Energiesystem der Zukunft

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Energiesystem der Zukunft Umsetzung des Swisspower Masterplans 2050


INHALT Das Wichtigste in Kürze Editorial Swisspower Masterplan 2050 Auf Kurs – Stand der Umsetzung

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Einzelteile zusammensetzen Interview «Die Bevölkerung mit auf die Reise nehmen» Energiesystem der Zukunft Innovationsfeld «Konvergenz der Netze» Innovationsfeld «Kommunikationsinfrastruktur» Innovationsfeld «Smarte Technologien» Die nächsten Schritte Glossar Die Swisspower Gruppe Die Aktionäre von Swisspower

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Zum Titelbild: Enthält die Informationen, wie ein Organismus aufgebaut ist: Struktur eines DNA-Moleküls.


Auf einen Blick 03

DAS WICHTIGSTE IN KÜRZE

Die Swisspower Stadtwerke erbringen seit vielen Jahren einen kundennahen Service public, bei dem Energieeffizienz und erneuerbare Energien ganz selbstverständlich dazugehören. Deshalb stellen sie sich hinter den Entscheid von Bundesrat und Parlament, auf neue Kernkraftwerke in der Schweiz zu verzichten. Mit dem Swisspower Masterplan 2050 zeigen die Swisspower Stadtwerke auf: Die Energiewende ist technisch machbar und nach marktwirtschaftlichen Grundsätzen finanzierbar. AM KURS FESTHALTEN Auch wenn das wirtschaftliche Umfeld in der Schweiz unsicherer geworden ist, unterstützt Swisspower weiterhin die Energiestrategie 2050 des Bundes. Ein Generationenprojekt wie die Energiewende erfordert die Beharrlichkeit, langfristig ausgerichtete Projekte trotz kurzfristiger Schwierigkeiten konsequent durchzuziehen. Daher ist der Swisspower Masterplan 2050 die Antwort der Stadtwerke auf die neue Energiestrategie des Bundes, er geht aber noch weiter. Denn damit die Energiewende in der Schweiz gelingt, braucht es eine Gesamtsicht der Energieversorgung: Nur die Konvergenz der Netze – das intelligente Zusammenspiel der Strom-, Gas- und Wärmenetze – ermöglicht die optimale Integration der erneuerbaren Energien ins Schweizer Energiesystem. Als verbindende Elemente spielen die Kommunikationsinfrastruktur und die smarten Technologien künftig eine zentrale Rolle. LEITPLANKEN FÜR DIE STADTWERKE Trends in Gesellschaft, Politik, Wirtschaft und Technik stellen die Leitplanken dar, in denen sich die Swisspower Stadtwerke bewegen können. Um den Masterplan 2050 umzusetzen, haben die Swisspower Stadtwerke deshalb eine gemeinsame Vorstellung vom Energiesystem der Zukunft definiert. Darauf basieren die Massnahmen, mit denen Swisspower die drei Innovationsfelder Konvergenz der Netze, Kommunikationsinfrastruktur und smarte Technologien vorantreiben will. Der vorliegende Bericht nennt einerseits Themen, die Swisspower als starke Stimme der Stadtwerke in Verbänden, Fachgremien und auf politischer Ebene aufgreifen wird. Andererseits listet er im Sinne einer Checkliste Massnahmen auf, die jeder Swisspower Aktionär nach eigenen Prioritäten umsetzen kann. KOORDINIERT VORGEHEN Der Bericht ergänzt den Swisspower Masterplan 2050 und richtet sich in erster Linie an die Swisspower Stadtwerke selbst. Durch die Publikation legt Swisspower ihre Pläne für die Umsetzung des Masterplans im Sinne der Sache aber bewusst offen. Mit dieser Transparenz lädt Swisspower die anderen Energieversorger, die Branchenverbände sowie die politischen Akteure zum Dialog und zu einem koordinierten Vorgehen für den Umbau des Energiesystems ein.


Die Swisspower Stadtwerke erbringen einen kundennahen Service public, bei dem Energieeffizienz und erneuerbare Energien ganz selbstverständlich dazugehören.

Wer etwas verändert, hinterlässt seine Spuren: elektronischer Fingerabdruck.


Intro 05

EDITORIAL

Bei den Mitbewerbern und in Bundesbern hat es sich herumgesprochen: Innerhalb der Energiebranche gibt es Kräfte, welche die Energiewende für machbar statt nur für wünschbar halten. Der politische Wille und die Vision, welche die Swisspower Stadtwerke mit ihrem Masterplan 2050 präsentiert haben, bleiben also nicht unbemerkt. Im Gegenteil: Der Masterplan setzt eine Landmarke mit klaren Zielen. Schritt für Schritt zeigen die Aktionäre von Swisspower nun, dass die Versprechen im Masterplan 2050 realistisch sind. Alle 23 Stadtwerke haben sich auf den Weg zur Energiewende gemacht. MODERNE INFRASTRUKTUR ALS LÖSUNG Der Umbau des Energiesystems ist mit einschneidenden Veränderungen und hohen Investitionen verbunden. Heute sind die Netze und Speichersysteme für die zentrale Energieproduktion ausgelegt. Künftig müssen sie auch den Anforderungen der dezentralen Produktion entsprechen und volatil anfallende Energie aufnehmen können. In dieser Situation werden alle Verteilnetze – für Strom, Gas und Wärme – mehr denn je zu strategisch wichtigen Assets. Deshalb forciert Swisspower die drei Innovationsfelder Konvergenz der Netze, Kommunikationsinfrastruktur und smarte Technologien, welche die Netze noch stärker zur zentralen Frage der Energiewende machen. EINLADUNG ZUM DIALOG Die Swisspower Stadtwerke legen ihre Pläne für die Umsetzung des Masterplans 2050 und die Massnahmen zu den drei Innovationsfeldern bewusst offen. Mit dieser Transparenz lädt Swisspower zum Dialog ein – nicht nur mit anderen Energieversorgern und den Branchenverbänden, sondern auch mit den politischen Akteuren und der Stimmbevölkerung in der Schweiz. Von diesem Dialog erhofft sich Swisspower viel: Die Stadtwerke wollen die Chancen des Querverbunds und den Stellenwert aller Netze für die Energiewende aufzeigen und nutzen. Es geht darum, bei politischen Entscheidern das Bewusstsein für optimale Rahmenbedingungen zu entwickeln, die gerade Vorreiter der Energiewende für ihre Investitionen brauchen. Denn zu einem Veränderungsprozess wie dem Umbau des Energiesystems gehören genügend Zeit und Freiheitsgrade in der unternehmerischen Handlungsfähigkeit. Die Energiebranche mit ihren langen Investitionszyklen und komplexen Bewilligungsverfahren benötigt oft länger, bis sich messbare Erfolge einstellen, die dann dafür oft nachhaltig sind. Swisspower gibt das Versprechen ab, die aufgezeigten Massnahmen konsequent voranzutreiben.

Dr. Hans-Kaspar Scherrer Verwaltungsratspräsident Swisspower AG

Ronny Kaufmann CEO Swisspower AG


06 Intro

SWISSPOWER MASTERPLAN 2050 Mit dem 2012 erstmals veröffentlichten Masterplan 2050 geben die Swisspower Stadtwerke ein deutliches Signal: Die Energiewende ist technisch machbar und nach marktwirtschaftlichen Grundsätzen finanzierbar. Damit stellen sich die Swisspower Stadtwerke hinter den Entscheid von Bundesrat und Parlament, auf neue Kernkraftwerke in der Schweiz zu verzichten. Sie zeigen auf, wie sie den Entscheid umsetzen und das Schweizer Energiesystem nachhaltig umbauen wollen: als Schrittmacher der Energiewende. Bis 2050 sieht der Masterplan drei Ziele vor: Swisspower will den Anteil der erneuerbaren Energien an der Endenergieproduktion auf 80% erhöhen, den TreibhausgasAusstoss gegenüber 2010 um 45% reduzieren und den Primärenergieverbrauch pro Person über alle Energieträger um 75% senken. Diese Ziele für eine nachhaltige Energieversorgung sind ambitioniert. Mit den festgelegten Zielkurven lassen sich Meilensteine auf dem Weg der Energiewende aufzeigen. Die konkreten Massnahmen auf diesem Weg definiert jedes Swisspower Stadtwerk selbst – abgestimmt auf die jeweilige Eigner- und Unternehmensstrategie. Dabei soll auch den Kundinnen und Kunden ermöglicht werden, als Schlüsselakteure des Energiekonsums aktiv an der Vision einer nachhaltigen Energieversorgung mitzuwirken. GANZHEITLICHE SICHTWEISE Um die Ziele des Masterplans 2050 zu erreichen, setzen sich die Swisspower Stadtwerke nicht nur für einen effizienteren Umgang mit Strom ein, sondern für eine Gesamtsicht: Sie beziehen für eine nachhaltige Energiezukunft alle Energieträger ein – insbesondere auch Erdgas, Biogas und Wärme. Bei der konkreten Realisierung baut Swisspower auf Lösungen, die politisch mehrheitsfähig sind, die Versorgungssicherheit gewährleisten und die lokalen Gegebenheiten berücksichtigen. Dazu beschreibt der Masterplan 2050 vier Handlungsfelder: Markt und Nachfrage, Beschaffung und Produktion, Infrastruktur sowie Aussenbeziehung EU.


Intro 07

Im Masterplan 2050 setzen die Swisspower Stadtwerke auf Lösungen, die politisch mehrheitsfähig sind, die Versorgungssicherheit gewährleisten und die lokalen Gegebenheiten berücksichtigen.

MARKT UND NACHFRAGE Ein effizienter Einsatz von Energie verbindet ökonomische mit ökologischen Vorteilen: Durch Effizienzmassnahmen reduzieren Haushalte und Unternehmen nicht nur ihre eigenen Energiekosten, sie senken damit gleichzeitig die Umweltbelastungen. Zudem vermindern sie Abhängigkeiten von Energieimporten und Risiken.

BESCHAFFUNG UND PRODUKTION Die Swisspower Stadtwerke leisten mit ihrer Strategie der dezentralen Energieproduktion einen substanziellen Beitrag an die Umsetzung der Energiestrategie des Bundesrates. Das Ziel der Swisspower Stadtwerke ist eine langfristig ausgerichtete Energiebeschaffung und -produktion, die mit innovativen Lösungen zur internationalen Wettbewerbsfähigkeit der schweizerischen Volkswirtschaft und damit zur Sicherung der Lebensqualität beiträgt.

MASTERPLAN 2050 DER SWISSPOWER STADTWERKE INFRASTRUKTUR Der Optimierung der Energienetze – national wie international – kommt eine grosse Bedeutung zu. Denn die Energieinfrastruktur ist noch zu wenig für die Energiewende bereit. Die Übertragungsnetze und die Energiespeicher sind nicht genügend für die Anforderungen einer dezentralen stochastischen Einspeisung, die Synchronisation von Strom- und Gasnetz sowie die Anbindung an den europäischen Energiemarkt ausgelegt.

AUSSENBEZIEHUNG EU Ein Heimmarkt, der künftig eine sichere und finanzierbare Energieversorgung gewährleistet, ist auch weiterhin ohne Integration in den EU-Energiemarkt nicht möglich. Da die Swisspower Stadtwerke verstärkt auf neue erneuerbare Energien setzen, benötigen sie einen diskriminierungsfreien Zugang zum europäischen Energiebinnenmarkt. Chancengleichheit, Rechtssicherheit, Investitionssicherheit und die zukünftige Erneuerung der Netzinfrastruktur werden international entschieden. Swisspower engagiert sich in Branchengremien für die passenden Rahmenbedingungen auf europäischer Ebene.


08 Intro

AUF KURS – STAND DER UMSETZUNG Im Report 2014 legten die Swisspower Stadtwerke erstmals Rechenschaft darüber ab, welche Massnahmen sie seit der Unterzeichnung des Masterplans 2050 umgesetzt oder angepackt haben und welche Wirkung sie damit erzielen. Für dieses erste Monitoring meldeten die Aktionäre von Swisspower 89 Massnahmen, die den Umbau des Energiesystems Schweiz unterstützen. Die ausgewerteten Massnahmen reduzieren den Primärenergiebedarf um jährlich rund 1 Mio. MWh und senken die CO2-Emissionen (CO2-Äquivalent) dauerhaft um mehr als 90'000 Tonnen pro Jahr. STARTPUNKTE DEFINIEREN Gleichzeitig diente der Report 2014 dazu, die Ist-Situation im Jahr 2010 und somit die Startpunkte für die im Masterplan 2050 beschriebenen Zielkurven zu definieren. Denn bei Treibhausgas-Ausstoss und Primärenergieverbrauch zeigen die Kurven im Masterplan zwar Prozentwerte im Vergleich zum Ausgangsjahr 2010 an, aber noch keine absoluten Zahlen. Dies holte der Report nach: Er legte die Ausgangswerte von 2010 fest. Die Zukunftswerte entlang der Zielkurven übernahm Swisspower von aktuellen Studien, unter anderem vom Bundesamt für Energie. Ebenfalls einen Ist-Wert lieferte der Report beim dritten Indikator – dem Anteil der erneuerbaren Energien am Endenergieverbrauch. Im Ausgangsjahr 2010 betrug er in der gesamten Schweiz rund 19%, in den betrachteten Städten von Swisspower Aktionären bereits 21%. Es fällt auf, dass die Swisspower Stadtwerke das erst für 2020 gesteckte Ziel von 15% schon übertreffen. Grund für diese Differenz: Im Masterplan 2050 bezieht sich die Zielkurve auf die neuen erneuerbaren Energien und rechnet den Anteil der Wasserkraft nicht ein. Da letztere für den Umbau des Energiesystems eine wichtige Rolle spielt, wurde sie im Monitoring dennoch berücksichtigt. Zum Vergleich: Der Anteil der neuen erneuerbaren Energien wie Wind und Sonne betrug in den betrachteten Städten im Ausgangsjahr 2010 rund 7%, was genau dem Wert der Zielkurve entspricht.


Intro 09

Mit zahlreichen Massnahmen tragen alle Swisspower Stadtwerke dazu bei, das Energiesystem umzubauen und die gesetzten Ziele zu erreichen.

Die Swisspower Stadtwerke haben sich ambitionierte, aber machbare und finanzierbare Ziele für eine nachhaltige Energieversorgung der Schweiz gesetzt: 100

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2020

2030

2040

Klima: CO2-Emissionen Energieeffizienz: Primärenergieverbrauch (Watt pro Kopf der Bevölkerung) Erneuerbare Energien: Anteil an Endenergieverbrauch Startpunkt Swisspower Städte gemäss Report 2014

2050

2060


10 Intro

EINZELTEILE ZUSAMMENSETZEN Mit dem Masterplan 2050 und den Resultaten des Reports 2014 haben die Swisspower Stadtwerke die wichtigsten Leitplanken für ihren gemeinsamen Weg der Energiewende gesetzt: Sie sind sich einig über Vision und Ziele, kennen den Ausgangspunkt sowie die Meilensteine und bestimmen regelmässig den aktuellen Standort. Als Nächstes konkretisieren die Swisspower Stadtwerke, wie sie den Masterplan 2050 umsetzen. Dazu werden dessen vier zentrale Handlungsfelder von drei Innovationsfeldern flankiert (siehe Grafik rechts), die für den Umbau des Energiesystems von zentraler Bedeutung sind: Konvergenz der Netze, Kommunikationsinfrastruktur und smarte Technologien. Massnahmen in diesen Bereichen unterstützen die festgelegten Ziele. Die drei Innovationsfelder ermöglichen eine intelligente Koordination zwischen Energieproduktion und Verbrauch, sorgen also für einen effizienten Konsum knapper Energieressourcen und erleichtern es, erneuerbare Energien zu nutzen. Ein grosser Teil der notwendigen Technologien für die drei Innovationsfelder sind heute vorhanden. Nun steht auf der To-do-Liste, sie kombiniert anzuwenden und ins Energiesystem zu integrieren. KONKRETE MASSNAHMEN Die Kapitel im vorliegenden Bericht zu den drei Innovationsfeldern zeigen jeweils den aktuellen Stand, die bisherigen Massnahmen und die absehbaren Trends auf. Im Unterschied zu theoretischen Konzepten über die Energiezukunft setzt Swisspower mit dem Masterplan 2050 auf konkretes, unternehmerisches Handeln der Stadtwerke. Deshalb liegt der Schwerpunkt pro Innovationsfeld bei den noch zu realisierenden Massnahmen: Einerseits listet der Bericht Themen auf, die Swisspower als starke Stimme der Stadtwerke in Verbänden, Fachgremien und auf politischer Ebene anpacken kann. Andererseits werden Massnahmen vorgestellt, die jeder Swisspower Aktionär allein umsetzt – sofern dies nicht bereits erfolgt ist. Die Auflistung pro Innovationsfeld hat dabei nicht den Charakter eines Massnahmenplans, sondern einer Checkliste. Besonders bei den individuellen Massnahmen können die Stadtwerke überprüfen, mit welcher Priorität eine Massnahme umgesetzt werden soll.


Intro 11

Die drei Innovationsfelder ermรถglichen eine intelligente Koordination zwischen Energieproduktion und Verbrauch. Sie erleichtern es, erneuerbare Energien zu nutzen.

Innovationsfelder

Kommunikationsinfrastruktur

Smarte Technologien

Handlungsfelder Markt und Nachfrage

Beschaffung und Produktion Basis Swisspower Masterplan 2050

Infrastruktur

Aussenbeziehung EU

Konvergenz der Netze


12 Startpunkt

FÜNF VERTRETER VON SWISSPOWER IM GESPRÄCH

DIE BEVÖLKERUNG MIT AUF DIE REISE NEHMEN Mit dem Swisspower Masterplan 2050 definieren die Stadtwerke ihren Weg hin zur Energiewende. Vier Vertreter der Aktionäre und der CEO der Swisspower AG erörtern, welche Erfolge die Stadtwerke bereits ausweisen und welche Herausforderungen sie gemeinsam annehmen. Das Gespräch führen Guido Gross, Direktor der Technischen Betriebe Kreuzlingen, Ronny Kaufmann, CEO der Swisspower AG, Stephan Marty, Vorsitzender der Geschäftsleitung von ewl energie wasser luzern, Dr. Hans-Kaspar Scherrer, CEO der IBAarau AG und Verwaltungsratspräsident der Swisspower AG, sowie Robert Völki, Unternehmensentwicklung der SIG.


Startpunkt 13

2012 unterzeichneten die Swisspower Aktionäre den Masterplan 2050. Welche Fortschritte bei der Umsetzung haben Ihre Unternehmen seither erzielt? Stephan Marty: Der Masterplan hat uns in den letzten Jahren einen Austausch mit den anderen Swisspower Stadtwerken ermöglicht. Wir können gegenseitig voneinander profitieren, Ideen austauschen und uns messen. Für ewl war der Masterplan im Wesentlichen eine Bestätigung des eingeschlagenen Wegs, den wir konsequent weitergehen. Guido Gross: Auch unser Unternehmen hat sich bereits vor Unterzeichnung des Masterplans mit der ökologischen Ausrichtung befasst. Inzwischen haben wir verschiedene Massnahmen umgesetzt. Seit 2013 liefern wir unseren Kunden standardmässig Strom aus Wasserkraft. Wir haben eine Studie zur lokalen Nutzung von erneuerbaren Energien in Auftrag gegeben und eine für Kreuzlinger Verhältnisse grosse Holzschnitzelheizung samt Fernwärmeverbund erstellt. Robert Völki: Wir engagieren uns ebenfalls in verschiedenen Bereichen – beispielsweise für Photovoltaik, Windkraft und Wärmenetze. Weitere wichtige Themen sind die Geothermie und die Nutzung von Seewasser für Fernwärme und -kälte. Für unser Effizienzprogramm ECO21, mit dem Genf zwischen 2009 und 2014 ungefähr 90 GWh Energie gespart hat, erhielten wir 2013 vom Bundesamt für Energie den Preis «Watt d’Or». Insgesamt zeigt unsere Zwischenbilanz, dass wir mit unseren Aktivitäten konform mit den Zielen des Masterplans sind. Stephan Marty: Wir investieren derzeit in den Aufbau von zwei neuen Geschäftsfeldern, welche die Ziele des Masterplans unterstützen: Fernwärme und Telekommunikation. Unser Projekt «Fernwärme Emmen Luzern Rontal» hat ein Absatzpotenzial von rund 100 GWh Wärme pro Jahr. Zudem bauen wir in Luzern ein Glasfasernetz bis in alle Wohnungen. Es bildet die Grundlage, um die Energienetze künftig mit zusätzlicher Intelligenz auszustatten. Robert Völki: Wir sehen die grosse Chance der Kommunikationsinfrastruktur ebenfalls. Deshalb haben wir wie ewl ein Glasfasernetz gebaut und wollen Erfahrungen mit Smart-Grid-Lösungen sammeln.

Guido Gross

Ronny Kaufmann

Stephan Marty

«Ein Generationenprojekt wie die Energiewende muss so stabil aufgestellt sein, dass es trotz gelegentlichen ‹Seitenwinds› auf Kurs bleibt.»

Dr. Hans-Kaspar Scherrer Robert Völki


14 Startpunkt

Ist der Umbau des Energiesystems in der Strategie Ihres Unternehmens verankert? Robert Völki: Ja, wir verfolgen seit vielen Jahren eine Strategie im Sinne der Energiewende: mit Produkten aus erneuerbaren Energien, Effizienzprogrammen und der Nutzung von lokalen erneuerbaren Energien. Um die Strategie zu konkretisieren, haben wir Anfang 2015 eine neue Abteilung geschaffen, die sich ganz der Energiewende widmet. Unser Leitmotiv lautet «mieux et moins consommer» – die Energie besser und sparsamer nutzen. Stephan Marty: Der Ausstieg aus der Kernenergie bis 2045 ist in der Unternehmensstrategie von ewl verankert. Wir bauen deshalb den Anteil der erneuerbaren Energien schrittweise aus – einerseits regional und andererseits international mit Windkraftanlagen in Deutschland und Frankreich. Guido Gross: Auch unsere Strategie sieht eine noch stärkere ökologische Ausrichtung vor. Die dafür notwendigen beachtlichen Investitionen stellen uns aber vor eine grosse Herausforderung. Denn aus den laufenden Ergebnissen können wir kaum noch Investitionskapital äufnen.

«Es braucht die Bereitschaft, langfristig ausgerichtete Projekte samt ihrer ökologischen und ökonomischen Folgen anzugehen.»

Energiepolitisch stellt der Bund zurzeit wichtige Weichen – etwa mit dem ersten Massnahmenpaket der Energiestrategie, der zweiten Etappe der Marktöffnung und der Strategie Stromnetze. Sind die Energieunternehmen Ihrer Meinung nach fit genug, um diese Herausforderungen zu meistern? Guido Gross: Ich stimme der Aussage zu, dass Weichen gestellt werden. Damit aber der Zug rollen kann, muss vorerst das darunterliegende Trassee geplant und gebaut werden. Wenn wir wie bei der ersten Stufe der Strommarktöffnung den Trasseebau intensiv verfolgen oder sogar daran mitwirken, erlangen wir auch die notwendige Fitness für den späteren Betrieb. Statt eines Alleingangs zählen wir hier auf das Netzwerk mit unseren Geschäftspartnern, den Branchenverbänden und Swisspower. Stephan Marty: Ein Grundpfeiler unserer Unternehmensstrategie sind Allianzen, um die Effizienz zu steigern, neue Fähigkeiten aufzubauen und Risiken zu teilen. So stärken wir unsere Wettbewerbsfähigkeit. Im Hinblick auf die anstehenden Veränderungen geht es darum, proaktiv zu handeln und sich dennoch alle Optionen


«Für die Energiewende brauchen wir Stadtwerke klare Rahmenbedingungen.»

offenzuhalten. Grundsätzlich sind wir optimistisch: ewl ist bereit, die Herausforderungen zu meistern. Welche Erfolgsfaktoren entscheiden darüber, ob die Energiewende gelingt? Ronny Kaufmann: Ich sehe drei verschiedene Ebenen: die politische, die technologische und die unternehmerische. Erstens muss ein Generationenprojekt wie die Energiewende so stabil aufgestellt sein, dass es trotz gelegentlichen «Seitenwinds» auf Kurs bleibt. Die Kurzlebigkeit von Politik und Wirtschaft hilft uns da leider nicht. Deshalb müssen wir die Aufmerksamkeit der Meinungsführer für das Thema hochhalten. Zweitens – und das ist wohl der grösste Treiber – braucht es das richtige Technologie-Scouting: Auf welche Technologien und Produkte sollten wir zu welchem Zeitpunkt setzen? Drittens wird die Energiewende dann gelingen, wenn Unternehmen im Energiemarkt klug zusammenarbeiten, Allianzen eingehen und Synergien nutzen. Robert Völki: Auf politischer Ebene sollten wir besonders die Kostenwahrheit zum Thema machen. Es erleichtert die Energiewende, wenn alle externen Kosten in die Preise der verschiedenen Energieformen eingerechnet werden. Stephan Marty: Das bedeutet auch weniger Subventionen. Eine übertriebene Subventionspolitik ist keine gute Grundlage für ein nachhaltiges Marktmodell. Wir müssen für den Strommarkt möglichst marktwirtschaftlich abgestützte Rahmenbedingungen schaffen. Guido Gross: Allerdings werden die Hebel mit der ganz grossen Wirkung nicht durch die Stadtwerke, sondern auf politischer Ebene betätigt – national wie international.


16 Startpunkt

Robert Völki: Ein nachhaltiger Energiemix sollte unbedingt gewährleistet sein. Deshalb hat die Politik Rahmenbedingungen zu schaffen, um den Konsum von fossiler Energie zu reduzieren und die Investitionen in die erneuerbaren Energien langfristig zu sichern. Guido Gross: Genau, zum politischen Konsens zählt auch die Bereitschaft, langfristig ausgerichtete Projekte samt ihrer ökologischen und ökonomischen Folgen anzugehen. Dazu gehört wie bei den Gründern des heutigen Energiesystems eine Portion Mut und Pioniergeist. Hans-Kaspar Scherrer: Ich sehe die grösste Herausforderung für die Energiewende nicht bei der Finanzierbarkeit. Kommunikation und Psychologie machen wohl 80 Prozent aus, Finanzierbarkeit und Technologie nur 20 Prozent. Denn wir wissen, auf welche Massnahmen wir setzen müssen. Und sie werden in den nächsten Jahren immer günstiger. Aber wir müssen die Bevölkerung mit auf die Reise nehmen, weil sie einen wichtigen Beitrag zu leisten hat. Unser Ansatz der dezentralen Produktion erfordert ein Involvement vieler Leute.

«Wir müssen die Bevölkerung mit auf die Reise nehmen, weil sie einen wichtigen Beitrag zu leisten hat.»

Stephan Marty: Die Akzeptanz in der Bevölkerung ist sicher von entscheidender Bedeutung. Derzeit fehlt die demokratische Legitimation für die Energiewende in der Schweiz noch. Zwar stellen wir ein wachsendes Bewusstsein für Energieeffizienz und erneuerbare Energien fest. Es ist aber unklar, welchen Preis die Bevölkerung für die Energiewende zu zahlen bereit ist. Robert Völki: Wir sind diesbezüglich optimistisch und sehen die Kunden als «Consom'acteurs», die sich für nachhaltige Lösungen engagieren. Hans-Kaspar Scherrer: Eine zentrale Frage bleibt: Wie bringen wir unsere Kunden dazu, sich effizienter zu verhalten, wenn Energie wenig kostet und offenbar à discrétion zur Verfügung steht?


Startpunkt 17

Wie nimmt Swisspower Einfluss auf die Energiepolitik, damit die passenden Rahmenbedingungen geschaffen werden? Ronny Kaufmann: Es gibt nicht nur eine Energiepolitik. Die EU, der Bund, die Kantone und die Gemeinden schaffen Rahmenbedingungen, welche die Stadtwerke betreffen. Swisspower hat gute Chancen, sich in diesem Multi-Level-System als Informations- und Argumentationsdrehscheibe zu bewegen. Derzeit steht die Debatte zur Energiestrategie 2050 an erster Stelle auf unserer politischen Agenda, gefolgt von den Diskussionen zur vollständigen Strommarktöffnung und der Netzstrategie. Robert Völki: Es ist wichtig, dass die Energiestrategie zuoberst steht. Denn wir befürchten, die Strategie könnte in der weiteren parlamentarischen Diskussion abgeschwächt werden. Um die Energiewende zu konkretisieren – besonders die Effizienzziele –, brauchen wir Stadtwerke klare Rahmenbedingungen. Hans-Kaspar Scherrer: Ich sehe die oberste Priorität ebenfalls bei der nationalen Energiepolitik. Da können wir zwischen progressiven Parteien, denen die Energiewende nicht schnell genug geht, und den Konservativen vermitteln. Doch auch auf internationaler Ebene kann Swisspower für die Aktionäre eine wichtige Aufgabe übernehmen, weil ein einzelnes Stadtwerk dort kaum Gehör findet. Wie muss sich Swisspower entwickeln, um weiterhin eine treibende Kraft für die Energiewende zu sein? Hans-Kaspar Scherrer: Wir sind derzeit in einer Erneuerungsphase und haben gemeinsam mit dem neuen CEO der Swisspower AG viel vor: unsere Group Governance verbessern, weitere Partner gewinnen, neue Geschäftsfelder aufnehmen. Die Aktionäre können ihr Commitment gegenüber Swisspower noch verstärken und das Dienstleistungsangebot intensiver nutzen. Ronny Kaufmann: Als Unternehmensgruppe mit einem politischen Programm und einer unternehmerischen Vision der Aktionäre sind wir dann erfolgreich, wenn wir unseren Aktionären Mehrwerte und gemeinsame Aktivitäten anbieten. Zudem sehe ich uns als Agents Provocateurs: Wir schlagen innovative und teilweise auch unkonventionelle Ideen vor – wohlwissend, dass nicht alle davon Zuspruch finden. Schon wenn wir die eine oder andere davon realisieren, kommen wir auf dem Weg der Energiewende miteinander erfolgreich voran.

«Eine übertriebene Subventionspolitik ist keine gute Grundlage für ein nachhaltiges Marktmodell.»


18 Energiesystem der Zukunft

LEITPLANKEN FÜR DIE ENERGIEBRANCHE In den kommenden Jahren wird sich das Energiesystem markant verändern. Trends in Gesellschaft, Politik, Wirtschaft und Technik wirken sich stark auf die Art aus, wie Energie künftig produziert, gewandelt, gehandelt, verteilt und konsumiert wird. Diese Trends setzen die Leitplanken, in denen sich die Swisspower Stadtwerke bewegen können und die ihre Strategie prägen. Die Swisspower Stadtwerke haben eine gemeinsame Vorstellung vom Energiesystem der Zukunft, um ihren Masterplan 2050 umzusetzen. Gemeinsame Annahmen zu den künftigen Trends und Rahmenbedingungen sind die Basis für Ziele und Massnahmen, insbesondere bei den drei zusätzlichen Innovationsfeldern Konvergenz der Netze, Kommunikationsinfrastruktur und smarte Technologien. 2035 IST ÜBERMORGEN Für die Annahmen zum Energiesystem der Zukunft haben sich die Swisspower Stadtwerke auf einen Zeithorizont von 20 Jahren festgelegt. Einerseits stellt das Jahr 2035 in der Energiestrategie des Bundes einen wichtigen Meilenstein dar. Andererseits lassen sich für diesen Zeitpunkt – im Gegensatz zum Jahr 2050 – bereits einige Trends erkennen, die mit hoher Wahrscheinlichkeit eintreten werden. Entscheidend ist, wie Aufmerksamkeit und Unterstützung der Gesellschaft gerade in der Kurzfristigkeit der heutigen Zeit aufrechterhalten werden können. Selbstverständlich ist sich Swisspower bewusst, dass die gesellschaftlichen, politischen, wirtschaftlichen und vor allem technischen Entwicklungen der kommenden 20 Jahre heute teilweise noch nicht absehbar sind. Zudem prägen externe, nicht beeinflussbare und daher schwer prognostizierbare Faktoren wie Klimawandel und Bevölkerungswachstum das Energiesystem der Zukunft. Jeder Blick nach vorn muss bei der Energieversorgung zwei Grundsätze berücksichtigen: Erstens sind die Bedürfnisse der Menschen keine feste Grösse. Die Sicherheitsbedürfnisse etwa können sich innerhalb von 20 Jahren deutlich verändern – und dadurch die Anforderungen an den Service public der Energieversorger. Zweitens müssen die Energieversorger wie bisher einen möglichst optimalen Punkt auf einem Zieldreieck mit den Dimensionen Versorgungssicherheit, Wirtschaftlichkeit und Umweltverträglichkeit finden.

Trends in Gesellschaft, Politik, Wirtschaft und Technik wirken sich stark auf die Art aus, wie Energie künftig produziert, gehandelt, verteilt und konsumiert wird.


Energiesystem der Zukunft 19

In den kommenden Jahren verändert sich das Energiesystem markant. Übergeordnete Trends setzen die Leitplanken, in denen sich die Swisspower Stadtwerke bewegen können und die ihre Strategie prägen.

EINFLÜSSE AUF DAS ENERGIESYSTEM 2035

ENERGIEBRANCHE Von fossil zu erneuerbar

Dezentrale Produktion

Gesellschaft

Technik Variabler Energieverbrauch

Lernende Organisation

Investitionen in Speicherkapazitäten

Wachsende Anforderungen an Versorgungssicherheit Energie, Wasser und ICT

Verbrauchsoptimierung mit Speichern

Produktionsund Laststeuerung

VERHALTEN STADTWERKE

Kosteneffizienz

Variable Preise Neue Marktfunktion Bündelung/ Optimierung

Systematische Bewirtschaftung von Anlagen und Netzen Strategische Kooperationen

Politik

Förder- und Lenkungsprogramme

Wachsender Wettbewerb

Synergienutzung Internationales Pricing

Abhängigkeit Importe

Neue Marktteilnehmer

Wirtschaft


INNOVATIONSFELD 01: KONVERGENZ DER NETZE

>> Vorbildliche Vernetzung: Erst das Geflecht von Adern l채sst ein Laubblatt spriessen.


Konvergenz der Netze 21

EINLEITUNG

ZUSAMMENSPIEL DER ENERGIETRÄGER Jahrzehntelang wurden Strom-, Gas- und Wärmeversorgungen an den meisten Orten unabhängig voneinander geplant und betrieben. Die Koordination beschränkte sich darauf, mehrere Baustellen innerhalb von kurzer Zeit am gleichen Ort zu vermeiden und den oft beschränkten Untergrund gemeinsam zu nutzen. Ein Paradigmenwechsel ist nötig, wenn die erneuerbaren Energien in der Schweiz künftig einen hohen Stellenwert erhalten sollen. Denn um die Vielzahl neuer, dezentraler Energieproduzenten effizient zu koordinieren, braucht es ein intelligentes lokales Management von Angebot und Nachfrage über alle Energieträger. Der Gesamtenergieverbrauch wird dabei zur zentralen Grösse. Strom, Gas, Fernwärme und sogar Wasser leisten ihren Beitrag dafür, den Gesamtbedarf zu decken; die Kommunikationsinfrastruktur dient als Verbindungsglied. FOKUS AUF DIE NETZE Die Basis eines solchen Energiesystems sind sichere und aufeinander abgestimmte Energienetze. Auf der To-do-Liste der Schweizer Energieversorger für die nächsten Jahre sollten Instandhaltung, Optimierung, Neukonzeption und Ausbau der Netzinfrastruktur also ganz zuoberst stehen. Dabei ist Netzkonvergenz nicht nur ein technisches Konzept. Sie ermöglicht auch neue Produkte, Tarife und Vertragsmodelle, die Querverbundunternehmen einen strategischen Vorteil verschaffen. GASNETZE ALS PROBLEMLÖSER Die Netzinfrastruktur muss künftig neben ihrer Transportaufgabe auch eine Ausgleichs- und Speicherfunktion übernehmen. Dafür bietet sich besonders das Gasnetz an. In der ersten Phase der Energiewende nimmt die Bedeutung von Erdgas/Biogas als Energieträger keineswegs ab, sondern zu. Die riesige Transport- und Speicherkapazität der Gasinfrastruktur eignet sich bestens, um die Schwankungen bei der Energieproduktion aus Wind- und Sonnenenergie europaweit zu glätten – etwa durch die Power-to-Gas-Technologie. Eine ähnliche Funktion in kleinerem Massstab können regionale Wärmenetze ausüben, als perfekte Ergänzung zu den Gasnetzen. Gerade in der dicht besiedelten Schweiz ist das Potenzial von Fernwärme und -kälte noch längst nicht ausgeschöpft. Die Philosophie der konvergenten Netze bindet sie ganz selbstverständlich ein.

Um die Vielzahl neuer, dezentraler Energieproduzenten effizient zu koordinieren, braucht es ein intelligentes lokales Management von Angebot und Nachfrage über alle Energieträger.


22 Konvergenz der Netze

AKTUELLE ENTWICKLUNG

MEHR SYSTEMDENKEN Der Begriff Netzkonvergenz gehört in der Energiebranche noch nicht überall zum Standardwortschatz. In der Vergangenheit verzichteten die meisten Energieversorger darauf, die einzelnen Netze aufeinander abzustimmen und Synergien zu nutzen. Nun ist aber ein Umdenken im Gange. Die verschiedenen Versorgungsnetze werden als Gesamtsystem betrachtet. Das zeigt sich auch bei der Corporate Governance der Energieunternehmen. Die bisherige Organisation nach Sparten weicht vielerorts jener nach Funktionen. Die Durchmischung von Fachleuten für Strom, Gas, Wärme, Wasser und Telekommunikation erleichtert das ganzheitliche Denken und bricht festgefahrene Prozesse auf. Das Resultat sind Effizienzgewinne, eine höhere Qualität und Lösungen mit Weitsicht. UMSETZUNG STOCKT NOCH Dennoch gestaltet sich die Umsetzung eines konvergenten Energiesystems nicht einfach. Konzepte liegen vor, doch der Netzausbau stockt vielerorts. Stolperstein ist oft die Wirtschaftlichkeit. Verbesserungsbedarf besteht zudem bei der kommunalen und kantonalen Zusammenarbeit für die Netzkonvergenz. Deren Erfolg hängt wesentlich davon ab, wie die politischen Entscheider eingebunden werden. Dieser politischen Dimension sollten die Energieversorger einen ebenso hohen Stellenwert beimessen wie den Kooperationen innerhalb der Branche.

UNTERSTÜTZENDE UND HEMMENDE FAKTOREN

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Der Trend zu dezentralen Produktionsanlagen ist der wichtigste Treiber der Netzkonvergenz. Die Energieunternehmen müssen dadurch neue Lösungen finden, um die Energieflüsse weiterhin steuern zu können.

Weil die Gasnetze als Folge neuer Energierichtpläne ihre klassische Funktion zu verlieren drohen, ist eine Umnutzung nötig. Dafür eignet sich das Power-to-GasVerfahren: Die Transformation von Strom aus erneuerbaren Energien in Wasserstoff und synthetisches Erdgas – das sich auch wieder verstromen lässt – ermöglicht Transport und Speicherung der Energie.

Anlagen, die verschiedene Energieträger kombinieren und auf erneuerbare Energien setzen, sind finanziell oft nach wie vor nicht konkurrenzfähig. Zudem behindern die Mustervorschriften der Kantone im Energiebereich (MuKEn) innovative dezentrale Energielösungen mit Erdgas und Biogas.


Konvergenz der Netze 23

BLICK NACH VORNE

DIE WICHTIGSTEN TRENDS TRENDS NETZE Um die Netzkonvergenz voranzutreiben, kommt der langfristigen Zielnetzplanung eine zentrale Bedeutung zu. Mit einer solchen ganzheitlichen Planung lassen sich Netze optimal weiterentwickeln – betrieblich, wirtschaftlich und ökologisch. Pro Gebiet oder sogar pro Strasse wird die beste Netzstrategie evaluiert. Parallelnetze wie etwa Gas- und Wärmenetz mit den damit verbundenen Mehrfachinvestitionen können so vermieden werden. Mit dem Aufkommen von Wärmeverbünden und anderen dezentralen Anlagen erhalten die Energieversorger Konkurrenz durch private Eigentümer von Micro Grids. Auch solche kleinen Netze sollten ins Gesamtsystem integriert werden können. Einige Gasnetze sind bereits heute schlecht ausgelastet. Nun droht sich ihre Auslastung durch die Mustervorschriften der Kantone im Energiebereich (MuKEn) noch weiter zu verschlechtern. Deshalb überlegen sich verschiedene Gemeinden und Energieversorger, die Gasnetze mittelfristig zurückzubauen und Erdgas durch andere Energieträger zu ersetzen. Dieses Vorgehen steht der Netzkonvergenz entgegen und zeigt auch, dass der energiepolitische Stellenwert der Gasnetze stärker betont werden muss. Bei den neu erstellten Wärmenetzen geht der Trend in Richtung Niedrigtemperaturen. Das reduziert nicht nur die Wärmeverluste, sondern senkt auch die Baukosten, weil Kunststoffmantelrohre bei diesen Temperaturen genügen. Zudem können bei tieferen Vorlauftemperaturen sogar Anlagen Wärme einspeisen, die ohne Verbrennungsprozess funktionieren. Die Spreizung – der Unterschied zwischen Winterlast und Sommerlast – wächst in den Wärmenetzen. Im Sommer droht ein immer grösseres Auslastungsdefizit. Bremsen lässt sich diese Entwicklung durch den Bau von saisonalen Speichersystemen. Dafür bietet sich die Gasinfrastruktur an.


24 Konvergenz der Netze

TRENDS PRODUKTION Durch die Nutzung der neuen erneuerbaren Energien bestimmt nicht mehr primär die Nachfrage, sondern vermehrt das Angebot die Energieproduktion. Der produzierte Strom wird auf allen Spannungsebenen statt wie bisher nur in die Hochspannungsnetze eingespeist. Dank neuer Steuerungsmöglichkeiten können Energieversorger kleine Produktionsanlagen zu grösseren virtuellen Kraftwerken zusammenschalten und so die Energiebeschaffung optimieren. In einzelnen Stromnetzen besteht durch die dezentrale Produktion die Gefahr einer technischen Überlast. Via Transformatorenstationen kann die überschüssige Energie in das übergelagerte Netz gespeist werden. Auch die Power-to-GasTechnologie ermöglicht einen Ausgleich im Stromnetz, wenn zu viel Strom (Produktion synthetisches Erdgas) oder zu wenig Strom (Verstromung synthetisches Erdgas) vorhanden ist. TRENDS SPEICHER Für den zentralen Ausgleich von Stunden- und Tageslastspitzen dienen in der Schweiz weiterhin die bestehenden Pumpspeicher-Kraftwerke als grosse Speicher. Die dezentrale Produktion führt jedoch dazu, dass die Energie vermehrt vor Ort genutzt und gespeichert werden muss. Die Lösung sind einerseits lokale Speicher. Andererseits lassen sich die Netze einzelner Energieversorger zu Speichersystemen koppeln. Auch lokale Blockheizkraftwerk-Systeme können einen Beitrag leisten. TRENDS ENERGIE Genau wie beim Strom geht auch bei der Gasversorgung der Trend hin zu den erneuerbaren Energien, vor allem durch den Einsatz von Biogas und vermehrt über die Produktion von synthetischem Erdgas (Power-to-Gas). Genauso lassen sich für die Mobilität vermehrt erneuerbare Energien nutzen.

DAS POTENZIAL DER NETZKONVERGENZ Moderne und leistungsfähige Strom-, Gas- und Wärmenetze bilden künftig das Rückgrat einer sicheren, bezahlbaren und umweltfreundlichen Energieversorgung der Schweiz. Mehr noch: Sie sind der Schlüssel zur erfolgreichen Integration der erneuerbaren Energien, weil sie Nachfrage und Angebot ausgleichen können. Bei Über- oder Unterlastsituationen werden einzelne Netze gezielt durch andere unterstützt. So lassen sich ihre Leistungskapazitäten optimal nutzen und unnötige Ausbauten vermeiden – ganz im Sinne der Wirtschaftlichkeit.


Konvergenz der Netze 25

HANDLUNGSFELDER

BEZUG ZUM SWISSPOWER MASTERPLAN 2050 Konvergente Netze tragen wesentlich dazu bei, die Ziele des Swisspower Masterplans 2050 zu erreichen. Ein starker, direkter Bezug besteht zu den zwei Handlungsfeldern Beschaffung und Produktion sowie Infrastruktur: Markt und Nachfrage

Beschaffung und Produktion

Infrastruktur

Aussenbeziehung EU

ÜBERGEORDNETES ZIEL Das Ziel der Netzkonvergenz ist, verschiedene Netze zu verknüpfen, um sie optimal zu betreiben und ihre Last auszugleichen. Dazu wird überschüssige Energie des einen Netzes in die Form des anderen Netzes transformiert, gespeichert, wenn nötig transportiert und bei Bedarf wieder zur Verfügung gestellt. UNTERSTÜTZENDE ZIELE Ziele Technik: > Zentrale und dezentrale Netze miteinander verbinden > Netzstrukturen konsequent gemäss Wirtschaftlichkeit anpassen > Steuerbarkeit der Netze erhöhen, gleichzeitig Komplexität beherrschbar halten > Wärmenetze technisch optimieren und Vorlauftemperaturen senken > Ausbaupotenzial von Netzen für Fernwärme und -kälte nutzen Ziele Markt und Kunden: > Strategischen Vorteil durch Querverbund ausschöpfen > Tarife schaffen, die auf Belastung der Netze abgestimmt sind > Speicher als Produktchance nutzen Ziele Politik und Governance: > Bewusstsein für volkswirtschaftlichen und energiepolitischen Wert der Gas-, Wärme- und Kältenetze erhöhen > Anreize für Netzinvestitionen durch ausreichende Verzinsung schaffen > Verantwortungs- und Aufgabenbereich der Verteilnetzbetreiber klar definieren


26 Konvergenz der Netze

STANDARDS VORANTREIBEN

MASSNAHMEN VON SWISSPOWER Konvergente Netze lassen sich nicht im Alleingang realisieren. Für eine schweizweit einheitliche Entwicklung sind zahlreiche Normen, Standards und Prozesse nötig. Erst wenn diese Leitplanken bestehen, können die Querverbundunternehmen als Treiber vorangehen. Im Auftrag der Aktionäre setzt sich Swisspower in den nächsten Jahren dafür ein, dass die nötigen Grundlagen geschaffen werden – innerhalb der Energiebranche, in Verbänden und auf politischer Ebene. Massnahmen auf Branchen- und Verbandsebene: > Minimalstandards für Wärmenetze definieren, beispielweise für Druck und Reserven in den Netzen > Richtlinien für den Anschluss dezentraler Netze an Fernwärme-Hauptnetze schaffen > Standards für die Bildung von Energiehubs definieren, bei denen sich verschiedene Energieträger ein- und ausspeisen lassen > Produktionsanlagen normieren, um sie auf Ausspeisung von Wärme zu optimieren > Biogaspotenzial in der Schweiz ermitteln Massnahmen Politik, Verwaltung, Bildung und Information: > Strategien zur Netzkonvergenz aufeinander abstimmen, um politische Chancen zu verbessern > Bei Politik Bewusstsein für Wert der Gas-, Wärme- und Kältenetze schaffen > Bei zuständigen Verwaltungsstellen aufzeigen, dass künftige Vorschriften fürs Unbundling Synergien und Optimierungsmöglichkeiten zwischen den verschiedenen Netzen fördern sollten > Weiterbildungs- und Schulungsangebote lancieren > Informationsoffensive in Sanitär- und Heizungsbranche starten, um Verständnis für Netzkonvergenz zu fördern


Konvergenz der Netze 27

INVESTIEREN MIT WEITSICHT

MASSNAHMEN DER STADTWERKE Die Realisierung von konvergenten Netzen dauert mehrere Jahrzehnte, weil die Netzinfrastruktur auf Abschreibungszyklen von 30 bis 50 Jahre ausgelegt ist. Auf technischer Ebene geht es primär darum, die künftigen Netze richtig zu planen und in Technologien zu investieren, die für die Zukunft einen möglichst grossen Spielraum offenlassen. Gleichzeitig sollten die Stadtwerke ihre Organisation und ihre Dienstleistungen so anpassen, dass die Konvergenz der Netze ein Teil der Unternehmenskultur wird. Massnahmen Technik: > Versorgungsszenarien für Strom, Gas und Wärme modellieren und Auswirkungen auf die Netzbelastung ermitteln > Zielnetze planen und gegenseitige Abhängigkeiten zwischen Sparten berücksichtigen > Pfad zur Zielnetzerreichung festlegen: Investitionsstrategien für das Gesamtnetz (Strom, Gas, Wärme, Wasser) anhand repräsentativer Netzgebiete festlegen und davon abgeleitet Netze dimensionieren > Temperaturen in Wärmenetzen senken > Strahlennetze ohne Redundanzen durch Ringstruktur versorgungssicherer machen Massnahmen Kunden und Mitarbeitende: > Flexible, verbrauchsabhängige Netznutzungstarife einführen > Produkte, Tarife und Vertragsmodelle entwickeln, die Querverbund berücksichtigen > Geschäftsmodell für dezentrale Speicher erarbeiten > Organisationsform wählen, die Mehrspartendenken erleichtert > Mitarbeitende in Richtung Gesamtenergiespezialisten weiterentwickeln


INNOVATIONSFELD 02: KOMMUNIKATIONSINFRASTRUKTUR

>> Hauchd端nne Schwerarbeiter: Glasfasern transportieren Daten mit Lichtgeschwindigkeit.


Kommunikationsinfrastruktur 29

EINLEITUNG

STEUERN STATT AUSBAUEN Die Energiestrategie 2050 des Bundes sieht vor, dass immer mehr Energie in kleinen, dezentralen Anlagen entsteht. Dadurch ändern sich die Energieflüsse: Der Strom wird nicht mehr in jedem Fall von grossen Kraftwerken durch die Übertragungsnetze in die Verteilnetze transportiert – und über diese zu den einzelnen Gebäuden. Je nach Jahres- und Tageszeit fliesst Energie in die umgekehrte Richtung. Prognostizieren lässt sich die dezentrale Einspeisung nur bedingt, da die Stromproduktion von Photovoltaik- und Windkraftanlagen stark von den Wetterbedingungen abhängt. Zum Teil wird der dezentral produzierte Strom direkt für den Eigenbedarf genutzt. Gleichzeitig kommen vermehrt Technologien wie Wärmepumpen und Elektroautos zum Einsatz, welche die Verteilnetze zusätzlich belasten können. Deshalb erlangen Speicher- und Demand-Side-Systeme eine wichtige Bedeutung. Trotz dieser Entwicklung müssen die Netzbetreiber die Versorgungssicherheit auf dem gewohnten Niveau halten. Dazu können sie die Netzinfrastruktur einerseits für höhere Spitzenleistungen auslegen, was einen Ausbau und erhebliche Investitionen bedeutet. Deutlich günstiger ist es andererseits, Produktionsanlagen, Speicher und Elektrogeräte mit grossem Verbrauch stärker als bisher zu steuern. Auch die Kunden können ihren Teil zur Entlastung der Netze beitragen, indem sie ihren Stromkonsum auf das aktuelle Angebot abstimmen. Das erfordert Anreize in Form von neuen Produkten und variablen Preisen, die sich dem Energieangebot permanent anpassen.

Um die Investitionen für den Ausbau der Energienetze zu beschränken, sollten sich Produktionsanlagen, Speicher und Geräte mit grossem Energieverbrauch stärker als bisher steuern lassen.


30 Kommunikationsinfrastruktur

INTERNET DER ENERGIE Beide kosteneffizienten Ansätze – Steuerung und Konsumänderungen – sind nur mit einer leistungsfähigen und einheitlichen Kommunikationsinfrastruktur möglich. Erst wenn alle Anlagen laufend Informationen miteinander austauschen und sich dann gemäss den vorgängig definierten Prozessen verhalten, stellt sich ein optimales Resultat ein. Die Kommunikationsinfrastruktur ist ein Grundstein sowohl für eine höhere Energieeffizienz und eine günstige Sicherstellung der Versorgung als auch für die Integration der erneuerbaren Energien ins Schweizer Energiesystem und für dessen Steuerung. DIE ROLLE DER KOMMUNIKATIONSINFRASTRUKTUR Die Kommunikationsinfrastruktur ermöglicht den permanenten Informationsaustausch zwischen allen Komponenten eines dynamischen Energiesystems und ihre Steuerung: Produktionsanlagen: Zentrale Wasserkraftwerke, Holzkraftwerke und Gas-undDampf-Kombikraftwerke sowie dezentrale Photovoltaikanlagen, Windkraftanlagen und Wärme-Kraft-Kopplungsanlagen Speicher: Stauseen, lokale Batteriespeicher, Batterien von Elektroautos, Powerto-Gas-Anlagen etc. Grosse Verbraucher: Wärmepumpen, Boiler, Geschirrspüler, Waschmaschinen, Gefriertruhen, Kühlschränke, Elektroautos etc. Auf diese Weise unterstützt die Kommunikationsinfrastruktur die Verteilnetzbetreiber dabei, die Netze richtig zu dimensionieren und Speicher nach wirtschaftlichen Kriterien zu realisieren.


Kommunikationsinfrastruktur 31

AKTUELLE ENTWICKLUNG

POTENZIAL LIEGT NOCH BRACH Die Kommunikationsinfrastruktur kann heute aus Stromkabeln (Powerline Communication/PLC), Telekommunikationskabeln (Kupfer, Koax, Glasfaser) und drahtlosen Verbindungen (Funk, Mobilfunk) bestehen. Es gibt somit eine grosse Auswahl, um die Anlagen des Energiesystems zu steuern. Bisher erfolgt die Steuerung – wenn überhaupt – meist durch proprietäre Systeme. Ein weit verbreitetes Beispiel ist die Rundsteuerung, bei der via Stromkabel Signale für Boiler und Wärmepumpen übermittelt werden. Diese Verbraucher schalten sich dann während gewissen Zeiten aus (Wärmepumpen) oder ein (Boiler). Zentrale Produktionsanlagen und Speicher steuern die Betreiber in der Regel vor Ort. Dezentrale Produktionsanlagen und Transformatorenstationen hingegen werden in der Schweiz selten gesteuert. Bei Elektrogeräten mit grossem Stromverbrauch beschränken sich die Eingriffe auf einzelne Abschaltungen zu Spitzenzeiten mittels Rundsteuerung. Die heutigen Kommunikationsprotokolle basieren meist auf Stromleitungen (PLC, Rundsteuerung) sowie vereinzelt auf Kupfer-, Funk- und Mobilfunknetzen. INEFFIZIENTE PARALLELNETZE Heute wählen die Betreiber ihre Kommunikationssysteme oft bezogen auf eine Anwendung. Die Folge ist eine Vielzahl von Parallelnetzen, was zu einem eher tiefen Sicherheitslevel und volkswirtschaftlich zu unnötig hohen Kosten führt. In der Schweiz zeichnet sich für die Kommunikation im künftigen Energiesystem noch kein klarer Weg ab.

BLICK NACH VORNE DIE WICHTIGSTEN TRENDS Künftige Kommunikationslösungen sollten auf einer einzigen Plattform pro Gemeinde basieren, da die Kosten von parallelen und proprietären Plattformen viel zu hoch sind. Pro Gemeinde muss die passende und sichere Infrastruktur gesucht werden. Auf Protokollebene wird sich allenfalls der IP-Standard als beste Kommunikationslösung für den Umbau des Energiesystems durchsetzen. Ein offenes Protokoll erfüllt langfristig alle Anforderungen. Damit können die Netzbetreiber sowohl zentrale Produktionsanlagen, Speicher und Transformatorenstationen als auch dezentrale Produktionsanlagen und grosse Verbraucher über ihr offenes Kommunikationsnetz steuern. Der wichtigste Vorteil dieser Lösung: Alle Elektrogeräte, die den IP-Standard verstehen, lassen sich ohne zusätzlichen Filter steuern. So werden sie – das Einverständnis des Eigentümers vorausgesetzt – zu Teilen des Energiesystems. Entscheidend wird neben der Standardisierung die Sicherheit der Systeme bleiben. Gerade vor dem Hintergrund der dezentralen Produktion und der Integration von Informations- und Kommunikationstechnologie werden sich die Sicherheitsanforderungen noch einmal erhöhen.


32 Kommunikationsinfrastruktur

HANDLUNGSFELDER

BEZUG ZUM SWISSPOWER MASTERPLAN 2050 Die im Swisspower Masterplan 2050 skizzierte künftige Energieversorgung zeichnet sich durch Effizienz, Flexibilität und Dynamik aus. Dabei spielen Informationen und Daten aller Art eine zentrale Rolle. Entsprechend beeinflusst die Kommunikationsinfrastruktur drei der vier Handlungsfelder des Masterplans ganz direkt: Dank der Kommunikationstechnologien erhalten die Kunden Real-time-Informationen über das aktuelle Energieangebot und die Preise. Das eröffnet ihnen neue Möglichkeiten, die Energieeffizienz zu erhöhen und die Kosten zu senken. Die Kommunikationsinfrastruktur bildet zudem die Grundlage dafür, dass sich Kraftwerke viel effizienter betreiben lassen. Dezentrale Anlagen beispielsweise, die erneuerbare Energien nutzen, können dadurch meist mit maximaler Wirtschaftlichkeit laufen. Dennoch braucht es keinen unnötigen Ausbau der Netze, weil Energieüberschüsse durch die Steuerung des Konsums vermieden werden. Der direkte Bezug des Innovationsfeldes zum Handlungsfeld Infrastruktur ist offensichtlich. Die verschiedenen Netze und Speicher lassen sich mit der richtigen Kommunikationsinfrastruktur steuern, verbinden und somit optimal dimensionieren. Markt und Nachfrage

Beschaffung und Produktion

Infrastruktur

Aussenbeziehung EU

ÜBERGEORDNETES ZIEL Mit einer modernen Kommunikationsinfrastruktur verfolgen die Netzbetreiber das Ziel, die einzelnen Komponenten des Energiesystems so zu steuern, dass sich unnötige Investitionen für den Ausbau verhindern lassen. UNTERSTÜTZENDE ZIELE Ziele Technik: > Kommunikationsinfrastruktur zwischen Netzbetreiber und Gebäuden sowie im Haus aufbauen, die künftige Anforderungen erfüllt > Wirtschaftlichkeit der Telekommunikationsinfrastruktur gewährleisten > Lösungen wählen, die keine Probleme mit Systemen für Gebäudeautomation (Smart Home) verursachen Ziele Markt und Kunden: > Sicherheit der übertragenen Daten gewährleisten > Einverständnis der Kunden für Steuerung erreichen > Zugriff der Kunden auf ihre Verbrauchsdaten ermöglichen


Kommunikationsinfrastruktur 33

INFRASTRUKTUR

KLARE ANFORDERUNGEN

Aus heutiger Sicht sollte die Kommunikationsinfrastruktur bis 2035 (Zieljahr Energiesystem der Zukunft) mehrere Anforderungen erfüllen: Sie muss Produktionsanlagen, Speicher und Verbraucher innert weniger als einer Sekunde steuern können, um Netzstabilität sicherzustellen. Pro Wohneinheit gilt es, mehrere grosse Stromverbraucher sowie die Geräte zur Wärmeversorgung zu steuern, das aktuelle Lastprofil von Verbrauchern im Sekundentakt zu messen sowie die Messdaten den Kunden und Produzenten automatisch zuzustellen. Bei allen Datenübertragungen ist die Datensicherheit zu gewährleisten. ERFOLGSFAKTOREN FÜR DIE UMSETZUNG Um diesen Ansprüchen zu genügen, müssen alle Schweizer Energieversorger ihre Kommunikationsinfrastruktur optimieren. Dabei lohnt es sich, mehrere Erfolgsfaktoren zu berücksichtigen. Alle technischen Änderungen der Infrastruktur, die durch neue Anforderungen nötig werden, bedeuten hohe Investitionen. Deshalb sollte ein langfristiger Migrationsplan erstellt werden. Die Kommunikationsinfrastruktur ist so auszugelegen, dass sich die Daten sicher, in der geforderten Zeit (Delay) und in genügendem Umfang (Bandbreite) übertragen lassen. Damit die Daten für Unbefugte weder zugänglich sind noch verändert werden können, empfiehlt es sich, sie selber zu verschlüsseln und zu signieren. Am besten setzen Netzbetreiber auf ein standardisiertes Verfahren, um die Interoperabilität mit Systemen anderer Hersteller zu gewährleisten. Zu klären ist auch, wer wann welche Daten wieder zu löschen hat. RISIKEN ERNST NEHMEN Der elektronische Transport von sensiblen Daten erfordert eine sehr sichere Kommunikationsinfrastruktur und birgt Risiken. Die Öffnung und Vernetzung der Systeme bis hin zum Prosumer/Verbraucher ist mit Gefahren wie zum Beispiel Cyberattacken verbunden. Dass die Betreiber dem mit technischen und organisatorischen Massnahmen entgegenwirken müssen, liegt auf der Hand. Swisspower lokalisiert nebst den offensichtlichen Chancen der Konvergenz von Energie- und ICT-Netzen auch Sicherheitsrisiken, die künftig vermehrt im Fokus der Netzbetreiber stehen werden.


34 Kommunikationsinfrastruktur

GEMEINSAM LÖSUNGEN ERARBEITEN

MASSNAHMEN VON SWISSPOWER Die Anforderungen an die künftige Kommunikationsinfrastruktur und die Erfolgsfaktoren dafür lassen sich schon heute konkret benennen. Für die Umsetzung fehlen primär technische Grundsätze, die branchenweit vereinbart werden sollten. Da die Kommunikationsinfrastruktur vor allem in den Schweizer Städten eine hohe Qualität aufweist und die Modernisierung dort weit fortgeschritten ist, sieht sich Swisspower als Wegbereiter für die weitere Entwicklung. Innerhalb der Energiebranche sowie gemeinsam mit ICT-Unternehmen und Verwaltungsstellen will Swisspower die nötigen Grundlagen schaffen. Massnahmen auf Branchen- und Verbandsebene: > Grundsätze für Kommunikation im Weitverkehrsnetz (WAN) und im Haus vereinbaren > Einheitliche, offene, flexible und von Übertragungsmedien unabhängige Protokolle festlegen > Kostengünstige Standards zur Umsetzung der Kommunikationsinfrastruktur erarbeiten; dabei Inhouse-Lösungen auf existierenden Stromkabeln realisieren > Vorgaben dazu erarbeiten, wie die Informatik von kritischen Infrastrukturen gegen Cyberattacken zu schützen ist > Gemeinsame Services lancieren, um kleinere Netzbetreiber beim Aufbau der Kommunikationsinfrastruktur zu unterstützen Massnahmen Politik, Verwaltung und Öffentlichkeit: > Anrechenbarkeit der Kosten auf die Netznutzungstarife fordern > Gemeinsame Plattformen schaffen, damit Kunden einfach und sicher auf ihre Daten zugreifen können > Kommunikation gegenüber Kunden verstärken, um Akzeptanz für Steuerung zu erhöhen


Kommunikationsinfrastruktur 35

AUF DIE RICHTIGE TECHNIK SETZEN

MASSNAHMEN DER STADTWERKE Ein Internet der Energie legt den Grundstein für ein effizientes Zusammenspiel der vielen Anlagen im Schweizer Energiesystem. Jedes Stadtwerk sollte seine Kommunikationsinfrastruktur darauf vorbereiten. Sie kann auf einem Glasfasernetz oder auf anderen leistungsfähigen Kommunikationsnetzen basieren. Mit mehreren Massnahmen kommen die Stadtwerke dem Ziel eines Internets der Energie näher: Massnahmen Technik: > Kommunikationsinfrastruktur aufbauen, welche die Steuerung von Produktionsanlagen, Speichern und grossen Verbrauchern erlaubt > Im Weitverkehrsnetz auf Medien setzen, die bezüglich Kosten und Sicherheit besonders gut abschneiden (Kupfer, Glasfaser, Mobilfunk) > Offene Protokolle wählen, die auf dem Internetprotokoll basieren Massnahmen Markt und Kunden: > Partnerschaften und Shared Services im Kommunikationsbereich prüfen > Produkte und Tarife entwickeln, die die Akzeptanz der Kunden für die Steuerung von Geräten mit hohem Stromverbrauch steigern


INNOVATIONSFELD 03: SMARTE TECHNOLOGIEN

>> Riesige Datenmengen blitzschnell 端bertragen: Visualisierung von Informationsfl端ssen.


Smarte Technologien 37

EINLEITUNG

INTERNET DER ENERGIE Im Masterplan 2050 definieren die Swisspower Stadtwerke drei Hauptziele: Sie wollen den Anteil der erneuerbaren Energien an der Endenergieproduktion erhöhen, den Treibhausgas-Ausstoss reduzieren und den Primärenergieverbrauch pro Person senken. Die smarten Technologien unterstützen alle drei Ziele. Sie verknüpfen die einzelnen Komponenten des Energiesystems. Durch ein cleveres Zusammenspiel der Netze und Anlagen ermöglichen die smarten Technologien ein flexibles Lastmanagement, sowohl auf Produktions- als auch auf Verbraucherseite. Deshalb erlauben sie, bei gleicher Infrastruktur die Produktionsleistung zu steigern und mittelfristig die Kosten zu senken. Basis dafür ist ein laufender Datenaustausch der einzelnen Komponenten über ihren Zustand – ein Internet der Energie. KUNDEN EINBEZIEHEN Anders als die bisherigen zentralen Möglichkeiten zur Steuerung setzen die smarten Technologien stark auf der Kundenseite an (Smart Home). Einerseits lassen sich durch das aktive Steuern Lasten zeitlich verschieben, um Energienachfrage und -angebot auszugleichen. Andererseits ermöglichen die smarten Technologien, den Konsumenten durch individuelle und dynamische Produkte und Dienstleistungen zusätzliche Anreize für ein effizientes Verhalten zu geben.

Anders als die bisherigen zentralen Möglichkeiten zur Steuerung setzen die smarten Technologien sowohl auf der Versorger- als auch auf der Kundenseite an.


38 Smarte Technologien

AUF EINEN BLICK

ÜBERSICHT ZU DEN SMARTEN TECHNOLOGIEN Ziele Energiestrategie 2050 und Swisspower Masterplan 2050: Erhöhung Energieeffizienz und Anteil der erneuerbaren Energien Senkung des Ausstosses von Klimagasen

Nutzung smarter Technologien für Wohnen, Wirtschaft, Mobilität und Energie: Einsatz von Informations- und Kommunikationstechnologien Intelligente Vernetzung von Anlagen, um Ressourcen (Energie, Wasser, etc.) effizienter zu nutzen Integrierte Energieplanung Förderung von Innovationen und Erprobung von neuen Ideen im Cleantech-Bereich

INFRASTRUKTUR

UMSETZUNG IM ENERGIEBEREICH SMART GRID

SMART HOME

Vernetzung und Steuerung Erzeuger, Verbraucher, Speicher/Batterien und Netzbetriebsmittel

Vernetzte und fernsteuerbare Geräte und Installationen sowie automatisierbare Abläufe

Smart Metering

ENERGIE

«Big Data» (Kunden- und Konsumdaten) SMART MARKET Produkte basierend auf Smart Grid und Smart Home: Abgleich Verbrauch/Produktion Effizienz Verbrauch/Produktion


Smarte Technologien 39

AKTUELLE ENTWICKLUNG

ZÄHLER IM FOKUS Einige Energieversorger in der Schweiz haben damit begonnen, ihre konventionellen Energiezähler durch Smart Meters zu ersetzen. Einige Netzbetreiber haben zuvor erste Erfahrungen mit Pilotprojekten gesammelt und diese in ihre Rollout-Strategie einfliessen lassen. Daneben laufen einzelne Pilotprojekte für weitere smarte Technologien – etwa zum Smart Heating und für grössere Batteriespeicher. Zudem definiert die Energiebranche allmählich auf die neuen Herausforderungen ausgerichtete Datenstandards und Netzanschlussrichtlinien. Als nächsten Schritt nehmen die Netzbetreiber nun die Trafostationen ins Visier. Diese werden mit Glasfasern erschlossen und mit Sensoren versehen, um zusätzliche Steuerungsmöglichkeiten zu bieten. Das erleichtert die Integration von dezentralen Produktionsanlagen und erhöht die Versorgungssicherheit. Einige Energieunternehmen arbeiten bereits daran, die bisherige, auf der Rundsteuerung basierende Laststeuerung durch die Steuerung über Smart Meter abzulösen. Für steuerbare Lasten wollen sie individuelle Stromprodukte entwickeln und einführen.

BLICK NACH VORNE DIE WICHTIGSTEN TRENDS KURZFRISTIGE TRENDS Die «Intelligenz» im Energiesystem wird allmählich auch auf die dezentralen Anlagen erweitert. Durch den immer grösseren Anteil an dezentraler Stromproduktion wenden immer mehr Hauseigentümer die Eigenverbrauchsregelung an. Weil gleichzeitig die Preise von Batteriespeichern sinken, nimmt deren Nutzung zu. Im Bereich Smart Home treten rasch verschiedene Player in den Markt, weil sich die Geschäftsmodelle – etwa für die Gebäudeautomation und andere Optimierungen des Energieverbrauchs – kurzfristig realisieren lassen. MITTELFRISTIGE TRENDS Vernetzung, Steuerung und «Intelligenz» innerhalb des Energiesystems erhöhen die Autarkie. Die Energieversorger erhalten eine Drehscheibenfunktion und vermehrt Koordinations- statt Ausführungsaufgaben. Die smarten Technologien erleichtern den Energieversorgern, Gesamtlösungen anzubieten, die Energie, Telekommunikation, Gebäudetechnik und Facility Management umfassen. Allerdings machen zusätzliche Anbieter im Energieumfeld mit neuen Geschäftsmodellen (Flexibilitätsmarkt, Automatisierung, «Datensammler», Internet der Dinge etc.) den Energieunternehmen Konkurrenz. Branchenfremde Player verlängern ihre Wertschöpfungskette in den Energiemarkt hinein.


40 Smarte Technologien

SMARTE TECHNOLOGIEN

UNTERSTÜTZENDE UND HEMMENDE FAKTOREN

+ _

Weil immer mehr Strom dezentral hergestellt und nach der Eigenverbrauchsregel konsumiert wird, sinken bei den Netzentgelten die Einnahmen. Eine Antwort auf den steigenden Kostendruck sind die smarten Technologien – gerade für die Stadtwerke. Bei vielen von ihnen haben durch den Bau von Glasfasernetzen das Interesse, das Fachwissen und das Verständnis für die Zusammenhänge rund um die Kommunikationsinfrastruktur zugenommen. Ausserdem sind die Glasfasernetze eine wichtige Basis für die smarten Technologien. Stromausfälle haben immer gravierendere Folgen. Smarte Technologien helfen mit, im komplexer werdenden Energiesystem die hohen Anforderungen an die Versorgungssicherheit weiterhin zu gewährleisten. Zudem erleichtern sie eine verstärkte Autarkie. Sowohl bei den Konsumenten als auch bei der Politik steigt der Wunsch nach autarken Lösungen und einer «neuen Regionalität».

Die Dringlichkeit, auf smarte Technologien zu setzen, fehlt noch weitgehend. Gerade bei den städtischen Ringnetzen sind auf längere Sicht keine Engpässe zu erwarten. Zudem gibt es bewährte Alternativen: Durch die Rundsteuerung sowie die Fernsteuerung von Produktions- und Schaltanlagen sind – wenn auch beschränkte – Steuermöglichkeiten schon vorhanden. Die smarten Technologien erfordern hohe Investitionen. Ob sie sich bezahlt machen, lässt sich wegen der hohen Dynamik in der Energiebranche nicht mit Sicherheit sagen. Ausserdem fehlt die Legitimation für solche Investitionen gegenüber Politik und Kunden, da diese Stakeholder den Nutzen und die Notwendigkeit von smarten Technologien nicht erkennen.


Smarte Technologien 41

HANDLUNGSFELDER

BEZUG ZUM SWISSPOWER MASTERPLAN 2050 Die smarten Technologien spielen eine zentrale Rolle für drei Handlungsfelder des Masterplans 2050: Markt und Nachfrage, Beschaffung und Produktion sowie Infrastruktur. Markt und Nachfrage

Beschaffung und Produktion

Infrastruktur

Aussenbeziehung EU

ÜBERGEORDNETES ZIEL Mit den smarten Technologien lassen sich bestehende und neue Produktions- und Netzkapazitäten bei mindestens gleicher Versorgungssicherheit flexibler nutzen und dadurch die Kosten senken. UNTERSTÜTZENDE ZIELE Ziele Technik: > Bei Flexibilitäten wie Speichern, Erzeugern, Wärmepumpen etc. Steuerungsmöglichkeiten schaffen > Finanzierung der smarten Technologien prüfen: klären, welche Investitionen sich an die Netzkosten anrechnen lassen Ziele Markt und Kunden: > Zugriff auf Kunden- und Konsumdaten ermöglichen > Rechtssicherheit bezüglich Datenschutz erlangen > Für Kunden Datentransparenz und Anreize zur Verhaltensänderung schaffen


42 Smarte Technologien

GRUNDSTEIN FÜR NÄCHSTE SCHRITTE LEGEN

MASSNAHMEN VON SWISSPOWER Damit die Netzbetreiber Investitionssicherheit erhalten, sollten die offenen Fragen rund um die smarten Technologien rasch geklärt werden. Swisspower übernimmt diese Aufgabe in Branchenverbänden, Fachkommissionen und gegenüber politischen Akteuren. Mehr als bei den vorherigen zwei Innovationsfeldern besteht bei den smarten Technologien ein grosses Potenzial, innerhalb der Swisspower Gruppe Synergien zu nutzen. Swisspower kann Lösungen und Geschäftsmodelle bezüglich Finanzierung und Kundendaten erarbeiten. Massnahmen Technik und Regulierung: > Gemeinsame Beschaffung von Smart Meters und anderen smarten Geräten > Geräte/Komponenten wählen, die herstellerunabhängigen Datenaustausch ermöglichen > Forderung vertreten, dass auch künftig der Netzbetreiber die Funktion des Messstellenbetreibers ausüben muss > Werkvorschriften im Hinblick auf Flexibilitäten (Batteriespeicher, Wärmepumpen, Erzeuger wie Photovoltaikanlagen etc.) überprüfen und anpassen > Pooling von Regelenergie prüfen Massnahmen Finanzierung: > Anrechenbarkeit der Kosten – insbesondere der Vorinvestitionen – für den hoheitlichen Teil auf die Netznutzungstarife fordern > Ausgestaltung einer allfälligen Anreizregulierung beeinflussen, um weiterhin Investitionen in smarte Technologien zu ermöglichen > Partner für Investitionen beim nicht hoheitlichen Teil suchen Massnahmen Kunden und Kundendaten: > Kommunikation über smarte Technologien und Steuerung verstärken, um Akzeptanz bei Kunden zu erhöhen > Swisspower Charta zum Datenschutz erarbeiten > Zugriff auf Kunden- und Konsumdaten regeln > Gemeinsam einfachen Zugang für Kunden zu ihren Daten entwickeln


Smarte Technologien 43

ANFORDERUNGEN AUSBALANCIEREN

MASSNAHMEN DER STADTWERKE Wie bei der Kommunikationsinfrastruktur ist für die smarten Technologien viel Vorbereitungsarbeit im technischen Bereich nötig. Allerdings muss auch die Kundensicht miteinbezogen werden, besonders bei Datenschutz und Steuerungsmöglichkeiten. Die Akzeptanz der Kunden für das technisch Machbare ist noch zu testen. Daher gilt es bei diesem Innovationsfeld für die Swisspower Stadtwerke, die verschiedenen Anforderungen richtig auszubalancieren. Massnahmen Technik: > Trafostationen mit Glasfasern erschliessen > Netze auf dynamische Lasten vorbereiten und allenfalls verstärken > Intelligentes Messsystem einführen (Smart Meters, Massendatenverarbeitungssystem) > Leitstelle auf künftige Aufgaben wie Lastmanagement und Lastumkehr sowie die viel grössere Menge Informationen vorbereiten > Schutzsysteme im Niederspannungsnetz überprüfen und anpassen – etwa für den Fall von umgekehrten Energieflüssen Massnahmen Datenschutz: > Vor dem Rollout von Smart Meters Regelung mit dem kantonalen Datenschützer suchen > Klare Vorgaben und einheitliche Standards auf Ebene Kanton und Gemeinde fordern > Daten verschlüsseln > Eng mit dem Rechtsdienst zusammenarbeiten und Rechtsmonitoring sicherstellen Massnahmen Markt und Kunden: > Netzanschlussrichtlinien bezüglich Anschluss und Zugriff für Photovoltaikanlagen, Wärmepumpen, Ladestationen, Batteriespeicher etc. erstellen > Mit Eigentümern von Notstromaggregaten über Integration ins Smart Grid verhandeln > Bei Produktionsanlagen Steuerbarkeit erfassen: Eigenschaften wie Trägheit und Reaktionszeiten dokumentieren > Verstärkte Kommunikation, um Akzeptanz bei Endverbrauchern zu erhöhen > Kundendaten visualisieren, um für Kunden Transparenz zu schaffen > Wertschöpfungskette durch «smarte» Produkte und Services erweitern


Damit die hohe Volatilität von Strom aus neuen erneuerbaren Energien optimiert und die Netze entlastet werden können, braucht es eine Verknüpfung der Energienetze – die Netzkonvergenz.

Elektrizität im Gehirn: Nervenzellen leiten Informationen des Nervensystems als elektrische Impulse weiter.


Ausblick 45

DIE NÄCHSTEN SCHRITTE

Die Massnahmenlisten für die drei Innovationsfelder zeigen, dass die Schweizer Energieversorger in den nächsten Jahren noch viele Fragen zu klären und technische Schritte einzuleiten haben. Ein wichtiger Treiber ist dabei vor allem der Anteil der erneuerbaren Energien, die vorwiegend dezentral genutzt werden. Gemäss der Zielkurve im Masterplan 2050 soll dieser Anteil bis 2030 bereits 35% betragen. Damit die hohe Volatilität von Strom aus neuen erneuerbaren Energien optimiert und die Netze entlastet werden können, braucht es eine Verknüpfung der Energienetze – die Netzkonvergenz. Notwendige, aber noch nicht hinreichende Bedingungen für konvergente Netze sind eine leistungsfähige und einheitliche Kommunikationsinfrastruktur sowie der Einsatz von smarten Technologien. Daher macht es Sinn, diese Innovationsfelder vorrangig anzugehen. GEMEINSAME UMSETZUNG Die Liste der übergeordneten Massnahmen stellt einen Auftrag der Aktionäre an Swisspower für die nächsten Jahre dar, den der Verwaltungsrat der Swisspower AG themenspezifisch konkretisiert. Viele der Massnahmen erfordern einen Dialog mit Branchenorganisationen und politischen Entscheidern, der durch Swisspower unterstützt werden kann. SYNERGIEN NUTZEN Bei den individuellen Massnahmen liegt es nahe, dass jedes Swisspower Stadtwerk in eigenem Tempo und gemäss den strategischen Schwerpunkten des Unternehmens vorgeht. Dennoch lohnt es sich auch hier, Kooperationen zu suchen und Synergien zu nutzen.

Die Liste der übergeordneten Massnahmen stellt einen Auftrag der Aktionäre an Swisspower für die nächsten Jahre dar, den der Verwaltungsrat der Swisspower AG themenspezifisch konkretisiert.


46 Glossar

WICHTIGE BEGRIFFE KURZ ERKLÄRT 2000-Watt-Gesellschaft Energiepolitisches Modell, das durch die ETH entwickelt wurde. Gemäss dieser Vision sollte der Energiebedarf jeder Person maximal einer durchschnittlichen Dauerleistung von 2000 Watt entsprechen, also 17'500 kWh pro Jahr. In der Schweiz liegt der Wert heute rund drei Mal so hoch. Dezentrale Produktionsanlagen Kleinere, geografisch verteilte Anlagen, die ihre Energie direkt ins Verteilnetz einspeisen. Dazu gehören beispielsweise Photovoltaikanlagen, Strom erzeugende Heizungen und Biogasanlagen. Die Energie wird meist näher bei den Konsumenten produziert als bei zentralen Anlagen und ist primär für den Bedarf von bestimmten Kunden oder Kundengruppen bestimmt (Eigenbedarf). Aufgrund der kurzen Transportwege sind die Energieverluste für die Übermittlung klein. Energiesystem Gesamtheit aller Netze und Anlagen der Energieversorgung Energiewende Umbau des Energiesystems, um die Energieversorgung nachhaltiger zu gestalten. Die Energiewende umfasst den Ausstieg aus der Kernenergie, der primär durch Energieeffizienz und erneuerbare Energien ermöglicht werden soll. Erneuerbare Energien Nachhaltig zur Verfügung stehende Energieressourcen, die sich entweder kurzfristig von selbst erneuern oder deren Nutzung nicht zur Erschöpfung der Quelle führt. Dazu gehören sowohl die Wasserkraft als auch die sogenannten neuen erneuerbaren Energien wie Windenergie, Sonnenenergie, Geothermie und Biomasse. GWh/Gigawattstunde Mass für Energie, 1 Gigawattstunde entspricht 1 Million Kilowattstunden IP Das Internetprotokoll (IP) stellt die Grundlage des Internets dar. Dank der IPAdresse können Datenpakete vom Sender zum richtigen Empfänger übermittelt werden. Kommunikationsinfrastruktur Die Kommunikationsinfrastruktur dient dazu, Daten zu transportieren. Sie besteht heute aus Stromkabeln (Powerline Communication), Telekommunikationskabeln (Kupfer, Koax, Glasfaser) und drahtlosen Verbindungen (Funk, Mobilfunk). Netzkonvergenz Konvergente Netze werden so miteinander verknüpft, dass sie jederzeit optimal genutzt sind und Schwankungen bei den Energieflüssen ausgleichen können. Dazu lässt sich überschüssige Energie in eine andere Form transformieren, speichern, wenn nötig transportieren und bei Bedarf wieder zur Verfügung stellen.


Glossar 47

Powerline Communication Übertragung von Daten über Stromkabel Rundsteuerung Die Netzbetreiber nutzen die Rundsteuerung, um den höheren Energiebedarf zu gewissen Tageszeiten auszugleichen. Durch Befehle übers Netz können sie grosse Verbraucher zu Spitzenzeiten vorübergehend vom Netz nehmen und später wieder hinzuschalten. Smart Meter Intelligente Zähler ermitteln digital den Energieverbrauch in kleinen Zeiteinheiten und übermitteln ihn über ein Kommunikationsnetz dem Netzbetreiber. Das regelmässige Zählerablesen erübrigt sich damit. Smart Meter werden meist zum Erfassen des Stromverbrauchs verwendet. Sie eignen sich aber genauso zum Messen der Stromproduktion (z. B. Photovoltaikanlagen). Zudem gibt es auch Modelle für Erdgas und Wasser. Transformatorenstation/Trafostation Die Trafostation wandelt elektrische Energie aus dem Mittelspannungsnetz (10 bis 36 kV) in niedrige Spannung (400 oder 230 V) um und speist den Strom in die Ortsnetze ein. Weitverkehrsnetz Dieses Netz ist für die Datenübertragung über weite Strecken konzipiert. Es transportiert Daten besonders schnell und sicher. Zentrale Produktionsanlagen Grosse Kraftwerke, die ihren Strom ins Höchstspannungsnetz einspeisen. Dazu gehören Kernkraft-, Wasserkraft- und thermische Kraftwerke mit hoher Leistung wie etwa Gas- und Dampf-Kombikraftwerke. Durch lange Transportwege zu den Endkunden können erhebliche Energieverluste entstehen.


Auch wenn das wirtschaftliche Umfeld in der Schweiz anspruchsvoll bleibt, h채lt Swisspower an den Zielen des Masterplans 2050 fest und unterst체tzt weiterhin die Energiestrategie 2050 des Bundes.

Erst durch das Zusammenwirken der Einzelteile entsteht das Ganze: Blick ins Weltall.


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IM EINSATZ FÜR DIE ENERGIEWENDE – DIE SWISSPOWER GRUPPE Die Swisspower AG ist das Dach der Swisspower Gruppe. Sie koordiniert und vertritt die Gruppeninteressen in Politik und Öffentlichkeit und repräsentiert ihre Aktionäre in den relevanten Branchenverbänden. Die Swisspower AG ist ein Innovationslabor zur Entwicklung neuer Geschäftsfelder und verbindet neben Strom, Gas und Fernwärme auch Effizienz-, Informations- und Mobilitätslösungen. Nebst der Erschliessung neuer Zusammenarbeitspotenziale unter den Stadtwerken ist die Umsetzung des Swisspower Masterplans 2050 eine der Hauptaufgaben der Swisspower AG. Die 23 Aktionäre der Swisspower AG profitieren vom Erfahrungsaustausch untereinander und können ihr Wissen erweitern – beispielsweise zu neuen Lösungen im Wärmebereich, zu smarten Technologien oder zur umweltschonenden Mobilität. Die Swisspower Energy AG ist schweizweit eines der führenden und unabhängigen Dienstleistungsunternehmen der Energiewirtschaft. Für Energieversorgungsunternehmen ist Swisspower Energy die kompetente Partnerin, welche sie mit zusätzlichem Know-how bei Beschaffung, Vertrieb und in der Energielogistik wirksam und verlässlich im liberalisierten Markt begleitet. Grossunternehmen profitieren von individuellen Energielieferverträgen und marktnahen Dienstleistungen. Die Swisspower Services AG unterstützt ihre Kunden auf dem Weg der Energiewende. Energieversorger, Grosskunden, Städte und Gemeinden profitieren vom Fachwissen rund um Energieeffizienz, Klimaschutz und erneuerbare Energien. Die Beratungsleistungen, Produkte und Weiterbildungsangebote der Swisspower Services AG stärken sie für die Herausforderungen der Energiezukunft und verhelfen ihnen zu einem Vorsprung im Energiemarkt. Die Swisspower Renewables AG investiert in Anlagen, die Strom aus erneuerbaren Energien produzieren. Sie fokussiert sich auf Onshore-Windkraft und auf Wasserkraft in der Schweiz und im europäischen Raum. Bis 2017 will sie ein Produktionsportfolio aufbauen, das jährlich 700 GWh Strom liefert. Damit trägt die Swisspower Renewables AG wesentlich zum Ziel des Masterplans 2050 bei, die Schweiz langfristig mit Strom aus erneuerbaren Energien zu versorgen.


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06.2015 Swisspower druckt klimaneutral

Swisspower AG B채ndliweg 20, Postfach, 8048 Z체rich Telefon +41 44 253 82 11, Fax +41 44 253 82 31 info@swisspower.ch, www.swisspower.ch


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