Perspektiven der Zuversicht

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VINSCHGER THEMA

Abt Markus Spanier hieß die Teilnehmer willkommen.

die Zukunft gemeinsam gestalten können, gelehrten Abschweifen über den „Sinn der vor allem im kleinen Bereich: in unserem Würze in der Philosophie“, und zwar als Dorf, in unserer Stadt, in der Familie, mit Wirklichkeit und als Metapher, hat Rigotti durch Beispiele und Analogien ihre Vision den Freunden.“ einer „wohlschmeckenden dennoch nicht salzigen Zukunft“ dargestellt. Sie sprach Neue Trends und Innovationen von einer Vision, „in der dem Alten und dem Die Politologin Anja Kirig ist als Trend- Neuen Raum gegeben wird, der Schnelligund Zukunftsforscherin tätig. Im Kloster keit und der Langsamkeit, der schnellen Marienberg setzte sie sich mit dem Thema Intuition und der besonnenen Reflexion.“ „Wie Megatrends neue Unternehmenskultu- Rigotti schwebt eine Zukunft vor, in der ren fördern“ auseinander. Neue Strukturen die Einführung des Neuen nicht zu einer und Voraussetzungen verändern merk- verwerflichen Beseitigung des Alten führt, bar das Wirtschaften und Handeln sowie weil es eben alt ist. das Miteinander und die Kommunikation. Technologische Innovationen haben neben „Ohne Utopie keine Zukunft“ den Megatrends einen zusätzlichen enormen Einfluss auf jene Entwicklungen – sie „Ohne Utopie keine Zukunft“: So lautete beschleunigen den Wandel. Die Digitalisie- der Titel des Vortrages von Ilija Trojanow. rung verändert das Wirtschaftssystem und Trojanow, Schriftsteller, Übersetzer und Hierarchiestrukturen. Mit kleinen, neuen Verleger, wurde in Bulgarien geboren, ist in Unternehmenskulturen aus beispielsweise Deutschland und Kenia aufgewachsen und der Start-Up-Szene kommen auch neue lebt heute in Wien. Trojanow ist der Ansicht, Ideen von Führung in die Wirtschafts- dass uns die Zukunft abhanden gekommen zentralen. Ein Führungsstil aus flachen ist. „Das Dogma der Alternativlosigkeit Hierarchien, Achtsamkeit und Resonanz des herrschenden Systems hat zu einer wird künftig mehr denn je notwendig. Lähmung der progressiven, innovativen, kreativen Energien geführt. Wir sind erstarrt irgendwo zwischen ,Weiter so‘ und Raum für Altes und Neues ,Fahren auf Sicht‘, obwohl wir wissen, oder Francesca Rigotti, Philosophin und Pro- zumindest ahnen, dass wir entschiedene fessorin an der Universität von Lugano, Visionen benötigen, wollen wir die zunehsprach bei den Klausurgesprächen zum menden ökologischen und sozialen Krisen Thema „Die Zukunft mit dem Salz der überwinden.“ Der Referent betonte, dass kulturellen und technologischen Zweispra- uns das utopische Denken helfen müsse, die chigkeit würzen“. Ausgehend von einem entscheidenden Fragen zu stellen. Er zitierte

Carl Zuckmayer, der sagte: „Die Welt wird nie gut, aber sie könnte besser werden.“ Für Trojanow ist die Utopie ein „Rezept der radikalen Andersartigkeit – ohne Utopie droht Hoffnungslosigkeit“. „Pflicht zur Zuversicht“ Zukunft, Hoffnung, Utopie – Begriffe, die in einer Welt des populistischen Pessimismus fehl am Platz scheinen. Günther Andergassen zitierte in diesem Zusammenhang den Zukunftsforscher Matthias Horx, der in seinem Plädoyer für eine rebellische Gelassenheit angesichts einer Epidemie der Angst sogar „die Pflicht zur Zuversicht“ anmahnte. Andergassen: „Ja, wir brauchen Mut und Vertrauen in das Handlungsvermögen einer Gesellschaft – aber auch in unser eigenes. Mut, uns mehr der Wachsamkeit und Achtsamkeit uns selbst und unseren Mitmenschen gegenüber zu öffnen und uns weniger der Angst hinzugeben.“ So gesehen haben die 24. Marienberger Klausurgespräche, die vom Journalisten Otwin Nothdurfter moderiert wurden, durchaus „Perspektiven der Zuversicht“ aufgezeigt: für etwas zu stehen, für ein gutes Leben für alle – als konkrete Utopie einer Zivilisation. WALTHER WERTH

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