DOT.magazine 047

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FAMILY

AFFAIRS

Meet-Not-So-Cute

E

Sie hört nicht auf, er hört nicht zu: Daniel Glattauers Theaterstück „Die Wunderübung“ funktioniert auch als Film ganz wunderbar.

r geht im Abstand von etwa drei Metern hinter ihr her. Gleich darauf sieht man die beiden in der U-Bahn sitzen – und aneinander vorbeischauen; sie sieht zu, wie andere sich küssen, Gesichter, die von Leichtigkeit erzählen. Ihr eigenes Gesicht besteht fast nur aus Augenringen, und sie versucht den Mann, der ihr schräg gegenüber sitzt, zu ignorieren. Auf der Rolltreppe stehen er und sie ein paar Stufen auseinander, und als sie das Ziel – für beide derselbe Ort – erreicht haben, betätigen sie sogar separat die Klingel der Gegensprechanlage (auch wenn sie im Stiegenhaus zu Fuß geht und er den Lift betritt). Zufall, der sich als Meet-Cute, wie es in romantischen Komödien heißt, entpuppt? Nein, eher ein Meet-Not-So-Cute: Hier geht es um die andere Möglichkeit, warum die beiden denselben Weg

getrennt voneinander absolvieren, um am selben Ort zu landen: Sie teilen seit 17 Jahren Bett und Kühlschrank, haben zwei Kinder im Teenageralter und einander nicht mehr viel Nettes zu sagen. Die distanzierte Anreise führt zur Eheberatung. AM RANDE DES NERVENZUSAMMENBRUCHS Als Paartherapeut probiert Erwin Steinhauer mit Leibeskräften und auch erhobener Stimme allerlei aus, um aus dem gut eingespielten Hickhack der beiden etwas Konstruktives zu formen – und jede Übung scheitert kläglich. Hier kann man fast nur resignieren, oder? „Hier“ geht’s jedenfalls amüsant und pointiert zu. Autor Daniel Glattauer hat, könnte man sagen, Wer hat Angst vor Virginia Woolf? in eine Therapiestunde

versetzt, und Regisseur Michael Kreihsl wiederum hat sich daran gemacht, das Theaterstück, das er so erfolgreich in der Wiener Josefstadt inszenierte, auf die Leinwand zu übertragen. Im kurzweiligen Kammerspiel, das Klischees etwas Lustvolles abgewinnen kann, demonstrieren Aglaia Szyszkowitz (wie schon auf der Bühne) und Devid Striesow als dauerkeifendes, genervtes, resigniertes Ehepaar Dorek ihr Können. Rosenkrieg light hat komödiantisch einiges zu bieten. „Streitkultur auf hohem Niveau“ eben. www.filmladen.at/wunderuebung

DIE WUNDERÜBUNG KINOSTART 02.02., A 2017, REGIE Michael Kreihsl, MIT Aglaia Szyszkowitz, Devid Striesow, Erwin Steinhauer, FILMLÄNGE 92 Min., © Lunafilm DOT.MOVIE 67

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