die Fischer betrachten sie vielmehr als «Nebenprodukt», da sie das Fleisch der Königin-Muschel eher als Delikatesse schätzen denn als Perlenzucht. Von den gefundenen Perlen verfügen Schätzungen zufolge lediglich 10 Prozent über Schmuckqualität. Eigentlich ist sie auch keine «richtige» Perle, da sie nicht aus Perlmutt besteht, sondern aus kalziumartigen Verdichtungen, ähnlich wie ein Nierenstein im menschlichen Körper. Die ovalen oder barockförmigen

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Conch-Perlen bestechen durch eine auffallende und faszinierende Farbpalette, die von Porzellanweiss über helles Rosa, zartes, pastelliges Lachs, Orange und Rot bis hin zu dunklem Pink reicht. Durch ihre Seltenheit und Einzigartigkeit ist es besonders schwer, passende Perlen für Schmucksets zu finden, was den Wert für ein Set aus Ohrringen und Ketten erheblich steigert.

Die Königin der Nacht Besonders begehrenswerte Farben sind Lachs und orangegefärbtes Pink. Zusätzlich zu den beeindruckenden Farben ist es vor allem die Oberflächeneigenschaft, die sogenannte «Flammenstruktur», ein einzigartiges Muster in den Farben, das nebst der in Karat gemessenen Grösse, ihrer Form und Farbe ihren Wert ausmacht. Der flammende Effekt der Perle wird durch das Zusammentreffen des Lichtes auf die kristallene Struktur des Calcits erzeugt. Die karibische Schönheit scheut entgegen der Region, in der sie vorkommt, das Licht, denn zu viel Sonnenstrahlen lassen die Perlen verblassen, sodass den stolzen Trägerinnen geraten wird, ihren kostbaren Schmuck abends nach Sonnenuntergang zu tragen und ihn auch entsprechend zu lagern.


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IMMER NOCH GUT IM

RENNEN

«P» wie «Perfekt» oder «Preislich ein wenig über dem Budget» – das ist der Porsche 908 Works Short-Tail Coupé mit der Chassis-Nummer 908-010. Gerade kam das Exemplar des nur fünf Mal gebauten Wagens unter den Versteigerungshammer.

A

Wilma Fasola I

RM Sotheby’s

uf einen Porsche angesprochen denken die meisten zuerst an den 911er. Aber schon Generationen vorher wurde eine Serie gefertigt, die unvergessen bleibt. 908 ihr Name, ihre Seltenheit eine Garantie dafür, dass man bei einer Versteigerung eines Modells schon auf einige Millionen hoffen darf. Bei der Auktion im kalifornischen Monterey fand sich im August vorerst zwar noch kein neuer Käufer, aber das nur 31 Mal gebaute Coupé ist eine echte Rarität. Und das nicht zuletzt, weil das gute Ding zu den fünf Porsche 908 gehört, die mit Kurzheck ausgestattet wurden. Zudem ist es ein Auto mit Geschichte. Der Wagen mit der Chassis-Nummer 908-010 startete bei den 1000 Kilometern von Spa. Dass er nie das Ziel erreichte, macht ihn dabei besonders begehrt. Denn Oldtimer mit einer spannenden Vergangenheit, dafür zahlt man gerne noch ein bisschen mehr, als der Wagen sowieso schon wert ist. In diesem Fall handelte es sich bei der Geschichte um den verlorenen Kampf des Werkfahrers Jochen Neerpasch gegen den Regen. Er raste fast un­gebremst in einen Telefonmast. Fazit: Der Mast zerschlug die Beifahrerscheibe, setzte Neerpasch ausser Gefecht, und die Rennkarriere des Autos war zu Ende.

Anfangs: ein Auto mit Startproblemen Nach dem Crash wurde das Auto in die Schweiz importiert und hier bis zum Jahr 1990 sicher verwahrt. Doch eingeschlossen, so gut er auch behütet wird, dafür ist der 908er nicht gemacht. Hunderte PS wollen bewegt,

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STYLE

DRIVE

Eine echte Rarität – der Porsche 908 Works Short-Tail Coupé mit der «6» auf Tür und Motorhaube wurde in dieser Version nur fünf Mal gebaut.

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DRIVE STYLE

gehegt und geliebt werden. So sorgte Dale Miller, ein amerikanischer Markenexperte, für eine Schiffsfahrt in das Land der Wünsche und Träume. In den USA wurde Nummer 908-010 aufwendig restauriert. Das Ergebnis ist ein Wagen, der top in Form, fahrtüchtig und vor allem selten zu finden ist. Idealvorstellung für jeden Autoliebhaber. Und ein echter Grund, dem 908er mal auf den Zahn zu fühlen. Und nicht nur diesem Modell, sondern auch den Brüdern und Schwestern. Denn warum baut man nur 31 Exemplare eines Wagens, der schnell, geil und maskulin ist? Die schnell ausgesprochene Antwort: Weil es genau diese Rarität braucht, um etwas begehrenswert zu machen. Doch die berühmte gezielte Verknappung des Marketings war es beim 908er nicht. Der Sportwagen mit 8-Zylinder-Motor wurde als Nachfolger des 907er und ausschliesslich für die Rennstrecke gebaut. Doch so cool er auch war, er konnte zunächst die in ihn gesetzten Hoffnungen

nicht erfüllen. Im ersten Jahr, 1968, kämpfte man mit vielen Problemen, die man aber 1969 in den Griff bekam. Und mehr als das. Auf den 1000 Kilo­ metern des Nürburgrings feierte man den totalen Triumph. Mit den teilnehmenden 908ern fuhr man einen Fünffachsieg ein, sprich: Platz eins bis fünf. Am Steuer des erstplatzierten dabei der Schweizer Pilot Jo Siffert, der leider zwei Jahre später bei einem Unfall in der Formel 1 verstarb. Sein Begräbnis in Freiburg gilt bis heute als eines der grössten der Schweizer Geschichte. Mehr als 50’000 Menschen nahmen am Strassenrand Abschied von der Fahrerlegende. Folgend: ein Auto mit der Garantie für einen Sieg Für den 908er ging das Leben jedoch weiter. Und das sehr gut. Das Coupé und auch der ab 1969 eingesetzte Spyder waren so etwas wie eine Sieg-Garantie für das in Zuffenhausen beheimatete Rennsportteam. Wenn der 908er an den Start ging, dann in der Regel, um zu gewinnen. Und so sollte es bleiben, daher versuchte Porsche, wie jeder Rennstall es noch heute tut, das Auto kontinuierlich zu verbessern. Und so wurden am Ende vom Coupé insgesamt nur 31 E xemplare gebaut. Es zeigte sich zudem recht schnell, dass man mit einem langen Heck die Aerodynamik deutlich modifizieren konnte. Daher wurde der Bau der Version mit Kurzheck bereits nach fünf Exemplaren eingestellt, sodass der gerade versteigerte 908er eine echte Ausnahmeerscheinung ist. Neben dem Coupé wurden übrigens noch zwei Spyder-Varianten gebaut, die ebenfalls mit einem 8-Zylinder-­ Motor an den Start gingen. Ab 1975 liess Porsche folgend den 908 Turbo Spyder mit 540 PS auf die Strecke. Er verfügte über einen 6-Zylinder-Motor und war mit den genannten Pferdestärken um einiges kraftvoller als seine Vorgänger, bei denen unter der Haube 350 PS ihr Bestes gegeben hatten.

Heute: ein Klassiker mit seltenen Auftritten

Einst in Spa ausgebremst, kann der 908er nun wieder Gas geben.

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Heute befinden sich die noch erhaltenen 908er Coupés in den Händen von Sammlern. Zum Glück auch solchen, die ihre Wagen gerne bei Oldtimer-­ Veranstaltungen zur Show stellen oder an Klassik-­ Rallyes teilnehmen. Vielleicht wird man daher auch den 908er mit der Chassis-Nummer 908-010 und der Zahl sechs auf Motorhaube und Türen auch zeitnah endlich wieder live bewundern können. Die Krönung wäre dabei ein gemeinsamer Auftritt mit der kleinen Schwester, die vor gut zwei Jahren im Versteigerungshaus Gooding & Company für rund drei Millionen US-Dollar angeboten worden war und die «5» auf Haube und Türen zur Schau trägt.


WUSSTEN

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SIE …? Sang- und klangvoll

Autohupen sind laut, dienen vornehmlich der Sicherheit und sind heute standardmässig in jedem Fahrzeug verbaut. Blickt man jedoch auf die Anfänge der Automobilgeschichte zwischen 1900 bis 1920 zurück, so fehlten diese noch gänzlich. Durch die lauten Motoren- und Auspuff­ geräusche der Vehikel erübrigten sich jegliche Warnvorrichtungen, waren sie doch für jedermann und schon von Weitem zu hören. Wagen und den immer höher werdenden Geschwindigkeiten aber verlangten die Behörden später festmontierte Warnvorrichtungen. Nachdem das noch mit Lungenkraft geblasene Posthorn durch die Hupen mit Gummiball ersetzt worden war, kannte die Kreativität in Sachen Design keine Grenzen mehr.

Der erste Tankwart der Welt

Was heute kaum mehr wegzu­ denken ist, gab es Ende des 19. Jahrhunderts noch gar nicht: Tankstellen. Zumindest bis zum 5. August 1888, dem Tag, als Bertha Benz, die Gattin des badischen Automobilerfinders Carl Benz, zusammen mit ihren 13 und 15 Jahre alten Söhnen, die erste Überlandfahrt der Automobilgeschichte unternahm. Auf der spektakulären Fahrt in ihrem Benz Patent-Motorwagen Nummer «3» von Mannheim nach Pforzheim ging ihr südlich von Heidelberg der Kraftstoff aus. Bertha Benz fuhr flugs die Wieslocher Stadt-Apotheke an, um das damals für Fahrzeuge ver­wendete Leichtbenzin «Ligorin» zu kaufen, das, unter dem Namen «Waschbenzin» bekannt, auch als Reinigungsmittel angeboten wurde. Kurzerhand kaufte sie den Gesamtbestand auf und machte damit den Apotheker Willi Ockel zum ersten «Tankwart» der Welt.

Safety first

Das alte «Life Saver Automatik»-Signalgerät ist ein legendäres Gadget für Automobile der 1940er- und 1950er-Jahre und wurde von der Firma Stadco hergestellt. Für den Einbau in die Heckscheibe und den Anschluss an die Bremsleitung des Fahrzeugs konzipiert, waren die beliebten «Life Saver Miniatur»-Ampeln dazu gedacht, den Hintermann, und damit allfällige Drängler und Bleifussfahrer, zu warnen und auf Abstand zu halten. Sie fungierten als drittes Bremslicht, wechselten im Leerlauf auf Gelb und schalteten beim Gasgeben auf Grün. Über ein kleines Guckloch im Rücken der Ampel liess sich die Funktionstüchtigkeit der kleinen Warnleuchten über den Rücks­piegel kontrollieren.

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VOM MONTMARTRE BIS MAROKKO Vor 120 Jahren machte sich Louis Renault zur Probefahrt mit seinem selbst­ gebauten Automobil auf. Den Beginn der Erfolgsgeschichte des französischen Autobauers Renault feierte die Marke mit einem temporären Museum – mit den 120 wichtigsten Modellen der Marke auf einer Etage im Werk Flins. Andreas Faust I

Renault

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Renault 4CV I 1947

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Brigitte Bardot auf einem Renault Floride

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o hatte sich Louis Renault sein Leben nicht vorgestellt. In einem Schuppen im Garten seiner Eltern in Boulogne-Billancourt, westlich von Paris, hatte er ein Automobil gebaut. Sein eigenes, technisch besser als alle anderen, so fand er. Statt Ketten zur Kraftübertragung realisierte er einen direkten Antrieb über ein Dreigang-Getriebe. Serienproduktion? Nichts lag ihm ferner als dies – der junge Louis wollte einfach mobil werden. Heute, im Rückblick nach 120 Jahren, muss man sagen: Louis Renault hat geholfen, gleich ganz

Frankreich mobil werden zu lassen. Am Heiligabend 1898 trommelte er Freunde und Nachbarn zusammen, um ihnen sein Automobil zu zeigen. Dazu hatte er sich die Rue Lapic hinauf auf den Montmartre, Paris’ steilste Steigung, ausgeguckt, an der tagtäglich Fuhrwerke und Reiter scheiterten, weil ihr glattes Pflaster keinen Halt bot. Renault tuckert unter Jubel mit seinem 1,75-PS-Gefährt einfach hinauf – noch am gleichen Abend überredeten ihn mehrere Freunde, ihnen auch solch ein Fahrzeug zu bauen. Aus dem Einzelstück wurde so der Prototyp des späteren Typ A, der bis 1900 in Serie gebaut wurde.

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DRIVE STYLE

Ein schmuckes Auto: der Renault Floride I 1958 bis 1968

Zwei Monate später gründete Renault gemeinsam mit seinen Brüdern Marcel und Fernand «Renault Frères» – Gebrüder Renault. Ein Jahr später arbeiteten bereits 100 Mitarbeiter für die junge Marke. Leider fehlt Renault auch nach 120 Jahren noch immer ein repräsentatives Museum, um die eigene Geschichte gebührend präsentieren zu können. Aber keinesfalls die nötigen Ausstellungsstücke: Eine schnöde Industriehalle im Werk Flins nahe Paris beherbergt die umfangreiche Sammlung von Renault, die lückenlos die gesamte Geschichte mit Prototypen, Concept Car, Rennsport-­Fahrzeugen und natürlich Serienmodellen nachvollziehen kann. Selbst einige fahrbereite Nachbauten der Voiturette, der Bezwingerin des Montmartre, stehen parat. Nur leider nicht für die Öffentlichkeit. Um dennoch die Historie der Marke und ihrer Schlüsselmodelle zum Erfolg zeigen zu können, fungierte Renault kurzerhand und für wenige Wochen eine Etage eines Sozialgebäudes im Werk zu

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einer Art temporärem Museum um. Einerseits, um den Werkstolz der Mitarbeiter zu wecken, andererseits aber auch, um Ausgewählten einen Einblick in die Sammlung geben zu können. 120 Modelle – eines für jedes Jahr Unternehmensgeschichte – vom Typ A bis zum absurden Renault Espace R. S., einem Familienvan mit Formel-1-Motor. Bis 1928 buchstabierte Renault seine Modelle durch – erst mit dem Monasix mit Reihensechszylinder und 26 PS wechselte man auf Namen. Trugen die frühen Modelle mit ihren kryptischen Bezeichnungen noch den Kühler in der Mitte der Motorhaube, die vorne wie ein Krokodilmaul auslief, folgte bald darauf eine neue Frontgestaltung, die auch ein neues Logo brachte: Ab 1924 trugen Renaults eine Frühform jener Raute, die heute ­jeden Renault-Grill ziert. Im gleichen Jahr durchquerten drei Type MH mit zwei Hinterachsen erstmals die Sahara, und eine Dépendance in Algerien wurde als Keimzelle des bis heute andauernden Nordafrika-­Engagements eröffnet.


Das perfekte Transportfahrzeug: der Renault Estafette I 1959


DRIVE STYLE

Zwischen 1940 und 1944 musste Renault auf Anweisung der deutschen Besatzer die Produktion auf genehme und kriegswichtige Güter umstellen. Obwohl während dieser Jahre die Entwicklungsabteilung heimlich an einem Modell auch für weniger betuchte Franzosen konstruierte, brachte dies dem Unternehmen nach 1945 den Vorwurf der Kollaboration ein – Renault wurde verstaatlicht. Mit dem nun auf vier Türen umkonstruierten 4CV landet die Marke 1947 einen Überraschungserfolg: Die kleine, nach modernen Prinzipien konstruierte Heckmotor-Limousine wird in Frankreich zum Massenmobil, ähnlich dem VW Käfer in Deutschland oder der Schweiz. Und macht beinahe den gleichen Fehler wie VW – und hält zu lange an ihrem Bestseller fest. CEO Pierre Dreyfuss und Chef­entwickler Yves Georges ziehen 1961 mit dem Renault 4 die Notbremse: Der Kleinwagen kann als eine Art Prototyp moderner Monospace-Autos angesehen werden, trägt Front-

Renault 8 Gordini I 1970

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motor und eine riesige Heckklappe und soll mit reduziertem Aufwand bei Konstruktion, Fertigung und Betrieb jeden Franzosen auf vier Räder setzen. Vier Jahre später folgt der Renault 16: Die fünftürige Schrägheck-Limousine mit umklappbarer Rücksitzlehne, riesigem Kofferraum und Frontmotor stellt ebenfalls alle Prinzipien der Marke auf den Kopf. Mit der ebenso einfach konstruierten Estafette hat Renault ab 1959 auch eine Art gallischen Bulli im Programm, der Familien als Campingbus, Handwerkern zum Farbeimertransport und sogar Eisverkäufern gute Dienste leistet – und mehr oder minder modernisiert bis 1979 im Programm bleibt. Kaum zu überblicken ist die schier unüberschaubare Vielfalt an Motorsport-Versionen von Renault 8 Gordini über die Alpine und die Coupés R17 und Fuego bis hin zu den Formel-1-Rennern. Nicht schlecht für ein Unternehmen, dessen Gründer vor 120 Jahren eigentlich nur ein Auto für sich selbst bauen wollte.


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Feuerrote Spuren

EDITOR’S

CHOICE

Nur wenige Marken verfügen über ein derart grosses emotionales Potenzial wie Ferrari. Sieben Jahrzehnte lang hinterliess das von Enzo Ferrari 1947 gegründete Unter­ nehmen eine unauslöschliche feuerrote Spur im Rennsport. Dieser voluminöse Band zeichnet anhand exklusiven Materials aus den Ferrari-Archiven und privaten Sammlungen in aller Welt die einzigartige Geschichte von Ferrari nach. Neben zahllosen anderen bislang unveröffentlichten Dokumenten und Fotos enthält er auch Auszüge aus den Tagebüchern des charismatischen Firmengründers Enzo Ferrari. Die handgefertigte, ledergebundene und handvernähte «Collector’s Edition» ist auf 1947 signierte und nummerierte Exemplare limitiert. Sie steckt in einer von Marc Newson entworfenen Präsentationsbox aus Alumi­ nium, die einem Ferrari-V12-Motor nachempfunden wurde.

Chrom, Gold … und? Retro-Chic

Sie sind die perfekte Kombination zwischen dem Stil der 1950er-Jahre und modernster Technologie – die E-Bikes der spanischen Manufaktur «Oto Cycles», die als Pedelec oder E-Bike erhältlich sind. Die E-Bikes des Familienunternehmens sind 100 % handmade in Barcelona und kommen mit einem unvergleichlichen Retro-Chic daher, der an die nostalgischen Renn­ maschinen vergangener Dekaden erinnert. Und weil Individualität gross geschrieben wird, kann man sich Rahmen, Tank, Reifen und den Sattel farblich unterschiedlich zusammenstellen.

Ende des letzten Jahres war es amtlich: «Dior Homme» und «Bogarde», der französische Spezialist für BMX-Räder, spannten zusammen. Entstanden sind 70 nummerierte Exemplare aus Chrom mit Details in Schwarz und Rot. Die Räder wurden in Frankreich hergestellt und mit Lederdetails versehen, die die «Dior»-Signatur tragen und von der Maison in Italien gefertigt wurden. Für den Herbst / Winter 2018 haben sie es wieder getan: diesmal auf 100 Stück limitiert, in Gold und natürlich ebenfalls mit Dior-Branding, Premium-Hardware und hochwertigen Akzenten aus Kalbsleder sowie das auf dem Lenker eingravierte «Dior Bee»-Logo. Die dritte Kollaboration ist versprochen, und so darf man auf Weiteres gespannt sein.

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INSPIRIERENDE

HOCHSPANNUNG

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Schluss mit dem japanischen Barock: Schon die letzten Neulancierungen von Infiniti überzeugten mit innovativem Design. Mit dem Q Inspiration Concept zeigt die Marke nun, wie sie sich ihre Modellpalette der Zukunft vorstellt. Roland Hildebrandt / Motorsport.com Switzerland I

Infiniti


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W

Vorgestellt an der «North American International Autoshow» in Detroit: der «Q Inspiration Concept»

enn ein Autohersteller kein frisches Serienmodell an einer Motorshow präsentieren kann, folgt er dem Motto: Eine Studie geht immer. So hielt es auch Infiniti an der traditionsreichen North American International Autoshow in Detroit mit seinem «Q Inspiration Concept». Mit ihm gibt die Marke einen konkreten Ausblick auf die Zukunft. Zumindest auf ihr Aussehen.

Modische Mittelklasse In Europa tut sich Nissans luxuriöser Markenableger noch recht schwer, aber jenseits des Atlantiks ist die Marke eine Macht im sogenannten Premium-­ Segment. Weshalb das Publikum in Detroit deutlich genauer hingeschaut haben dürfte als bei einer Premiere im alten Europa. Allzu konkret wird Infiniti bezüglich des Q Inspiration Concept allerdings noch nicht, man bezeichnet die Studie als

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ersten Ausblick auf eine neue Fahrzeuggeneration. Nicht ohne Hintergrund handelt es sich um ein Modell der in den USA beliebten Mid-Size-Limousinen. Unter der Haube kommt die entwickelte VC-­TurboTechnologie zum Einsatz: Als erster Hersteller überhaupt lanciert Infiniti derzeit einen Benzinmotor mit variabler Verdichtung für gesteigerte Effizienz, der auch die neue Limousine vorantreiben wird. Mit an Bord sind zudem neue Funktionen für das autonome Fahren.

Elektrisch ab 2021 Interessanter sind die Äusserungen des CEOs der Infiniti-­Mutter Nissan, Hiroto Sakawa. Infiniti werde ab dem Jahr 2021 neue Fahrzeuge mit elektrifizierten Antriebssystemen vorstellen. Geplant ist ein Angebot aus reinen Elektroautos und sogenannten e-Power-Fahrzeugen. Letztere sollen als Plug-in-­ Hybride einen kleinen Benzinmotor aufweisen, der eine Hochleistungsbatterie auflädt und so eine externe Ladequelle überflüssig macht.

Die Studie gilt als erster Ausblick auf eine neue Fahrzeuggeneration.

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VACHERON CONSTANTIN

Sechseckige Lünette, Manufaktur-Uhrwerk mit Automatikaufzug, austauschbare Armbänder: Diese zentralen Elemente bestimmen die visuelle und uhr­ macherische Handschrift dieser frischen Reprise der «Overseas»-Kollektion. Edelstahl, 42,5 Millimeter Durchmesser.

stark

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PS-

Cooles Fahrzeug, cooler Look – auch in dieser Saison ein unschlagbares Duo. by

FERRARI

Für stilvolles Fahren: Die weichen Fahrhandschuhe «Scuderia Ferrari» haben die klassischen Öffnungen am Handgelenk und an den Knöcheln und zeichnen sich durch ihren tadel­ losen Stil aus.

ASTON MARTIN

Eine Klasse für sich: der «DBS Superleggera». Verkleidet mit KohlefaserKarosserieteilen und damit ein Look, der perfekt mit der epischen Leistung des «5,2-Liter-TwinTurbo V12» von Aston Martin harmoniert.

RICHARD JAMES

Menswear Herbst / Winter 2018: starke Kollektion aus feinstem Tuch des Designers von der Londoner Savile Row. Fliessende Hosenschnitte mit hoher Taille, Pullover in Retro-Farben und formaler Strenge.

CHRISTIAN LOUBOUTIN

«Rivaro»-Mokassin: Der Mokassin aus Kalbsleder zeichnet sich durch eine verspielte Komposition aus strukturiertem und schwarzem Glatt­ leder, Stollensohle und Spikes aus. Verziert mit grobkörnigen Paspeln und einer Leder- und Metallquaste.

PATEK PHILIPPE

Die 2015 lancierte «Calatrava Pilot Travel Time Referenz 5524» ist eine Hommage an die Tradition der Patek-Philippe-Fliegeruhren. Die eigens für «Children Action 2018» geschaffene exklusive Referenz «5524T-010» unterscheidet sich durch ihr Gehäuse aus Titan.

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ZEITMESSER MIT MASERATI-DNA Wenn sich zwei Weltmarken der Luxusklasse zusammentun, dann darf man Grosses erwarten. So auch im Fall von Maserati und Bulgari. Vorläufiger Höhepunkt der langjährigen Kooperation sind die beiden grandiosen Zeitmesser «GranSport» und «GranLusso» – Objekte der Begierde, nicht nur für Maserati-Fans. Anka Refghi I

Maserati / Bulgari

«Octo GranLusso» aus 18 Karat Roségold

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leich und Gleich gesellt sich gern, das ist hinlänglich bekannt. In diesem Fall sind es die beiden italienischen Traditionsunternehmen Maserati und Bulgari. Giganten des guten Geschmacks sozusagen. Prestige, Luxus und Eleganz, aber auch ein ähnliches Kundensegment und der höchste Anspruch an Design und Qualität adeln diesen Schulterschluss der Superlative. «Die Mechanik der Eleganz» heisst dann auch das Dach, unter dem die Kunst der High-End-­Uhrmacherei und der exklusive italienische Automobilbau auf einen Nenner gebracht werden. «Maserati und Bulgari sind tief in ihrem Heimatland Italien verwurzelt und ein Inbegriff für italienische Handwerkskunst», so der Generalmanager für Deutschland, die Schweiz und Österreich Piergiorgio Cecco über die mittlerweile 6-jährige Partnerschaft. «Beide Marken stehen für höchste Qualität, Glamour, Stil, Raffinesse, zeitlose Eleganz, formschönes Design und die Leidenschaft für Perfektion. Damit teilen wir uns wichtige Grundpfeiler.»

Geschichtsträchtiges Achteck Den Auftakt der erfolgreichen Zusammenarbeit zwischen Maserati und Bulgari markierten 2012 die beiden Modelle «Quadri-Retro» und der «Velocissimo» der legendären Octo-Linie aus dem Hause Bulgari, die mit ihrem charakteristischen achteckigen Design von der römischen Massentius-­Basilica aus dem Jahre 310 v. Chr. inspiriert ist. «Quadri-Retro» und der «Velocissimo» – zwei Chronographen, die nicht nur wegen der Chronographenkomplikation an die Zeitmessung im Motorsport erinnern, sondern auch wegen ihrer doppelten Signatur von Bulgari und dem legendären Maserati Dreizack-Emblem, das berühmte Attribut der Neptun-­Statue in Bologna, dem Geburtsort der 1914 gegründeten Firma.


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Der Dreizack

Während sich die Brüder Alfieri, Ernesto und Ettore Maserati ganz auf die Entwicklung des ersten Maserati-Automobils konzentrierten, hatte Mario, ein weiterer Bruder und seines Zeichens Künstler, nicht viel Ahnung von Motoren. Und so lag es nahe, ihm die Kreation des Logos für die Firma anzuver­trauen. Als Symbol für Stärke und Vitalität wählte Mario den Dreizack der Neptun-Statue auf der Piazza Maggiore, eines der Wahrzeichen der Stadt Bologna. Auch die Farben Rot und Blau aus dem Banner der Stadt übernahm er, die bis heute die Farben von Maserati sind.

Maserati Levante «SQ4 MY19 GranSport»

Uhren für alle Fälle Seit letztem September gibt es nun zwei weitere Akteure auf der Bühne der Exklusivität, mit denen Maserati und Bulgari ihre hochexklusive Partnerschaft erneuert haben: Es sind die Octo-Sonder­ editionen «LussoSport» und «GranSport», beide mit einem Durchmesser von 41,5 Millimeter und einer Gangreserve von 42 Stunden. Die Zeitmesser, die von Bulgari speziell für Maserati entwickelt wurden, weisen zahlreiche Merkmale der begehrten Automarke auf. So verfügen die Uhren mit der Maserati-­DNA über retrograde Minutenanzeigen und Sprungstunde und spiegeln in ihrer Ästhetik die Stilcodes der Maserati-Sportwagen wider. Während die Modernität des Designs und die Affinität zu Maserati durch das Zifferblattdesign ausgedrückt werden, das an ein Armaturenbrett erinnert, ist das Lederarmband mit sichtbaren Nähten eine Anlehnung an die Maserati-Polsterungen. Die sportliche «Octo GranSport» aus Edelstahl begeistert mit schwarzer «DLC»(Diamond Like Carbon)-­ Beschichtung, avantgardistischem Design und dem schwarzen Zifferblatt mit in Silber- und Blautönen gehaltenen Zahlen, Stundenanzeige, Marker und Zeiger; die «Octo GranLusso» aus 18 Karat Roségold hingegen besticht durch ihre Eleganz. Das

«Octo GranSport» aus Edelstahl

Zifferblatt der «GranLusso» ist ebenfalls in Schwarz gehalten, sämtliche Anzeigeelemente aber sind aus Roségold – eine edle und raffinierte Note des Juweliers Bulgari. «Obwohl die Zeitmesser in erster Linie für Maserati-­Fans respektive exklusiv für Besitzerinnen und Besitzer eines Maserati konzipiert worden sind», so Piergiorgio Cecco über den neuesten Zuwachs, «sprechen die beiden Bulgari-­Kreationen sicherlich jeden mit einem Auge für Schönheit, Designkunst und Ästhetik an.» Und eines lässt sich ganz bestimmt festhalten: Die beiden Zeitmesser sind die vollendete Verkörperung der Werte beider italienischen Traditionsunternehmen.

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DER DRITTE

RAUM

In den Design-Studios von Daimler wird die Zukunft entworfen, und Visionen fĂźr die Marken Mercedes-Benz, Mercedes-AMG, Mercedes-Maybach und die Elektromarke EQ werden zum Leben erweckt. Der Spagat zwischen digitalem Zeitalter und analogem Erleben ist dabei eines der zentralsten Themen fĂźr die herausragenden Exterior- und Interior-Designer. Anka Refghi I

Daimler AG


DRIVE STYLE

N

iemals stehen bleiben, immer einen Schritt voraus sein und Impulse für eine ganze Branche setzen – das ist Daimler seit 1879. Neben technischen Innovationen und Höchstleistungen ist im Automobilbau heute gerade auch das Design von grösster Bedeutung, denn das wird immer häufiger als Kaufgrund genannt. «Design ist die Seele einer Marke und damit der grösste ‹Brand-Shaper›», sagt Gorden Wagener, Chief Design Officer der Daimler AG, Mercedes-­ Benz Cars sowie Vans & Daimler Trucks. «Luxus ist der zentrale Begriff für unsere Arbeit. Es geht uns dabei weniger um materielle Werte, sondern um ein authentisches, emotionales Erlebnis und höchste Ästhetik. Wir wollen für unsere Kunden ein ganzheitliches Markenerlebnis aus dem Drei­ klang Marke, Produkt und Digitalität schaffen», so Gorden Wagener weiter über die Design-Philo­ sophie, die für alle Daimler-Marken dem Prinzip «Nichts ist unnötig, alles hat Funktion» folgt. Sinnliche Klarheit heisst das Credo, das meisterlich durch sinnlich fliessende Linien im Interior- und Exterior-Design und eine klare Formsprache umgesetzt wird.

Im Zentrum des «Concept EQ»-Fahrzeugs stehen Digitalität und analoges Erleben.

Ästhetik mit Mercedes-DNA Klarheit, Intelligenz und Emotionen – so gemeinsam die DNA der Daimler-Marken, so charakteristisch und eigenständig wird die jeweilige Marken-­ Ästhetik von Mercedes-Benz, Mercedes-Maybach, Mercedes-AMG, und der neuen Elektromarke EQ definiert. «Performance Luxury» heisst die Design-­ Welt von Mercedes-AMG. Hier geht es um sportliches Erleben. Athletische Fahrzeuge mit grossen Rädern, tiefer und markanter Schulterlinie, «Big Body» eben, und ein Design, das durch Spannung Kraft generiert. Eine Marke, für die man vielleicht auch ein wenig mehr «Design-Mut» braucht als für andere, wie Robert Lesnik, der Leiter «Exterior Design AMG», anfügt. An der unangefochtenen Spitze des Markenportfolios in Sachen Luxus – die Marke Mercedes-Maybach. «Ultimate Luxury» steht hier für die Ästhetik der exklusiven Fahrzeuge der Superlative, die, in Serie oder als Studie, für erhabene Schönheit, «Richness» und die perfekte Design-Harmonie stehen. Durch den Begriff ­«Modern Luxury» wird hingegen die zeitlose und langlebige Ästhetik von Mercedes-Benz definiert und damit ein Design, das die Tradition der Marke mit dem Stern in die Moderne führt. Klare Linienführung, perfekte Proportionen, reduziertes Interieur und dennoch – Noblesse, High Tech und Handwerkskunst. Neben dem Exterior-Design gewinnt auch der Innenraum immer mehr an Bedeutung und wird, neben dem eigenen Zuhause oder dem Büro, zu einem dritten Raum, in dem die digitale und die analoge Welt miteinander verschmelzen. Gerade die digitale Transformation stellt die Designer vor neue Aufgaben, denn diese geht Hand in Hand mit dem Interior-Design und spiegelt sich in den intuitiven Bedienelementen, glatten Flächen und individualisierbaren Benutzeroberflächen wider. Dass die Zukunft schon längst da ist, beweist auch das Beispiel der neuen A-Klasse, die als erstes Modell von Mercedes-Benz das neue Multimediasystem MBUX (Mercedes-Benz User Experience) erhält. «Mit der neuen MBUX-Generation überführen wir unser User Interface Design in die digitale Welt. Wir transferieren somit intelligente Technologie in ein emotionales Gesamterlebnis. Einzigartig bei diesem System ist seine Lernfähigkeit dank künstlicher Intelligenz. MBUX ist individualisierbar, mit natürlicher Sprache zu steuern und stellt sich auf den Nutzer ein. Es schafft so eine emotionale

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DRIVE STYLE

Verbindung zwischen Fahrzeug, Fahrer und Passagieren. Mit MBUX haben wir komplexe Bedienund Steuervorgänge so weit reduziert, dass der Mensch sich intuitiv und ohne Eingewöhnung mit dem System verständigen kann. Das Design übernimmt dabei die Funktion des Übersetzers», fasst Gorden Wagener zusammen.

Luxus der Zukunft Noch einen Schritt weiter in Richtung Zukunft geht Daimler mit seiner neuen Elektromarke EQ, die Digitalität und elektrisches Fahren zusammenbringt. «Progressive Luxury» heisst das ästhetische Terrain, auf dem das Unternehmen die Zukunft erprobt. «Seamless» ist dann hier auch das Schlüsselwort für das «Concept EQ»-Fahrzeug, das die vollständige Vernetzung des Fahrzeugs im Innenraum und mit externen Devices beschreibt. Das

Cockpit ist elegant und technoid mit einer unkomplizierten, touch-basierten und intuitiven Bedienung ausgestattet, der Fussraum im vorderen Bereich avantgardistisch und als eine durchgehende Fläche. Auch das Exterieur gestaltet sich «seamless» und wie aus einem Guss. Die Fugen sind verdeckt, die Windschutzscheibe scheint fliessend in die Motorhaube überzugehen, und die Griffe der Türen wurden aus Gründen der Aerodynamik ein- oder ganz weggelassen. Überhaupt – bis auf die Mercedes-­ typische elektrische Sitzverstellung, die mit modernster Technologie als Marken-Ikone weiterentwickelt wurde, kommt das Fahrzeug der Zukunft ohne klassische Schalter und Knöpfe aus. Ganz besonderes Highlight – und ein Spagat zwischen Tradition und Moderne – ist der für Mercedes so typische Kühlergrill, der sich beim Konzeptfahrzeug allerdings futuristisch digital und mit blauer Umrandung präsentiert.

Analoger Luxus

Gorden Wagener, Chief Design Officer

Dennoch, so innovativ sich die Zukunft abzeichnet und so vernetzt die Fahrzeuge der vier Marken heute schon sind – der Kunde soll und darf nicht überfordert werden. Trotz der Digitalisierung in allen unseren Lebensbereichen sind es die analogen Elemente, die uns Sicherheit und Vertrauen geben, ist man bei Daimler überzeugt. Vielmehr geht es in der Konzeption um eine Übersetzung des Analogen zum Digitalen und umgekehrt. So, wie beim «Concept EQ», bei dem digitale Licht-­ Impulse durch perforiertes Leder im Innenraum sichtbar gemacht werden oder digitale Anzeigen mit echten Zeigern kombiniert werden. «Hyper analog» nennt sich dieser Ansatz, mit dem die Designer dem Bedürfnis der Menschen Rechnung tragen, in einer zunehmend digitalen Welt auch weiterhin authentischen, analogen Luxus zu erleben.

EQC

2019 kommt mit dem EQC das erste rein batterieelektrische Mercedes-BenzSerienmodell der neuen Produkt- und Technologiemarke EQ auf den Markt.

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In den Design-Studios von Daimler werden Visionen zum Leben erweckt.


FASHION  


EXCLUSIVELY FOR CAROLINE LOSSBERG

TOP Max Mara I ROCK Max Mara I HANDSCHUHE Max Mara I GÃœRTEL Max Mara


FASHION

MANTEL Hermès I HOSE Hermès

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KLEID Odeeh I ROLLKRAGENPULLOVER Hermès


TOP Jil Sander I ROCK Jil Sander I BODY Wolford I SCHUHE Jil Sander


JACKETT Odeeh I HOSE Odeeh I HEMD Karl Lagerfeld I SCHUHE Dior


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KLEID Talbot Runhof I STIEFEL Talbot Runhof I OHRRINGE Dior


FASHION

JACKETT Sportmax I HOSE Sportmax I BODY Marni

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FASHION

HUT KleiderReich I BLUSE Stine Goya

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KLEID Dior I STRUMPFHOSE Dior I SCHUHE Dior


LEDERCORSAGE Marina Hoermanseder

PHOTOGRAPHER Kai Weissenfeld www.kai-weissenfeld.com MODEL Caroline Lossberg www.megamodelagency.com STYLING Natalia Witschke www.nina-klein.com/natalia HAIR / MAKE-UP Kerstin Huesges www.nina-klein.com/kerstin

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FASHION

Fashion! IT’S

1

«Fashion Makes the World Go Round» – auch in diesem Herbst dreht sich das Karussell der Modeneuheiten wieder schnell. by

2

6

3

6 I LES100CIELS

1 I CHOPARD

Traumhafter KaschmirPullover in zartem Rosé der Kaschmir-Marke Les100ciels. Die heraus­ ragende Qualität stammt sowohl von dem Fach­ wissen um die Haltung ihrer eigenen Ziegen in der Mongolei sowie der Inno­ vation und Anwendung zukunftsweisender Produktionstechniken.

«Red Carpet»-Kollektion: majestätisches Collier mit Federn und Edelsteinen aus 24 Karat Gelbgold und Titan, mit einer 24-Karat-Gelbgold-Camée besetzt mit rotem Jaspis, blauen Apatit-Cabochons, violetten Granat-Cabochons, gelben Saphiren, Granaten und schwarzen Diamanten. 2 I ROLEX

Die neue Version des «Oyster Perpetual Cosmograph Daytona» in 18-Karat-«Everose»-Gold schmückt sich mit Edelsteinen, darunter 36 Saphire im Baguette-Schliff in den Farben des Regenbogens auf der Lünette.

5 I CÉLINE

Cross-Body- und Hand­ trage­tasche «Nano». Mit abnehm­barem Lederbändel, Reissverschluss­ tasche auf der Vorderseite und flacher Innentasche. Goldmetallbeschläge, 83 % Kalbsleder, 17% Eidechse (Varanus Salvator), 100 % Lammfellfutter.

3 I TALBOT RUNHOF

Die aktuelle Kollektion des Designer-Duos spielt mit Stil­ elementen traditioneller deutscher Kleidung und dem Motto «Glaube Liebe Hoffnung». Kleider aus heimeligem Samt, opulent bestickt oder mit Volants besetzt. 4 I CHLOÉ

«Rylee»: Statement-Stiefel aus glänzendem Kalbsleder in einer schlanken, femininen Silhouette. Die Schnürstruktur sorgt für ein raffiniertes Finish. Fersenteil aus einer Kombination aus glänzendem, geschichtetem Leder und mattem Gummi.

5

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Der amerikanische Fotograf Just Loomis ist einer der grössten Porträt- und Modefotografen unserer Zeit. Der einstige Assistent und gute Freund von Helmut Newton offenbart in seinem neu erschienenen Buch «Backstage» intime Einblicke hinter die Kulissen der Modewelt vergangener Dekaden. Anka Refghi I

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Just Loomis

AN DIE WEIBLICHKEIT

ODE

FASHION


FASHION

Mailand I 1983

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O

b in der Mitte des 19. Jahrhunderts oder heute – «Moden­ schauen» faszinieren die Menschen seit jeher. So schrieb der Literat und Kunstkritiker Léon Roger-Milès bereits vor rund 100 Jahren in dem Vorwort zu seinem Buch «Les Créateurs de la Mode – Dessins et Documents de Jungbluth»: «(…) Wenn im Februar die Sommermode und im August die Wintermode präsentiert wird, werden die Salons der grossen Couturiers von einer Menschenmenge gestürmt … Und es ist ein herrliches Schauspiel, selbst für die blasiertesten Blicke, die Kollektionen über den Laufsteg defilieren zu sehen … Diese Modenschauen haben etwas Be­ glückendes und Traumhaftes … Und damit meine ich nicht die technische Ausstattung der Kleider – ich meine alleine diesen Anblick und den kaleidoskopischen Eindruck, den er auf der Netzhaut hinterlässt …»

Der Reiz des Verborgenen Doch schon längst haben sich die Fashionshows zu einem Spektakel der Superlative entwickelt, bei dem es weit über das Defilieren hinausgeht. Sie sind Gesamtkunstwerke, in denen Kleider, Models, Multimedia und Kulisse zu einer berauschenden Einheit verschmelzen und «Big Business» bedeuten. Waren die 1990er- und 2000er-Jahre durch Supermodels wie Kate Moss, Tyra Banks oder Claudia Schiffer geprägt, sind es heute ­Celebrities und Influencer wie Kendall Jenner oder Gigi Hadid. Was bleibt, ist die Faszination. Dennoch hat sich innerhalb der letzten Dekaden eines ganz besonders verändert: die Bedeutung des Backstage-Bereichs. Denn wer heute etwas ist, dem stehen die Tore zu diesem weit offen. Während sich aktuell das «Dahinter» mit seinen Stars,

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Models, Influencern und YouTube-Film-Teams die Waage mit dem «Davor» der ersten Reihen hält, lag der Fokus einst ausschliesslich auf dem Laufsteg selbst. Erst als Fotografen wie Robert Fairer in den 1990er-Jahren den Reiz des «Verborgenen» hinter den Kulissen fotografisch ins Spotlight rückten, begann das «Faszinosum Backstage». Davor allerdings war es – zumindest fotografisch – noch sehr ruhig.

Die Welt der geheimen Schönheit Es waren die 1980er-Jahre, als die schöne Inès de la Fressange als Muse von Karl Lagerfeld gefeiert wurde, die Japanerin Rei Kawakubo mit ihren avantgardistischen und gleichermassen düsteren und unförmigen Modeentwürfen den Moderedakteurinnen reihenweise schockähnliche Zustände bescherte und die Sterne grosser Modehäuser wie Moschino, Dolce & Gabbana, Trussardi oder auch Prada aufgingen.


FASHION

Paris I 2003

Los Angeles I 2003

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Und es war die Zeit, in der die Karriere des jungen amerikanischen Fotografen Just Loomis in Mailand begann, als ihn die Redakteurin und Galeristin Carla Sozzani 1983 mit seiner ersten Mode-Strecke für die «Vogue Sposa» beauftragte. Die bis heute anhaltende Liebe für die Backstage-Fotografie aber entdeckte der einstige Assistent von Helmut Newton nicht etwa in Mailand, sondern in Rom. Ein prägendes Erlebnis, über das er einmal sagte: «Ich war in Rom und habe die Valentino-Show fotografiert. Ich wanderte hinter die Bühne … niemand ging hinter die Bühne. Es war, als würde man eine Welt der geheimen Schönheit entdecken … Ich bin fest davon überzeugt, dass im Backstage eine Art vorzeitliche, animalische Energie herrscht. Eine At-

mosphäre, die entsteht, wenn sich die wummernde Musik mit den Bewegungen der Models und den mysteriösen Reflexionen ihrer Gesichter in den Spiegeln mischt. Diese Models werden dann zu archetypischen Frauen. Und ich verliere mich in einem Strudel von Bildern, auf den ich instinktiv reagiere.» In den darauffolgenden Jahren entstanden einzigartige Werke, die zu bildgewaltigen Zeitzeugen einer ganzen Branche wurden. So dokumentieren die Fotografien in seinem aktuellen Buch «Backstage» die pulsierenden Modewelten der 1980er-Jahre in Mailand, Paris und Rom, zeigen das New York der 1990er-Jahre und die rohe Mode­ welt im Los Angeles Anfang der 2000er-Jahre. Stark, eindrucksvoll und analog.

Zur Person

Paris I 2005

Just Loomis wurde 1957 in Reno, Nevada, geboren und lebt heute in Los Angeles. Nach seinem Studien­ abschluss am «Art Center College of Design» in Pasadena wurde er ab 1980 Assistent von Helmut Newton, mit dem ihn bis zu dessen Tod 2004 eine enge Freundschaft verband. In den 1980er-Jahren Modefotograf in Mailand, widmete er sich Ende der 1990er-Jahre ebenso der Porträt- und Dokumentar­ fotografie, aus der seine legendäre Monografie «As We Are» hervorging.

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Just Loomis, «Backstage» Hatje Cantz


WORLD OF Beauty Wa h re Schön heit von i n nen, ma kel loses Aussehen von aussen – ei n zigar tige P rodu k te fü r den per fek ten Au ftritt. by

1

FASHION

1 I DIOR

Die «Dior Backstage Glow Face Palette» ist die Geheimwaffe der Dior-Make-up-Artists hinter den Kulissen der Laufsteg-Shows für einen natürlichen Look bis hin zu intensiver Leuchtkraft. Die Palette bietet Farbtöne, die zu allen Hauttönen passen. 2 I LANCÔME

6

Mut zur Farbe mit den «Lancôme Big Color Lash Top-Coats» für Mascaras, die die Wimpern sofort färben. Die extrem flüssige, hochkonzentrierte Pigment-Formel mit Perlglanz lehnt sich an die des Eyeliners an. 3 I SISLEY

2

«Gel parfumé douche et bain»: die ganze florale und natürliche Eleganz der Izia-Rose in einem Duschgel. Das leicht schäumende und subtil duftende Duschgel reinigt die Haut und macht sie zart und seidig. 4 I CHANEL

«L’Huile» ist ein Reinigungsöl gegen Umweltschadstoffe. Mit «L’Huile» lassen sich selbst stark haftende und wasserfeste Formeln gründlich entfernen, während das Gleichgewicht der Haut bewahrt bleibt. 5 I BENAMÔR

«Gordissímo»: ultra-reichhaltige Handcreme im Retro-Style. Mit wertvollen Inhalten wie Süss­ mandelöl, das der Haut Weichheit und Feuchtigkeit verleiht, SheaButter, die schützt, nährt und hydratisiert, und Inka-Erdnuss, die Antioxidantien gegen freie Radikale enthält.

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6 I PAUL MITCHEL

Mit «Neuro TM Liquid» lanciert Paul Mitchel die erste KomplettKollektion mit sieben ultraleistungsstarken Pflege- und Styling-Produkten, die speziell dafür entwickelt wurden, hohen Temperaturen standzu­ halten und das Haar vor Hitze zu schützen.

3

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© Cecil Beaton

&

GENIE WAHNSINN

Z WISCHEN

Charles James I 1936


FASHION

Seine Zunge ist spitz, seine Direktheit oftmals an Unverschämtheit nicht zu überbieten, seine Kreationen sind architektonische Meisterwerke des Fashion-Designs, und sein Verstand ist so messerscharf wie die Roben, die er schneidert. Charles James ist ein egomanisches Wunderkind, das andere Meister und die Damen der Upperclass anbeten.

D

Helena Ugrenovic

ie Millionenerbin Millicent Rogers, Marlene Dietrich, Elsa Schiaparelli, Anne Messel, Coco Chanel, Diana Vreeland, Austine Hearst und Stil­ ikone Babe Paley gehören zu seinen besten Kundinnen, denn ein Charles-­JamesMeisterwerk zu besitzen, ist der Inbegriff von Prestige und bedeutet, sich an der Spitze der Crème de la Crème zu befinden. Cristòbal Balenciaga nennt ihn den «weltbesten Couturier, der einzige in der Welt, der die Schneiderkunst von der angewandten Kunst zur reinen Kunst erhoben hat»; für Bill Cunningham ist er der «Einstein der Mode», Christian Dior bezeichnet ihn als das «grösste Talent meiner Generation», das ihn genauso zu seinem berühmten New Look von 1947 inspiriert hatte wie Yves Saint Laurent zu der viktorianischen Silhouette. Für seine Mitarbeiter, die er manchmal über Nacht im Studio einsperrt, weil er der Meinung ist, sie arbeiteten nicht hart genug, ist er ein durchgeknallter Sklaventreiber und für so manche Lady, die er als unwürdige Trägerin seiner Roben erachtet und mit dem Satz «Ich kann unmöglich ein Kleid für so eine alte Schabracke wie Sie entwerfen» abschmettert, das Schreckgespenst sondergleichen. Doch der Grat zwischen Genie und Wahnsinn ist ein schmaler und endet meistens im Abgrund. Im Wahnsinn.

Der aus der Reihe tanzt Am 18. Juli 1906 wird Charles Wilson Brega James in Camberley, Surrey, im Vereinigten Königreich geboren. Seinen Vater Ralph, den modischen und geschmückten Offizier und Instruktor bei der Royal

Military Academy Sandhurst, verachtet er. Ralph ist ein brutaler Sadist, der seinen Sohn erbarmungslos schlägt. Seine Mutter Louise Enders Brega stammt aus einer alteingesessenen und vermögenden Chicagoer Familie, die Charles masslos verwöhnt. Es ist ein traumatisches Elternhaus und vielleicht der Schlüssel dazu, Charles’ snobistische, schrullige und trotzige Art zu erklären, die seinem Geschäft nicht immer dienlich ist. «Charles hat jedes Talent. Nur nicht das, um mit Menschen auszukommen», sagte die verstorbene «Vogue»-Redakteurin Diana Vreeland. Mit 18 Jahren folgt er seiner Passion, zieht nach Chicago, bekennt sich offen zu seiner Homosexualität und eröffnet unter dem Namen «Charles Boucheron» ein Hutgeschäft. Sein Vater hat ihm verboten, den Familiennamen James dafür zu nutzen. Zwei Jahre später siedelt Charles James nach New York um und beginnt Kleider zu entwerfen. Ohne jegliche Ausbildung zum Schneider, jedoch mit einer Leidenschaft und zwanghafter Perfektion.

Lebende Skulpturen Er selber sieht sich nicht als Schneider, sondern als Künstler und Bildhauer. Was er in monatelanger oder jahrelanger Arbeit mit mathematischer und technischer Präzision, teilweise auch unter Einbezug eines Ingenieurs und mit pingeligster Perfektion erschafft, sind oft unergründlich komplexe, manchmal mehrere Kilogramm schwere Roben, die wie lebende Organe aussehen. Charles James kombiniert, lange noch, bevor es zum Trend wird, unterschiedlichste Materialien und mischt Samt, Satin, Taft und auch Tüll. Er ist ein Meister von

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© Horst P. Horst

FASHION

«Mode ist Magie und Wunder, die dazu bestimmt ist, Anteil und Schönheit zu verleihen, wo beide mit den Jahren verloren oder verblasst sind.» – Charles James –

Joan Fontaine in einem Kleid von Charles James I 1937

Schnitten und Stoffen und der Kombination verschiedenster Farbtöne wie Apricot mit Aubergine, Rosa zu hellem Braun oder hellgrüne Tüllschichten unter dunklem Braun, was einen faszinierenden Farbton erzeugt. Seine Ballkleider sind monumental, seine Roben opulent und dramatisch, Bühnenbilder, in dem sich eine Trägerin trotz der Schwere, integrierten Stäben und Hüftpolstern federleicht und bequem über die Tanzfläche bewegt. Bis ins letzte Detail plant Charles James

146 I PRESTIGE

nicht nur ein Meisterwerk, sondern schult die Trägerin, wie sie darin zu sitzen, zu gehen oder zu tanzen hat. 1978 stirbt Charles James an einer Lungenentzündung und Herzkrankheit. Der letzte Satz, den er am Vorabend zu Ambulanzmedizinern sagt, ist: «Es mag Ihnen nichts bedeuten, aber ich werde im Volksmund als der grösste Couturier der westlichen Welt angesehen.»


FASHION

CHOICE

It’s vegan!

EDITOR’S

Vegan kann auch cool. In einer Zeit, in der schnelle Einkäufe nur einen Klick entfernt sind, sich Deponien mit einst geliebten Gegenständen stapeln und riesige Mengen an Stoffen unwiederbringlich verschwendet werden, beweist die italienische Marke Yatay, dass Einkaufen ohne Beeinträchtigung der Umwelt möglich ist. Zwei Jahre lang hat das junge Unternehmen gebraucht, um einen Schuh zu entwickeln, der ebenso nachhaltig wie minimal und zeitlos ist. Die Sneakers sind 100 Prozent vegan und mit speziell entwickelten Verfahren hergestellt, die die Umweltbelastung enorm reduzieren.

Aufgesetzt

Hüte und Mützen sind auch in dieser Saison wieder das Accessoire schlechthin. Ganz besonders kreative Exemplare fertigt die Florentiner Manufaktur Super Duper, hinter der die Schwestern Veronica und Ilaria Cornacchini und Matteo Gioli stehen. Die Hüte und Mützen werden komplett von Hand gefertigt und entstehen durch die mehrstündige Verarbeitung von hochwertigem Rohmaterial zu einem authentischen Kunsthandwerksprodukt. Seit 2012 arbeitet die Marke permanent mit dem Kollektiv Art Comes First zusammen und gestaltet für viele andere Marken wie Vivetta, Stella Jean oder The Kooples.

Viktor&Rolf: Cover Cover Irma Boom Phaidon

Titelseiten

Als Hommage an das Schaffen der niederländischen Modedesigner Viktor & Rolf hat die renommierte Grafikdesignerin Irma Boom mit dem Buch «Viktor &  Rolf: Cover Cover» nun ein ganz besonderes Projekt realisiert. Das «Buch» besteht vollständig aus Covern, die sich mit Bildern, Skizzen und Zitaten jeweils auf eine bestimmte Kollektion beziehen. Irma Boom hebt die Buchmacherei auf eine völlig neue Ebene und verweist damit auf die Vielschichtigkeit des Schaffens der Designer. Irma Boom ist eine preisgekrönte niederländische Grafikdesignerin aus Amsterdam und hat bereits zahlreiche Bücher für renommierte Kunden wie Chanel, OMA / Rem Koolhaas, oder auch Ferrari realisiert.

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FASHION

FRISCH, RESPEKTLOS UND CHIC

NICOLÒ BERETTA

Nicolò Beretta war das, was man als Wunderkind bezeichnen könnte. Allerdings füllte er keine Konzertsäle oder löste Rechenaufgaben in Höchstgeschwindigkeit – Nicolò Beretta entwarf Schuhe. Als er 2011, gerade einmal 15 Jahre alt, seine Entwürfe dem spanischen Schuh-Papst Manolo Blahnik zeigte, war dieser von dem ausgeprägten Sinn für Stil und Kreativität begeistert. «Von da an», erinnert sich Beretta, «gab es kein Halten mehr. Ich konnte es kaum erwarten, meine Kreationen der Fashion­ welt vorzustellen.» Gesagt, getan. Mit 18 Jahren gründete er sein eigenes Label, das er «Giannico» nannte, eine Wortspielerei aus seinem eigenen Namen und demjenigen seines Bruders Giacomo.

Von Lady Gaga bis Rossella Jardini Heute gehört der Mailänder zu den Erfolgreichsten seines Fachs, und seine Kreationen sind schon längst zu Objekten der Begierde für Frauen rund um den Globus geworden. Doch seine Karriere verlief nicht ohne Hindernisse: «Meine Marke so jung zu gründen, war nicht einfach», so der mehrfach international ausgezeichnete Designer heute, «es war schwierig, Leute zu finden, die an mich glaubten. Viele versuchten mich in dieser Zeit zu ihrem eigenen Besten auszunutzen, während mich andere ein ‹verwöhntes Kind› nannten. Aber ich habe sehr schnell gelernt, mit den dunklen Seiten der Branche umzugehen, und wenn ich heute auf all die unglaublichen Meilensteine zurückblicke, die ich erreicht habe, fühle ich mich als der glücklichste Mensch der Welt.» Hergestellt werden die Schuhe, die er selbst als frisch, respektlos und chic beschreibt, in Italiens Schuhstadt Parabiago – getragen werden sie von Lady Gaga bis hin zur italienischen Modedesignerin Rossella Jardini.

1 ZITAT 148 I PRESTIGE

«Ich schrieb über 100 E-Mails an Fabriken, bis ich nach einem Jahr schliesslich in Parabiago eine fand, die meine Schuhe produzierte.» – Nicolò Beretta –


him

FASHION

MADE FOR Dezente Farbtöne, höchste Qualität und Handwerkskunst sind die Ingredienzien für einen stilvollen Herbst 2018. by

BOTTEGA VENETA

VALENTINO

«Metal Mesh Aviator»: PilotenSonnenbrille mit einer Linse auf der Vorderseite aus Metallgewebe und einer feinen Doppelbrücke aus Metall. 3D-Nieten an den Schläfenspitzen und 100 % UV-Schutz. Made in Italy.

RADO

Debüt-Kollektion von Tomas Maier für Herbst 2018. Inspiriert von der Stadt New York, ihrer Skyline, ihren Bewohnern und den grenzenlosen Möglichkeiten.

Die Rado «True Open Heart Automatic». Stilvoll und schlicht mit technischem Twist und durch und durch Rado: hochwertiges Schweizer Automatikwerk, Monobloc-Konstruktion, Gehäuse und Armband aus Hightech-Keramik in auf­ sehenerregenden Farben.

CHRONOSWISS

«Flying Regulator Night and Day» zur Kitzbüheler Alpen­rallye 2018. Eine auf nur 13 Exemplare limitierte Sonderedition des «Flying Regulator Night and Day» mit dreidimen­ sionaler Tag- / Nachtanzeige und grossem Datumsfenster.

ALEXANDER MCQUEEN

Schwarze «24 Hour Weekend Duffle Bag» aus genarbtem Kalbsleder. Diese Leder­tasche von Alexander McQueen ist ein perfekter Begleiter für Wochenendausflüge und hat eine geräumige Innenaus­ stattung zum Verstauen aller wichtigen Dinge.

BALLY

«Nellos»: Herrenstiefel für den stilvollen Mann aus khakifarbenem Kalbsleder mit trendiger Kreppsohle. Eine Lochverzierung im «Brogue»-Stil und eine Fersenlasche mit BallyStreifen setzen dezente Akzente.

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FASHION

Emporio Armani

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FRONT

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Ein Blick auf die Runways der internationalen Modemetropolen zeigt: Der Mantel ist eines der Key-Kleidungsstücke für die Herren in der aktuellen Saison und darüber hinaus – von Hermès bis Prada und in jeglicher Couleur. Ob klassisch, kariert oder gemustert, ob aus Wolle, Samt oder Seide – Mäntel sind seit jeher Kombinationswunder, «Cool-Macher» oder «Stilgeber». Kurz und gut: Einen von ihnen sollte jeder modebewusste Gentleman aktuell sein Eigen nennen.

Hermès

ROW

Anka Refghi

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Dior

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FASHION

Ermenegildo Zegna

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Prada


Burberry

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FASHION

Hermès

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WUSSTEN

FASHION

Für starke Frauen

SIE …?

Sie sind wieder zurück: die Schulterpolster. Dabei blicken die streitbaren Mode-Ikonen bereits auf eine lange Geschichte zurück, die bis ins 17. Jahrhundert reicht, als sich die Oberschicht die Schultern durch Aus­ polsterungen betonen liess. So richtig ins kollektive Bewusstsein aber gelangten sie erst 1932, als sie der Kostümbildner Gilbert Adrian für den Film «Letty Lynton» erstmals in der Frauenmode einsetzte. Die dadurch beinahe rechteckige Silhouette der Schauspielerin Joan Crawford wurde nicht nur legendär, sondern trat einen Modetrend los, der sinnbildlich für die starke Frau der 1930er Jahre stand. Während Schulterpolster besonders gerne auch von Frauen aus der Politik und Wirtschaft jener Tage getragen wurden, verlor sich ihre Popularität nach dem Zweiten Weltkrieg. Allerdings nur, um in den 1980er Jahren ein fulminantes Comeback zu feiern. Aktuell sind sie wieder da – auf den Laufstegen von Marc Jacobs bis Fendi.

Der Sirenen-Anzug

Sie sind praktisch und wurden in diesem Jahr als Streetstyle an der Modemesse «Pitti Uomo» wieder gesichtet: Overalls für den Herrn. Der wohl berühm­teste Overall-Träger aller Zeiten war der britische Premierminister Sir Winston Churchill. Von ihm selbst entworfen, gerne auch mit NadelstreifenMuster, trug er seinen berühmten «Siren Suit», also Sirenen-Anzug, gerne während seiner langen Arbeits-Nächte im Zweiten Weltkrieg. Kam der Alarm für Luftangriffe, war er stets schnell und gut angezogen. Einer der Anzüge wurde 2002 für stattliche 32’500 Britische Pfund versteigert.

Die Satteltasche

Seit Jahren war sie nur noch als teuer bezahlte Secondhand-Tasche zu haben: die berühmte «Saddle Bag» von Dior. Seit diesem Juli ist sie nun wieder erhältlich! Die «Saddle Bag» hatte ursprünglich der damalige Chefdesigner John Galliano 1999 für das Modehaus Dior kreiert. Mit dem Weggang des Modeschöpfers im Jahr 2011 endete, zum Leidwesen vieler Frauen, auch die Produktion der Kult-Tasche in Sattelform. Bis heute wird spekuliert, ob sich Galliano einst von Helmut Newtons Foto «Saddle I» inspirieren liess, auf dem ein lediglich mit Unter­wäsche bekleidetes Model «gesattelt» auf einem Bett posiert.

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LIVING

EIN KONTRASTREICHER

MANN Der in Paris lebende Designer Diego Delgado Elias überzeugt mit seinen Projekten vor allem die betuchte Gesellschaft in der Stadt der Liebe. Sein hervorstechendes Stilelement ist dabei der Gegensatz von alt und neu.

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Wilma Fasola I

Diego Delgado Elias

erade plane er gemeinsam mit seinem Team eine 1000 Quadratmeter grosse Wohnung für einen Prinzen aus dem Nahen Osten, so Diego Delgado Elias auf die Nachfrage, womit er aktuell seine Zeit verbringt. «Ein echter Traumjob», wie der aus Peru stammende Designer findet. Und ein extremer Gegensatz zu seiner eigenen Bleibe. Privat hat er sich eher klein und fein eingerichtet, und die Wohnung im Pariser 6. Arrondissement sei nach eigenen Worten «praktisch», denn er verbringe eh den grössten Teil seiner Zeit im Büro. An Arbeit mangelt es nämlich nicht. Die Ideen des hübschen Mannes mit dem dunklen Teint und dem gut gestutzten schwarzen Vollbart sind gefragt. Vor allem in Paris, aber auch über die französische Grenze hinaus. So hat er auch schon Projekte in seiner Heimat Peru umgesetzt.

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Designer Diego Delgado Elias


LIVING

Alt trifft modern – der Designer liebt das Gegensätzliche.

Gegensätze ziehen ihn an Diego Delgado Elias selber beschreibt seine Arbeit dabei wie folgt: «Ich denke, dass ich sehr analytisch bin, ich erforsche ständig Formen und ihre Beziehung zu Materialien. Ich spiele auch gerne mit dem Kontrast. Alt und neu, roh oder luxuriös, dunkel und hell.» Und das trifft es sehr genau. ­Betrachtet man seine Kompositionen, sieht man oft helle, modern gestaltete Wände. Im Kontrast dazu prägen antiquarisch anmutende Holzmöbel die Optik. Zu einem seiner bislang besten Projekten gehört auf jeden Fall eine Wohnung im zehnten Distrikt von Paris. Hier ist sein persönlicher Stil in jeder kleinsten Ecke präsent. Hell trifft auf dunkel, alt verbindet sich mit neu und Rohheit vereint sich mit Luxus. Ganz bewusst hat der Peruaner dabei den

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Schwarze Akzente als Hingucker

LIVING

150 Quadratmetern den Touch des Vergangenen verpasst. Abgenutzte Holzböden, Patina an den Wänden und Spiegel, die er selber auf langen ­Suchen in den Antiquitätengeschäften von Paris gefunden hat. Dass die Wohnung dennoch nicht altbacken wirkt, dafür sorgen moderne Elemente wie ein massiver Küchenblock oder auch trendige Liegelandschaften. Parallel wurde an mancher Stelle gezielt die Farbe Schwarz eingesetzt. Ein perfektes Gegenstück zur am besten mit der Farbe Ivory zu beschreibenden Patina.

Paris ist seine grosse Liebe Nach Paris kam Diego Delgado Elias übrigens schon sehr früh. Die Schule liess ihn der Heimat Lebewohl sagen und lockte ihn in die Stadt der Liebe. Zunächst studierte er Kunst. Er stellte jedoch schnell fest, dass das nicht sein Thema war. Also wechselte er zu den angehenden Architekten und meisterte sein Studium an der «École Spéciale d’Architecture» mit Bravour. Danach arbeitete er rund zehn Jahre beim Unternehmen «Arquitectonica». Eine wichtige Zeit für ihn, wie er heute findet.

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LIVING

«Es ist eine ziemlich grosse Firma, und so hatte ich die Möglichkeit, an riesigen Projekten wie Wohn-, Hotel- und Bürobauten zu arbeiten», erinnert er sich. Zudem verbrachte er während seiner Zeit bei «Arquitectonica» auch einige Jahre im Headquarter in Miami. Und hier fand er heraus, dass er an ­Paris sein Herz verloren hat. Die Rückkehr somit nur eine Zeitfrage.

Die Selbstständigkeit war stets das erklärte Ziel Daher war es auch keine Frage, wo sein eigenes Atelier zuhause sein würde. Nur wann er es in Paris eröffnen werde, das war noch offen. Dass er eines Tages sein eigenes Ding machen würde, war für Diego Delgado Elias nämlich immer schon klar. «Ich hatte es immer geplant, und als 2014 der richtige Zeitpunkt kam, habe ich die Chance ergriffen.» Die Tatsache, dass er zum grössten Teil heute Innendesign macht, basiert auf der Nachfrage. Doch es gibt auch immer noch Architekturprojekte in seinem Portfolio. Dazu er selber: «Es macht mich glücklich, dass ich beides machen kann. So war es zwar der Markt, der mich in den Anfängen meiner Selbstständigkeit zur Innenarchitektur drängte. Doch ich fand sie von Beginn an grossartig.»

antwortet Diego Delgado Elias übrigens: «Mehr als ein Designelement ist sicher die Parallele zwischen alt und neu, die meine Arbeit am besten beschreibt. Und mein Interesse an Materialen und dem Erbe des Vergangenen.» Privat scheint er dabei ähnlich zu ticken. Scrollt man sich beispielsweise einmal durch seinen Instagram-Account, sind das Alte wie das Neue und viel Material auf jeden Fall der grundlegende Tenor. Hochmoderne Architektur trifft auf alte, hunderte Jahre alte Steinhäuser. Die ebenfalls vorhandenen Privataufnahmen zeigen zudem, dass er eben auch nur ein junger Mann Ende dreissig mit vielen Freunden und der Freude an Geselligkeit ist. Da kann es dann auch schon mal vorkommen, dass die Hausparty bildlich festgehalten und die nächste Verabredung bereits via Kommentarfunktion getroffen wird.

Ein bunter Projektmix zeichnet ihn aus Grundsätzlich darf man mit einem Blick auf die Projekte von Diego Delgado Elias auf jeden Fall von Vielfalt sprechen. Und das ist auch gewollt. «Wir nehmen so ziemlich jeden Job, der ins Büro kommt», erklärt der Designer. «Denn ich denke, Vielfalt ist sehr wichtig, um ein starkes Portfolio aufzubauen.» Da verwundert es auch nicht, dass 2017 eine kleine Schmuckkollektion entstanden ist. Die entworfenen Ringe tragen dabei seinen Beruf oder besser seine Berufung zur Schau. Da gibt es einen Ring mit Mini-Wasserwage. Einen anderen mit winzigem Lineal. Eine schöne Idee, die aber wohl eher in die Kategorie «zur eigenen Freude» eingeordnet werden kann. Denn es handelt sich nicht um Kassenschlager, und die Kollektion wurde von Beginn an auf wenige Exemplare beschränkt. Was jedoch auf der anderen Seite auch wieder für den Kauf eines Ringes spricht. Da man erwarten kann, dass Diego Delgado Elias sich weiter einen Namen machen wird, könnte man vielleicht auf eine exponentielle Wertsteigerung spekulieren.

Ein ganz normaler Mensch Abschliessend gefragt, welches Designelement seinen Charakter am besten beschreiben würde,

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Patina an den Wänden holt die Vergangenheit in die Wohnung.


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Viel Raum zur Gestaltung bot die Pariser Wohnung im zehnten Distrikt.

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Handgemalte Tapete: ÂŤPortobelloÂť-Chinoiserie von de Gournay


© Paul Raeside

WAND

COUTURE Man findet sie in Schlössern, stylishen Privatresidenzen, in den besten Restaurants oder Hotels, und nicht selten sind sie die heimlichen Stars in legendären Filmen und Werbekampagnen – handbemalte Tapeten. Und manche von ihnen sind so wertvoll, dass sie über Generationen weitervererbt werden. Anka Refghi


© de Gournay

Handgemalte Panorama-Tapete «L’Eden» von de Gournay


© de Gournay

LIVING

O

bwohl sich auf dem weiten Feld des Interior-Designs in den letzten Jahren Grosses vollzogen hat, die Tapete hatte es nicht immer leicht. Zu sehr haftete ihr der Imageschaden durch jahrzehntelangen Einsatz in kleinbürgerlicher Umgebung an. Heute sind sie das Stilmittel schlechthin und in einer schier unendlich grossen Auswahl und in jeder Preisklasse und Ausführung erhältlich. Ganz besonders exklusiv, und heute gefragter denn je, sind Tapeten aus Rohseide oder Seidendamast und von Hand bemalt. Unikate, die bereits am chinesischen Kaiserhof als die Statussymbole schlechthin galten und deren Motive von chinesischen Handwerkern in unermesslich aufwendiger Arbeit und mit feinsten Pinseln angefertigt wurden.

Von Palästen und Szenerien Ab dem 16. Jahrhundert fanden die kostbaren Tapeten ihren Weg über die Seidenroute nach Europa und an die Wände royaler Paläste und Fürstenhäuser. Doch da die seidenen Schönheiten auch Mitte des 17. Jahrhunderts immer noch sieben Mal teuer waren als die damals herkömmlichen Wandbespannungen, begann man damit, Seidentapete auch in Europa herzustellen. Ganz besonders beliebt waren sogenannte «Chinoiserien», also Motive, deren Stil sich an chinesischen Vorbildern orientierte und asiatische Alltagsszenerien, florale Muster oder ganze Landschaften darstellte. Manche Tapeten wurden von Hand bemalt, andere mittels

Modeln bedruckt. So, wie die berühmte Panorama-­ Tapete «Vues de Suisse», die 1804 von einer elsässischen Manufaktur, mithilfe von 16 Bahnen und 2000 handgeschnitzten Modeln, eine ideale Landschaft abbildete. Doch nicht nur die handgefertigten Tapeten vergangener Tage sind heute von einem unermesslichen Wert, auch diejenigen im Hier und Jetzt sind die potentiellen Erbstücke von Morgen.

Wandkunst mit Seele Virtuoses Kunsthandwerk statt industriell gefertigter Papierbahnen und gleichförmiger Motivrepetition ist auch das Kernstück renommierter Manufak­ turen, wie bei dem britischen Tapetenhersteller de Gournay, bei dem die edlen Motive auf Seidendamast oder Rohseide gemalt und mit einem

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Š de Gournay

Traum in Gold: Wandkunst der Superlative


LIVING

zu japanischen Koi-Karpfen und Kirschblüten. Neben exotischen Motiven wie Affen, Flamingos oder Singvögel erleben auch die Muster der 1940er- und 1950er-Jahre eine Renaissance.

Heimliche Stars Durch ihre Individualität und visuelle Ausdrucksstärke spielen die exklusiven Wandkunstwerke zahl­reiche Rollen. Sie sind «Akzentuierer», «Raumgestalter» und nicht selten auch die heimlichen Stars in Werbekampagnen und Filmen. So, wie im Film «The Great Gatsby», in der TV-Serie «True Blood» oder in den Kampagnen für Chanels «Coco «Mademoiselle» mit Keira Knightly, Topshop oder Yves Saint Laurent, wo handgefertigte Tapeten von de Gournay die Szenerien mit ihrer Anwesenheit ebenso adeln wie im «Ritz», im New Yorker «Bergdorf Goodman» oder in den Boutiquen von Dior. Doch handgearbeitete Tapeten in Räumen einzusetzen, bedarf viel Wissen, denn auch hier gilt: Zu viel ist zu viel. Statt also alle vier Wände zu verkleiden, empfiehlt es sich, nur eine Wand oder gar nur eine Nische zu veredeln. Modern interpretiert können die erlesenen Bahnen auch auf Paneelen aufgezogen werden und sind auf diese Weise mobil im Raum einsetzbar. Ob als Hintergrund, vor dem Möbel ins Rampenlicht gestellt, als zentrales Stil-­ Element im Raum mit entsprechend zurückhaltenden Möbeln oder als Spielerei von Gegensätzen mit historischen Motiven und modernen Möbeln oder umgekehrt – ihre Einsatzmöglichkeiten sind schier unendlich.

Mehr Kunst, weniger Dekoration

Tapete der Künstlerin Kiki Slaughter

Papierrücken verstärkt werden. Allerdings ver­ stehen sich heute nur noch wenige Künstler auf die filigrane Kunst, und ebenso rar sind Fachleute, die sich auf das Hängen der hochempfindlichen Seide verstehen. Umso exklusiver sind dann auch die Unikate, die die ureigene charakteristische Handschrift und Seele der Künstler ebenso in sich tragen wie das Haute-Couture-Kleid den schöpferischen Gedanken des Couturiers. Der Fantasie sind dabei keine Grenzen gesetzt. Immer noch beliebt, weil eng mit der kulturgeschichtlichen Entwicklung verhaftet, sind asiatische Motive von chinesischen Gärten und Bambuspflanzen bis hin

Auch Kollaborationen sind in der Wandbekleidungs-­ Branche zurzeit ein grosses Thema. So, wie unlängst Kate Moss für de Gournay kreierte, arbeitet auch das finnische Designkollektiv «Feather» gemäss seiner Mission «mehr Kunst und weniger Dekoration» immer wieder mit zeitgenössischen Künstlern weltweit zusammen, um originelle Tapeten und Stoffe zu kreieren. Eine seiner jüngeren Kollaborationen ist diejenige mit der amerikanischen abstrakten Künstlerin Kiki Slaughter, deren Wandgestaltungen für «Feather» auf zwei ihrer Original-­Kunstwerke verweisen. Kunstvoll verwitterte Ölschichten und Acryl-Schichten aus Metallics wie Gold, Bronze, Stahl und patiniertem Kupfer mit feinen Markierungen ihrer Pinselstriche und Risse, die durch Schichten von Ölfarbe verlaufen. Doch für welche Tapete man sich in diesen Sphären auch entscheidet – sie alle machen den Raum zu einem eindrucksvollen Gesamtkunstwerk.

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LOFT

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Sie sind gross, verfügen über hohe Decken und sind für so manch einen der Stoff, aus dem die ultimativen (Wohn-)Träume sind – Lofts. Entstanden aber sind die heute begehrten und teuer bezahlten Objekte aus einer Not heraus. Anka Refghi


LIVING

Umfunktionierte Garage in Buffalo, New York, Davidson Rafailidis

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© Tobias Colz / smartvoll

«Ich spiele nie mit der Fassade, dort wohne ich nicht.» – Adolf Loos –

Futuristisch interpretiert: Loft in der Panzerhalle in Salzburg


LIVING

S

o, wie Hummer einst die Speise jener Menschen war, die sich keinen Fisch leisten konnten, oder Steckrüben aktuell wieder in der Haute Cuisine kredenzt werden, während sich die Kriegsgenerationen lieber den Mund zunähen lassen würden, als sie nur einmal noch zu essen, entwickelten sich auch Loft-­ Wohnungen erst spät zum begehrten Gut. Ursprünglich entstanden waren die Lofts nämlich aus einer aus der Not heraus gemachten Tugend, die im London und New York Anfang der 1940er Jahre ihren Anfang nahm. Der Zweite Weltkrieg wütete, zerstörte ganze Stadtteile, und Abertausende Menschen

Kaum einer kann sich dem Charme von Lofts entziehen.

flohen aus dem von den Nazis regierten Deutschen Reich. Die Folgen wurden schnell sichtbar. So beispielsweise erreichte Londons Einwohnerzahl exakt am 29. September 1939 den Höchststand von rund 8,5 Millionen Einwohnern auf dem heutigen Stadtgebiet. Im Zuge dessen mit grösster Wohnungsnot und ebensolcher Armut konfrontiert, wurden kurzerhand die zahlreichen leerstehenden Industriegebäude und Lagerhallen zu billigem Wohnraum umfunktioniert. Das Leben in den unbeheizten Hallen ohne fliessend Wasser war ein unwirtliches, und es war noch kaum absehbar, dass sich diese Wohnform einmal zu einer der aufregendsten unserer Tage entwickeln würde.

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LIVING

Im Laufe der nächsten Jahrzehnte wechselte die «Klientel» der Industrie- und Lagerhallen. Unbeheizt und ohne fliessend Wasser waren sie auch weiterhin, doch wurde genau diese spartanische Wohnkultur zum hippen Statement für Bohémiens und Künstler der 1960er Jahre, die die Unterschicht als Bewohner der Lofts ablösten. Lofts wurden zum Lebens- und Wirkungsraum für Künstler, Kommunen und Kreative jeglicher Couleur. Die Hallen in den Metropolen boten günstigen Raum, in dem Leben und kreatives Schaffen unter einem Dach zusammengebracht und neue Lebensformen erprobt werden konnten. So, wie auch in dem wohl bekanntesten unter ihnen, der «The Factory» von Andy Warhol im New Yorker Stadtteil Soho.

Juwelen für Individualisten Doch was einst dem sozialen Gedanken folgte, durch Umnutzung günstigen Wohnraum zu generieren, sollte sich ins Gegenteil verkehren. Sündhaft teuer und vielgesucht sind heute die Schlagworte, die mit dem Begriff «Lofts» einhergehen. Auch wenn sie in ihrer Grundanlage über nicht viel mehr als vier Wände, eine hohe Decke und grosse Fenster verfügen, so bieten sie doch eines mehr als genug: freie Fläche – und empfehlen sich damit als ultimative Spielwiese für Architekten, Innendesigner und monetär potente Käufer gleichermassen. Schier unendlich sind die Ausgestaltungsmöglichkeiten, um ihnen den ganz eigenen (Geschmacks-)Stempel aufzudrücken. Gänzlich offen, mit oder ohne Trennwände, Zwischendecken, Galerien, clean und urban oder robust mit Backsteinwänden ganz im New-York-Feeling. Oder doch ganz anders? Auch wenn der Immobilienmarkt aktuell zahlreiche Neubauten mit Loft-Charakter bietet – keine machen so charmant den Spagat zwischen der Vergangenheit und der Gegenwart wie die «Originalen» unter ihnen. Die Kosten zur Sanierung alter Industriehallen oder unter Denkmalschutz stehender Gebäude können sich zwar in schwindelerregende Höhen schrauben, denkt man alleine an Dämmung, Verglasung und spätere Heizkosten, doch bieten sie auf Dauer als Kaufobjekt eine interessante Anlagemöglichkeit und Wirkungsfläche für moderne Architektur.

Hoch denken und quer flanieren Dass das «Loft» heute in mannigfaltiger Weise interpretiert und realisiert werden kann, zeigte auch das österreichische Architekturbüro «Smartvoll» mit seinem Projekt für die Salzburger Panzerhalle, das

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in diesem Jahr als Gewinner des renommierten «AZ Award 2018» hervorging. Unter dem Grundgedanken «Hoch denken und quer flanieren: Die Entdeckung des Raumes» realisierten die Architekten mit dem 2015 fertiggestellten Loft einen Entwurf von besonderer Dramaturgie. Auf 350 Quadratmetern und zwei Geschossen blieb dabei die klassische Idee von «Loft» zwar spürbar, wurde aber in vielerlei Hinsicht neu interpretiert. So, wie mit der vor Ort betonierten und skulpturalen Treppe, die quasi als «Architektur in der Architektur» die beeindruckende Raumhöhe von acht Metern auf zwei Ebenen zum Erlebnis «in extremis» macht. Auch so geht Loft heute.

© Marcel van der Burg

Künstler und Kommunen

Mehr Wohnfläche durch Zwischendecken, «Superlofts», Amsterdam

LOFT

Das Wort «Loft» stammt ursprünglich aus der englischen Sprache und bedeutet Speicher oder Dachboden. In den USA allerdings wurde der Name für Industriegebäude und Lagerhallen übertragen, was dem heutigen Loft oder der Loft-Wohnung seinen Namen verliehen hat.


& Charme

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MIT STIL

6

Elegante Gemütlichkeit wird in diesem Herbst gross geschrieben – mit gedeckten Farben und metallischen Akzenten. by

1 I EICHHOLTZ

«Avola»: traumhaft schöne Tischlampe von Eichholtz mit schwarzem Lampenschirm und gold lackiertem Ständer in geometrischer Formensprache.

1

2 I RUTZ FEUERSTELLEN

Swiss Made de luxe: exklusive und massgeschneiderte Feuerobjekte aus der Schweizer Manu­ faktur Rutz Feuerstellen. Im Bild: Wellnesshotel Rovanada, Vals.

2

3 I STEINWAY & SONS

«One Six Five»: zwei exklu­ sive Flügel-Modelle («ONE» & «TWO») in limi­tierter Stückzahl zum 165. Geburtstag. Besonderheiten bei «TWO» sind das aus Mahagoni gefertigte Notenpult und die Deckelstütze. Die Gussplatte schimmert bronzefarben. 4 I ARMANI CASA

Quadratischer Couchtisch «Nilo» mit dünner Platte aus kolumbianischem grauen Marmor. Die gold-kupfer­ farbenen Streifen des Marmors passen perfekt zum Rahmen aus «Satin Light Brass». Made in Italy. 5 I ROBERTO CAVALLI

Sessel aus handgefertigten Messinggussteilen. Sitz­ kissen aus Pappelholz und Schaumstoff. Der Metallfuss ist in gebürstetem Gold oder Dunkelbronze erhältlich, das RC-Logo aus geschmolzenem Messing in Platin oder Gold.

5

6 I OPINION CIATTI

3

Zeitungsständer aus regeneriertem Kernleder mit Opinion-Ciatti-Logo. Ausführungen: schwarzes Leder mit Stahlgestell in Nickel-Schwarz oder naturfarbenes Leder mit Stahlgestell in 24 Karat Gold.

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LIVING

DIE

KOMMISSAR LEUCHTE

Sie hat einen schlanken, kapriziös geschwungenen Schwanenhals. Ein schräges und helles Köpfchen. Sie ist eine Luxus-Lady und ein Filmstar. Vor allem in Krimis spielt sie eine unübersehbare und strahlende Hauptrolle. Ihre Outfits in den Farben Schwarz, Elfenbein, Weiss, Rubinrot oder Schwarzgrün sind legendär. Ein Tisch. Ein Tatort. Und Kaiser Idell, die Kommissar-Leuchte.

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Helena Ugrenovic

uf den Schreibtischen der TV-Kommissare Erik Ode und Hansjörg Felmy stellt sie von den 1950er bis 1970er Jahren ein wichtiges Requisit in den Fernsehserien «Der Kommissar» und «Tatort» dar, was ihr den Spitznamen «Kommissar-Leuchte» einbringt und sie Fernsehgeschichte schreibt. Seit ihrer «Geburt» werden verschiedenste Schreibtisch­leuchten produziert und finden sich auch «Nachahmer» unter den Produkten. Jedoch ist keine in ihrer Gesamterscheinung so perfekt und ladylike wie die «Lampe 6631» Kaiser Idell, die, 1933 entworfen, auch fast hundert Jahre später eine ungebremste Faszination versprüht.

Das Supertalent Christian Dell wird am 24. Februar 1893 in Offenbach am Main geboren. Mit 14 Jahren beginnt er seine Ausbildung zum Silberschmied und besucht ­nebenher die staatliche Zeichenakademie in Hanau. 1912 und 1913 studiert er an der Grossherzoglichen Sächsischen Kunstgewerbeschule Weimar bei Henry Clement van de Velde, einem belgisch-flämischen Architekten und Designer. Zehn Jahre später arbeitet er von 1922 bis 1925 als Werkmeister der Metallwerkstatt am Bauhaus Weimar und prägt den Bauhaus-Stil nachhaltig. Ab 1926 beginnt er damit, Leuchten für verschiedene Hersteller zu

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LIVING

entwerfen – das Modell Rondella für das Neue Frankfurt oder die Grapholux für Molitor-Zweckleuchten. Er ist ein Perfektionist und verkörpert das, was man deutsche Handwerkskunst nennt.

Die Bauhaus-Ikone 1933 entwirft er für die Firma Gebrüder Kaiser & Co. die «Lampe 6631», die ein Designklassiker des 20. Jahrhunderts werden und sich für immer in den Geschichtsbüchern des modernen Lampendesigns verewigen wird. Treu nach dem Prinzip «die Form folgt der Funktion» ist die Kaiser Idell oder Kommissar-Leuchte eine vollendete Kombination zwischen einmaliger Ästhetik und technischer Perfektion. Die heute weltberühmte Leuchte verfügt über einen charakteristischen, asymmetrischen, von Hand hochglänzend lackierten Schirm, der eine optimale Beleuchtung erzeugt. Der aus poliertem Messing hergestellte Leuchtenarm gibt die

Silhouette des Schirms wieder und ist mit den an beiden Seiten befindlichen Gelenken kunstvoll silbern verlötet. Das obere, stylische Kugelgelenk, das den Leuchtenarm mit dem Schirm verbindet, ermöglicht es, die Richtung des Lichtstrahls zu lenken. Die Kaiser Idell mit der zeitlosen Eleganz und innovativer Funktionalität ist das beliebteste Produkt aus der Bauhaus-Ära und wird ab 1935 in grösseren Stückzahlen bis einschliesslich 1980 von der Firma Gebrüder Kaiser & Co. in Neheim, Sauerland, produziert.

Revival 30 Jahre lang liegt die Produktion der Kaiserin der Lampen still. Sie verschwindet komplett vom Markt und gilt als Rarität und begehrtes Sammlerstück. Seit 2010 wird sie vom dänischen Designer Fritz Hansen treu nach dem ursprünglichen Design hergestellt und in seine Kollektion integriert. Die Liebe zur Kaiser Idell Kommissar-Leuchte ist auch heute noch ungebrochen. Um Produktfälschern aus Fernost ein Schnippchen zu schlagen, stanzt der Hersteller Fritz Hansen eine fortlaufende Nummer unter jeden runden Sockel und weist jede Leuchte mit einem Echtheitszertifikat aus. Einzig in der Form ist sie heute in verschiedenen Ausführungen wie zum Beispiel als Steh-, Wand- und Pendelleuchte erhältlich.

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CULINARIUM

SÜSSE KUNSTWERKE

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Kunstvoll, süss, Wagashi. Die kleinen japanischen Dessert-Kunstwerke sind ein Erlebnis für alle Sinne und werden längst nicht mehr nur zu einer Teezeremonie serviert.

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Nike Schröder

agashi ist eine Süssspeise mit Tradition. Ihren Ursprung hat das Gebäck als Begleitung zu Grüntee während der traditionellen Teezeremonie. Der Tee hat meist eine fein-herbe Bitternote, diese wird mit dem süsslich-­fruchtigen Wagashi gemildert. Das Besondere an den kleinen Süssspeisen sind die verschiedenen Formen, Texturen, Farben und die filigrane Optik. Aber auch wenn es sich um ein kleines Dessert handelt, sind die mundgerechten Konfektstücke nicht übermässig süss und mit Früchten, Nüssen, Blättern und Blüten sehr dezent aromatisiert. Die Hauptzutaten sind Reis-, Weizenoder Sojamehl, Sesam, Azuki-Bohnen, Esskastanien, weisse Bohnenpaste, sowie je nach Jahreszeit Blüten und Kräuter. Gefärbt wird mit Früchten, Kräutern und Lebensmittelfarben. Aus diesen we-

nigen Zutaten kreieren die japanischen Konditoren dann passend zur Saison die kleinen Meisterwerke. Manche der Süssspeisenkünstler arbeiten zudem mit intensiveren Aromen wie Zitrone und Ingwer, die zusätzlich für kleine Geschmacksexplosionen sorgen.

Kunstvolle Leckereien Ebenso vielseitig wie die filigranen Verzierungen sind die Namen der Leckereien. Ob Namagashi, Daifuku, Dango, Kusamochi, Dorayaki oder Higashi, – die Japaner geben jeder Kategorie einen eigenen Namen. So sind beispielsweise Daifuku kleine Reiskuchen, Dorayaki ein Pancake-artiges Gebäck. Was für uns ganz klangvoll klingt, ist für die Japaner nichts anderes, als wenn wir beim Konditor nach Plunderstücken, Berlinern oder flammenden Herzen fragen.

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CULINARIUM

Die Herstellung der kleinen Leckereien erfordert viel Können. Fingerfertigkeit ist dabei das A und O, denn zubereitet werden die Köstlichkeiten meist in liebevoller Handarbeit. In Japan gibt es über 80’000 Handwerksmeister, welche die Kunst der Wagashi-Herstellung beherrschen und immer wieder neue Kreationen ausprobieren. Für die wunderschönen filigranen Verzierungen wird dabei spezielles Bambuswerkzeug verwendet. 2015 erlangte das Gebäck einen grösseren Bekanntheitsgrad durch den Film «Kirschblüten und rote Bohnen». Die rote Bohnenpaste von der alten Dame Tokue steht im Mittelpunkt der Handlung, und sie bereitet damit ganz wunderbare Dorayaki – eine Untergruppe der Wagashi – zu.

Süssigkeiten mit Tradition Optisch sind die Wagashi in jedem Fall filmreif. Vielmehr sind sie aber tief in der japanischen Kultur verwurzelt. Hergestellt wird das Naschwerk in traditionsreichen Familienbetrieben, in denen die

Filigrane Verzierungen sind charakteristisch für Wagashi.

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Rezepte, das Wissen und die Werkzeuge über viele Generationen weitergegeben werden. Fazit: Das Ergebnis sind Süssigkeiten, die durch ihre Form, Farbe und Komposition ein Erlebnis für alle fünf Sinne verkörpern. In Japan werden Wagashi nahezu überall in Süssigkeitenläden, Cafés, Kaufhäusern, Supermärkten und Strassenständen angeboten. Sind Sie neugierig geworden und möchten die kleinen Leckereien selbst herstellen? Meist finden Sie Wagashi eher als Unterpunkt in einem japanischen Kochkurs. Reine Wagashi-Kochkurse werden noch sehr selten angeboten. Der Bekanntheitsgrad ist dafür wohl hierzulande noch zu gering. Uns haben die kleinen Leckereien jedenfalls verzaubert – nicht nur bei einer gemütlichen Tasse Tee. Allerdings kostet es beim ersten Wagashi schon ein bisschen Überwindung, diese kleinen Kunstwerke zu geniessen, sind sie optisch doch fast zu schade zum Vernaschen – aber eben nur fast … Yoi shokuyoku (guten Appetit!).


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CULINARIUM

Mit der Burger-Maschine von Creator hat die Zukunft definitiv begonnen.

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GASTRONOMIE

CULINARIUM

2.0

Keine Frage: Technik erleichtert inzwischen schon viele Bereiche des heutigen Lebens und hält nun auch Einzug in die Gastronomie. Aber kann die Digitalisierung das Leben der Köche erleichtern und trotzdem die Zukunft der Branche gewährleisten, ohne auf die essenziellen Werte der Küche, wie zum Beispiel Frische, zu verzichten? Nike Schröder I

Creator

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CULINARIUM

AufgefĂźllt werden muss die Maschine allerdings weiterhin von Menschenhand.

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CULINARIUM

S

chöne neue Welt

Digitalisierung ist sehr vielfältig, und es muss unterschieden werden, in welchen Bereichen sie eingesetzt werden soll. Geht es um die Verwaltung, um die Prozesse oder um das Marketing? Das Was wird über die Digitalisierung ja nicht verändert, sondern das Wie. Zweifelsohne Sinn macht die Digitalisierung in der Gastronomie als Unterstützung in den Abwicklungsprozessen und in administrativen Bereichen. Damit bleibt mehr Zeit für Kunden, für persönlichen Kontakt und für das qualitative Kochen.

Roboter kocht wie ein Sternekoch Kaum zu glauben, aber dieses Jahr entwickelte das Team von Moley Robotics den ersten kochenden Roboter der Welt! Der englische TV-Koch Tim Anderson höchstpersönlich gab dem geschickten Roboter seine Hände. Mittels speziellen Handschuhen, die mit Bewegungssensoren ausgestattet wurden, zeichneten die Wissenschaftler die Handbewegungen des Kochs auf. Diese wurden dann in Algorithmen transferiert, sodass sie von den Roboter-Händen nachgeahmt werden konnten. Die Roboter-Arme wurden anschliessend mit 20 Monitoren, 24 Gelenken und 129 Sensoren ausgestattet und sollen nun all das können, was auch eine menschliche Hand kann, Bewegungen mit der gleichen Geschwindigkeit und dem gleichen Feingefühl ausführen. Die stylishe Roboter-Küche ist neben den Roboter-Armen mit einem Ofen, einem Herd und einem Touchscreen ausgestattet. Wenn der «künstliche» Koch in der professionellen Küche zu kochen beginnt, schirmt ihn eine Glasplatte vom restlichen Bereich ab, um die Sicherheit zu gewährleisten. Ist er mit dem Kochen fertig, so verstauen sich die Roboter-Arme, sodass man sie in der Küche nicht mehr sehen kann. Verbunden mit einer iTunes-Bibliothek kann der Roboter auf eine immer grösser werdende Sammlung an Rezepten im Netz zugreifen. Gesteuert wird der Roboter über den eigenen Touchscreen oder über das Smartphone. Nutzer sollen dann über eine App aus 2000 verschiedenen Rezepten auswählen können, welche Speise der Roboter für sie kochen soll. Ist man auf dem Weg von der Arbeit nach Hause, wählt man die gewünschte Mahlzeit aus. Beim Nachhause-Kommen ist das Essen bereits angerichtet, so die Vorstellung von Moley Robotics. Der Prototyp der Entwicklung wurde bereits 2015 bei der internationalen Robotics Show in Hannover vorgestellt.

Aus der Maschine: «Dad Burger» mit frittiertem Romanesco und Blumenkohl

Ist Kochen Handwerk? In San Francisco kann man seit dem 27. Juni den ersten Roboter-Burger der Welt geniessen. Das Team von «Creator» eröffnete hier eine Mischung aus Restaurant und kulinarischem Robotik-Unternehmen. Die Maschine ist keine Parodie eines Menschen mit Roboter-Armen und -Fingern. Vielmehr ist es ein «All inclusive»-Gerät zur Burger-­ Herstellung. Es erledigt alle Schritte von selbst, vom Schneiden und Toasten der Brioche-Brötchen bis hin zum Zerkleinern von Fleisch und dem Anbraten des Burgers in fünf Minuten. Im Vordergrund stand für die beeindruckende Reihe von Ingenieuren und Robotikern von Apple, NASA und Tesla nach achtjähriger Forschung stets die Verbesserung der Nahrung. Während die Burger-Maschine die meiste Arbeit erledigt, kümmern sich im Hintergrund weiter Menschen um die «altmodischen» Aufgaben wie die Begrüssung und die Lieferung der Speisen und Getränke an den Tisch. Die Bestellungen werden dann per iPhone an die Maschine übermittelt, mit Spezifikationen ganz nach individuellem Wunsch des Kunden. Wenn es ein Problem mit der Maschine gibt, wenn etwas nachgefüllt werden muss oder ein Burger «seinen Weg verloren hat», erhalten die Mitarbeiter einen Alarm auf ihre Apple Watch und können entsprechend handeln.

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CULINARIUM

Von «Moley Robotics»: der erste kochende Roboter der Welt

Roboter übernehmen ungeliebte Aufgaben Die Burger-Maschine wurde entwickelt, nicht um die Arbeit eines Menschen zu ersetzen, sondern vielmehr um die Aufgaben zu minimieren, die sich wiederholen und oft ungesund sind, wie zum Beispiel stundenlang über einem rauchigen Grill zu stehen. Die elektrischen Grillplatten hier sind eingeschlossen, und die Luft wird über mehrere Filter gereinigt. Pommes, Salate und andere Speisen werden nach wie vor selber von Menschenhand zubereitet. Auch kann die Maschine keine Saucen herstellen oder die Zutaten nachfüllen. Die Notwendigkeit von Personal ist nicht ersetzbar. Das Restaurant und das Styling der Maschine sollen klar und transparent sein, sodass der Kunde den gesamten Prozess miterleben kann. Per Salvag, leitender Designer bei BMW, hatte bei der Gestaltung des minimalistischen Interieurs seine Hände mit im Spiel. Die Deko auf den weissen Regalen besteht nur aus sorgfältig ausgesuchten Büchern mit Titeln wie «Modernist Cuisine», «The Flavour Bible» oder technische Lehrbücher.

Burger-Schlaraffenland Sogar der Chef Nick Balla vom «Duna & Bar Tartine» oder der Chef von «Season 15» der Bay Area waren neugierig und wollten sich diese Neuerung in der Küche nicht entgehen lassen. Sie durften ihren eigenen Burger komponieren, der jetzt sogar im Restaurant bestellbar ist. Kulinarischer Experte im «Creator» ist David Bordow, der zuvor bei «Chez Panisse» in Berkeley gekocht hat. Das Team hat viel Zeit investiert, um das zuvor erwähnte Ziel, die Verbesserung der Nahrung, zu erreichen. Über­

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legungen, wie der Burger zusammengesetzt wird, welche Beläge enthalten sein sollten oder in welcher Reihenfolge sie hinzugefügt werden sollten, wurden lange diskutiert und ausprobiert. Spezifische Details wie das Verhältnis von Fett in der Burger-Fleisch-Mischung, wann es zu würzen ist und vieles mehr bilden die Grundlage für die gleichbleibende Qualität. Zu jeder Burger-Spezialität gibt es eine Getränkeempfehlung, sodass sich die Aromen bestmöglich in den jeweiligen Zusammenstellungen entfalten können. Der «Dad Burger» ist zum Beispiel mit frittiertem Romanesco und Blumenkohl sowie einem Ingwer-Zitronengras-Soda gepaart. Abgesehen von der atemberaubenden Maschine selbst ist der Preis von 6 US-Dollar besonders erstaunlich, wenn man bedenkt, dass der Hersteller nur biologische und qualitativ hochwertige Produkte verwendet. Verschiedene Faktoren, die typischerweise die Preise in Restaurants erhöhen, werden bei «Creator» minimiert. Ein Beispiel hierfür ist, dass die Induktionsplatte, die die Burger brät, nur eingeschaltet wird, wenn ein Burger bestellt wird – hier wird Energie gespart im Gegensatz zu einer typischen Restaurantküche, in der Gasgrills oder Grillplatten ständig laufen. Die «Creator»-Macher setzen weiterhin auf Kreativität, um den Burger besonders und hochwertig zu machen. «Wenn wir Maschinen bauen, um Dinge zu tun, dann machen wir es so, dass es Dinge sind, die Leute gar nicht tun wollen», so die Erfinder. Die Küche im 21. Jahrhundert wird digital, und man darf gespannt sein, welche Innovationen auf die Welt noch warten.


CULINARIUM

ALLES

BURGER?

Avocado Bun Burger

Der Food-Trend geht eindeutig in Richtung LowCarb und macht auch vor den ge­ liebten Burgern keinen Halt. Avocado statt Brot heisst die Devise. Die Wunder-Frucht voller Vitamine und pflanzlichen Fett­ säuren wird mittlerweile zu Cupcakes, Pesto oder Smoothies verarbeitet – und nun auch zu Burgern. Pionierin ist die niederländische Food-Bloggerin Colette Dike: Sie ersetzte das Brötchen durch ausgehöhlte Avocado-Hälften und füllte sie mit allem, was das «normale» Burger-Herz begehrt! Ob mit Fisch, Fleisch, vegetarisch oder vegan – der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt und erlaubt ist, was schmeckt.

Sushi-Burger

Sushi oder Burger? Die Ent­ scheidung zwischen den beiden Lieblingsgerichten entfällt mit dem Sushi-Burger, der beides in sich vereint. Two-in-one sozu­ sagen. Die Burger-Brötchen werden einfach gegen Sushi-Pattys ausgetauscht und nach Lust und Laune befüllt! Als «klassischer» Sushi-Burger mit Fisch, in leckeren Vegi-Varianten, aber auch gefüllt mit Steak, Burger, Hähnchen oder Shrimps wird daraus ein Highlight.

Black Burger

Da wird einem ganz schwarz vor Augen! Was in Japan mit einem schwarzen Hot-Dog begann, findet seit einiger Zeit auf der ganzen Welt Nachahmer. Die schwarzen Burger heissen «Kuro Diamond» oder auch «Pearl Black» und wurden einst durch eine Fastfood-Kette in Japan auf den Markt gebracht. Schwarzes Brot, schwarzer Käse, schwarze Sauce – gefärbt wird mit Bambuskohle, Tinte vom Tintenfisch und schwarzem Pfeffer. Ansonsten: ein ganz normaler Burger!

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CULINARIUM

DREIGESTIRN

AM KATALONISCHEN KÃœCHENHIMMEL

Das Erfolgs-Trio: Joan, Josep und Jordi Roca

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CULINARIUM

Die Geschichte des «Celler de Can Roca» begann in einer kleinen Bar in Taialá, einem beliebten Vorort von Girona. Sie gehörte den Eltern der drei Roca-Brüder und war der absolute Lebensmittelpunkt der Familie. Hier sind sie aufgewachsen, inmitten von Tellern, Töpfen, Pfannen und Gästen. Heute bekommt man bei dem Trio kaum mehr einen Platz.

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Nike Schröder I

Celler de Can Roca

lle drei Brüder haben an der Girona Catering School studiert und glauben an den Dialog aus Küche und Wissenschaft als Basis für die Zukunft. Joan leitet die Küche, Jordi ist Pâtissier und Josep Chefsommelier. Alles ist ein Drei-Parteien-Spiel: Durch ihre gemeinsame Kreativität entfaltet sich eine meisterliche Kraft, die man erleben muss. Nüchternheit bestimmt den Raum, aber die Tischdekoration, die man vorfindet, ist überlegt und symbolträchtig: Die drei grossen Kieselsteine, die in der Mitte eines jeden Tisches im Gastraum liegen, symbolisierten die drei Roca-Brüder, erklärt Jordi. Dass die Steine sich in Grösse und Farbe ein wenig unterscheiden, spiele keine Rolle. Das Entscheidende sei, dass sie nebeneinander liegen, denn jeder hier ist gleich wichtig. Das Erfolgsrezept der Brüder Roca ist eine Kombination aus katalanischen Gerichten, modernsten Techniken und der Leidenschaft für Gastfreundschaft. Die Gerichte sollen aber auch Erinnerungen, Emotionen und die Landschaft der Region hervorrufen und dem Erbe der verschiedenen Generationen der Vorfahren der Familie treu bleiben.

Tischlein, deck dich! Die kulinarische Reise beginnt als Tapas mit einem Streifzug durch die Kontinente. Der Gaumen wird mit einem nordafrikanischen Happen gereizt und führt einen inmitten in die Gewürzgassen des Basars von Marrakesch. Dann geschmacklicher Tapetenwechsel, ein kleines Olivenbäumchen lädt ein, die karamellisierten und mit Anchovis gefüllten Früchte abzuernten. Und das alles, bevor das Festival einer Menüfolge mit wahlweise 7 oder 20 Gängen beginnt und den Aufenthalt im «El Celler» mit immer wieder neuen Über­ raschungen zu einem Happening der Extraklasse macht.

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CULINARIUM

Die Teller sind gross, doch die Gerichte sind so bemessen, dass man trotzdem immer weiteressen kann. Die lauwarme Gemüse-Consommé, eine kristallklare Aromabrühe, drei Stunden bei 80 Grad gegart, ist eine Geschmacksexplosion verschiedenster Gewürze. Ein Eis aus drei verschiedenen Maissorten neutralisiert danach den Gaumen für grüne Erbsen mit Tintenfisch, eine Garnele in Reis­ essig, eine Auster in Anemonensauce und einen Rochen in Senföl. Den Übergang zum Fleisch schaffen «Meer und Berg» mit einer tückisch-verführerischen Sardine in einer Ferkelsauce, gefolgt von einem Ibérico-Schwein mit schwarzem Knob­ lauch, einem Kalbsknöchelchen mit Avocado-­ Morcheln und einer Täubchentrilogie mit Schwarz­ wurst unter einer Reiswolke.

Der Zauberer Josep Manche Gäste werden eingeladen, Joseps faszinierenden Keller zu besuchen, wo seine Leidenschaft für verschiedene Trauben und Regionen offensichtlich wird. Die Weinkarte und die berühmte Weinauswahl werden ihrem Ruf für Vielfalt, Originalität und vor allem Qualität mehr als gerecht. Josep berauscht seine Gäste, indem er ihre Vorstellung über die Gerichte und Getränke durch die Kraft des Wortes und die Magie der Kommunikation schürt und dadurch das Essen noch besser macht.

Jordi, die verrückte Ideenschmiede Als «bester Patissier der Welt» verwöhnt Jordi den mit Schwein, Sardine und Taube schon gut gefüllten Magen mit einem «Suspiro de llimona» samt einem Tropfen Pisco. Das ist aber nur der Anfang. Gefolgt von einer vermeintlich leichten Orangensymphonie wird man schlussendlich überwältigt von einer Süssspeise, die zu Recht «Schokoladen-Anarchie» betitelt wird und dann doch noch alle Grenzen des persönlichen Fassungsvermögens sprengt! Als eingefleischter Witzbold beseelt er seine Eiskreationen zum Beispiel mit Duftnoten relativ gewöhnlicher Parfums und macht Ungeniessbares essbar. Mit dem Dessert nimmt der Gast sozusagen das Aroma des Parfums in sich auf. Den Anfang machte 2002

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«Eternity» von Calvin Klein, damals das Aftershave seines Bruders Josep (Mandarinen-Granité mit Orangenblütengelee, Basilikum und Vanillecreme). Mittlerweile sind mehr als 20 solcher Parfum-­ Des­serts entstanden. Zur Einstimmung serviert Jordi Roca den Gästen vorher schelmisch ein kleines Zitroneneis in Form seiner Nase. «Eine Metapher dafür, dass man riecht, während man isst», sagt er. «Ausserdem bin ich besessen von der Vorstellung, dass die Leute meine Nase essen.»

Offenes Haus Wer jetzt noch aufstehen kann, ist herzlich eingeladen, die Küche zu besichtigen. Jordi lässt sich bereitwillig in die Töpfe gucken, und dem Gast offenbart sich die Kunst der Organisation und der Präzision. Nach dem opulenten Mal könnte es den Gast interessieren, wie viele Kalorien er zu sich genommen hat: Jordi weiss es zwar, verrät es aber nicht: «Schliesslich kommen die Leute nicht in den ‹Celler›, um schlank zu werden.»


CULINARIUM

Kontrapunkt: zurückhaltendes Interior und kulinarisches Feuerwerk

Auch ein Blick in die Küche ist den Gästen hier erlaubt.

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BIS ZUM

CULINARIUM

REST Sieht man die Gemüseperlen in der Consommé, stellt sich die Frage, was mit dem Rest der ausgehöhlten Gemüse passiert. Schnell würde man vermuten, dass das Abfall-Volumen in der Haute Cuisine höher liegt als in einfachen Restaurants. Doch Fehlanzeige – schon längst gibt es auch in der Sterne­gastronomie verschiedene Ansätze, Food-Waste zu verhindern. Nike Schröder

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CULINARIUM

S

pitzenkoch Norbert Niederkofler aus Südtirol fährt mit seinem Restaurant (3 Michelin-Sterne) ein einzigartiges Konzept: Er verwendet ausschliesslich Lebensmittel, die aus der Bergregion stammen. Er bespricht einmal im Jahr mit den Bauern vor Ort, was er benötigt, und dann wird ihm geliefert, was Mutter (Berg-)Natur hervorbringt. Es kommt kein Gewächshaus zum Einsatz, ebenso wenig Spritzmittel. Bei ihm findet also auch beispielsweise kein Olivenöl den Weg in die Küche, stattdessen verwendet er Traubenkernöl. «Der Vorteil von diesem gesunden Öl ist zudem, dass es absolut geschmacksneutral ist», verrät der Spitzenkoch. Er verfeinert das Öl mit verschiedenen Kräutern oder Gewürzen und macht daraus Aromaöle wie Minzöl. Aber der regionale Aspekt ist nur einer seiner Philosophie. Ein weiterer Schwerpunkt ist, dass alles verwendet wird. Also beispielsweise die ganze Renke. So wird bei dem Gericht «Tatar von der Renke» nicht nur das Renkenfilet für das Tatar verwendet, aus den Gräten wird ein Sud gekocht. Ein weiteres schönes Beispiel sind Erbsen. Die grünen Erbsen sind nur ein Teil der Erbsenschoten, die verwendet werden. Die Schoten, die üblicherweise den Weg in den Müll finden, werden bei Norbert Niederkofler in der Zentrifuge verarbeitet, und so entsteht hocharomatischer Erbsensaft, der für Vorspeisen, Suppen oder Saucen verwendet wird. Auch die Gemüsefonds werden aus den Ge-

müseresten und -schalen zubereitet. Der Waren­ einsatz lässt sich mit diesem Konzept viel besser planen, man hat deutliche Einsparungen beim Wareneinsatz, da keine Abfälle entstehen. Und spart auch Zeit, da nur einmal im Jahr die Planung mit den Bauern ansteht. Dann wird automatisch geliefert. «Allerdings muss man sein Handwerk verstehen und kochen können», so Niederkofler. Das ist verständlich, denn mit dem, was für die meisten Abfall ist, muss man schon etwas anzufangen wissen.

Gezielte Planung vermeidet Abfälle Für das Team um Sebastian Prüssmann (1 Michelin-­ Stern) ist das A und O die Kenntnis um die Lebensmittel. Wo kommt das Produkt her, welche Vielfalt bietet es, und wie kann man es umfänglich und ganzheitlich einsetzen? Die kulinarische Konzeption und die richtige Mengenplanung sind hierfür entscheidende Grundlagen. Ein weiteres Hilfsmittel ist die Technik: Vakuumierer und Schockfroster

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CULINARIUM

© Daniel Töchterle

«Ich bedenke grundsätzlich schon bei der Planung der Speisekarte auch die Haltbarkeit beziehungsweise das Haltbarmachen sowie das Wechselspiel der Zutaten, um Reste zu vermeiden.» – Johanna Maier – gleichzeitig der Lebensmittelverschwendung einen Riegel vorzuschieben. Dafür hat er die Non-Profit-­ Organisation «Food for Soul» gegründet. Diese verarbeitet nicht mehr verkaufbare Lebensmittel aus Gross- und Supermärkten in Menüs für Bedürftige. Das erste Projekt startete der Spitzenkoch am Mailänder Hauptbahnhof. Aufgrund der Ankunft einer grossen Zahl von Migranten und Asylsuchenden sah er hier einen idealen Standort, um wirklich zu helfen. Der Erfolg gab ihm recht. Inzwischen hat er drei weitere Restaurants im gleichen Stil eröffnet. Das «Refettorio Gastromotiva» befindet sich in Rio de Janeiro und wurde während der Olympischen Spiele 2016 eingeweiht. Die nächste Eröffnung war in London das «Refettorio Felix». Es wurde während des London Food Month Festival im Juni 2017 eröffnet. Das letzte Projekt wurde im März 2018 eröffnet. Das «Refettorio Paris» konnte dank einer Zusammenarbeit von «Food for Soul» und «Le Foyer de la Madeleine» in der Krypta der Madeleine-Kirche im Herzen der Stadt eröffnet werden.

Klein, aber fein

3-Sterne-Koch Norbert Niederkofler

sind wichtige Einsatzgeräte, um Top-Qualität zu bewahren und mehr Effizienz in den Verarbeitungsprozess zu bringen. So können die benötigten Mengen portioniert, abgewogen und optimal eingesetzt werden.

Mit Lebensmittelresten Gutes tun Massimo Bottura (3 Michelin-Sterne) hat es sich zum Ziel gemacht, bedürftigsten Menschen qualitativ hochwertige Mahlzeiten anzubieten und damit

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Für Sterneköchin Johanna Maier (2 Michelin-­Sterne) steht frische und saisonale Ernährung an oberster Stelle. «Ich bedenke grundsätzlich schon bei der Planung der Speisekarte auch die Haltbarkeit beziehungsweise das Haltbarmachen sowie das Wechselspiel der Zutaten, um Reste zu vermeiden», so die Spitzenköchin aus Österreich. Frische Abschnitte vom Gurken-Carpaccio werden zum Beispiel zu Vitaldrinks verarbeitet. Gemüse wird fermentiert oder zu Chips getrocknet. «Unser Angebot ist stets frisch und saisonal, variantenreich, aber nicht übermässig gross», so Maier. Ein wichtiger Punkt ist auch das 5-Elemente-Frühstück à la carte. Bei einem Frühstücks-Buffet erwartet der Gast immer eine riesige Auswahl, es bleibt aber wahnsinnig viel übrig. Bei Johanna Maier werden die Speisen und Vitalsäfte in bester Bio-Qualität frisch zubereitet, «weil es so nährstoffreicher ist und einfach besser schmeckt».


CULINARIUM

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CULINARIUM

MADE IN

SWITZERLAND

Er gilt als einer der talentiertesten jungen Küchenchefs Europas – vom Gault Millau 2015 zur «Entdeckung des Jahres» gekürt, lenkt Cornelius Speinle nun die Geschicke des Hamburger «Lakeside» – kulinarisches Aushängeschild des neueröffneten Hotels «Fontenay». Die Küche: perfekt inszenierte Tellerkunstwerke am Puls der Zeit, die kein bisschen abgehoben wirken.

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Dr. Thomas Hauer I

s war wohl eine der spektakulärsten Hotel­eröffnungen des Jahres, als Logistik-Milliardär Klaus-Michael Kühne den Hamburgern im Frühjahr 2018 nach rund vier Jahren Bauzeit sein neues Hotelprojekt «The Fontenay» übergeben konnte. Das erste 5-Sterne-­Haus, das seit mehr als 20 Jahren in der Hansestadt seine Pforten öffnet.

Hotelbau der Superlative Der extravagante Hotelbau der Superlative, errichtet nach den beinahe skulptural anmutenden Entwürfen des Hamburger Stararchitekten Jan Störmer,

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The Fontenay

liegt eingebettet in einen mehr als 14’000 Quadratmeter grossen Landschaftspark mit altem Baumbestand direkt am Ufer der Aussenalster und verschlang mehr als 100 Millionen Euro. Klar, dass da auch in Sachen Gastronomie nichts dem Zufall überlassen bleibt. Deshalb hat Investor Kühne, selbst gebürtiger Hamburger, der aber schon seit vielen Jahren in der Schweiz lebt, persönlich nach einem Küchenchef Ausschau gehalten, der das Potenzial besitzt, die Gastroszene der Stadt nachhaltig aufzumischen. Und in Cornelius Speinle hat er offenbar den perfekten Kandidaten gefunden. Doch der Reihe nach.



CULINARIUM

Frei von Denkverboten Tatsächlich gehört Speinle zu jener ständig wachsenden Riege höchst talentierter Nachwuchschefs, die ihre Kreativität weder durch die vermeintlich ehernen Gesetze klassischer Kochkunst fesseln lassen, noch jedem neuen Trend hinterherlaufen. Stattdessen entwickeln sie selbstbewusst und frei von Denkverboten aus Elementen unterschiedlichster Küchenstile und Schulen heraus, das heisst im besten Sinne eklektisch, eine persönliche Handschrift. Natürlich hat auch der 32-jährige Deutschschweizer zunächst einigen Granden der Zunft über die Schulter geschaut. Zum Beispiel Klaus Erfort oder international als Souschef von André Chiang im hoch gelobten «Jaan» in Singapur. Zuletzt stand er dann bei Küchenrebell Heston Blumenthal in dessen Avantgarde-Restaurant «The Fat Duck» im englischen Bray am Herd. Doch schnell war Speinle klar, dass er seinen eigenen Weg gehen muss. Deshalb wagte er 2014 mit grade mal 27 Jahren den Schritt in die Selbständigkeit. Gemeinsam mit seiner Frau eröffnete er im Erdgeschoss eines Einfamilienhauses im thurgauischen 500-Seelen-Örtchen Schlattingen unweit der deutschen Grenze mit dem «Dreizehn Sinne» sein eigenes Restaurant – drei Posten in der Küche, zwei im Service. 2015 wurde er vom Gault Millau dann prompt zur Entdeckung des Jahres gekürt, und kurze Zeit später folgte der erste Michelin-Stern. Hier war es auch, wo Hotelier-in-Spe Kühne Cornelius Speinle «entdeckt» hat, nachdem man ihm zugeflüstert hatte, hier stehe einer am Herd, der nicht nur sein Handwerk versteht, sondern jemand, der eine Vision hat und von dem in Zukunft wohl noch eine Menge zu hören sein wird. Damit war Speinle genau der richtige Mann für den Posten in Hamburg. Und nachdem Kühne ihn schliesslich überzeugt hatte, er habe dort die Chance, seine Küche auf ein völlig neues Niveau zu heben, packte Speinle kurzentschlossen die Koffer und zog mit seiner Frau aus der Schweizer Provinz an die Waterkant.

dazu setzen. Harmonie durch Kontrast. Gänsehautpotenzial besitzen aber auch der sensationelle Kaisergranat von den Färöer-Inseln mit Pak Choi und Blumenkohl oder die himmlisch leichte Gänse­ leber mit Trüffel und winzigen Enokipilzen. Auf den ersten Blick eher klassische Kompositionen, die Speinle aber durch ein paar kleine, aber geniale Kunstgriffe in völlig neue Dimensionen katapultiert, ohne dem Produkt dabei Gewalt anzutun und das dann durch Worthülsen wie «Dekonstruktion» oder ähnlichen Unsinn kaschieren zu müssen, wie das manche seiner Kollegen tun.

In vino veritas Aber nicht nur die Küchenleistung stimmt. Mit Head-Sommelière Stefanie Hehn hat Kühne ebenfalls einen Glücksgriff getan. Die 32-jährige Wein­ expertin, die ihr Handwerk unter anderem im Hamburger «Louis C. Jacob» und bei Christian Jürgens am Tegernsee perfektioniert hat, konnte dank hervorragender Kontakte zu Winzern und Händlern in Rekordzeit eine beeindruckende Karte aufbauen. Bei der glasweisen Weinbegleitung gibt es deshalb auch schon mal Highlights wie einen Léoville-Las-Cases oder Château Margaux.

Die perfekte Bühne Und tatsächlich: Speinles neuer Arbeitsplatz im siebten Stock der drei strahlend weissen, amorph ineinanderfliessenden Hoteltürme kann sich sehen lassen – die chromglänzende Tageslicht-Küche bietet jede Menge Platz für die 14-köpfige Brigade. Vom Gastraum geniessen Gäste einen spektaku­ lären Panoramablick über die Hamburger Innenstadt mit den fünf Haupt­ kirchen, dem Rathaus und der Aussenalster. Ein Raum, in dem man sich auf Anhieb wohlfühlt. Entgegen dem in der Spitzengastronomie gerade grassierenden Trend zu nackten Tischen ohne Tafeltuch, die dafür aber mit allerlei kleinteiligen Accessoires übersät sind, ist die Anmutung des «Lakeside» eher hanseatisch schlicht – und das ist als Kompliment gemeint. Alles strahlt in Weiss: Tischwäsche, Servietten, das handgemachte Manufakturporzellan der Berliner Designschmiede Hering. Kurzum: die perfekte Bühne für Speinles auch optisch spektakuläre Kreationen. Denn obwohl der mal gesagt hat, Geschmack sei ihm wichtiger als die Präsentation, sind seine Teller so ästhetisch wie das Ikebana-Arrangement eines japanischen Grossmeisters, wirken gleichzeitig aber so natürlich wie ein englischer Landschaftspark. Das heisst, jedes Element auf dem Teller dient einem klar definierten Zweck, nichts ist einfach nur schnödes Beiwerk oder gar Zierrat. Das erinnert ein wenig an Alain Ducasse. So verleiht zum Beispiel eine hauchdünne Scheibe Lardo der gebeizten Förde-Garnele einen wunderbar zarten Schmelz, während die technisch aufwendigen, geeisten Austernperlen einen sensorischen Kontrapunkt

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Das Küchenteam des «Lakeside» um Küchenchef Cornelius Speinle (Mitte)


CULINARIUM

Eher Skulptur als Bauwerk: die geschwungene Fassade des «Fontenay»

Arrangiert wie Stillleben: die Speisen auf dem Teller

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TRAUM WIRD WAHR

Wer in Amsterdam Halt macht, sollte das Restaurant MaMa Kelly nicht verpassen. Ein Traum in Millennial Pink und auf Poulet- und Hummergerichte spezialisiert. Anouk Delange I

MaMa Kelly


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Auch die Textilien lassen keine Fragen über die Spezialitäten des Hauses offen.

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Mit MaMa Kelly wollte ich eine Marke gründen. Der Name MaMa Kelly – inspiriert von der britischen Rockband Status Quo – ist ein Appell an die Phantasie», so Gründer und Gastronom Rein Rambaldo. Das erste «MaMa Kelly» wurde 2015 in Den Haag eröffnet, ein urbanes Bistro in dem ehemaligen Kesselhaus eines Zigarrenherstellers. Hier trifft urtümlicher industrieller Charme auf edle Materialien und ausgesuchte Möbelstücke.

Stadion, welches in den letzten Jahren wieder richtig «hip» geworden ist. Der perfekte Ort für «MaMa Kelly»!

Nachdem das «MaMa Kelly» in Den Haag vom Geheimtipp zum absoluten Renner mutiert ist, mussten die Inhaber natürlich auch im quirligen Amsterdam die Pforten öffnen. Ganz im Stil von «MaMa Kelly» durfte es aber keine normale Lo­ cation in der Innenstadt werden, also ab ins alte

For Ladies only?

Aber etwas anders als in Den Haag sollte es dann schon sein. Zwar sollten die kulinarischen Angebote unverkennbar die gleichen bleiben, aber im Kontrast zu dem in Blautönen gehaltenen «MaMa Kelly Den Haag» in Funky Factory Vibes wird es jetzt quietschig: Pink ist die Devise!

Rein und Willemia Rambaldo erschufen den Traum in Rosa schlechtweg. Wo man nur hinsieht, Pink: an den Wänden, an den Decken, die Teppiche und die Treppe, auch die Stühle und Tische … Einzige Akzente gegen diesen Farbrausch sind Gold-,


CULINARIUM

Die geheime Bar

Belohnt wird das Durchhaltevermögen der Männer mit einer «geheimen Bar» im Nebenraum, welcher der einzige Teil des Restaurants ist, der nicht rosa ist. Einziger Wermutstropfen: Er ist nur für Gruppen ab 8 verfügbar.

Köstlichkeiten aus der Küche von IJsbrant Wilbrenninck

Messing-, Leder- und Eichendetails. Hier war eindeutig Frauenhand am Werk. Doch das mutige Resultat kann sich sehen lassen: Insgesamt ist es ein modernes, elegantes und sexy Restaurant.

bringen muss, diese zu studieren, um eine Auswahl zu treffen, dann hat man mehr Zeit, seine Umgebung zu geniessen! Und genau das sollte man hier tun.

Auch Männer kommen hier voll auf ihre Kosten, der Gemütlichkeitsfaktor ist ansteckend, und nach dem ersten Schrecken können sie sich in die Sessel versenken und sich voll und ganz auf die Kochkünste von Küchenchef IJsbrant Wilbrenninck und seinem hochkarätigen Team freuen. Wie schon in Den Haag ist die Auswahl auf der Speisekarte eher spärlich: Hühnchen mit Lobster oder Lobster mit Hühnchen und zudem eine dennoch über­ raschende Auswahl an vegetarischen Gerichten. Man könnte die Speisekarte auch «pragmatisch» nennen, denn wenn man weniger Zeit damit ver-

Die mutigen Männer, die ihre Frauen tatsächlich bis an den Platz begleitet haben und nicht gleich auf dem Absatz kehrtgemacht haben, werden belohnt. Durch die Verwendung von frischesten Produkten träumt man auch nach einem Besuch im «MaMa Kelly» – sowohl von dem Interieur als auch von den fantastischen Speisen. Bei schönem Wetter kann man sich auf eine Terrasse nach draussen setzen und dem «Pink Dream» etwas entkommen, wenn man mag. Aber schöne Terrassen bieten viele Locations, so ein Interieur muss man erst einmal finden!

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CULINARIUM

«Reibsaal» einer Schokoladefabrik Ende des 19. Jahrhunderts: Hier wurde der geröstete Kakao gemahlen und gemischt.

SÜSSE

DAS AUSHÄNGESCHILD Sie verführt von süss über zartbitter bis scharf und wird im gleichen Atemzug mit den Schweizer Bergen, Uhren und Banken genannt. Ihr gehört ein eigener Farbton, und es gibt sie auch als «Blondine» in weisser Ausführung. Wer sie einmal gekostet hat, erkennt sie überall auf der Welt – Schweizer Schokolade. Der süsseste Schweizer Erfolg. Helena Ugrenovic

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© CHOCOSUISSE

© CHOCOSUISSE

CULINARIUM

Die Azteken nennen es später «bitteres Wasser», «xocoatl», und glauben, die Samen der Kakaobohnen seien ein Geschenk Quetzalcoatls, des Gottes der Weisheit, was den Samen einen hohen Wert verleiht und sie deshalb als Zahlmittel genutzt werden. Auf seiner Reise 1504 entdeckt Christoph Kolumbus die Kakaobohne, aber das entsprechende Getränk missfällt ihm, und er ist überzeugt davon, es sei infektiös. Erst 20 Jahre später sendet der spanische Konquistador Hernán Cortés das aztekische Schokoladenrezept mitsamt Bohnen an Charles V und schreibt: «Eine Tasse ist genug, um einen ganzen Tag lang einen Soldaten in Bewegung zu versetzen.» Seitdem verbreitet sich das Schokoladengetränk auf dem europäischen Kontinent und wird vorwiegend mit Rohzucker und Zimt angereichert.

Der Schweizer Schokoladen-Pionier

Schokoladenwerbung vergangener Dekaden

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ehrere Jahrhunderte lang wird Schokolade nur in Form von heissen Ge ­tränken konsumiert und in einer Geschmacksrichtung, die sich sehr von der heutigen unterscheidet. Erst im 19. Jahrhundert schaffen es die berühmten Schokoladenriegel in den Verkaufstresen. Viele der Techniken, die für die Herstellung hochwertiger Schokolade benötigt werden, wurden in der Schweiz erfunden und entwickelt, was das Land zu einer der grossen Schokoladennationen macht. Die Erfindung von François-Louis Cailler, der die erste Fondant-Schokolade herstellt, oder die der Milchschokolade von Daniel Peter heben das Image der Schweiz weltweit in den Schokoladen-Olymp, und so wird die süsse Versuchung eines der Aushängeschilder der Schweiz.

Der Trank der Götter Auf dem Höhepunkt der Maya-Kultur ab 600 stellt man mit Kakaobohnen den «Drink of the Gods» her.

Schokolade, wie wir sie heute kennen, wird in Etappen und mit der industriellen Revolution geboren. Die Herstellung von Schokolade erfordert die Entwicklung von Prozessen, die nur mithilfe von Maschinen durchgeführt werden können. Als 1828 der niederländische Chemiker Coenraad van Houten ein Verfahren entwickelt, wobei Kakaobutter extrahiert und dadurch Kakaopulver, wie wir es heute kennen, hergestellt wird und die so entfettete Schokolade verdaulicher ist, erlebt die Schokoladen­ industrie einen regelrechten Quantensprung. François-Louis Cailler erlernt in Turin das Handwerk des Chocolatiers. Als er 1818 nach Vevey zurückkehrt, baut er Maschinen zur mechanischen Herstellung von Schokolade und eröffnet 1819 in Corsier-sur-Vevey die erste Schokoladenfabrik in der Schweiz, welche die älteste und noch heute existierende Schokoladenmarke der Schweiz sein wird, und produziert als Erster Schokolade in der noch heute üblichen Tafelform. Durch die maschinelle Produktion sinkt der Preis für Schokolade auf ein erträgliches Niveau – sie ist nicht mehr ein Genussmittel, das nur Aristokraten vorbehalten ist.

Ein neuer Marktzweig Es ist das Jahrhundert der Schokolade, in dem sich weitere Schweizer Schokoladenfabriken etablieren. Das Konditorhandwerk erlernt Philippe Suchard bei seinem Bruder in Bern und gründet nach einem Aufenthalt in den USA 1826 in Serrières bei Neuchâtel die Schokoladenfabrik Suchard. Wie Cailler baut Philippe Maschinen zur Schokoladenfabrikation, die jedoch mit Wasserkraft

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CULINARIUM

Es folgen Unternehmen wie Favarger, das 1826 seine Produktion in Genf beginnt, Kohler 1830 in Lausanne, Sprüngli, welches 1845 in Zürich die erste Schokoladenfabrik in der deutschsprachigen Schweiz eröffnet, Maestrani 1852 in Luzern und Klaus 1856 in Le Locle.

Eine weitere Revolution Die Erfindung des Milchpulvers 1857 durch Henri Nestlé fundiert nicht nur den Erfolg des Unter­ nehmens auch mehr als hundert Jahre später, sondern revolutioniert die Welt der Schokolade ein weiteres Mal. Daniel Peter steigt durch seine Heirat mit Fanny-Louise Cailler, der ältesten Tochter von François-Louis Cailler, ins Schokoladengeschäft ein. Im Jahr 1867 gründet er die Firma Peter-Cailler et Compagnie und versucht mehrere Jahre vergebens, das Milchpulver und die Kondensmilch seines Freundes Henri Nestlé mit Schokolade zu mischen. 1875 erweist sich die Kombination aus Kakao, Zucker und Kondensmilch endlich als erfolgreiche Rezeptur für die Herstellung von Milchschokolade. Drei Jahre lang verkauft er sie in Pulverform, bis es ihm endlich gelingt, eine Milch­ schokoladenmasse herzustellen, aus der er von 1886 und 1891 schliesslich Schokoladenmilch in Tabletten, die «Milchschokoladenkroketten», macht. Rodolphe Lindt ist Konditor, Lebemann und Genussmensch. Schokolade, obwohl begehrt und beliebt, ist jedoch ein Erzeugnis, das hart ist und gekaut werden muss. Lindt will jedoch Schokolade herstellen, die zartschmelzend auf der Zunge zergeht. Er kauft eine uralte Fabrikhalle mit noch älteren Maschinen und experimentiert anfangs ziemlich erfolglos herum. Nichts funktioniert, aus­ ser der Spott der Berner Gesellschaft sowie der Konkurrenzunternehmen, die ihn mit Häme überschütten. Auf seiner Schokoladenmasse bildet sich eine weisse Schicht, die sein Bruder Auguste, ein Apotheker, als kristallisiertes Fett analysiert. Er tüftelt weiter, mischt mehr Kakaobohnen, mehr Kakaobutter darunter, feilt nächtelang an der Rezeptur, doch das Erzeugnis ist eher für die Tonne als für den Gaumen. An einem Freitagabend verlässt Rodolphe die Fabrik. Sein Gemüt braucht eine

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Auszeit sowie einen geselligen Abend. Was er vergisst, ist, die Maschinen auszuschalten. Sie laufen weiter. Ein ganzes Wochenende lang. Als Rodolphe am Montag die Fabrik mit den laufenden Maschinen wieder betritt, sitzt ihm der Schrecken in den Knochen, doch er findet im Rührkessel nicht wie erwartet verbrannte und harte Schokoladenmassen. Was er sieht, ist eine glänzende Masse, aus der ihm ein lieblicher Duft in die Nase weht. Als er davon degustiert, ist er gleichzeitig der erste Mensch überhaupt, der erlebt, wie Schokolade auf der Zunge schmilzt. Nach Jahrhunderten der Evolution wird Schokolade, wie wir sie kennen, geboren, und mit der Eröffnung der Fabriken Frey 1887 in Aarau und Tobler 1899 in Bern endet auch die Pionierzeit der ersten Chocolatiers.

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angetrieben werden. Unter seinen selbstentworfenen Maschinen befindet sich der erste «mélangeur», eine Art Mixer, mit dem es Suchard gelingt, die Kakaomasse und den Zucker ideal zu vermischen. Sieben Jahre nach dem Tod von Philippe Suchard lanciert das Unternehmen 1891 die erste Milka-­ Schokolade auf dem Schweizer Markt.

Plakat um 1900


Gaumen

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ZAUBER

Fei nste Zutaten, köstl iche A romen u nd legendäre P rodu k te – pu rer Genuss fü r a l le Si n ne. by

QUOOKER MAISON MILAN

Maison Milan und Chifen Cheng wurden für ihr neu erfundenes Messer in der Kategorie «Objekte und Accessoires, Küchenprodukte» beim 11. jährlichen «Grands Prix du Design» im Februar 2018 ausgezeichnet.

Er ist robust, elegant und exotisch zugleich: «The Golden One» von Quooker, der sofort kochendes Wasser und cooles Design in die Küche bringt. Mischbatterie und KochendWasserhahn in einem, mit allen Vorteilen des bekannten Quookers.

SPRÜNGLI

Einst von Richard Sprüngli 1957 lanciert, sind die legendären und luftigen Luxemburgerli, gefüllt mit einer leichten Crème aus frischen, natürlichen Zutaten, Wahrzeichen für die Stadt Zürich und weltweit beliebt.

PERRIER-JOUËT

Der «Perrier-Jouët Belle Epoque Blanc de Blancs 2004» holte sich die Goldmedaille bei den «Champagner & Sekt Weltmeisterschaften 2018», dem weltweit prestigeträchtigsten Wettbewerb für Sparkling Wine.

DAVIDOFF

Zur Feier von Davidoffs 50. Jubiläum nimmt der Schweizer Zigarrenher­ steller seine beliebten «Diademas Finas» wieder in sein Angebot auf. Mit der «Diadema Fina» feierte Davidoff 2006 den 100. Geburtstag von Zino Davidoff.

THE MACALLAN X LALIQUE

72 Jahre alter Macallan Single Malt: auf 600 Dekanter limitiert; der Preis beträgt 60’000 US-Dollar pro 70-clDekanter. Der «Genesis-Dekanter» enthält den ältesten Whisky, der jemals von der Distillery abgefüllt wurde.

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INVESTITIONEN

&

MIT GEWINN WIRKUNG

Nachhaltige und langfristige Investitionen sind heute ein grosses Thema. Sheila von Hoerner ist Powerfrau und ihres Zeichens Local Developer in Uganda für Unternehmen, die auf das Geschäft mit erneuerbaren Energien ausgerichtet sind. Ein Geschäft, das in Afrika ein fast grenzenloses Wachstums- und vor allem Aufholpotential bietet.

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Anka Refghi I

Thomas Egli

ie gebürtige Uganderin Sheila von Hoerner hat an der weltweit renommierten schottischen Universität St. Andrews studiert, in Kenia und Ägypten gelebt und gearbeitet und war in Washington D.C. auf dem Gebiet der internationalen politischen Beziehungen zwischen den USA und Afrika tätig. Eine perfekte Grundlage für ihre heutige Tätigkeit als Local Developer, bei der sie nicht nur anspruchsvolle Projekte bei Investitionen in erneuerbare Energien in Uganda aufbaut, sondern auch Menschen verschiedenster Kulturen erfolgreich zusammenbringt. Sheila von Hoerner lebt seit zwei Jahren in Zürich zusammen mit ihrem deutschen Mann, den sie vor acht Jahren im Studium in St. Andrews kennenlernte. PRESTIGE: Sheila, an welchen Projekten in erneuerbare Energien arbeiten Sie zurzeit, und wie muss man sich Ihre Arbeit genau vorstellen? SHEILA VON HOERNER: Zurzeit arbeite ich an vier bis fünf Wasserkraft-Projekten zur lokalen Stromversorgung, die sich in unterschiedlichen Entwicklungsstadien befinden. Zwei der Projekte sind für mich besonders wichtig, da ich bereits von Anfang an involviert war, als es darum ging, passende Standorte zu identifizieren. Neben der Standortauswahl besteht meine Aufgabe unter anderem darin, die Rentabilität zu überprüfen, Probleme zu lokalisieren und Lösungen zu finden, aber auch, mögliche Risiken zu minimieren und vor allem zwischen allen involvierten Parteien zu verhandeln und zu vermitteln.

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FINANCE

«Ich wünsche mir, dass Investoren in Afrika auf Augenhöhe verhandeln.» – Sheila von Hoerner –

Im Auftrag erneuerbarer Energien für Uganda: Local Developer Sheila von Hoerner

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FINANCE

Bei Sheila von Hoerner laufen alle Fäden zusammen.

Bedeuten Ihnen solche Aufgaben mehr als «nur» ein Job? Einige der Projekte sind tatsächlich wie meine eigenen Babys. Man identifiziert sich sehr stark, und durch die enge Zusammenarbeit wird die «local community» beinahe zur Familie. Und natürlich möchte man, dass die Unter­ nehmungen funktionieren, und tut alles, um sie auch gegen aussen zu schützen. Als Local Developer sind Sie das Verbindungsglied zwischen den Energie-Unternehmen, der Regierung, den Investoren und der lokalen Gemeinschaft, aber auch zwischen ganz unterschiedlichen Kulturen … Das ist richtig. Im Gegensatz zu westeuropäischen Ländern benötigt man bei uns in Uganda etwas mehr Geduld. Arbeitet man in Uganda, muss man verstehen, dass es wichtiger ist, eine gute Beziehung zu den Leuten aufzubauen, als fordernd aufzutreten und damit auf Widerstand zu stossen. Auf der anderen Seite erkläre ich unserer Regierung, dass Vorstände und das Management aus dem Ausland

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ein etwas höheres Tempo in der Abwicklung begrüssen würden. Grundsätzlich aber geht es immer darum, offen über die Herausforderungen und Erwartungen aller Parteien zu sprechen. Sie sind ja mit den Wasserkraftwerken im Bereich des Impact Investing tätig. Welche Grundidee steht dahinter? Investitionen mit hohem Impact sind im Wesentlichen ­Investitionen in Firmen, die nicht nur den reinen Gewinn, sondern auch Nachhaltigkeit, ökologische Verantwortung und positive Wirkung auf die Lebensbedingungen der Bevölkerung im Auge haben. Es geht um Langzeit-Investitionen in integrative Geschäftsmodelle weltweit und die Zusammenarbeit mit lokalen Partnern. Sie arbeiten unter anderem für Responsability. Welche Rolle nimmt dabei dieser Vermögensverwalter ein? Responsability verwaltet durch Anlagelösungen ein Vermögen, das in Unternehmen in Schwellenländern inves-


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Nachhaltige Investitionen haben auch den verantwortungsvollen Umgang mit der Natur im Fokus.

tiert ist, und fungiert so als Asset Manager für Investoren, die aus dem privaten, dem öffentlichen oder institutionellen Sektor kommen. Es gibt natürlich auch viele Regierungen, die in Grossprojekten involviert sind, sich aber an kleineren und mittleren Projekten beteiligen möchten, wie wir sie realisieren, und dafür einen «Mittelsmann» benötigen. Diese Managementfunktion übernimmt dann Responsability mit Investment Managern vor Ort in den Schwellenländern und ermöglicht dadurch Investoren Zugang zu neuen Wachstumsmärkten im Inclusive Business. Rentabilität, Risiken und ökologische Implikationen werden dabei sorgfältig abgeklärt und geprüft. Worin liegt der Vorteil bei kleineren oder mittel­ grossen Wasserkraftwerken im Gegensatz zu Grosskraftwerken? Der bedeutendste Vorteil besteht in einem sehr viel grösseren Impact auf die lokale Gemeinschaft und das Land. Die positive Auswirkung beginnt schon am Anfang. Wenn Sie beispielsweise die Machbarkeit eines Projektes evaluieren

und Sie mit lokalen Beratern zusammenarbeiten, entstehen bereits Arbeitsplätze. Für uns sind Partnerschaften mit lokalen Shareholdern von Interesse, damit das Wissen und der Profit im eigenen Land bleiben. Bei Grossprojekten, in denen Big Player involviert sind, wird meist mit grossen Beratungsfirmen aus dem Ausland und ohne lokale Beteiligung gearbeitet. Können Sie mir ein Beispiel nennen? Sehr gerne. Wenn wir zum Beispiel die Community in den Bau eines Wasserkraftwerks einbinden, fördert das Engagement und Verantwortung und kreiert Arbeitsplätze. Ebenso, wenn die Frauen aus der Bevölkerung für diese 300 oder 500 Arbeiter kochen. Haben Sie ein Grossprojekt mit 20’000 Arbeitern, wird die Kapazität der Frauen vor Ort offensichtlich nicht mehr ausreichen. Glauben Sie, dass der heutige Zeitgeist des «Gutes tun»Wollens und wertorientiert zu agieren diese Art von Projekten und Investitionen erst möglich macht?

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Wasserkraftwerke zur Stromerzeugung bieten in Afrika ein enormes Wachstumspotential.

Ja, ich denke, dass der Wille, etwas wirklich verändern zu wollen, durchaus eine wichtige Rolle spielt. Blickt man in die Vergangenheit, gab es kaum Beteiligung aus dem Privatsektor an Infrastrukturprojekten, die auf einen nachhaltigen und positiven Effekt für die Länder und Individuen abzielten. Möglicherweise gab es nicht diese intrinsische Idee, eine wirkliche Verbesserung der Lebensumstände vor Ort erreichen zu wollen. Die Bereitschaft, in Projekte mit Patient Capital langfristig zu investieren, ist heute enorm gestiegen. Auch in Uganda gab es bis vor wenigen Jahren keine Beteiligung des privaten Sektors an der Stromerzeugung. Man war der Meinung, dass das eine Sache der Regierung sei, die auch das Risiko eingehen und sich selbst helfen sollte. Heute aber haben wir Asset Manager, wie Responsability, die zum einen ein Geschäftsfeld daraus machen und zur gleichen Zeit nachhaltige Entwicklungsziele ins Zentrum stellen. Wie würden Sie den Unternehmergeist Afrikas beschreiben?

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Die afrikanische Gesellschaft ist von Grund auf sehr unternehmerisch. So kann jemand von «9 to 5» arbeiten, webt daneben aber beispielsweise noch Taschen. Und natürlich ist der erste Absatzmarkt dann das Büro, in dem er oder sie arbeitet. Das passiert ständig, und es beginnt oft mit kleinen Dingen. Damit diese aber wachsen, strukturierter werden und auf ein höheres Niveau gelangen können, wird Kapital benötigt. Hier kommen wir ins Spiel. Durch Investitionen wird das Unternehmen erfolgreicher und kann damit auch nachhaltiger gestaltet werden. Eine weitere Herausforderung, die ich sehe, ist, dass viele Unternehmen – und ich spreche hier für Uganda – oft nur «Eine-Generation»-Unternehmen sind. Stirbt der Vater oder die Mutter, stirbt auch das Geschäft. In Europa bestehen viele Familienunternehmen über Jahrzehnte und Jahrhunderte hinweg, werden aufgebaut und expandieren. Wenn wir mit Responsability nun auch in Uganda die Möglichkeit haben, uns an langfristigen Geschäftsmodellen zu beteiligen, denke ich, dass wir den Punkt erreichen, an dem wir auch in


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100 Jahren noch gemeinsam mit ugan­dischen Unternehmern in der Energiegewinnung tätig sein werden und das «Eine-Generation-Dilemma» überwunden haben werden. Der Zugang zu Strom ist ein zentrales Thema in Afrika und bietet ein ungeheures Potential. Welches sind Ihre persönlichen Visionen? In erster Linie geht es mir darum, dass meine Projekte tragfähig sind oder werden. Mir ist es aber auch sehr wichtig, dass ich persönlich alles dafür tue, um mit meiner Arbeit einen kleinen Unterschied auszumachen. Längerfristig wäre ich sehr glücklich darüber zu sehen, dass ein grösserer Teil der Bevölkerung Zugang zu Strom hat – und sich ihn auch leisten kann. Heute liegen wir in Uganda durchschnittlich gerade einmal bei 21 bis 25 Prozent. Um dieses Ziel zu erreichen, ist es notwendig, die Menschen vor Ort in die Projekte einzubinden. Denn gehören sie wirtschaftlich nicht dazu, werden sie sich den Strom nie leisten können. Strom setzt in den Menschen viel Kraft frei, be-

trachtet man alleine die enorme Bedeutung von Smartphones in Afrika. Sie sind es, über die Business betrieben wird oder die als Zahlungsplattform dienen. Strom bedeutet aber auch eine bessere medizinische Versorgung, politische Stabilität und Aspekte, die nicht monetär eingeordnet werden können, wie die Reduzierung der Mortalität. Sheila, was wünschen Sie sich für Afrika? Ich wünsche mir, dass Investoren in Afrika auf Augenhöhe verhandeln. Wir haben sicherlich nicht für alles das notwendige Kapital, aber wir haben die Fähigkeiten. Es geht nicht darum, Afrika zu helfen, sondern um echte, kommerzielle Partnerschaften, in denen es darum geht zu sehen, was jede Seite beitragen kann, um wirtschaftlich erfolgreich zu sein. Deshalb liebe ich es auch so sehr, für Responsability zu arbeiten, denn ich habe selten so faire Verhandlungen und Diskussionen gesehen. Wenn wir von diesem «Mindspirit» mehr fördern können, dann sehe ich einen langen, positiven Entwicklungsweg.

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© Brioni


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KAUFST DU NOCH, ODER

ERLEBST

DU SCHON ?

Rund 20 Jahre ist es her, dass B. Joseph Pine zum ersten Mal von der «Erlebnis-Ökonomie» sprach. Heute ist der Wunsch des Kunden, nicht nur Produkte, sondern Erlebnisse zu kon­su­ mieren, das Must-have der Wirtschaftswelt. Wilma Fasola

Erlebnisse sind eigenständige Wirtschaftsgüter», so schrieb es B. Joseph Pine im Jahr 1999 in seinem Buch «The Experience Economy». Knapp 20 Jahre später ist aus den Wirtschaftsgütern ein verdammt lukrativer Wirtschaftszweig geworden. Zumindest, wenn man es richtig macht. Und dafür müssen Unternehmen viel tun. Vor allem aber ihre Kunden bis ins Detail kennen. So ein bisschen Social Media hier und noch ein wenig Marketing da reichen nicht aus, um Käufern das für sie so wichtige Erlebnis zu bieten. Denn es muss einzigartig sein und genau zu ihren Bedürfnissen passen. Kunden wollen Marken spüren, anfassen, und sie wollen das Gesamtpaket cool finden. Persönliche Ansprache, individueller Service kommen zudem on top. Erst dann sagen sie «Ja» zum Produkt oder zur Dienstleistung. Und sind bereit, fast jeden Preis zu zahlen.

Kunden wollen erleben Beginnen wir aber mit einer kurzen Definition oder besser mit einem Wie. Denn nichts anderes steckt hinter der «Experience Economy», oder eben eingedeutscht der «Erlebnis-Ökonomie», als die Frage «Wie bringe ich Kunden dazu, sich für mein Produkt zu entscheiden?» Das Angebot ist gross, und Waren wie auch Dienstleistungen sind austauschbar. Daher müssen Unternehmen neben guten Produkten und hervorragendem Service vor allem ein eindrückliches Erlebnis liefern, damit Kunden am Ende zu ihren werden und es auch bleiben. Und dabei geht es um mehr als gute Werbung oder ein aktives Sein in den Social-Media-Kanälen. Es geht um das grosse Ganze,

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© Brioni

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die perfekte Inszenierung. Pine und Co-Autor James H. Gilmore sprechen daher auch von Theater. Wer Produkte emotionalisieren und erlebbar machen will, der braucht gutes Personal. Echte Akteure und keine Statisten. Menschen, die performen, sich einbringen. Menschen, die bereit sind, jeden Tag aufs Neue auf die Bühne zu treten, eine Show zu bieten und aus einer Ware, einer Dienstleistung etwas Erlebbares zu machen.

Kunden wollen individuell erleben Plakative Beispiele sind die Autostadt in Wolfsburg, die Heineken Experience in Amsterdam und die zahlreichen Pop-up-Stores, die zur Einführung von Produkten getreu dem Namensmotto aus dem Boden ploppen. Hier werden Produkte mit Emotionen aufgeladen, weil man sie anfassen, spielerisch kennenlernen und einfach Kontakt zu ihnen aufnehmen kann. Wer beim Wort Erlebnis ausschliesslich an die Freizeitindustrie denkt, der irrt gewaltig. Es ist vor allem die Luxusgüterbranche, die sich dem Trend «Experience Economy» nicht verwehren kann. Teure Uhren, noch teurere Autos und auch massgeschneiderte Kleidung vom italienischen Luxuslabel – der Kunde erwartet das Mehr. Und das ist nicht der Champagner bei der Beratung, es ist die perfekte Umgebung, die kleine Überraschung, mit der man nicht gerechnet hat, oder eben einfach die Befriedigung des inneren Kindes oder der Wunsch, wie eine Königin behandelt zu werden.

Kunden wollen individuell auch online erleben Ausschlaggebend für die Entwicklung der Erlebnis-­ Ökonomie war übrigens der steigende Kundenwunsch nach massgeschneiderten Angeboten. Sich abheben von der Masse, etwas ganz Eigenes Die richtige Inszenierung ist matchentscheidend. präsentieren und geniessen können, das funktioniert schon seit vielen Jahren hervorragend. Zunächst bei den Besserverdienenden, heute aber um seine Person und seine Wünsche betrieben kann man auch mit kleinerem Budget einen Mass- wird wie im realen Leben. Daher hat Erfolg, wer anzug tragen oder ein modifiziertes Auto fahren. auch über die virtuellen Kanäle immaterielle BeUnd auf Mass heisst auch passgenauer Service, dürfnisse befriedigen kann. Experten sind sich und der hat sich letztendlich zum Erlebnis ent­ sogar fast komplett einig, dass kein Unternehmen wickelt. Die schon angesprochene Inszenierung auf eine Omni-Channel-Präsenz verzichten kann. durch die Verkäufer oder den Verkaufsort. So hat Sprich: auf allen Kanälen das Beste geben. Auf beispielsweise Brioni im Mailänder Geschäft die allen Kanälen erleben lassen. berühmte dritte Etage, zu der nur VIPs und beste Kunden Zutritt erhalten. Oder wer schon einmal Kunden wollen individuell auch online im Showroom von Audemars Piguet in Genf emp- und alles jeden Tag erleben fangen wurde, der weiss, was Service leisten kann. Erlebnis-Ökonomie ist somit keine Eintagsfliege. Parallel findet «Experience Economy» aber auch Es ist die ständige Verbesserung, das immer wieder in der E-Commerce-Welt statt. Oder anders, der Hinterfragen der eigenen Angebote, das konstant Kunde erwartet, dass hier genauso ein Aufwand Neue und eben Überraschende. Es ist ein nicht

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© Rolls-Royce Motor Cars

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«Erleben» statt nur zu konsumieren heisst die Devise.

aufzuhaltender Wandel im Gesellschafts- und Wirtschaftsleben. Etwas, dem man sich nicht entziehen kann. Entweder man spielt mit oder setzt auf das komplette Gegenteil. Denn durch die Erlebnis-­ Ökonomie hat auch die Massenware wieder Bedeutung bekommen. Kunden kaufen eben entweder in kurzer Zeit zum günstigen Preis oder aber nehmen Geld in die Hand, um wirklich Erlebnisse zu bekommen. Im Idealfall eben dann das perfekte, weil individuelle Erlebnis. Oder um es noch einmal mit den Worten von B. Joseph Pine zu sagen: «Erlebnisse sollen personalisiert, das heisst, individuellen Bedürfnissen angepasst werden, und personalisierte Services sollen zu Erlebnissen werden.» Die Standardlösung gibt es nicht, und getestet

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Perfekter und individueller Service sind oberstes Gebot.

werden kann nur am echten Menschen. Zahlreiche Marketing-Tools tragen auf jeden Fall dazu bei, die eigenen Zielgruppen zu definieren, und auch deren Wünsche sowie Bedürfnisse lassen sich gut in Worte packen. Aber ob am Ende das Ergebnis überzeugt, zeigt nur die Realität.

Kunden wollen mit Sicherheit individuell auch online und alles jeden Tag erleben Parallel zeigt sich dazu auch, dass der Kunde nicht nur erleben will. Er will Sicherheit dabei. Ist das noch real oder schon Fiktion? Ist das noch echt oder Schein? Immer mehr Inszenierung führt zu Verunsicherung, zu viel Schein zu der Frage, was noch real ist. Das steigert die Anforderung an die Unternehmen und Marken noch um ein Vielfaches. Erlebnisse inszenieren ist eben nur eine Seite, das Inszenierte auch bis ins Detail mit Authentizität zu füllen, das ist eine echte Herausforderung. Eine schon sehr perfekte Interpretation hat Burberry erschaffen. Kurz für jeden, der die Marke nicht kennt: das Label mit den abgenähten Steppjacken. Sie haben den Produkten nicht nur RFID-Chips eingenäht, die über Herkunft und Herstellung informieren. Nein, das britische Label hat auch eine

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eigene Internetplattform ins Leben gerufen, auf der Kunden sich in ihrem Trenchcoat inszenieren können. Und wer einmal auf Instagram war, der weiss, dass dieses Prinzip Hochsaison hat.

Wer jetzt nicht handelt, ist raus Schliessen wir daher mit einem letzten Zitat. «Erdachtes vergeht, Erlebtes bleibt.» Das stammt von Kurt Haberstich, dem bekannten Schweizer Buchautor und Aphoristiker. Nur vier Worte, die das Konsumverhalten unserer Gesellschaft nicht treffender formulieren könnten. Das Kauferlebnis hat sich zum Big Business entwickelt. Zum Punkt, der über Bleiben oder Gehen entscheidet. Keine Marke, kein Unternehmen kann es sich mehr leisten, nur gute Produkte und besten Service zu bieten. Wenn der Käufer das nicht spürt. Wenn er es nicht erleben kann und für sich als überzeugend einstuft, dann ist beim Thema «Experience Economy» noch Nachholbedarf. Und der besteht mit Blick auf die Wirtschaftswelt noch an mancher Stelle. Aber der Druck steigt, und man legt nach. Weitere 20 Jahre aber sollte man nicht verstreichen lassen, sonst ist man womöglich raus aus dem Geschäft.



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GUT, ETWAS IM ZU HABEN

KASTEN

Nichts ist mehr sicher, vor allem in Sachen Geldanlage. Kein Wunder, dass man sich nach alternativen Sparsystemen umschaut. Besonders schön, wenn dies wie im Fall der Sparclubs auch noch mit Spass und Geselligkeit einhergeht.

© Andreas Praefcke

Wilma Fasola

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ft wirken sie wie Relikte aus längst vergangenen Tagen. Spar­schränke. Geduldig hängen sie in den Kneipen an der Wand, und man mag glauben, dass sie schon längst nicht mehr in Gebrauch seien. Doch dem ist nicht so. Seit einigen Jahren erlebt das gemeinsame Sparen im Rahmen eines Sparclubs eine kleine Renaissance. Und das nicht nur bei den Älteren, auch die jüngere Generation steckt mit Begeisterung ihr Bargeld in den aus vielen kleinen Boxen bestehenden Schrank. Das Prinzip dabei ist so simpel wie wirkungsvoll: Ein Jahr lang wird eingezahlt, und am Ende der zwölf Monate gibt’s das Geld cash zurück. Inklusive lustiger Party, die manchmal sogar von den angesammelten Zinsen bezahlt werden kann.

fach, Rücklagen zu bilden. Mit dem sicher verschlossenen Sparschrank war das Geld, einmal hineingesteckt, sicher bis zur Auszahlung aufgehoben. Im Heute geht es bei den Clubs eher um die Freude am Gemeinsamen. Denn zu jedem Zahltag gehören eine entspannte Runde der Mitglieder und sicherlich auch ein Kaltgetränk – nach Wunsch mit oder ohne Alkohol. Daher hängen die meisten Schränke nach wie vor auch in Restaurants, Bars oder der beliebten Eckkneipe. Die Hamburger Reeperbahn gehört dabei zu dem Flecken Erde, der über besonders viele Sparclubs verfügt. Einige mit einer langen Tradition, aber auch gerade erst gegründete. Mit dem Film «Manche hatten Krokodile» hat der deutsche Regisseur Christian Hornung dem Thema sogar einen eigenen Film gewidmet.

Lernbare Sparsamkeit

Individuelle Sparsamkeit

Rückblickend lässt sich heute nicht mehr sagen, wie und wo das Sparclub-Wesen seinen Anfang nahm. Sicher ist jedoch, dass es irgendwo Mitte des 18. Jahrhunderts im deutschsprachigen Raum gewesen sein soll. Zudem gilt der Schweizer Jean Baumann als der Erfinder des Sparschranks. Er liess sich 1965 den sogenannten «Cagnomatic» patentieren. Den ersten Boom erlebte das gemeinsame Sparen allerdings bereits viele Jahrzehnte vor der Patentanmeldung. Schon vor dem Ersten Weltkrieg steckten unter anderen Matrosen und Hafenarbeiter am Abend einen Teil ihres Tagelohns, der Heuer, in die wie kleine Briefkästen aus­sehenden Metallkästen. Damit war sichergestellt, dass nicht das gesamte Geld in die Wirtskasse wanderte und die Familien der Seemänner eine kleine, aber eben sichere Rücklage hatten. Auch diese wurde einmal im Jahr ausbezahlt und half dabei, wichtige Anschaffungen zu tätigen oder Kosten zu decken.

Bei der Höhe und dem Zahltag der Einzahlung hat jeder Club seine eigenen Regeln. Einige bestehen auf einem festen Mitgliedsbeitrag. Andere überlassen es dem Sparer selber, wie viel er durch seinen Schlitz in die kleine Box verschwinden lässt. Ausgezahlt aber wird bei allen nur einmal im Jahr. Und auch die monatliche Leerung gehört in der Regel zu dem, was in allen Vereinen praktiziert wird. Das Geld selber wird vom Kassenwart verwahrt und jeder Betrag ordentlich dokumentiert. Schliesslich soll die Verteilung am Auszahlungstag auf den Rappen genau erfolgen. Das eingesammelte Geld findet nach jeder Leerung den direkten Weg zur Bank, um so noch ein paar Zinsen mitzunehmen. Von denen wird auch ein Teil der geringen Spesen des Vereins bezahlt, wie unter anderem die Versicherung für den Sparschrank.

Gesellige Sparsamkeit In den Anfangszeiten der Sparclubs ging es daher zu einem grossen Teil um die Sicherung der eigenen Existenz oder die der Familie. Und ein wenig ging es nebenbei um erzieherische Dinge. Gerade in der Unter- und Mittelschicht war es nicht ein-

Unterstützende Sparsamkeit Aktuell entdecken gerade auch Entwicklungsländer das Prinzip der Sparclubs für sich. Der Grund: Armen Familien ist der Zugang zu Finanzdienstleistungen meistens verwehrt. Oft aus logistischen Gründen und noch mehr, weil die Banken wenig Interesse an einer Zusammenarbeit haben. Um dennoch den wenig Betuchten die Möglichkeit zu geben, auf der einen Seite zu sparen und auf

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© Sparkassenhistorisches Dokumentationszentrum

der anderen basierend auf Kleinkrediten Unternehmen aufzubauen, wurden verschiedene Mikro­ finanzsysteme aufgebaut. Und dies sind neben Dorfbanken und Mikrofinanzbanken auch Rotations- oder Sparclubs. In Bangladesch beispielsweise sorgt eine leicht abgewandelte Form der Sparclubs dafür, dass auch Frauen finanzielle Unabhängigkeit erleben können. Sie schliessen sich dafür in Gruppen von 15 bis maximal 40 Frauen zusammen. Einmal in der Woche muss jede von ihnen beim Treffen wenige Cents einzahlen. Wenn ausreichend Geld zusammengekommen ist, werden die ersten Kredite an einige Mitglieder ausgezahlt. Diese müssen innerhalb eines Jahres beglichen werden, was in den meisten Fällen auch gelingt. Nicht zuletzt, da durch das starke Gruppengefühl ein hoher sozialer Druck auf jeder teilnehmenden Frau liegt.

Männliche Sparsamkeit In der Schweiz haben viele Clubs eine lange Geschichte. Die meisten bestehen seit vielen Jahrzehnten. Neuere ploppen zwar, jedoch nur vereinzelt, auf. Die Sparschränke hatten ihren Platz dabei nicht nur in Kneipen und Bars. Auch Metzgereien und Bäckereien setzen ihr Vertrauen in den Metallkasten mit Ziffern und Schlitzen. Und die Idee, dass, wer regelmässig kommt auch regelmässig konsumiert, ging auf. Daran hat sich bis heute nichts geändert. Niemand geht zum Club-Treffen und verschwindet ohne Schwatz und das besagte Kaltgetränk wieder nach Hause. Im Grunde ist ein Sparclub somit auch mit einem Stammtisch vergleichbar. Mit Blick auf die Verteilung der Geschlechter im Sparerkreis lässt sich sagen, dass bis heute der männliche Anteil dominiert. Damals, um es mal mit den Worten eines Sparers zu sagen, liess sich dank Sparclub Geld vor der Ehefrau verheimlichen. Einmal im Schrank versenkt, war es vor ihrem Zugriff sicher. Heute – so der mit einem Lächeln versehene Zusatz – hilft der Sparclub immer noch ein wenig, um dem ehefräulichen Radar zu entkommen.

Auch in Geschäften wurde gemeinsam gespart.

Organisierte Sparsamkeit Sparclubs sind jedoch nicht mit Investmentclubs zu vergleichen. Hier geht es zwar auch um die Macht der Gemeinschaft, jedoch im anderen Sinne. Es soll auf diesem Wege eine möglichst grosse Summe zustande kommen, die gemeinschaftlich in Aktien angelegt wird. Gespart wird dank des Gruppenprinzips zudem an Bankgebühren, Spesen und Courtagen. Jedoch braucht es dafür eine sogenannte einfache Gesellschaft, während ein

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Sparclub komplett ohne Rechtsform auskommt. Dennoch braucht es zur Gründung ein paar wichtige Voraussetzungen. Daher muss vor allem die Buchhaltung stimmen. Neue Bankauflagen haben hier in den letzten Jahren zur Auflösung einiger Clubs geführt. Doch dank 21. Jahrhundert und dem Megatrend Digitalisierung gibt es bereits zahl­ reiche Software-Tools, die bei der Organisation unterstützen.


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Entstanden aus einer perfekten Allianz: die erste gemeinsame Kollektion von Schreibgeräten und Accessoires, die die legendäre Aura Bentleys mit der zeitlosen Eleganz von Graf von Faber-Castell verbindet.

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VORSCHAU WINTER 2018 Magie der Symmetrie

Perfektes und facettenreiches Interior-Design beruht auf vielen Komponenten. Eines seiner grundlegenden Prinzipien ist dasjenige der Symmetrie und Asymmetrie, das schon in der griechischen Architektur eine grosse Rolle spielte. Ein Blick auf die Ästhetik des Wohndesigns im Wandel der Zeit und auf die gestalterische Kraft von Symmetrie und Proportionen.

Cineastische Fotografie

Knallige Farben, provozierende Sujets und weltweite Erfolge. Der britische Fotograf Miles Aldridge gehört zu den ganz Grossen seines Fachs. Ursprünglich studierter Illustrator und kurzzeitiger Musik­ video-Regisseur, arbeitet er seit 1993 als Modefotograf für die renommiertesten Titel rund um den Globus. Wie kein anderer konfrontiert Miles Aldridge den Betrachter mit Themen wie Religion, Populärkultur und der «Americana» der 1950er Jahre – glamourös, wunderbar überidealisiert und mit unverkennbar filmischem Ansatz. Ein Gespräch.

Filmstar auf vier Rädern

Einige Fahrzeuge wurden zu Filmstars. So auch der «1961 Aston Martin DB4 GT», der in einer Hauptrolle im britischen Kino berühmt wurde. In dem Komödienfilm «The Wrong Arm of the Law» aus dem Jahr 1963 mit dem Schauspieler Peter Sellers lieferte sich der «Aston Martin DB4 GT» als Fluchtfahrzeug eine packende Verfolgungsjagd mit einem Polizeiwagen, einem «Wolseley 6 / 90». Eine Geschichte auf vier Rädern.

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Foto: Christoph Meissner, Retusche: Rotfilter

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