Zahn Zeitung Schweiz | Ausgabe 2/2016

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Orale Medizin

Zahn Zeitung Schweiz · 4. Jahrgang · Nr. 2/2016 · www.zz-s.ch

„Dauerbrenner“ der oralen Chirurgie Praxisnah präsentierte Tipps und Tricks zu den häufigsten Eingriffen in der zahnärztlichen Chirurgie

Ubi pus, ibi evacua! Mit den verschiedenen Abszessen und deren Behandlungen begann Dr. Dr. Branco Sinikovic, Ernst von Bergmann Klinikum Potsdam. Er stellte zuerst die typischen Lokalisationen und Ausbreitungsmuster von Abszessen vor, was gerade auch eine gute Auffrischung der Anatomie im Mund-, Nasen- und Rachenbereich war. Die wichtigsten Massnahmen bei jedem Abszess seien die Inzision und Drainage. Damit sollte nach spätestens 3 bis 4 Tagen eine deutliche Besserung eintreten. Antibiotikum alleine könne einen Abszess nicht beseitigen, aber verhindere dessen schnelle Ausbreitung. Standardpräparate hierzu seien Amoxicillin oder Clyndamycin, in hoher Dosis 5 bis 7 Tage lang. In der Praxis und ambulant könnten Parodontalabszesse, sub- oder submuköse Abszesse ausgehend von einer apikalen Parodontitis und paramandibuläre Abszesse behandelt werden. Kleine Abszesse im Bereich der Fossa Canina könnten ebenfalls noch gut in der Praxis drainiert werden, hier sollte aber immer ein Antibiotikum mitverschrieben werden.

Verschiedene Abszesse Nur bedingt ambulant therapierbar (wenn noch im Anfangsstadium) seien sublinguale Abszesse (Schnittführung sollte marginal erfolgen, immer mit begleitender Antibiotikumtherapie), Kinn- und Wangenabszesse sowie ausgedehntere paramandibuläre Abszesse mit einer Schwellung über dem Unterkieferrand, welcher immer noch tastbar sein sollte. Perimandibuläre Abszesse mit nichttastbarem Unterkieferrand, sub­ mandibuläre und parapharyngeale Abszesse sowie ausgedehnte

Fossa Canina Abszesse hingegen seien eindeutig stationär zu therapieren, ebenso Fälle mit bereits erfolglos versuchter ambulanter Behandlung oder wenn das Schwellungsmaximum caudal des Mundbodens liege. Häufig sei bei solchen Abszessen dann eine extraorale Inzision erforderlich.

Schleimhautveränderung: Wann überweisen?

Prof. Dr. Michael Bornstein, zmk Bern und Diagnostikzentrum Zürich, präsentierte die verschiedenen Biopsietechniken und zeigte, wann eine Schleimhautveränderung besser an einen Spezialisten überwiesen werden sollte. Grundsätzlich sollten die Mundschleimhäute bei jeder zahnärztlichen Untersuchung systematisch mitbeurteilt werden. Veränderungen sähen klinisch oft sehr ähnlich aus und seien damit schwierig zu diagnostizieren. Anhand einer sorgfältigen Anamnese könne einerseits vieles bereits ausgeschlossen werden, andererseits stelle die Gewebeprobe nach wie vor den Goldstandard zur Diagnosestellung dar. Mit einer Inzisionsbiopsie werde aus dem pathologischen Befund eine Probe entnommen, meist im Randbereich, mit gesunden Gewebeanteilen und genügend pathologischem Gewebe für eine adäquate Beurteilung. Diese Technik sollte bei unklaren Befunden angewandt werden. Bei klaren Befunden, wie zum Beispiel bei einem Fibrom, könne eine Exzisionsbiopsie durchgeführt werden. Dabei werde der pathologische Befund in toto entfernt. Die Diagnosestellung und die Therapie würden damit gleich in einem Schritt erfolgen. Eine Biopsie könne entweder mit einem Skalpell, einer Stanze oder dem CO2-Laser durchgeführt werden. Prof. Bornstein empfahl, alle unklaren oder therapieresistenten Befunde (wenn bereits eine Behandlung ohne Erfolg stattgefunden habe) an einen Spezialisten zu überweisen. Ebenfalls bei Verdacht auf eine systemische Erkrankung.

Extraktionen und operative Zahnentfernungen

Dr. Georg Damerau, ZZM Zürich, hielt seinen Vortrag über alles Wichtige rund ums Zähne ziehen. Zuerst

Prof. Michael Bornstein präsentierte in seinem Vortrag die verschiedenen Indikationen für den CO2-Laser.

stellte er die verschiedenen Spritzensysteme und die richtigen Einstichorte für Terminal- und Leitungsanästhesien vor. Ein Lokalanästhetikum bestehe aus dem eigentlichen Wirkstoff (z. B. Articain) und Adrenalin sowie dessen Stabilisator Natriumdisulfit. Dieser Stabilisator könne selten Asthmaanfälle auslösen, weshalb bei Asthmatikern gegebenenfalls auf adrenalinhaltige Anästhetika verzichtet werden sollte. Gespritzt werde wenn möglich beim liegenden Patienten, welcher nach der Anästhesie nicht unbeaufsichtigt gelassen werden sollte. Vor und während dem Anästhesieren sollte immer aspiriert werden, um intravasale Injektionen zu vermeiden. Eine Zahnextraktion sollte so schonend wie möglich durchgeführt werden, erklärte Dr. Damerau, um die Alveole möglichst unbeschädigt zu erhalten. Der Kiefer und der Alveolarfortsatz würden dabei mit der zweiten Hand stabilisiert. Bei Separationen sollte der Zahn nie komplett mit der Fräse durchtrennt werden, um linguale Verletzungen zu vermeiden. Bei antikoagulierten Patienten sollte vor einer Extraktion immer Rücksprache mit dem behandelnden Arzt genommen werden. Einfache Extraktionen können bei einem INR-Wert von 2 bis 3,5 noch durchgeführt werden, Aufklappungen und Osteotomien sollten aber vermieden werden. Heute werde wenn immer möglich versucht, die Blutverdünnung nicht zu unterbrechen, denn die Wahrscheinlichkeit einer Thrombose sei viel höher als die Gefahr eines ernsthaften Problems bei einer lokalen Blutung. Zur lokalen Blutstillung stünden zudem mit verschiedenen Hämostatika, Elektrokautern, dichtem Wundverschluss oder Tranexamsäure gute Therapiemittel zur Verfügung.

Selber machen oder überweisen?

Kann ich diesen Weisheitszahn selber entfernen? Habe ich das richtige Equipment dazu? Oder soll ich besser überweisen? Diesen Fragen widmete sich PD Dr. Dr. Gerold Eyrich, Privatpraktiker in Lachen. Er legte den Zuhörenden ans Herz, dass die Schwierigkeit des Eingriffes und die eigenen Möglichkeiten im Vorfeld realistisch eingeschätzt werden sollten. Von Heldentaten ohne entsprechendes Instrumentarium sei definitiv abzuraten. Weiter müsse der Patient vor dem Eingriff ausführlich aufgeklärt werden. „Lieber zu viel als zu wenig!“ Er erkläre jedem seiner Patienten die Gründe für die Entfernung, das operative Vorgehen und die möglichen Risiken oder Nebenwirkungen mit einer schriftlichen Aufklärung, die nachvollziehbar sein und unterschrieben werden müsse. Natürlich sollte der Patient nicht eingeschüchtert werden: Standardinformationen/-risiken sollten immer fallspezifisch relativiert werden. Gerold Eyrich gab für die Entfernung von retinierten Zähnen folgende Tipps: Atraumatische Aufklappung, das Periost möglichst nicht vom Knochen lösen (weniger Schwellung), nervnah mit einem Diamant anstatt mit einer Fräse schleifen, halboffener Wundverschluss im Unterkiefer mit einem Drain, nach 3 bis 4 Tagen den Drain bereits wieder entfernen, die Naht nach 7 Tagen. Gekühlt werden sollte während den ersten beiden Tagen, als Schmerzmittel eigne sich Mefenaminsäure gut. Antibiotikum müsse nur bei primärem Wundverschluss im Unterkiefer verschrieben werden.

rich, stellte zuerst übersichtlich die verschiedenen Erfolgsraten endodontischer und apikal-chirurgischer Eingriffe vor, damit die Indikation für den jeweiligen Eingriff richtig gestellt werden kann. Heutzutage hätten primäre Wurzelkanalbehandlungen (WB) rund 90 % Erfolg. Käme es hierbei zu einem Misserfolg, könne entweder beobachtet, revidiert, wurzelspitzenreseziert oder extrahiert werden. WB-Revisionen würden eine 75 bis 85 % Erfolgschance aufweisen, Wurzelspitzenresektionen (WSR) 80 bis 95 % (im Vergleich: Implantate 80 bis 95 %). Zuerst sollte bei einem Reinfekt nach einer WB – wenn immer möglich – versucht werden, den Zahn mittels WB-Revision zu erhalten. Eine WSR sei hingegen indiziert, wenn der Kanal nicht mehr orthograd behandelbar sei, z. B. bei einem grossen Stift. Die Inzision für eine WSR erfolge entweder marginal, paramarginal oder an der Papillenbasis, die Entlastungen jeweils distal der Nachbarzähne. Die Wurzelspitze sollte 3 mm reseziert werden, die retrograde Präparation mit Ultraschallspitzen erfolge ebenfalls 3 mm tief. Vor der Füllung empfehle sich dann die Anfärbung der Resektionsfläche, um allfällige Risse oder Cracks zu erkennen. Bei Cracks oder Längsfrakturen könne der Zahn nicht Bilder: © Dr. Dan Rechenberg

PD Dr. Dr. Heinz-Theo Lübbers, Universität Zürich und Privatpraktiker in Winterthur, begrüsste die über 300 Teilnehmer im bis auf den letzten Platz besetzten Konferenzsaal des Hotels Marriott in Zürich. Er führte durch das abwechslungsreiche Programm und stellte die acht Experten aus dem In- und Ausland vor, die mit ihren Referaten ein umfassendes Update zur Oralchirurgie zusammengestellt haben – für Anfänger wie auch für Fortgeschrittene.

Bilder: © Prof. M. Bornstein

Die Fortbildung Rosenberg organisierte am 30. Januar 2016 in Zürich ein sehr lehrreiches Symposium mit den wichtigsten Punkten für den Erfolg in der zahnärztlichen Chirurgie. Alles rund um die richtige Indikationsstellung, die exakte OP-Planung, die chirurgische Durchführung bis hin zur Nachbehandlung wurde eingehend besprochen und strukturiert präsentiert.

Wann ist eine Wurzelspitzenresektion sinnvoll? Nach der Mittagspause standen die Wurzelspitzenresektionen im Zentrum. Dr. Dan Rechenberg, ZZM Zü-

Grundlage zur Entscheidungsfindung für eine Wurzelspitzenresektion: Liegt das Problem extra- oder intraradikulär?

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