Ort der Begegnung

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VINSCHGER GESELLSCHAFT

„Es soll wieder ein Ort der Begegnung für alle werden“ Einzigartiges Fachwerkhaus in Stilfs wird saniert. Hinweise und Informationen sind willkommen.

Dieses Giebelbild von Giuseppe Gutgsell zeigt die Örtlichkeit Heilige Drei Brunnen. STILFS - Im Dorfkern in Stilfs, genauer gesagt im Außerwinkel, steht ein ganz besonderes Gebäude. Es handelt sich um ein Fachwerkaus, das 1895 errichtet wurde und als sogenannte Veranda zu einem angrenzenden Gasthaus gehörte, in dem auch ein Krämerladen untergebracht war. 1912 stellte das Gasthaus den Betrieb ein und seither gehört auch die Veranda zu den ungenützten Gebäuden im Dorf. „Es ist fast schon ein Wunder, dass die Veranda überhaupt noch steht und nicht von allein eingestürzt ist,“ erzählt Roland Angerer, Ortsbeauftragter des Heimatpflegeverbandes und Gemeinderatsmitglied, während er für den der Vinschger die Tür zum Fachwerkhaus öffnet. Er sammelt schon seit Jahren Informationen zur Geschichte des Gebäudes und der früheren Besitzer. Vieles konnte er bereits in

Erfahrung bringen, „doch es gibt noch Lücken und ich wäre froh, wenn ich diese schließen könnte. Alle, die mir in diesem Sinn weiterhelfen können, sind gebeten, sich bei mir zu melden. Meine Telefonnummer lautet: 349 838 9770.“ Kleinod der besonderen Art Fachwerkhäuser gab es in Stilfs einst noch andere. Die Veranda ist das einzige, das noch verblieben ist. Wie Roland Angerer herausgefunden hat, war es der handwerklich versierte Ludwig Angerer aus Stilfs, der das Gasthaus und die Veranda 1895 erbaut hat. Er war damals erst 27 Jahre alt. Nach dem verheerenden Dorfbrand, der 1862 in Stilfs gewütet hat (75 Gebäude brannten ab, 120 Familien bzw. 600 Dorfbewohner verloren ihr Hab und Gut), entstanden viele

Roland Angerer zeigt auf einen der 11 Trinksprüche.

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DER VINSCHGER 02/22

Die Veranda ist das einzige noch verbliebene Fachwerkhaus in Stilfs.

Hochwertige Materialien brauchte es beim Bau von Fachwerkhäusern nicht.

neue Gebäude. Dass auch Fachwerkhäuser dazugehörten, könnte darauf zurückzuführen sein, dass Stilfser, die auf der Suche nach Arbeit ausgewandert waren, diese Art des Hausbaus im süddeutschen Raum kennengelernt und nach der Rückkehr selbst umgesetzt haben. Es könnte sich zum Teil sogar um ehemalige Schwabenkinder gehandelt haben. Eine wichtige Rolle spielte laut Roland Angerer sicher der Umstand, dass es für den Bau von Fachwerkhäusern nicht hochwertige Materialien brauchte und die Häuser mehr oder weniger in Eigenregie errichtet werden konnten. Ludwig Angerer, der Erbauer des Gasthauses, ist 1912 im Alter von nur 44 Jahren gestorben. Seine Frau Ursula zog nach Reschen. Das Paar war kinderlos geblieben. 1912 war auch das Jahr, in dem der Gasthausbetrieb für immer eingestellt

wurde. Roland Angerer hatte sich zwar bei einem mittlerweile verstorbenen Stilfser, Jahrgang 1921, erkundigt, doch dieser konnte sich nicht daran erinnern, dass das Gasthaus geöffnet gewesen wäre.

Der kürzeste der Trinksprüche.

„Den Esslöffel immer in der Hemdtasche“ Kein großer Altersunterschied bestand zwischen Ludwig Angerer und dem „Volksmaler“ Giuseppe Gutgsell, den man „Moler Sepp“ nannte und der als armer Künstler regelmäßig bei Familien, die er kannte, einkehrte, wobei er immer seinen Esslöffel in der Hemdtasche stecken hatte. Giuseppe Gutgsell, geboren 1877 in Prad und gestorben am 4. Februar 1956 in Schlanders, war mit Ludwig Angerer, geboren 1968, gut bekannt und befreundet. Der „Moler Sepp“ war ledig und in Stilfs ansässig. Auch seine Mutter lebte im Dorf. Die Veranda hat Gutgsell mit zwei großen Giebelbildern ausgestattet. Eines davon zeigt die Örtlichkeit Heilige Drei Brunnen, das andere eine Almlandschaft am Fuße des Ortlers. Außerdem dürfte Gutgsell auch die Malerarbeiten geschaffen, von denen 11 originale Trinksprüche an den Innenwänden umrahmt sind. Einer dieser Sprüche lautet: „Mir sein beieinander g’hockt.


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