Leben und wir
Die Geschichte einer Kindheit
Interview
Doris Schretzmayer Sie wusste immer schon, dass da in ihrem Leben mehr auf sie wartet, als die Kindheit in Niederösterreich ihr versprochen hat. Und doch war sie nicht unglücklich. Die Schauspielerin über Eigenständigkeit, das innige Verhältnis zu ihrer Großmutter und Getreideduschen im Sommer. von kim sztrakati Wenn du deine Kindheit mit fünf Worten beschreiben müsstest – welche wären das? Doris Schretzmayer: Abenteuerlust, Eigenständigkeit, Italien, Felder, Lachen.
© Irina Gavrich (1), Privat (1)
Italien ... das klingt nach Sommerurlaub. Genau. Ich war 8, als ich das erste Mal allein aufs Ferienlager nach Italien gefahren bin – d.h. wirklich allein war ich nicht, ich war mit einer großen Gruppe unterwegs. Bis ich 14 war, war ich jeden Sommer für drei Wochen dort, an der Adria in der Nähe von Rimini. Meine Eltern haben eine Landwirtschaft gehabt und im Sommer einfach sehr viel zu tun gehabt. Natürlich war es da angenehmer, wenn die Kinder woanders waren und sie sich voll auf die Arbeit konzentrieren konnten. Die Wochen in Italien waren einerseits geprägt von großer Freiheit, Entdeckungslust und Eigenständigkeit, andererseits aber natürlich auch von Heimweh.
» Ich hab den Tag, an dem die Schule vorbei ist, herbeigesehnt. «
Du warst also schon früh auf dich alleine gestellt. Kamst du gut damit zurecht – weil du es ja nicht anders kanntest? Ja, genau. Ich bin von der Volksschule nach Hause gekommen, das Essen stand am Tisch oder am Herd, und ich hab es mir selber genommen, wenn niemand da war. Ich war viel allein, und ich musste Dinge für mich auch allein checken können. Dennoch wollte ich es bei meinem Sohn anders machen, weil ich fand, dass es schön ist, als Kind mehr begleitet zu werden. Ich möchte einfach viel für ihn da sein und ihn in allen Phasen sehen und begleiten – und das finde ich wunderschön. Welche Erinnerungen hast du an das Leben auf dem Bauernhof, auf den Feldern? Musstest du mithelfen? Ja, aber nur ein bisschen. Ich erinnere mich gern an die Abende, an denen ich –
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