Swifties’ Neuerfindung
Was macht jeder gute Popstar alle paar Jahre? Genau – er erfindet sich neu. Das Rezept hat heute mehr denn je seine Gültigkeit, und auch Taylor Swift hält sich mit ihrem neuen Album an diese goldene Regel.
PURER POP Ihr fünftes Album 1989 aus dem Jahr 2014 stellte dann die endgültige Abkehr von dem Genre dar, das sie groß gemacht hatte. Ein smarter Move, denn ihr ohnehin übergroßer Starstatus wuchs dadurch massiv. Ihre Download- und Tonträgerverkäufe brachen reihenweise Rekorde – die Sauberfrau, die zwar jede Menge Beziehungspartner verschliss, ansonsten aber erstaun-
© Universal Music
D
ie 27-Jährige gilt als eine der erfolgreichsten Popmusikerinnen der Welt; mit ihren rund 170 Millionen verkauften Tonträgern und zahllosen Auszeichnungen wie beispielsweise zehn Grammy-Awards hat sich das Mädchen aus der Mittelschicht von ihrer Heimat Pennsylvania aus an die Spitze des kommerziellen Pop gespielt. Und das geschah natürlich nicht aus Zufall, denn Talent war bei Taylor reichlich vorhanden. Was auf jeden Fall half, war der kleine Umweg über die amerikanische Countryszene: Bereits als Kind trällerte sie die Songs von Patsy Cline, Dolly Parton oder den Dixie Chicks – und wurde im Alter von 14 Jahren nach diversen Karaokewettbewerben, Demo-TapeProduktionen und gelegentlichen Gigs auch tatsächlich entdeckt. Die Folge waren ein Plattenvertrag und weitere Konzerte. Ihre ersten beiden Alben bescherten der jungen Künstlerin bereits fünffaches Platin und Hits ohne Ende, doch für den globalen Poperfolg ist Country eher nicht das Mittel der Wahl – also begann ein schleichender Prozess, während dem sich Taylor unauffällig aus der reinen Countryecke verabschiedete.
lich wenige Skandale zu bieten hatte, war dank unermüdlicher Paparazzi-Einsätze in aller Aug’ und Munde. Doch interessanterweise folgte darauf eine erste längere Albumpause von Swift: Hatte sie davor noch im Zwei-Jahres-Takt veröffentlicht, so mussten sich Fans nun satte drei Jahre gedulden, bis die Künstlerin mit einem neuen Werk an die Öffentlichkeit geht: Am 10. November erschien nun mit Reputation der bislang sechste Langspieler. Im Gegensatz zu ihren früheren Veröffentlichungen wurde im Vorfeld erstaunlich viel Geheimniskrämerei betrieben, was man aber leicht feststellen kann, ist eine optische wie auch musikalische Veränderung von Swift – so edgy und dark hat sie sich nämlich noch nie präsentiert. ALTE BEKANNTE Was vielleicht nicht jeder weiß: Taylor ist mitnichten eine Marionette, die zu vorgegebenen Songs ihrer Produzenten und Songwriterin agiert. Viele ihrer Hits stammen tatsächlich aus ihrer Feder – allerdings wurden sie stets durch eine wahre Armada an internationalen Top-Produzenten veredelt. Das gilt für die vorherigen Alben genauso
wie für Reputation – und obwohl sich Swift wieder neu erfindet, findet man bei den Credits einige bekannte Namen, die auch bereits zuvor schon im Studio Hand angelegt haben, wie zum Beispiel Jack Antonoff sowie das Hit-Team Max Martin und Shellback. Neben dem gewissen stilistischen Finetuning ihrer Musik hat sie auch ihrer optischen Erscheinung eine sichtbare Veränderung angedeihen lassen: Nun wirkt sie weniger mädchenhaft, dafür kantiger und rougher. Fast schon grungy. Das passt ihr allerdings ausgezeichnet. In ihren ersten Singleauskopplungen Look What You Made Me Do und … Ready For It? hat sie übrigens da und dort kleine Geheimnisse und Nachrichten an ihre Fans versteckt; bis heute werden diese Hinweise gesucht und gedeutet. Aber ein bisschen Geheimniskrämerei hat noch keinem Popstar geschadet, und vielleicht ist das ein weiterer Schritt in der Umsetzung von Taylors Plan zur Neuerfindung. So nebenbei macht sie sich auch über Hater und diverse kleine Skandälchen rund um ihre Fotos und ihren Insta-Account lustig – auch eine Art, das Erlebte zu verarbeiten oder zumindest ein bisschen Selbstironie zu zeigen. Den bisherigen Reaktionen auf die ersten Songs nach dürfte Reputation jedenfalls nahtlos an den Erfolg der Vorgänger anknüpfen. Beweisen muss Taylor Swift niemandem etwas – ihre bisherigen Lorbeeren und Tantiemen reichen wohl jetzt schon für drei Künstlerleben. taylorswift.com
70 DOT.MUSIC
070_TAYLOR SWIFT_z.indd 70
09.11.17 10:51