WALTER KRATNER_WERKBUCH

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walter kratner

installation fotografie zeichnung

werkbuch 1


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installation zeichnung fotografie

WALTER  KRATNER



INHALT

VORWORT

05

CELAN

08

UNRUHE

18

SPERRZONE

22

PFFFFF

30

NATURA MORTA / ZEITMESSER Ein Löschblatt für das Vergehen von Zeit | 1998 / 2001

32

DIE UNVORHERSEHBARKEIT DER KATASTROPHE

34

5 DAYS

40

LANDSCHAFT

42

AUSTRIAN LANDSCAPE 2

48

DEAR AUSTRIA 2

50

NON MI RICORDO

52

HANDICAP

56

FLOATING TOYS

58

HART ISLAND

60

THREE CHAIRS

68

WALLSTREET

72

BALANCE / HOMELESS Maßnahmenkatalog gegen Obdachlose | 2002

82

HUNGER IS THE BEST SOURCE / DER LANGE HUNGER Die Tragödie der Ungleichheit | Gregory Edwards | Fery Berger | Shmulik Krampf | 2013

90

LAMPEDUSA

96

ANHANG

102

Erwin Fiala | 2016

Vor den Bildern sterben die Wörter | Erwin Fiala | Reingard Schwarz | 2012 Katastrophenanfälligkeit der Welt | 2013 Archiv der Anonymität | Gerlinde Brandenburger | 2006 Nur Dampfplauderei | Johannes Rauchenberger | Phillipp Harnoncourt | 2008 / 2011

Nur tote Objekte überleben den Tod | 2014

Kunstrasen und Vergänglichkeit | Jutta Hagedorn | 2013 Die Welt ist ein kranker Ort | 2013

Landschaftsidylle mit Krawatte | 2013 Response to the delicate situation in Austria | Shmulik Krampf | 2000 Gesellschaftliche und persönliche Amnesie | Jutta Hagedorn | 2005 A host of current social and political topics | Mirjana Peitler Selakov | 2009 Luftmatratze und Weinglas | 2004 Gegen die Zeit, die alles auslöscht | Stefania Severi | 2011 Persönliche Empfindlichkeit und politische Geschehnisse | Janet Neiser | Karen Hildebrand | 2000 Slapstick des Scheiterns | Erwin Fiala | 2007

Über die Flucht der Rechtlosen | Susanne Ramm Weber | Masoud Razavy Pour | Javid Ramezani | Stefania Severi | 2015

Literatur | Mahnmal “Porajmos” | Chronologie 3


227.OHNE TITEL.96, 2010 (fĂźr: Kulturzentrum bei den Minoriten, Graz, 1996) Graphit, Pastell und Kohle auf Fotografie auf Papier 35 x 35 cm

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Erwin Fiala MAG. DR. PHIL. / MEDIENWISSENSCHAFTLER

DIE SYMBOLISCHE PRÄGNANZ DER ALLTAGS-OBJEKTE

Die künstlerische Sprache Walter Kratners zitiert zumeist sog. „banale“ Alltagsobjekte, die er als Grundvokabular in unterschiedlichste Installationen integriert bzw. in „hybriden“ malerisch-graphischen Überarbeitungen fotografischer Vorlagen „bearbeitet“. Auf den ersten Blick könnte man vermuten, dass sich hier ein Künstler gleichsam in „mimetischen Anmutungen“ an den gegenständlichen Vorlagen „orientiert“, um differente Ausdrucksvaleurs zu erproben, aber die methodische Stringenz lässt schnell erkennen, dass es hierbei um mehr als „nur“ stilistische Formalia geht – der künstlerische Prozess entwickelt die „symbolische Valenz“ der Alltags-Objekte. Ausgehend von Impulsen der arte povera und des Designs ist er am „Form-Vokabular des Alltäglichen“ (so W. Kratner selbst) auch in seinen installativen „Mobiliar-Konstruktionen“ orientiert, so dass sich dieses „Mobiliar“ auch als künstlerische Reflexion der Design-Ästhetik lesen lässt. Dies zeigt sich primär in jenen Installationsarrangements, die ihre ursprünglichen Formen in alltäglichen Stühlen, Tischen oder Kleiderkästen haben und in skelettartige Konstruktionen transformiert werden, so dass sie ihre genuine Funktionalität nur mehr rudimentär andeuten und so ihren „Gebrauchswert“ verlieren. Seltsame „Reste“ vermeintlicher Funktionalität wie Griff-Beschläge oder Drehräder verbleiben als Indizien ehemaliger Gebrauchs-Funktionen (vgl. die Installation „Unruhe“, 2013 / Seite 18). Diese praktische Defunktionalisierung (Dekonstruktion und Dekontextualisierung) erlaubt im Gegenzug allerdings auch ihre Funktionalisierung im künstlerischen Kontext und die Möglichkeit, den formalen Ansatz gleichsam zu „transzendieren“ und so vor allem die Einzelobjekte mit einem semantisch-symbolischen „Mehrwert“ aufzufüllen, d. h. mit neuen „Sinngebungen“ zu arbeiten. Bezeichnenderweise ergibt sich die semantische Prägnanz meist durch den Eindruck einer Art hermetischer Isoliertheit und „Vereinzelung“ der verwendeten Objekte – eine Singularität, die selbst da spürbar bleibt, wo diese Objekte durch Prozessabläufe gleichsam „interaktiv“ miteinander verbunden sind – etwa wenn die Luftströme eines Ventilators den in einiger Entfernung hängenden Trenchcoat in „Unruhe“ versetzen. Während sich die „Logik“ des Ventilators noch aus seiner Funktionalität innerhalb der Installation ergibt, wird der alte und zerschlissene Mantel zum sinnträchtigen Symbol – zum „zeitlosen“ Symbol einer offensichtlich „stürmischen“ vergangenen „Lebenszeit“. ZEITSPUREN UND SPURENSICHERUNG

Nicht nur in dieser Installation werden die verwendeten „Alltagsfragmente“ (W. K.) zum Menetekel der „Katastrophenanfälligkeit 5


der Gegenwart“ (W. K.) Der Aspekt dieser konzentrierten symbolischen „Aufladung“ kommt insbesondere auch in seinen grafischen Arbeiten zum Ausdruck. Die singuläre Präsentation der Objekte in Form malerisch-grafisch überarbeiteter Fotografien „befreit“ diese zumeist „abgearbeiteten“ Gegenstände (z. B. alte Schaufeln, Stühle, Stofffragmente, Sägen, Sicheln etc.) aus ihrer Banalität und lässt sie zu „Zeugen“ der in ihnen materiell „eingeschriebenen“ und damit archivierten „Zeitspuren“ werden, so dass sich in ihnen vor allem Aspekte der Geschichtlichkeit bzw. des sog. „historischen Bewusstseins“ manifestieren.

Insel „Hart“ zeichnet sich bereits der völlig „fiktive“ Charakter, den das historische Gedächtnis annehmen kann, ab. Diesem Ort, der in Wahrheit ja auch die paradoxe Funktion hat, jedes historische Erinnern zu unterbinden, und der ein Ort völliger Anonymität der Personen wie allen Geschehens sein soll, stellt er artifizielle, aber authentisch wirkende historische „Indizien“ gegenüber – von scheinbar echten materiellen Fragmenten angefangen bis hin zu Inventarzetteln mit scheinbar ebenso authentischen Einträgen. Der intendierten historischen Anonymität dieser Insel gibt er durch die Inszenierung historischer Zeugenschaft ein völlig fiktives kollektives Gedächtnis – derart findet sich die Idee von „Geschichte“ (und deren kollektives Erinnern) sowie der sie „beweisenden“ Indizien in Form einer suggestiven Fiktionalität dieser Geschichte radikal ad absurdum geführt.

In diesem Sinne thematisiert W. Kratner in vielen seiner künstlerischen Arbeiten auch Fragen des historischen Gedächtnisses, des Erinnerns und Vergessens. So reflektiert er z. B. in der Installation „Celan“ (Seite 8) ein seltsames Paradox des „Historismus“, d. h. einer allzu „manischen“ historischen „Aufarbeitung“, die nicht selten in eine Art geschichtliches „Informationsrauschen“ zu führen scheint, so dass die eigentliche historische „Wahrheit“ verloren zu gehen droht. Metaphorisch könnte man sagen, dass die „Authentizität“ der historischen Ereignisse in den „Archiven“ der individuellen wie vor allem kollektiven Gedächtnisse der Gefahr unterliegt, immer wieder „überschrieben“ zu werden. Das sog. „kollektive Gedächtnis“ unterliegt in diesem Sinne nicht nur der Tendenz des Vergessens und Löschens, sondern auch jener einer „unendlichen“ historiographischen Um- und Neuinterpretation – bis die „Inhalte“ dieses Gedächtnisses in einer Art Entropie endgültig diffundieren, so dass sich noch die letzten „Spuren“ historischer Wahrheit in völlig willkürlichen und abstrusesten „Interpretationen“ verlieren.

DAS GEDÄCHTNIS ALS KONSTRUKTION

Walter Kratners künstlerische „Interventionen“ im Bereich des historischen Bewusstseins sind keinem „naiven“ Historismus verhaftet, sondern thematisieren parallel zum konkreten geschichtlichen „Anlass“ immer auch die Problematik des „Erinnerns“ selbst – gleichsam als philosophisch-reflexive Ebene des mnemotechnischen Prozesses. Die erwähnten Aspekte des historischen Bewusstseins, sich zwischen „Rauschen“ (Entropie, Vergessen), „unendlicher“ Interpretation (bzw. Verlust authentischer Zeugenschaft) sowie fiktionaler (Re-)Konstruktion im Grunde „aufzulösen“, könnte man kulturtheoretisch u. U. mit Merkmalen in Verbindung bringen, die der sog. „Postmoderne“ insgesamt zugeschrieben werden: willkürliche historische Eklektizismen, das „freie“ Flottieren der (historischen) Zeichen im Sinne Jean Baudrillards bis hin zur Diagnose des „Endes der Geschichte“, die sich im Begriff des „Posthistoire“ ausdrückt. Eine kunsttheoretische Parallele könnte man im Begriff des „offenen Kunstwerks“ (Umberto Eco) aufgrund inhärenter Polysemien der Kunst sehen: Auch das „historische Gedächtnis“ unterliegt in diesem Sinne dem Merkmal postmoderner Kunst – also einer immanenten Mehrdeutigkeit, die auch durch die „Faktizität“ der Spuren und Zeugnisse nicht zu vermeiden ist.

Diesen „Effekt“ einer historiographisch-hermeneutischen Interpretationsmanie veranschaulicht Walter Kratner im Rahmen einer künstlerischen Auseinandersetzung mit der „Todesfuge“ Paul Celans, indem er mit einer alten Schreibmaschine ein (unendliches) Papierband immer wieder mit den Zeilen der Todesfuge be- und überschrieb, bis so manche Buchstaben und Worte zunehmend unlesbar wurden – als Sinnbild des drohenden „Rauschens“ des kollektiven Gedächtnisses hinter allem sog. „Geschichtsbewusstsein“. Dass die künstlerischen Reflexionen W. Kratners immer wieder an Themen des historischen Bewusstseins orientiert sind, zeigen auch die Arbeiten mit Luftaufnahmen des Konzentrationslagers Auschwitz („Non mi ricordo“, 2005 / Seite 52) und jene zu Hart Island („Hart Island“, 2011 / Seite 60). Mit dem Bilderzyklus malerisch-graphisch behandelter Aufnahmen der Anlagen von Auschwitz verstärkt und beschleunigt der Künstler gleichsam das allmähliche Verschwinden „authentischer“ Spuren, um auf den unaufhaltsamen Verlust materieller „Zeugenschaft“ im Prozess historiographischer „Spurensicherung“ zu verweisen. Im Falle der Arbeiten zur

INSTABILE SYSTEME ODER: DIE UNVORHERSEHBARKEIT DER KATASTROPHE

Dem entsprechend erhalten auch die alltäglichen Gegenstände, die W. Kratner immer wieder verwendet und symbolisch auflädt, eine polysemische „Spannung“ – ihre Symbolik ist nicht „stillgestellt“ sondern initiiert erst die geschichtlichen, aber auch gegenwartsbezogenen gesellschaftlichen, ökonomischen und politischen Deutungs­ aspekte. Eine grundsätzliche Bedeutungsebene zeigt sich bezeich6


im Rahmen eines Gesamtenvironments im Kunsthaus Weiz unter dem Titel „Sperrzone“, 2006 / Seite 22 ).

nenderweise als Strukturmerkmal der Installationen selbst – diese installativen Konstruktionen bilden ja zumeist äußerst labile „Ungleichgewichtssysteme“, die jederzeit von ihrem „Systemkollaps“ bedroht erscheinen (vgl. etwa „Unruhe“ / Seite 18; oder auch „Floating Toys“, 2004 / Seite 58). Nicht allein die Defunktionalisierung der verwendeten Objekte und deren Re-Funktionalisierung (bzw. „Neukonstruktion“ ) im Rahmen installativer Architekturen bzw. „architektonischer Module“ (wie es W. Kratner nennt) findet sich in diesen Arrangements angedeutet sondern vor allem deren äquilibristische Strukturierung als „Sinnbild“ der labilen Konstruktivität aller Bedeutungsgebung (z. B. des historischen Bewusstseins, also der „Geschichte“ bis hin zu unserem Verständnis der „Gegenwart“ ). So wird die labile Struktur der Installationen zum Verweis auf die Labilität (Unsicherheit, Mehrdeutigkeit) sozialer, ökonomischer und politischer Systeme, aber auch allgemein der Interpretationen und des Verstehens dieser Bereiche. Ein Faktor, der die „Bedrohung“ systemischer Gleichgewichtszustände besonders deutlich zum Ausdruck bringt, ist wohl jener der Zeit, d. h. der Prozessualität. „Zeit“ ist für alle Systeme gleichsam der „Quell aller Veränderung“, der Unruhe, der Bewegung, der „Relativität“ im wortwörtlichen Sinne. „Zeit“ ist ein Faktor der Konstruktion von Systemen und dem entspricht, dass W. Kratners „Installationssysteme“ immer wieder „Indizes“ der Zeit aufweisen – entweder als schlichte Datumsangaben von Zeitungsartikeln oder Börsenberichten (vgl. „5 Days“, 2013 / Seite 40) oder auch als konstitutiver Teil der Installation selbst – etwa in Form verfaulender, sich zersetzender Salatköpfe, deren organische Spuren sich in Zeitungsblätter unterschiedlicher Provenienz und mit verschiedenem Datum, aber inhaltlich auf dasselbe Kriegsgeschehen (Afghanistan) bezogen, „einfressen“ und materialisieren (vgl. „Natura morta / Zeitmesser“, 1998/2001 / Seite 32). In beiden Arbeiten werden jeweils unterschiedliche „Zeitdimensionen“ miteinander opponiert: So werden bei den „5 Days“ Börsenberichte in der Abfolge von 5 Tagen mit dem Verfallsprozess von Efeu „verglichen“ und die „Bedeutung“ tagesaktueller Börsenkurse angesichts der „Unerbittlichkeit“ des Vergehens gleichsam ad absurdum geführt.

Beinahe alle Installationsprojekte zitieren die Gefahr des „Kippens“ der aufgebauten Systemkonstruktionen und machen so auf den „prekären“ Charakter unserer Welt- und Sinnkonstruktionen aufmerksam und auch darauf, dass Katastrophen weitgehend nicht vorhersehbar sind, wie er es explizit mit einer Serie von Bildarbeiten in Form „hybrider Fotoüberarbeitungen“ mit dem bezeichnenden Titel „Die Unvorhersehbarkeit der Katastrophe“ (2014 / Seite 34 ) zum Ausdruck bringt. Walter Kratners künstlerische Reflexionen sind feinfühlige „seismographische“ Wahrnehmungen entlang der „Zeitlineatur“ zwischen Vergangenheit (Erinnerung, Gedächtnis) und aktuellen Gegenwartsbezügen (etwa in der Arbeit „Lampedusa“, 2015 / Seite 96). Seine Arbeiten machen vor allem darauf aufmerksam, wie sehr die „Symbolik“ der Dinge, wie sehr das individuelle und kollektive Gedächtnis ebenso wie alle politischen, gesellschaftlichen und ökonomischen „Systemprozesse“ in der Verantwortung von uns als Menschen liegen. Er fordert uns auf, dafür auch „Verantwortlichkeit“ zu zeigen – bevor diese ominösen „Systeme“ eines nach dem anderen in die Katastrophe führen. Wir konstruieren nicht nur unser „Geschichtsbild“, d. h. unser kollektives Gedächtnis, wir „machen“ und konstruieren auch die aktuellen Ereignisse wie jene der derzeit täglichen Flüchtlingsdramen – „Lampedusa“ steht dafür symbolisch ein! Mit der durch die arte povera inspirierten und oft „sperrig“ anmutenden Ästhetik des Künstlers ist eine zutiefst kritische, aber auch zutiefst „humane“ Orientierung verbunden – Kunst „versandet“ weder in einer platten und banalen Attitüde des „kritischen Bewusstseins“ noch in einem ästhetizistischen „Manierismus“ ohne Humanität sondern erweist sich bei Walter Kratner als legitimes Instrumentarium des sozialen und politischen Engagements.

Entsprechend erweist sich die Defunktionalisierung von Stühlen nicht nur als Verfremdungseffekt sondern als Konstruktion prekärer Labilität – sowohl als symbolischer „Kommentar“ zur politischen Situation (z. B. im Projekt „Three Chairs“ aus dem Jahre 2000 zur politischen Situation in Österreich / Seite 68 ) wie auch als konstruktives Prinzip. Die etwa an Sicheln und Seilen an der Wand „abgehängten“ Stühle drohen letztlich – quasi „im Laufe der Zeit“ – ohnehin abzustürzen oder sie krachen tatsächlich in eine Verglasung (vgl. eine Stuhlinstallation

ERWIN FIALA Studium der Philosophie, Kunstgeschichte und Germanistik; Promotion 1999; seit 1996 Lehrbeauftragter für Kultur- und Medienphilosophie an der Universität Graz; mehrere Forschungsprojekte im Bereich Informationstechnologien und Kulturwissenschaft; Beauftragter für Kulturwissenschaften an der Universität Graz; veröffentlichte unter anderem: „Die Grundlagen der Kulturwissenschaften – interdisziplinäre Kulturstudien”, Tübingen, Basel, 2004. 7


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„CELAN” RAUMINSTALLATION, 2012 Stift Rein, ORF-Zentrum Graz für: „8. Steirische KünstlerInnenklausur“, 2012 Galerie „reflektor“, Wien Schreibmaschine, Schriftrolle, Alu-Leiter, 3 Bajonette ca. 250 x 130 x 100 cm

„… wir schaufeln ein Grab in den Lüften da liegt man nicht eng (…) lässt schaufeln ein Grab in der Erde (…) wir schaufeln ein Grab in den Lüften da liegt man nicht eng …“ [1]

der Geschichte eine Frage ihrer Tradierung, ihrer Archivierung, ihrer Interpretation und anamnetischen Revozierung im individuellen und kollektiven „Wissen“ ist. Das sogenannte „historische Bewusstsein“ benötigt selbst ein Konzept, das nicht nur dem völligen Vergessen entgegenwirkt, sondern auch der allgegenwärtigen Verfälschung durch Unwissen und Unbildung widersteht.

Diese Zeilen bilden ein unendlich geflochtenes Papierband, das Walter Kratner auf einer alten Schreibmaschine schrieb und überschrieb. Ein unendliches Band an Gräbern – in den Lüften und in der Erde, in der Erde und in den Lüften … Erde und Himmel finden sich verbunden durch eine Möbius-Schleife des Todes … „dein goldenes / Haar Margarete / Dein aschenes Haar Sulamith wir schaufeln ein Grab in den / Lüften da liegt man nicht eng / “ .

In zwei vorhergehenden Kunstprojekten, die sich mit der Frage des Vergessens und Erinnerns historischer Ereignisse konzeptuell beschäftigten, finden sich bereits „Teile“ der vorliegenden Installation: so die Schreibmaschine seines Vaters, mit einem beschriebenen Papierband in der Einzugsrolle, Schaufeln seiner Eltern … und Zitate der „Todesfuge“ Paul Celans. [2]

Walter Kratner greift das Thema „Erde“ gleichsam von jener „anderen“ Seite auf, die heute immer mehr in Vergessenheit zu geraten droht. Der Begriff der Erde ist auch mit jener Blut- und Bodenideologie des NS-Regimes verhaftet, in deren Namen Millionen Gräber in den Lüften und in der Erde „geschaufelt“ wurden. Aber die Spuren der Geschichte verlöschen, sie werden seltener, sie werden zitiert und zu einer perversen Art „Disney World“, medial aufbereitet und verfälscht, de- und rekontextualisiert, schließlich bis zum Verlust jeder Aussage „relativiert“ oder gar völlig geleugnet. Geschichtliche Ereignisse verlieren gerade durch ihre historische Aufarbeitung oftmals ihre Authentizität und ihre Unmittelbarkeit. Jedes Ereignis schlittert in eine seltsame geschichtliche Fiktionalität, in eine imaginäre Realität der bloßen Erinnerung – für „Nachgeborene“ (Ingeborg Bachmann) in eine erst zu konstruierende historische Realität. Wenn, dann bleiben nur Spuren, die auf das Eigentliche lediglich verweisen können – Zeichen, nichts als Zeichen des Vergangenen. Die Frage ist, wie diese Zeichen und Spuren „gelesen“ und „interpretiert“ werden.

In den Notizen zu einer dieser früheren Arbeiten zitiert der Künstler eine Aussage Paul Celans zur „Rezeption“ der Todesfuge, die die Problematik allen historischen Erinnerns andeutet, wenn Celan meint, dass seine „vielbeschworene Todesfuge (…) nachgerade schon lesebuchreif gedroschen“ worden sei. … Und wurden Auschwitz und das NS-Regime nicht ebenfalls „lesebuchreif gedroschen“ (verharmlost, zu Tode „erklärt“, zur Lächerlichkeit interpretiert und schamlos „entschuldigt“ …)? Auch Walter Kratner thematisiert die Gefahr, durch zuviel Information das eigentliche „Ereignis“ bis zur völligen Inhaltsleere wegzuinterpretieren. In der Bilder- und Informationsflut, die sich teilweise (großteils?) unerwünscht über die Nachgeborenen als „Aufarbeitungszwang“ einer untilgbaren Schuld nach dem 2. Weltkrieg ergoss, ergab sich ja letztlich ein paradoxes „Informationsrauschen“, das effizienter als jedes Vergessen die historische Wahrheit des Faschismus weginterpretierte. Diesen Effekt des „Löschens“ der eigentlichen Information durch zuviel an Information zeigt der Künstler anhand der beidseiti-

Der Konzept-Künstler Walter Kratner weiß, dass sich die Geschichte nicht „offenbart“, sondern im Gegenteil, dass die „Wahrheit“ 9


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RAUMINSTALLATION „CELAN“, 2012 Ausstellungsansicht

gen und jeweils zweifachen Überschreibung der mühsam mit einer alten Schreibmaschine getippten Zeilen aus Celans Todesfuge, die sich scheinbar unendlich wiederholen. Manche der Buchstabentypen „durchlöchern“ im wahrsten Sinne des Wortes bereits Geschriebenes, andere tilgen die Worte durch zuviel Farbauftrag … würde man weiterschreiben, bliebe nichts als zerfetztes, druckerschwarzes Papier ohne jegliche erkennbare Information.

(...) Walter Kratner thematisiert in dieser Installation also das komplexe Problem der kollektiven Erinnerung an historische Ereignisse: Wie gehen wir Nachgeborenen etwa mit dem Gedenken an die NS-Zeit um, wie erinnern wir uns überhaupt an Geschehnisse, die wir selbst nicht erlebt haben? Als Nachkommen der Schuldigen der NSVerbrechen sind wir gefordert, daran zu erinnern, es liegt in unser aller Verantwortung, dass die Grauen dieses Regimes und seiner Mitläufer nicht in Vergessenheit geraten und das Gedenken an sie als Warnung für Gegenwart und Zukunft dient, denn – wie Paul Celan in seiner Todesfuge auch schreibt – „der Tod ist ein Meister aus Deutschland“. Aber die Verpflichtung zur Erinnerung läuft Gefahr, zum Aufarbeitungszwang oder zu einem sinnentleerten Ritual zu verkommen. (...) Noch nie war so viel medial aufbereitete Information über die Gräuel der NS-Zeit verfügbar, aber erreicht sie uns noch wirklich? Lassen wir sie überhaupt noch an uns heran? Trifft sie uns ins Herz, macht sie uns betroffen? Diesem schier unlösbaren Dilemma zwischen einem Zuwenig und einem Zuviel an Information, zwischen Vergessen und Banalisieren, muss ich mich beim Betrachten von Walter Kratners Installation auf der rationalen Ebene stellen.

Dieser Informations-Entropie setzt Walter Kratner die geschichtliche „Authentizität“ jener Gegenstände und Objekte entgegen, die den angesprochenen historischen Ereignissen zumindest zeitlich entsprechen – sei es nun in Form der Schreibmaschine oder als alte Schaufel. Gleichsam als Anspielung auf die unlösbare „Schuldfrage“ sind dem Schriftband drei Bajonette mit verdeckten Klingen unterlegt, während die billige Alubauleiter sinnfällig die Verbindung zu unserer Zeit bildet – eine Verbindung, die trotz Vergessen und Informationsrauschen wohl für alle Zukunft bestehen bleiben wird. ERWIN FIALA (KATALOGTEXT, 8. STEIRISCHE KÜNSTLERINNENKLAUSUR, 2012)

Auf einer anderen Ebene aber treffen mich dabei Bilder, starke Bilder, von zeichenhafter Unmittelbarkeit, denen ich mich nicht entziehen kann: Die alte Schreibmaschine, das unendliche Band und die beiden Schaufeln („wir schaufeln ein Grab in den Lüften, da liegt man nicht eng… lässt schaufeln ein Grab in der Erde…“ ) Das lässt mich unweigerlich an eine Textstelle aus Christa Wolfs Roman Kassandra denken: „Das Letzte wird ein Bild sein, kein Wort. Vor den Bildern sterben die Wörter.“ REINGARD SCHWARZ (ERÖFFNUNGSREDE, HANNES SCHWARZ SAAL, 2014) 11


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401.WERKZEUG.12, 2012 402.WERKZEUG.12, 2012 Alle Arbeiten: Graphit und Pastell auf Fotografie auf Papier 40 x 15 cm

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413.Kleidung.12, 2012 Graphit und Pastell auf Fotografie 30 x 40 cm

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415.Kleidung.12, 2012 Graphit und Pastell auf Fotografie 30 x 40 cm

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RAUMINSTALLATION „UNRUHE“, 2013 Ausstellungsansichten

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„UNRUHE“ RAUMINSTALLATION, 2013 Steiermarkhof / Kunstbad, Graz Holz (grau, lackiert), Bauholz (geölt), Trenchcoat / Arbeitsmantel (um 1950), Ventilator, Glastafeln, Handgriffe, Beschläge, Drehräder, Filzteppich (ca. 400 x 400 cm)

Skulpturale Objekte, wie die an ein Wohnungs-Interieur erinnernde Arbeit „Unruhe“, entstammen dem Form-Vokabular des Alltäglichen: Design-orientiertes Mobiliar mit funktionaler Anmutung ohne ersichtlichen Gebrauchswert. Bei dem verzogenen dunkel-grauen Gerippe des monochromen Objekt-Ensembles schwingt Kritik an Monotonie und Uniformität im urbanen Leben mit. Das zweiteilige Werk wirkt wie ein Mahnmal und erinnert an architektonische Ideen. Es persifliert aber ebenfalls, als bewegliche Konstruktion mit Handgriffen, die abfallende Ausstellungsfläche in dem ehemaligen Schwimmbassin. Der zerschlissene Trenchcoat und ein rotierender Ventilator, der das Kleidungsstück in steter Bewegung hält, wirken wie aus der Zeit herausgelöst. Beide Alltagsfragmente der Installation entpuppen sich als unspektakulärer Kommentar zur Lebenswelt und zeugen von der Katastrophenanfälligkeit der Gegenwart. WERKBESCHREIBUNG (PRESSETEXT ZUR AUSSTELLUNG) 19


ARBEITSFOTO, 2013 Trenchcoat / Arbeitsmantel (um 1950) ca. 30 x 40 cm

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(...) Das ist die pessimistische Variante der Hoffnung, dass die Festung Europa auf Dauer gehalten werden kann. All diese Visionen unterschlagen, dass die Dritte Welt eine Macht ist, dass die, auf deren Kosten man lebt, dem nicht ewig tatenlos zusehen werden. Dazu bedarf es keiner militärisch-ökonomischen Stärke. Es reicht völlig, wenn sich Millionen Verelendeter in Bewegung setzen. ARBEITSNOTIZ (ZIT.: HEINER MÜLLER IM GESPRÄCH MIT FRANK M. RADDATZ, BERLIN 1991)

RAUMINSTALLATION „UNRUHE“, 2013 Ausstellungsansichten

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Walter Kratner und Sieglinde Gerstl

„SPERRZONE” RAUMINSTALLATION, 2006 Kunsthaus Weiz (bei Graz) 42 Bildtafeln (ca. 50 000 ausgeschnittene EU-Warnhinweise der Tabakindustrie auf Karton), 102 Rundhölzer, 102 Kalksteine, 102 Plastik-ModellBäumchen, 102 Müllsäcke, 2 Stühle (mit Rehgeweih, Befestigungsteile), 30 Eprouvetten (Medikamente), Fachbücher, Laborregal, Bügeleisen, Infusionsbesteck, Plastikeimer, Plastikbeutel, Holzkonstruktion

Viele kleine Bäumchen ergeben halt noch keinen wirklichen Wald, der Kunstraum zeigt kein liebliches Zurück-zur-Natur-Idyll. Eine sogenannte „All-over-Installation“ strukturiert den Galerieraum, führt das Publikum auf einen Parcours skurriler Begebenheiten. Zunächst sehen wir in der Tat einen seltsamen Wald. 102 winzige Plastikbäumchen stehen wie auf Stelzen gleichmäßig übers Areal verteilt und bilden eine Art surreale Landschaft. Dieser liegt ein Plan zugrunde, der die räumlichen Gegebenheiten einbezieht. Vorgabe war, im vorhandenen Ausstellungsraum des Kunsthauses eine schiefe Ebene einzurichten, welche auf die Kurve der Glasfassade des Gebäudes antwortet. Die Absicht dabei war, eine vergleichbare Schwingung zur Fassade zu erzeugen, allerdings in der Horizontalen, und zwar mittels verschiedener Höhen der Rundhölzer, auf denen die kleinen Bäumchen stehen. Durch deren von 37 bis 214 cm schwankende Höhen gewinnt der Betrachter den Eindruck, er blicke auf eine Landschaftsformation mit Berg und Tal. Die Standpunkte ergaben sich von selbst durch die Befestigungsschrauben der üblicherweise hier angebrachten Stellwände. Position und Höhe der einzelnen Hölzer wurden errechnet durch eine masstabsgetreue Aufzeichnung des Raums im 3D-Verfahren. In diese hinein wurde dann die Kurve der Glasfassade hineingezeichnet, um deren vertikale Schwingung auf die geplante horizontale Ebene zu übertragen. Auf die schlichten Rundhölzer in verschiedenen Längen sind Kalksteine geklebt. Die fragil anmutende Installation der Kalksteine suggeriert dem Betrachter latente Gefahr, so als könnten die Steine jeden Moment vom Holz auf den Boden fallen. Und der am Fuß des Rundstabs verlegte Müllsack scheint den Kunstraum zu schützen vor so natürlichen Dingen wie Regenwasser, NadeIn, Tannenzapfen oder Harz. Insgesamt repräsentiert die Installation das weite Feld der Natur, allerdings zur Miniaturausgabe verkümmert. Dieses zentrale, sich über die gesamte Ausstellungsfläche ziehende Areal mit künstlicher Landschaft wird an seinen Schmalsei23


RAUMINSTALLATION „SPERRZONE“, 2006 Ausstellungsansicht

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INSTALLATIONSANSICHT „SPERRZONE“ / DETAIL Stuhl (zerbrochen), Rehgeweih, Befestigungsteile, Glastafel (zersplittert)

ten von zwei hoch aufragenden vertikalen Installationen eingefaßt. Den hinteren Abschluß bildet ein riesiges Tableau mit gleichmäßig und streng angeordneten Täfelchen, auf denen ein immergleicher Schriftzug zu lesen ist: „Rauchen fügt den Menschen in Ihrer Umgebung erheblichen Schaden zu“. Diese in der gesamten Europäischen Union gebräuchlichen Warnhinweise auf Tabakprodukten wurden 15 000 mal penibel aus gebrauchten Zigarettenschachteln ausgeschnitten und in Serie geklebt. Sie ergeben eine bis zur Decke reichende, verglaste, kaum mehr lesbare Wortinstallation. Es handelt sich dabei um 42 Bildtafeln im Format 70 x 100 cm in der Anordnung von 6 x 7 Rahmen, die somit eine Frontwand von 7,50 x 4,50 Meter bilden. Um die Voraussetzungen für diese Konzept-Arbeit zu schaffen, haben in den letzten drei Jahren Privatpersonen, Restaurants und Grazer Schulen ca. 50 000 gebrauchte Zigarettenpäckchen gesammelt. Zunächst mit der Hand ausgeschnitten, mussten die Hinweise dann nach Zigarettenmarken sortiert werden, da sich bei jeder Zigarettenmarke die Größe der Grafik um ein paar Millimeter unterscheidet. Auch die Schriftgrößen sind unterschiedlich. Beim Ausschneiden mit der Schere blieb auch immer ein leichter dünner Rand von der Farbe der Packung. So entstand pro Tafel ein etwas anderer Farbschimmer. Säckeweise im Atelier gesammelt und gehäuft, waren die leeren Zigarettenpäckchen unverzichtbares Material für diese Präsentation. Zu jeder handgeklebten Etikette muss man sich jeweils 20 gerauchte Zigaretten vorstellen. Die Absurdität dieser Verbotstafeln wird dadurch offensichtlich. Trotzdem geht es den Künstlern nicht um die Problematik eines Rauchverbotes. Vielmehr deuten sie an, daß ein tausendfach wiederholtes, vielleicht noch so gut gemeintes Verbot alles andere als wirkungsvoll erscheint. Und beim Nachdenken kommen auch widersprüchliche Aspekte zutage: zum einen besteht ein wirtschaftliches Interesse daran, Tabakwaren zu produzieren und zu verkaufen, zum andern gibt es die Absicht, den Konsum von Tabak zu verhindern oder zumindest einzuschränken. Die scheinbare Lösung 25


des Problems: drastische Warnhinweise müssen per Verordnung auf jedem Tabakprodukt angebracht werden. Im Normalfall lassen Dekrete, die aus der Bürokratie kommen, jegliche „Poesie“ vermissen. Daß es dennoch zu einer „poetischen“ Anmutung kommt, ist der Erfindung und Inszenierung dieser surrealen Klagemauer zu verdanken. Die Künstler haben dabei nur wenig „eingegriffen“ und überließen auch die Anordnung der verschmutzten Etiketten – sie haben Brandflecken, sind zerknittert oder bekritzelt – dem Zufall. Dies führt zu einem weiteren Bestandteil der Arbeit, den man allerdings nicht mit bloßem Auge sehen kann: Auf den gebrauchten Warnhinweisen finden sich eine „Unendlichkeit“ von Fingerabdrücken und DNS Spuren, sie sind somit ein Archiv der Anonymität. Ausgeschnitten, aufgeklebt und gerahmt sind diese Dinge des Alltags nun zu einer Wandinstallation geworden, die den Raum abschließt. In ihrer Gesamtheit wirkt die konzentrierte, gleichförmige Präsentation der kleinen schwarzen Rechtecke wie eine serielle Komposition aus Schrift und linearen Feldern. Es ist eine ruhige, rhythmische Schönheit aus schwarz und weiß, aus Text und rechteckigen For26


SIEGLINDE GERSTL RAUMINSTALLATION „SKOPOPHILIE” 42 Bildtafeln (ca. 50 000 EU-Warnhinweise der Tabakindustrie auf Karton), 30 Eprouvetten (Pillen, Kapseln, Globoli; nach Farben geordnet), Fachbücher (Austria-Codex, Bd. 1-5, 2005/2006), Laborregal (Holz)

men. Der schwarze Rand um den Vierzeiler läßt an die Rahmung von Todesanzeigen denken. So wird daraus zuletzt eine Art gigantisches Memento Mori, das dem Betrachter zuruft: Mensch, bedenke den Tod! Auf der gegenüberliegenden Seite sind in einem Laborregal 30 Eprouvetten von Medikamenten farblich angeordnet und gestapelt, darunter stehen die grellorangefarbenen Bände tausendseitiger Fachinformationen für Ärzte und Apotheker, in denen Gebrauchsanweisungen und weiterführende Hinweise zu allen auf dem Markt befindlichen Medikamenten zu finden sind. Somit ein riesiger Hortus sanitatis, ein Garten der Gesundheit, wie eines der allerersten medizinischen Handbücher hieß. Hier die strenge schwarzweiße Warnung vor Krankheit und Tod, dort die farbig leuchtende Hoffnung auf Wiederherstellung der Gesundheit oder Linderung des Leidens. Ein weiteres medizinisches Objekt entpuppt sich als Groteske: auf einem Bügeleisen verdampfen regelmäßig Wassertropfen, die aus einem Infusionsbesteck auf die heiße Platte fallen. Die Schau zeigt aber auch den Raum selbst als ein höchst instabiles System: so knallt ein Stuhlteil in die Glasfassade des Kunsthauses. 27


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RAUMINSTALLATION „SPERRZONE“, 2006 Ausstellungsansichten

Die Ärztin und Künstlerin Sieglinde Gerstl, der Künstler und Kurator Walter Kratner brechen in dieser gemeinsamen Aktion hier im Kunsthaus Weiz mit sämtlichen klassischen Konventionen der Skulptur. Sie folgen damit einer 1970 von Robert Morris formulierten Devise, nach der es nicht länger von Bedeutung sein kann, daß eine Arbeit ein unumkehrbarer Prozeß sei, der in ein statisches Bild-Objekt mündet. Im Gegenteil: die neue Rolle des Künstlers / der Künstlerin verlange, daß er Wahrnehmungsfelder (perceptual fields) konstruiere, die dem Betrachter eine verwirrende Erfahrung (disorienting experience) anbieten. In den hier erzeugten Wahrnehmungsfeldern steuern Gerstl und Kratner auf eine Auseinandersetzung mit sozialen und institutionellen Praktiken zu. Immer aber bleibt die Form Ausgangspunkt ihrer Aktionen, wobei Transformation und Parodie wichtige Ansatzpunkte sind.

Kunst überlassen, Bilder, Worte, Klänge zu finden, mit deren Hilfe wir in unvergleichlicher Weise miteinander kommunizieren können. (...) beim Nachdenken über meinen Text für heute abend ist mir ein Gedicht von Ernst Jandl in den Sinn gekommen, dessen Worte mir im Hinblick auf diese Installation von Sieglinde Gerstl und Walter Kratner nicht mehr aus dem Kopf gegangen sind.

„sommerlied“: „wir sind die menschen auf den wiesen bald sind wir die menschen unter den wiesen und werden wiesen, und werden wald das wird ein heiterer landaufenthalt“. GERLINDE BRANDENBURGER (KUNSTHSTORIKERIN, ERÖFFNUNGSREDE)

Die Materialien sind sehr einfach, bewußt nicht kostbar und haben keinen Anspruch auf Dauerhaftigkeit. In diesem temporären Kunstwerk, als das diese Installation zu verstehen ist, wird dem Publikum in einem begehbaren Handlungsraum ein Stück der Erlebniskraft des Künstlers / der Künstlerin weitergereicht und seiner eigenen Verantwortung übertragen. Traditionelle künstlerische Kategorien wie Authentizität, Originalität, Einmaligkeit und Dauerhaftigkeit sind dabei in Frage gestellt. Diese Art Kunstwerk richtet sich gegen jegliche Konvention und vor allem gegen das Pathos der Ewigkeitswerte. Dadaistische und surrealistische Elemente, Aspekte und Materialien der arte povera und der Aktionskunst verbinden sich hier zu einer sehr persönlichen Zeichensprache, die als innere, subjektive Grammatik dem aufgeschlossenen Betrachter dennoch recht gut verständlich wird. Zum Ausdruck kommt darin auch die Vorstellung einer engen Verbindung von „Kunst“ und „Leben“. Die Kunstform Installation eignet sich in besonderer Weise für interaktive kommunikative Bestrebungen, für das Herbeiführen von dialogischen Situationen. Zentrales Movens ist dabei der Mensch, seine Vergangenheit, seine Gegenwart, seine Zukunft, seine spirituellen Fähigkeiten und Bedürfnisse, seine Orientierung im Chaos des Alltags, seine Ängste und seine Zuversicht angesichts der Gewissheit von Werden und Vergehen. Und so bleibt es schließlich der 29


OBJEKTINSTALLATION „PFFFFF“, 2008/2011 Ausstellungsansichten

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„PFFFFF” OBJEKTINSTALLATION, 2008/2011 Kulturzentrum bei den Minoriten, Graz für: Ausstellungsprojekt „1+1+1=1 / Trinität“[3,4] Wassereimer, Wasserbeutel, Infusionsbesteck, Alu-Leiter, Bügeleisen, Holztafel mit Haltevorrichtung Maße variabel

(...) Ausgangspunkt für die Objektinstallation „pfffff“ sind sechs Sätze, die oft der Darstellung der Trinität folgten und sie zu erläutern versuchten: „Der Vater ist Gott“, „der Sohn ist Gott“, „der Heilige Geist ist Gott“ und „der Vater ist nicht der Sohn“, „der Sohn ist nicht der Heilige Geist“, der „Heilige Geist ist nicht der Vater“.

„1+1+1=1“ nur Dampfplauderei? Mit diesem „Dauertropf“ schuf der Künstler eine sehr komplexe und vieldeutige Installation: Auf einer hohen Leiter ist ein Behälter angebracht, aus dem über eine Infusions-Leitung andauernd und regelmäßig Wasser auf ein heißes Bügeleisen (Dreieck!) tropft und sogleich mit pfauchendem Geräusch verdampft. Wasser (H2O) ist eines, zeigt sich aber in drei Zuständen: Eis / Wasser / Dampf. Die drei göttlichern Personen werden ununterbrochen und regelmäßig – „dauertropfartig“ – ausgesprochen: Vater / Sohn / Heiliger Geist. Das tun die Beter und das tun die Theologen. Ist das alles nur Dampf? Bloßes Geräusch: penetrantes „pfffff“... oder vielleicht doch eine Leben spendende und Leben rettende Infusion?

„pfffff“ behandelt die These (1+1+1=1) in einer fast physikalischen Schauanordnung: Aus einem Wasserbehälter (1) löst sich ein Wassertropfen (+1) durch ein Infusionsbesteck, um auf die heiße Platte eines Bügeleisens (+1) zu fallen. Der Tropfen transformiert sich in Wasserdampf (=1). Solange der Behälter gefüllt ist, läuft die Verdampfung regelmäßig ab. JOHANNES RAUCHENBERGER (KATALOGTEXT, „TRINITÄT“, 2011)

PHILIPP HARNONCOURT (EINFÜHRUNG IN DIE AUSSTELLUNG „TRINITÄT“) 31


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„NATURA MORTA / ZEITMESSER” RAUMINSTALLATION, 1998/2001 Galerie Malzhaus, Halle Galerie Weberhaus, Weiz (bei Graz) Neue Zürcher Zeitung (5. Mai 1998), Holzast, Salat, Eisentafeln, Eisendraht, Formrohr ca. 400 x 150 x 30 cm

Ein kaum wahrnehmbarer Bewegungsablauf wird nicht durch äußere Einflüsse ausgelöst oder gesteuert, sondern entsteht durch die Dekompositon des Materials. Das 2 Meter lange Vierkanteisen dient zur Sichtbarmachung der Bewegung. Kaum erkennbar senkt es sich im Laufe der Ausstellungsdauer, sinkt in den Kopfsalat ein und wird so zum „Zeitmesser“ für den fast unmerklichen Prozess, der durch die Dekomposition des organischen Materials (Kopfsalat) ausgelöst wird. Mit der Verwendung einer Astgabel als Halterung, wird der lokale Aspekt wie beiläufig eingeführt. Die überregionalen Printmedien „Neue Zürcher Zeitung“, oder in einer späteren Ausführung die „New York Times“, beziehen sich auf das Tagesgeschehen am Tage des Ausstellungsaufbaues. Ein Tagesgeschehen, das zu beiden Zeitpunkten von den Kriegsereignissen aus Afghanistan dominiert wurde. Wie ein Löschblatt wirkend, saugen die Zeitungsblätter die Flüssigkeit des Salatkopfes auf und werden später zum zeitlosen Beweisstück für den stattgefundenen Verfall, – für das Vergehen von Zeit und Geschehnissen. [5] WERKBESCHREIBUNG (PRESSETEXT ZUR AUSSTELLUNG)

MATERIALDRUCK, 1998 Neue Zürcher Zeitung, 5. Mai 1998 ca. 70 x 40 cm

MATERIALDRUCK, 2001 New York Times, 13. November 2001 ca. 60 x 40 cm

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„DIE UNVORHERSEHBARKEIT DER KATASTROPHE” ARBEITEN AUF PAPIER, 2014 St. Johann bei Herberstein für: Projekt „10 Days“ Alle Arbeiten: Graphit und Pastell auf Fotografie auf Papier, ca. 30 x 40 cm

Die Auswahl hybrider Fotoüberarbeitungen – Pastell, Graphit auf C-Print – haben Baumrinden zum Motiv. Die Arbeiten zeigen die Baumrinde einmal in ihrer Außenansicht und daneben das Rindenbild in einem, vom Baumstamm abgelösten Zustand. Scheint für das ungeschulte Auge in der ersten Ansicht das Erscheinungsbild noch intakt, zeigen sich in der Innenansicht bereits von Schädlingen und ihren Larven angefressene Gänge in der Rindenstruktur. Die handkolorierten Arbeiten auf Papier von Walter Kratner sind segmentierte, fast lexikalische Gedächtnisprotokolle, die in ihrer Wirkung einer Zeichnung nahekommen und die Entdeckung des Gewöhnlichen, des Alltäglichen anstreben. [6]

(„Nur tote Gegenstände drücken etwas aus. Nur tote Objekte ‚überleben‛ den Tod.“) WERKBESCHREIBUNG (PRESSETEXT ZUR AUSSTELLUNG)

„Die Jagdgesellschaft“ von Thomas Bernhard beschreibt mit der Figur des Generals den Finalzustand eines Mannes, dem Natur noch „gehörte“ ,– im doppelten Sinne des Wortes: Er ist Besitzer eines Waldes und Bewohner dieses Waldes zugleich; mit ihm lebend, mit ihm zerfallend. Aber wegen des grauen Stars den Zerfall nicht wahrnehmend. Auch nimmt die eigene Todeskrankheit ihm den Blick auf die Natur. Und so bleiben ihm die Infamien der ihm nachwachsenden gesellschaftlichen Kräfte verborgen. Seine sprachlose, wie Apparate funktionierende, politische Umgebung wartet hinter seinem Rücken auf sein Ende. Erst als ein Schriftsteller, in einer langen Nacht philosophischer und ästhetischer Gedankenspiele, ihn mit dem Entwurf einer Komödie konfrontiert, die seine eigene Tragödie aufarbeitet, erkennt er die Situation. Durch einen Schuss in den Kopf entzieht sich der General daraufhin seiner nichtsnutzigen Zukunft und erspart sich den Transport in eine Klinik zur sinnlosen Operation. In der Außenwelt bestätigt sich sein Ende unmittelbar. Kaum ist er tot, fangen Hacken und Sägen an, den Wald niederzulegen: „Die Holzfäller / Wie gut sie arbeiten“.

460A.BAUMRINDE.14, 2014 460B.BAUMRINDE.14, 2014 466A.BAUMRINDE.14, 2014 466B.BAUMRINDE.14, 2014 Alle Arbeiten: Graphit und Pastell auf Fotografie auf Papier jeweils ca. 30 x 40 cm

PROJEKTNOTIZ (ÜBERLEGUNGEN ZU THOMAS BERNHARD / „DIE JAGDGESELLSCHAFT“ / „ÜBER ALLEN GIPFELN IST RUH`“) 35


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Alle Arbeiten: Graphit und Pastell auf Fotografie auf Papier jeweils ca. 30 x 40 cm

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„5 DAYS” OBJEKTINSTALLATION, 2013 Galerie im Artforum, Offenburg für: Europäisches Künstlersymposium 2013 Süddeutsche Zeitung (Börsenberichte, 5 Ausgaben, von 11. - 15. 6. 2013), Efeu, 10 Glastafeln, Pressvorrichtungen aus Holz (grau lackiert), Balkonteppich, Handgriffe und Drehräder ca. 300 x 500 cm

(…) Das Thema der Bodeninstallation des studierten Designers Walter Kratner ist die Zeit, ihre Reflexion, wie sie vergeht und wie sie – subjektiv – sehr unterschiedlich empfunden wird. Zeit auf mehreren Ebenen, – in Assoziation mit Vergänglichkeit und Ewigkeit. Die Utensilien sind Träger für zehn Glasplatten, zwischen die der Künstler jeden Tag eine aktuelle Börsenseite einer Tageszeitung legte (Vergänglichkeit) – umringt von Efeu, dessen Alterungsprozess weitaus länger dauert. Platziert sind die Objekte auf grünem Teppich (Sehnsucht) – einer Art Kunstrasen, wie er in Österreich so ziemlich auf jedem Balkon zu finden ist. Es ist ein Spiel mit Design, das durch ihre funktionale Konstruktion, dem Sakralen in der Kunst eine (ironische) Absage erteilt. (…) JUTTA HAGEDORN (KUNSTHISTORIKERIN, OFFENBURGER NACHRICHTEN) 41


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„LANDSCHAFT” ARBEITEN AUF PAPIER, 2013 ESTA Contemporary Art Gallery, Gliwice, Polen [7] Alle Arbeiten: Graphit und Pastell auf Fotografie auf Papier ca. 30 x 40 cm

Die hypriden Bildbearbeitungen lassen an visuelle Gedächtnisprotokolle denken. Die Fotoüberarbeitungen verweisen auf die „Geschichte als Erinnerung“: Geschichte als Rückholung, Geschichte als Abfolge einzelner eingefrorener Gedächtnismomente und gebannter Erinnerungssplitter. Aus dem Erfahrungswert des vorherigen entsteht das nächste. Der Zyklus von Steinlandschaften zeigt, wie sehr „Landschaft“ zu einer formbaren Ware werden kann. Die Geborgenheit in der Landschaft hat Risse bekommen. Angesiedelt wird die „Heimat-Idylle“ in diesen Arbeiten zwischen poetischer Täuschung und Imitation. Auffallend ist die handwerkliche Technik, die sich bis zur mittelalterlichen Buchkunst zurückführen lässt, um eine solche „Bildwirkung“ zu erzielen: die Handkolorierung. Mit einer Hintergrundschraffur wird der Eindruck von „Papier als Material“ noch verstärkt, um keine illusionistische Betrachtung der Arbeiten zu erlauben, – verleiht allerdings den abgebildeten Landschaften eine räumliche Tiefe. Für eine gewisse Art von Fotografie in der „digitalen Welt“ wurde Nachbearbeitung und Manipulation unabdingbarer Bestandteil. Diese Techniken eröffnen Möglichkeiten, ein ansprechendes „Bild“ zu kreieren, – täuschend „reale Welt“ zu erzeugen. Selbst bei gewissen „Bild-Kreationen“, die Dinge so dokumentieren, wie sie sind, kommen allerdings Retouche und Bildbearbeitung ebenfalls wieder ins Spiel.

442A.LANDSCHAFT.13, 2013 442B.LANDSCHAFT.13, 2013

„Die Welt ist ein kranker Ort.“

Alle Arbeiten: Graphit und Pastell auf Fotografie auf Papier jeweils ca. 30 x 40 cm

WERKBESCHREIBUNG (PRESSETEXT ZUR AUSSTELLUNG) 43


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444A.LANDSCHAFT.13, 2013 444B.LANDSCHAFT.13, 2013

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441.LANDSCHAFT.12, 2013 Alle Arbeiten: Graphit und Pastell auf Fotografie auf Papier jeweils ca. 30 x 40 cm

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501.O.T.11, 2011 Graphit und Pastell auf Fotografie auf Papier ca. 35 x 45 cm

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„AUSTRIAN LANDSCAPE 2“ OBJEKTINSTALLATION, 2013 ESTA Contemporary Art Gallery, Gliwice, Polen [7] Österreichisches Kulturforum, Istanbul Balkonteppich (Kunststoff, grün), Handsäge, 3 Krawatten, 2 Schneidewerkzeuge, 3 Hölzer (lackiert, orange) ca. 200 x 100 x 75 cm

Die Objektinstallation ist die Schilderung einer „grünen“ Landschaft. Sie verdichtet den Mythos „Landschaftsidylle“ mit handelsübliche Utensilien auf einem grünen Balkonteppich aus Kunststoff. Mit einem schwarzen Krawattenpaar, um orange lackierte Hölzer gebunden, spielt die Installation im Spannungsfeld zwischen Gebrauch und Ästhetik, Alltags-Design und Kunst. Fast zwangsweise ergibt sich daraus ein Kommentar zu den herrschenden Lebensbedingungen in der Provinz. WERKBESCHREIBUNG (PRESSETEXT ZUR AUSSTELLUNG)

243.WERKZEUG.11, 2011 473.WERKZEUG.11, 2011 Alle Arbeiten: Graphit und Pastell auf Fotografie auf Papier ca. 30 x 40 cm

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„DEAR AUSTRIA 2” OBJEKTINSTALLATION, 2000 Galerie „Refusalon“, San Francisco für: Contemporary Art Fair, Wien Originalausgabe „Mein Kampf“, Glastafel, Lesezeichen (Rundeisen, verrostet), Schraubenzwinge (Edelstahl) ca. 70 x 50 x 30 cm

Anmerkung: Die Objektinstallation wurde im Hotelzimmer des Hotel „Viennart” eingerichtet und öffentlich zugänglich gemacht.

228.O.T.95, 2010

(Dia-Projektion „Dear Austria“, Galerie „Refusalon“, San Francisco) für: Contemporary Art Fair, Wien Graphit, Öl und Kohle auf Fotografie auf Papier 31 x 45 cm

In response to the delicate situation in Austria, Kratner isolated a single object - a shovel, one Nazi and one not. The shovels symbolized the European past in the present, including war and trenches. Signer, who represented Switzerland at the Venice Biennale in 1999, presented a video of his Venice installation, suggesting bombardment. WERKBESCHREIBUNG (SHMULIK KRAMPF, GALLERY OWNER) 51


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„NON MI RICORDO” RAUMINSTALLATION, 2005 Städtische Galerie im Kulturforum, Offenburg 2 Schragen (Holz), 2 Schragen (Metall), 4 Wasserbeutel, Halterung (6 Teile), 1 Pelzmantel (Polarfuchs; 16 Tiere, Privatbesitz), 1 Pelzmantel (schwarzer Nerz; canadian mink, Privatbesitz)

BILDERZYKLUS O.T. (Mengele), 2005 8-teilig, ca. 60 x 80 cm

O.T. (Steinwüste), 2005

16-teilig, ca. 60 x 160 cm

O.T. (Auschwitz), 2005

30-teilig, ca. 130 x 155 cm

O.T. (Daylight), 2005 9-teilig, ca. 80 x 60 cm

O.T. (Nightlight), 2005 9-teilig, ca. 80 x 60 cm

Alle Arbeiten: Kohle, Graphit und Pastell auf Fotografie auf Papier

„Non mi ricordo“ handelt von gesellschaftlicher und persönlicher Amnesie. Zentral im Raum stehen zwei Holzkonstruktionen, die als Traggestelle für zwei Nerzmäntel dienen. Die Ästhetik und die exquisite Verarbeitung der Pelze verstellt die Erinnerung an die Tötung der Tiere – wobei selbst eine Kenntnis von der Tragödie, das Geschehene nicht mehr rückgängig machen könnte. Zu sehen sind ausserdem dunkle, anscheinend abstrakte Bilder. Unter der monochromen Oberfläche aus Pastell oder Graphit setzen sich bei genauer Betrachtung Bildmotive zusammen: ein mehrteiliges Bild erweist sich als historische Luftaufnahme des Konzentrationslagers Ausschwitz und der kompositorische Aufbau der Graphik basiert auf Anordnung der Todesbaracken und der Topographie des Geländes. Weitere, hauptsächlich kleinformatige Bild-Überarbeitungen zeigen eindringlich den langsamen Verlust von „konkreter“ Erinnerung. WERKBESCHREIBUNG (PPRESSETEXT ZUR AUSSTELLUNG)

(...) Die Erinnerung, der Zerfall des Erinnerungsbildes, ist unter anderem Thema von Walter Kratner. Umgesetzt auf unglaublich pragmatische, wie ergreifende Weise. Zum Beispiel die Luftaufnahme des Konzentrationslagers Ausschwitz. In 30 A4-Teile zerlegt, in schlichten Wechselrahmen, hat er die Fotos mit Grafit und Kohle verdunkelt. Gesellschaftliche und persönliche Amnesie beschäftigen den Künstler. (...)

ARBEITSFOTO (DETAIL) Luftaufnahme des KZ Auschwitz Kohle, Graphit auf Fotografie auf Papier ca. 25 x 35 cm

JUTTA HAGEDORN (KUNSTHISTORIKERIN, MITTELBADISCHE PRESSE) 53


114.PELZMANTEL.07, 2007 C-Print, ca. 30 x 30 cm

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113.PELZMANTEL.07, 2007 C-Print, ca. 30 x 30 cm

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215.O.T.09, 2009 Graphit, Pastell, Öl auf Fotografie auf Karton 30 x 40 cm

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„HANDICAP“ OBJEKTE, 2009 Cultural Centre Gornji Milanovac, Serbien für:10th international biennial of miniature art, 2009 [8] Galerie „Kunst und Handel”, Villa Frey, Graz 1 Paar Schuhe (High-Heels, zerschnitten mit Abdeckung), Schwarzer Marmor (10 x 10 x 1 cm / 10 x 20 x 1 cm)

(...) Walter Kratner´s pair of shoes “Handicap”, with the minimum interference of the artist from a glamouros design of the object, it gets a totally different meaning, bringing up a host of current social and political topics. MIRJANA PEITLER SELAKOV (KUNSTHISTORIKERIN, KATALOGTEXT)

OBJEKT „HANDICAP“, 2009 Ausstellungsansicht

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RAUMINSTALLATION „FLOATING TOYS“, 2004 Ausstellungsansichten

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„FLOATING TOYS“ RAUMINSTALLATION, 2004 für: Steirischerbst 2004, Graz Holzkonstruktion (Holzmanufaktur Martin Glawitsach), 3 Luftmatratzen (gelb), 3 Luftmatratzen (grün), Wasserglas, 2 Wasserbehälter Maße variabel, ca. 400 x 200 cm

Zwei Objekte (Luftmatratze und Wasserglas) werden durch eine mechanische Pressung im Ausstellungsraum positioniert und verlieren damit ihre ursprünglichen und bekannten Alltagsfunktionen. Als industrielle Handelsobjekte nutzlos geworden, finden die Konsumartikel eine neue Anwendung als „architektonische“ Module.

„Die Strategie der Dekonstruktion ist die List, die noch da zu sprechen erlaubt, wo es letzten Endes nichts mehr zu sagen gibt.“ (Jacques Derrida) WERKBESCHREIBUNG (AUSSTELLUNGSTEXT)

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246.O.T.93, 2011 Graphit und Pastell auf Fotografie auf Papier ca. 40 x 60 cm

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„HART ISLAND” ARBEITEN AUF PAPIER, 2011 Biblioteca Casanatense, Roma Württembergische Landesbibliothek, Stuttgart Theater Trier [9] Alle Arbeiten: Graphit und Pastell auf Fotografie auf Papier

Mit seinen Arbeiten auf Papier betreibt Walter Kratner eine fiktive Rekonstruktion von Lebensspuren, die sich auf die Geschichte der Insel Hart Island beziehen. Das unbewohnte Eiland ist New Yorks Stadtbezirken Bronx und Queens vorgelagert. Von der Justizbehörde verwaltet und zum Sperrgebiet erklärt, handelt es sich wahrscheinlich um den größten Armenfriedhof weltweit. Hier landen noch immer die Leichen aus den marginalisierten Milieus der Metropole neben Totgeburten und amputierten Körperteilen. Von Strafgefangenen verscharrt, verschwindet ohne Zeremonie, ohne Inschrift, ohne Blumen, alles und alle binnen weniger Jahre. Hart Island war seit jeher ein Ort der Trostlosigkeit und des Schmerzes. 1654 mussten die Ureinwohner das Land abtreten, bis es schließlich die Stadt New York 1869 erwarb, um auf der Insel einen Armenfriedhof einzurichten. Von der weiteren Nutzung als Gefängnislager, als Erziehungscamp, als psychiatrische Anstalt, als Jugendgefängnis oder als Isolationsstation für Tuberkulosekranke zeugen heute nur mehr einige zerfallene Gebäude. Hart Island ist zu einem Ort des Todes geworden, wo die Zeit die Erinnerung für immer überlagert hat. Dem Verlust einer unwiederbringlichen Erinnerung und dem kollektiven Vergessen setzt Walter Kratner eine Reihe fiktiver Erinnerungsbilder entgegen. Sein Bildzyklus beinhaltet Objektdarstellungen (übermalt und dekontextualisiert), Modellaufnahmen (Landschaften aus Karton, Erde und Stoffresten), Zeichnungen (zerkratzt oder verschattet) und Archivbilder unklarer Provenienz. Es sind Abbilder einer unsicheren Wahrheit auf Widerruf. Doch in diesem fiktiven Bildgedächtnis speichert der Künstler real erlittenes Leid und Unrecht gegen das Vergessen. Mit der ihm eigenen Ästhetik nähert sich Kratner einer Anmerkung des Literaten Ugo Foscolo:„Gegen die Zeit, die alles auslöscht, besteht nur die zeitlose Poesie.“ Um einen Dokumentations- und Archivcharakter des Werkblocks zu erzielen, finden sich auf den Passepartouts Inventarnummern, die eine vermeintliche Authentizität vorgeben. Die irritierende „Wahrheit“ dieser Bilddokumente liegt allerdings darin, dass sie in der Realität nicht existieren. STEFANIA SEVERI (KUNSTHISTORIKERIN, KATALOGTEXT) 61


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249.O.T.98, 2011 Graphit und Pastell auf Fotografie auf Papier ca. 40 x 60 cm

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250.O.T.98, 2011 Graphit und Pastell auf Fotografie auf Papier ca. 40 x 60 cm 65


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245.O.T.11, 2011 Graphit und Pastell auf Fotografie auf Papier ca. 40 x 60 cm

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239.O.T.00, 2011 Graphit und Pastell auf Fotografie auf Papier ca. 35 x 50 cm

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„THREE CHAIRS” RAUMINSTALLATION, 2000 “The Projects Room“, San Francisco 3 Holzstühle (Sitzfläche, Lehne und Stuhlbeine, teilweise zerbrochen; Oberflächen durch Holzhacke zerstört und verschliffen), 2 Sicheln (handgeschmiedet), Hanfseile (an Sichel geknotet), 3 Filzsäcke (handgenäht und gefaltet)

zur eigenen Person des Betrachters oder gar zur politischen und sozialen Situation eines Landes ermöglichen. Die politische Situation in Österreich, dem Land seiner Geburt, provoziere im Moment gerade dazu, Dinge in Ausstellungen zu zeigen, die durchaus politisch interpretiert werden können. Und für Kratner selbst sei diese Stuhlkomposition eben so etwas wie eine Warnung gegen eine neue rechtsgerichtete Politik in Österreich. Er wolle zwar auf keinen Fall den Zeigefinger erheben, aber reflektieren möchte er die Situation eben schon. „Es handelt sich trotzdem um kein politisches Manifest, sondern es bleibt immer noch jedem selbst überlassen, was er in der Installation sieht.“

Normalerweise sind sie zum Sitzen gedacht. Einige sind reich verziert oder nett gepolstert, andere nur aus Holz, – Stühle. Auch aus Holz sind die drei Exemplare, die der österreichische Künstler Walter Kratner als Objekte in seiner „Works in Progress“ – Installation im „Projects Room“ in der Hawthorne Street in San Francisco ausgewählt hat. Doch diese drei Stühle, oder „Sessel“, wie Kratner sie nennt, sind keinesfalls mehr funktionstüchtig. Sie wirken alles andere als standhaft, haben angebrochene Stuhlbeine und stehen außerdem auch nicht auf dem Fußboden. Sie sind an Seile geknotet oder werden von Sicheln gehalten, hängen an der Wand oder ganz und gar in der Luft. Beim Betreten des eher spärlich beleuchteten Raumes sind Zerrissenheit und Spannung wohl die ersten Gefühle des Betrachters.

Seine Objekte hat Kratner direkt in San Francisco erstanden – bis auf einige Ausnahmen. So stammen die beiden Sicheln, die einen Stuhl halten und gleichzeitig an ihm zerren, aus Österreich. Der Installationskünstler erklärt auch warum: „Die Sicheln wirken auf die europäische Kultur zurück. Sie sind zum einen ein Arbeitsinstrument der Bauern und wurden im 16. Jahrhundert auch als Waffen gegen die Obrigkeit benutzt.“

In der Kunstszene ist der Österreicher Walter Kratner bekannt für seine Installationen, in dener er Stricke, Eisen, Steine und Erde kombiniert und sie durch Sicheln, Messer, Nägel oder Bajonette verbindet. „Dies hier ist eine Installation speziell für diesen Raum“, erklärt der 1954 in Graz geborene Künstler zu seiner Ausstellung. Aufgrund der flachen Decke und des ungewöhnlich gemusterten Fußbodens, habe ihn diese Räumlichkeit allerdings vor einige Schwierigkeiten gestellt, gibt Kratner zu. Er sei vor ein paar Wochen erstmalig mit seinem Arbeitsraum konfrontiert worden, und dann frage er sich eben jedes Mal, was möglich ist und was nicht. „Ich habe mich letztlich auf diese Objekte reduziert, keine Nägel verwendet, sondern Stühle mit Seilen an den Rohren der Sprinkleranlage befestigt.“

Drei Wochen hat Kratner benötigt, um seine Installation mit den Stühlen fertigzustellen. „Jeden Tag sei er gekommen und habe Veränderungen vorgenommen“, sagt der sichtlich zufriedene KünstlerObwohl er seine Arbeit für akzeptabel hält, könne es sein, dass sich noch einiges daran ändert, so Kratner. Schließlich reagiere er ja auf persönliche Empfindlichkeiten und die politischen Geschehnissen in der Welt. Und wer weiß, vielleicht hat einer der Stühle in den nächsten Tagen nur noch zwei Beine und er liegt zerbrochen am Boden.

Auch der Einfall mit den drei Stühlen sei erst vor Ort entstanden. Es ging darum, Objekte zu finden, die so einleuchtend wie möglich sind, das tägliche Leben darstellen, aber zusätzlich auch Reflexionen

JANET NEISER (KUNSTHISTORIKERIN, NEUE FREIE PRESSE; SAN FRANCISCO) 69


216.O.T.09, 2009

(Objektinstallation „Hochsitz“, 2009) Graphit und Pastell auf Fotografie auf Papier ca. 30 x 40 cm

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RAUMINSTALLATION „THREE CHAIRS“, 2000 Ausstellungsansicht

Sculptural construction of conflict and suffering: The frame of a wooden dining chair is cupped by a pair of razor-sharp sickles suspended between thick ropes hanging from a ceiling pipe. Pieces of the chair`s wood have been sliced away, suggesting fresh wounds. It`s an image evocative of a prisoner hanging from shackles in a dungeon. But the floor underneath are six black squares of evenly spaced cloth that, in the gallery`s light, seem an invitation to strike up the lotus position. Installation pieces of Austrian-born artist Walter Kratner are currently on exhibit in the Projects Room of 20 Hawthorne Street. The work is simply and beautiful, belying the pain inherent in his choice of materials. Kratner, who divedes his time between Europe and Bay Area, frequents the gallery, so you might catch him rearranging the installations. Try to steer clear of sharp edges. KAREN HILDEBRAND (KUNSTHISTORIKERIN, ARTS & CULTURE)

Working in the Projects Room from a limited selection of usual materials, ropes, sickles and broken chairs, among other objects, Kratner arranged and rearranged in new installation in weekly (and even more frequent) basis. Within the architectural limitations of this particular space, powerful metaphors for conflict and suffering were created. PRESS RELEASE (THE PROJECTS ROOM, SAN FRANCISCO) 71


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„WALLSTREET” RAUMINSTALLATION, 2007 Kulturkeller am Weizberg, Österreich WERKGRUPPEN OBJEKTINSTALLATION „WALLSTREET“ Haarföhn, historischer Bildrahmen (Holz, 5. Kreuzwegstation), Holzkonstruktion, Filzteppich (schwarz), Tageszeitung (Börsenbericht) OBJEKTINSTALLATION „ZEITKERZE“ Fix-Tee-Beutel, Wachskerze, Sand, Nägel, Wasser, Holzkonstruktion, Filzteppiche (schwarz), Blecheimer RAUMINSTALLATION „KARAMBOLAGE / G 8“ 8 Ventilatoren, Holzkonstruktion, 150 Tischtennisbälle (Anzahl variabel), Filzteppiche

Am Beispiel einer Werkgruppe beschäftigt sich der Künstler Walter Kratner mit dem Verhältnis von Provinz und ihrer künstlerischen Abbildung. Wie eine skurille Persiflage auf lokalen Kleinbürgergeist treiben über 150 Tischtennisbälle – von acht Zimmerventilatoren ange­ blasen – in einem begrenzten Viereck über den Ziegelboden des Kellergewölbes. Ein bizarrer Installationskosmos, der auch als Kommentar auf die gegenwärtige politische und wirtschaftliche Situation verstanden werden kann. Solche Anspielungen sind ebenfalls künstlerische Strategie im Objekt „Wallstreet“: Der Kaltstrom eines Haarföhns fixiert eine Zeitungsseite („Wallstreet Journal“) an der Wand. Wird der Luftstrom unterbrochen, fällt das Blatt zu Boden. Ob diese Inszenierung ein Erklärungsmodell für den kafkaesken Zustand des Börsenhandels sein will – oder die vereinfachte Kritik an einem komplexen „cash-flow“ karikiert, bleibt offen. Das Setting der Objektinstallationen wird um den freien Nachbau einer historischen „Zeitkerze“ (König Alfred von England) ergänzt. Ihre Form und Funktion sind skulpturaler Ausgangspunkt, der dann den notorischen Dauerbrenner „Entschleunigung“ parodiert: Harmlose FixTee-Beutel (mit Sand gefüllt) lösen sich regelmäßig vom schmelzenden Kerzenwachs und versinken in einem mit Wasser gefüllten Blecheimer. Der Grazer Künstler setzt damit seine Auseinandersetzung mit dem „Slapstick des Scheiterns“ fort und zielt auf all jene Banalität und Alltäglichkeit, die das Leben eher spiegelt als „ästhetische“ Preziosen. WERKBESCHREIBUNG (PRESSETEXT ZUR AUSSTELLUNG) 73


OBJEKTINSTALLATION „WALLSTREET“

Die Installation „Wallstreet“ von Walter Kratner, bei der eine Börsenseite aus der Financial Times durch den Luftdruck eines Föhns sprichwörtlich „im religiösen Rahmen“ der 5. Kreuzwegstation gehalten wird, versinnbildlicht die mitunter absurd anmutende Situation. Nicht nur dass wir tatsächlich weitgehend von diesen seltsamen Zahlennotationen der Aktienkurse de facto abhängig sind, Kratner persifliert auch die theologische Dimension des heutigen Turbo-Kapitalismus. Etwas ketzerisch erlaube ich mir zu sagen, dass hier christliche Theologie und die Logik des Kapitalismus nicht einfach vergleichend miteinander in Verbindung gebracht sind, sondern dass hier Kapitalmechanismen und Theologie in eins gesetzt sind. Dass würde etwa der These des Soziologen Max Weber entsprechen, der die Entwicklung des Kapitalismus aus der Logik der protestantischen Ethik ableitet. Scheinbar strikte Gegensätze erweisen sich als das Gleiche – mit dem erstaunlichen Effekt, dass sie uneindeutig werden: Der Kapitalismus ist religiös und die Religion ist kapitalistisch, die Ikonen des Kapitals sind mittlerweile selbst Religion, kurz gesagt: Die Verhältnisse sind auch hier „unübersichtlich“, scheinbar verkehrt, indifferent, chaotisch, es ist keine Orientierung möglich. Umgekehrt heißt dies: Wir brauchen Differenzen, denn nur diese ermöglichen uns Muster und Ordnungsstrukturen, mit und in denen wir leben können. RAUMINSTALLATION „KARAMBOLAGE / G8“

Analog dazu zeigt die Installation mit den vom Gebläse der Ventilatoren herumwirbelnden Bällen den entropischen Zustand heutiger Verhältnisse – ob wir dies nun als Persiflage auf unsere persönlichen Lebenssituationen beziehen oder als durchaus „sarkastischen“ Kommentar des Künstlers zum sozialen, politischen, ökonomischen oder gar künstlerischen Status quo der Region. In diesem Relationsgeflecht der herumwirbelnden Bälle verlieren sich eindeutige UrsacheWirkungs-Relationen, eindeutige Kausalitäten und Mechanismen, war74


RAUMINSTALLATION „KARAMBOLAGE / G 8“, 2007 Ausstellungsansicht

Bälle wie auch die Nicht-Bewegung bzw. Fixierung der Zeitungsseite an der Wand sind ja von der Geschwindigkeit der Luftströme abhängig – zeigen sich bei der Arbeit der Zeitkerze (…) – als sollte die durch und durch dromologische Dynamik unseres Heute ihr Gegenbild finden – Aspekte der Dauer und Langsamkeit, der Entschleunigung. Mit den an der Kerze befestigten Teebeuteln wählte Walter Kratner tatsächlich ein paradoxes Emblem unserer Zeit – denn „Tee“ und die Kultur des Teetrinkens sind Manifestationen und Sinnbild einer Kultur der Langsamkeit, die eigentlich in völligem Widerspruch zu unserer Geschwindigkeitsgesellschaft steht – aber deswegen wird heute auch soviel „Kult“ um Teezeremonien, Ruhe und Entschleunigung gemacht. Allerdings ist auch die der Entschleunigung vergönnte Zeitspanne in Form der Brenndauer der Kerze dem Diktat des Vergehens unterworfen – auch Entschleunigung hat eine Geschwindigkeit, wenn auch eine vergleichsweise langsame. Paradox ist auch, wenn man sich vergegenwärtigt, welcher Perspektivenwechsel in der Funktionalität einer derartigen Zeitkerze (nach dem Vorbild der Zeitkerze von König Alfred von England) gegenüber unserer heutigen Zugangsweise vollzogen wird. Maß eine abbrennende Kerze damals die Zeit, so würden wir dies heute für völlig absurd halten und umgekehrt höchstens die Zeit der Brenndauer messen, hier kommt eine vollständige Konversion von Messendem und Gemessenem zum Ausdruck – und analog dazu hat sich auch der Begriff der Zeit bis heute gewandelt. Heute müssen wir uns beschleunigen, um Zeit zu sparen – unsere Eigenbewegung, d. h. Eigengeschwindigkeit definiert, wie viel Zeit wir haben.

um der Zustand gerade jetzt so ist, wie er ist – es ist ein Spiel aus Zufall und Notwendigkeit, wie es in der System- und Chaostheorie so schön heißt: Alles fluktuiert. Deutlich wird durch diese Installation aber auch der Aspekt der Komplexität heutiger Verhältnisse, die ja nicht selten zu Überforderungen führt und den Ruf nach neuen „Einfachheiten“ erschallen lässt. Aber man kann sagen, wer nach Einfachheit, Klarheit, Überschaubarkeit und „Ordnung“ ruft, flieht aus einer Welt, in der es diese beruhigenden, aber bornierten Einfachheiten eben nicht mehr gibt. (…)

(…) Gibt es „Zeit“ im physikalischen Sinne oder ist Zeit nur die Wahrnehmungsweise des Lebendigen als Relation zwischen den Phänomenen der Eigenbewegung und der Bewegung des restlichen Universums? Man kann es auch anders, d. h. konstruktivistisch formulieren: Ist „Zeit“ nur der Effekt eines Beobachters? (…)

OBJEKTINSTALLATION „ZEITKERZE“

Beinahe anachronistisch zu den postmodernen Geschwindigkeitsmanifestationen von Walter Kratner – sowohl die Bewegung der

ERWIN FIALA (PHILOSOPH, KULTURWISSENSCHAFTLER; ERÖFFNUNGSTEXT) 75


472.O.T.(ZEITKERZE).07, 2012

(für: Objektinstallation „Zeitkerze“) Graphit und Pastell auf C-Print auf Papier ca. 30 x 40 cm

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470.O.T.(ZEITKERZE).07, 2012

(für: Objektinstallation „Zeitkerze“) Graphit und Pastell auf C-Print auf Papier ca. 30 x 40 cm

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470.OT.(TEEBEUTEL).07, 2012

(für: Objektinstallation „Zeitkerze“) Graphit und Pastell auf C-Print auf Papier ca. 20 x 20 cm

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469.FÖHN.07, 2012

(für: Objektinstallation „Wallstreet“) Graphit und Pastell auf C-Print auf Papier ca. 30 x 40 cm

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136.ECKFRAGMENT.08, 2008

(für: Centro Culturale Giorgione, Treviso, 1998) 125.BÜNDEL.07, 2007

(für: Rauminstallation „Fremdes Brot“) Hipp-Kunsthalle, Gmunden, 1999 [10] 122.EISENTAFELN.07, 2007

(für: Raum installation „Fremdes Brot“) Hipp-Kunsthalle, Gmunden, 1999 [10] Alle Arbeiten: C-Print, ca. 30 x 30 cm

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„BALANCE / HOMELESS” RAUMINSTALLATION, 2002 Djerassi Resident Artists Program [11], San Francisco für: Steirischer Herbst, 2002 Quellenmuseum Klein St. Paul 3 WERKGRUPPEN

(„BALANCE“ / „HOMELESS“ / „FREEZE“) Österreichisches Gesetzbuch, Glastafel (zertrümmert), Eisentafeln, Wandobjekte, Hanfseile, Zelt (aus San Francisco, gekippt, frei schwebend), Kalksteine, Bodenobjekte und Wandobjekte

Ausgangspunkt für die Projektarbeit ist die Lebenssituation von Obdachlosen in San Francisco. Ein Teil von ihnen benutzt Camping-Zelte als temporäre Behausung. Das Zelt wird – in der Nacht im urbanen Raum kurzzeitig aufgebaut – zu einem prekären Schutzschild. Als „Illegale“ leben sie in ständiger Angst, von der Polizei aufgegriffen zu werden. Deshalb wechseln die Obdachlosen rastlos ihre „SchlafOrte“ in der Stadt. Permanenter Schlafentzug ist die Konsequenz. AUSSTELLUNGSTEXT (PROGRAMMHEFT, STEIRISCHER HERBST, 2002)

In der Installationsgruppe „balance“ nehmen Buch und Zelt eine auffallende Bedeutung ein. Sie gehören zu den archetypischen Bildern für das menschliche Suchen nach Welt- und Geschichtsordnung. In der Objektinstallation „balance“ verschieben sich allerdings die Bedeutungen: Das Buch, gewöhnlich verstanden als kostbare Quelle für Erkenntnis und Wissen, erweist sich als gesetzgeberischer Maßnahmenkatalog (Das „Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch“ ) aus dem Jahre 1930. [12] Ebenso wird in dieser Raumkomposition das Zelt unbetretbar gemacht und dem Menschen als Ort für Behausung, Schlaf oder Rückzug entzogen.

ARBEITSZEICHNUNG, 2002 Mischtechnik auf Papier (Kohle, Kreide, Bleistift) 40 x 30 cm

RAUMINSTALLATION „BALANCE / HOMELESS“, 2002 Ausstellungsansicht

Die Werkgruppe ist eine skizzenhafte Abbildung von gesellschaftlichen Zuständen, in der das Echo einer entfernten Katastrophe mitschwingt.

OBJEKTINSTALLATION „FREEZE“, 2002 Plexiglas, Stacheldraht, Brot (getrocknet und vernäht), Jutesack, Winkeleisen 2-teilig, jeweils ca. 50 x 50 cm

KATALOGTEXT (PROGRAMMHEFT, STEIRISCHER HERBST, 2002) 83


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RAUMINSTALLATION „BALANCE / HOMELESS“, 2002 Installationsansicht / Ausschnitt Österreichisches Strafgesetzbuch (von 1930, gepresst), Glastafel (zertrümmert, als Lesezeichen gepresst)

SITUATIONSZEICHNUNG „HOMELESS“, 2002/2009

(für: Djerassi Resident Artists Program) Graphit auf Papier ca. 30 x 30 cm

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ARBEITSZEICHNUNG „HOMELESS“, 2002

(für: Djerassi Resident Artists Program)

Mischtechnik auf Papier (Kohle, Kreide, Bleistift) 40 x 30 cm 86


RAUMINSTALLATION „BALANCE / HOMELESS“, 2002 Ausstellungsansicht / Bodenobjekt 2 Teller (Porzellan, weiss), 1 Projektil, 17 abgeschossene Projektilhülsen (Gewehrpatronen), 2 Eisentafeln (35 x 35 x 0,8 cm)

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472.O.T.07, 2007

(Rauminstallation „pane negato“,Basilica di Santa Maria, Rom) [13]

Graphit, Pastell, Öl auf Fotografie auf Papier ca. 30 x 40 cm

EMPTY PLATES, 2000

(Rauminstallation „Fremdes Brot“, Hipp-Kunsthalle, Gmunden) für: „Drawing for Peace“, Kentler Gallery, New York Graphit auf Fotografie auf Papier ca. 20 x 30 cm

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RAUMINSTALLATION „HUNGER IS THE BEST SOURCE“, 2013 Ausstellungsansichten

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“HUNGER IS THE BEST SOURCE / DER LANGE HUNGER” OBJEKTINSTALLATION, 2002 / 2013 Hannes Schwarz Saal, Weiz (bei Graz) Wallfahrtskirche am Weizberg 2 Porzellanteller (weiß), 1 Projektil, 17 abgeschossene Projektilhülsen (Gewehrpatronen), 2 Eisentafeln (35 x 35 x 0,8 cm), 2 Glastafeln, Tischkonstruktion (Holz, grau lackiert, ca. 220 x 95 x 90 cm), Tragelement (Vierkantholz, geölt), Handgriffe, Rollen, schwarzer Filzteppich (ca. 300 x 400 cm), Auflageteil (Holz, grau lackiert, schwarze Filzeinlage, Handgriff)

(...) Aus der Perspektive eines Afro-Amerikaners, kann man die aktuelle Notlage verzweifelter afrikanischer Migranten nach Europa nur mit der Misere afrikanischer Menschen auf hoher See vergleichen, die vor zwei Jahrhunderten für die Küste Amerikas bestimmt waren. Unsere Geschichtsbücher nennen es „Middle Passage“. In Ketten wurden wir enthusiastischen amerikanischen Käufern zugestellt. Käufer, die sich selbst erst vor kurzem von der Abhängigkeit Europas befreit hatten und die hofften mit uns ihr Vermögen zu machen. Für einige heute einflussreiche Familien, war es der Beginn ihrer Bedeutung im amerikanischen Gesellschaftsgefüge. (...) GREGORY EDWARDS (KÜNSTLER, SAN FRANCISCO) 91


(...) Fasse ich meine Meinung über die Tragödie auf den überfüllten Schiffen im Mittelmeer und im Atlantik kurz zusammen, reicht es zu sagen, dass die Gründe in der fortwährenden Ausbeutung liegen. Unsere afrikanischen Brüder und Schwester reagieren jetzt lediglich auf die neuen Umstände. Obwohl die Ausbeutung heute hauptsächlich durch ein Konzert aus Multinationalen Konzernen und korrupten afrikanischen Beamten erfolgt, fließt der Löwenanteil der Bereicherung in die Geldsäckel einflussreicher westlicher Familien. Die Ungleichheit in der Verteilung des Wohlstandes dauert unvermindert an. Ansätze dieser Ungleichheit glauben Philosophen bereits im 13. Jahrhundert auszumachen. GREGORY EDWARDS (KÜNSTLER, SAN FRANCISCO)

(...) Jesus möchte, dass wir Gott nicht nur im Tempel anbeten. Er möchte, dass wir ihn in den Geringsten erkennen; in denen, die heute wie Ratten vor unseren Toren ertrinken. (...)

RAUMINSTALLATION „HUNGER IS THE BEST SOURCE“, 2002 / 2013

FERY BERGER (CARITAS, ÖSTERREICH)

Ausstellungsansichten

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(...) Die Bildsprache von Walter Kratners Arbeit „Lampedusa“ führt uns auf hohe See, wobei Überreste eines gesunkenen Bootes den Betrachter mit dem aktuellen politischen Thema verbinden. Das Thema handelt von Flüchtlingen aus Afrika, die im Mittelmeer ertrinken. Sie ertrinken in der einstigen Wiege der Menschheit. Die Fragen sind seit dem dieselben geblieben.

Der Mythos ist eine Vorstellung, an die manche glauben. Er erweist sich weder als „richtig“ noch als „falsch“. Er ist der Wunsch, die „condicio humana“ besser zu verstehen. Den Mythos zu verstehen ist Qual, ein Schmerzmittel für die menschliche Existenz. Den Mythos zu „verstehen“ bedeutet „verstehen“. Politik und Philosophie sind zwei unüberbrückbare Felder. Die Tragödie, die Bestrafung durch Gott ist sinnlos. Die Bestrafung zu verstehen ist ebenfalls ein enttäuschender und sinnloser Versuch.

Franz Kafka sagte über sein Schreiben: „Ein Buch muss die Axt sein für das gefrorene Meer in uns”. Meine Freunde, die Meere sind bereits geschmolzen. Kafka hat sie bereits eingeschlagen und die Geschichte wiederholt sich selbst. Wir haben entschieden, in eine andere Richtung zu sehen, obwohl die richtige Richtung bereits gegeben wäre.

Sisyphos wurde ein klassisches Beispiel für Leid, und Prometheus wurde zur ewigen Nahrung. Die Flüchtlinge im Mittelmeer sind Ausdruck fehlgeleiteter Navigation, – auf der immer währenden Suche nach Ikarus und Daedalus.

Vor vierzig Jahren bekam ich eine alte Ausgabe von Albert Camus` „der Mythos von Sisyphos“. Ich las täglich in diesem Essay und versuchte die Metapher für mich einzuordnen.

Ikarus und Daedalus versinken nach ihrem Versuch, wie ein Vogel zu fliegen, im Meer. Immer höher geflogen, stürzen sie in die See und schlagen auf die Boote der Flüchtlinge. Die griechische Mythologie verbindet sich mit ihrem endgültigen Schicksal.

Die Götter vertrauten Prometheus die Erweckung der Menschheit an. Also ging er auf die Erde und formte sie aus Ton. An einen Felsen über den Ozean wurde Prometheus gebunden und der Adler fraß von seiner Leber, die sich zu seiner Qual immer wieder erneuerte, da er ein Unsterblicher war.

SHMULIK KRAMPF (GALERIST, “REFUSALON”, SAN FRANCISCO) 93


445.A.HOLZLEITER 13, 2013 445.B.HOLZLEITER 13, 2013 Graphit und Pastell auf Fotografie auf Papier ( jeweils ca. 40 x 30 cm)

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445.A.HOLZLEITER 13, 2013 445.B.HOLZLEITER 13, 2013 Graphit und Pastell auf Fotografie auf Papier (jeweils ca. 40 x 30 cm)

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„LAMPEDUSA“ RAUMINSTALLATION, 2015 Wallfahrtskirche am Weizberg (bei Graz) Holz (grau, lackiert), Bauholz (geölt), luftgetrockneter Kadaver einer Ratte, Glastafeln, Handgriffe, Beschläge, Drehräder, Filzteppich (ca. 700 x 300 cm)

Die Objekt-Installation „Lampedusa“ von Walter Kratner hat im Grundsatz etwas Klassisches. Das Video zur Installation zeigt ihre diversen Aspekte. Zunächst ist die gesamte Raumsituation im Blick und verdeutlicht, dass die Installation zur barocken Umgebung der Kirche im formalen Kontrast steht. Schlank, durchlässig und in drei getrennten, gleichwohl aufeinander bezogenen Teilen liegt ein Boot, pragmatisch auf kleinen Rollen auf einem Tuch gelagert, seitlich im Kirchenraum.

Video wird sie fokussiert. Sie gibt dem vermeintlich harmlosen Boot eine profunde Schärfe. Zugleich liegt sie unter der Glasabdeckung wie ein Museumsobjekt, Distanz entsteht, das Ekelgefühl wird abgemildert und aufgefangen. Es wandelt sich in Ehrfurcht vor dem Tod. Die Symbolisierung der Situation ist in der Installation ebenso eindeutig wie kompromisslos. Die auf Spannung und Kontrast ausgelegte Form und der dramatisch geladene Inhalt gehen künstlerisch eine wirkungssteigernde Einheit ein. Deutlicher kann man die Tragik der Flüchtenden nicht machen.

Der Titel „Lampedusa“ verweist auf die rettende, italienische Insel im Mittelmeer, das erste Ziel tausender Flüchtlinge, die auf ein besseres Leben hoffen. Die unerträglichen Meldungen von gesunkenen Schiffen und ertrunkenen Flüchtlingen, die das Ziel nicht erreichen, beherrschen besonders im Frühjahr 2015 die Medien. Die Boots-Installation verweist auf die tragischen, traurigen Geschehnisse im Mittelmeer, das zum Massengrab wird.

SUSANNE RAMM-WEBER (KUNSTWISSENSCHAFTLERIN, OFFENBURG)

Zwei der drei farblich einheitlich gestalteten Teile stellen Bug und Heck des zerbrochenen Bootes dar, ohne Außenhaut, gerüstartig angedeutet nur, dabei formschön, wohlproportioniert, unauffällig grau und handwerklich sorgfältig gearbeitet. Der Bug bäumt sich auf und neigt sich zur Seite. Indirekt kommt das Wasser, seine unruhige Bewegung ins Spiel der Vorstellung, das Boot als Spielball der Wellen. Der Schiffbruch ist programmiert. Hölzer mit Nägeln ragen sperrig gebrochen über die verschobenen Bootsteile hinaus. Die Bruchsituation ist sehr bewusst und präzise gestaltet. Sie ist zentral und sie steht im Kontrast zur sorgfältigen handwerklichen Ausführung.

„Wo wollen wir denn hin?” Die Vervielfältigung der Geometrie ist Stück für Stück in der Finsternis versunken und das Horn des Wellenbrechers, das sich gegen den Himmel richtet, ist nutzlos. Unser Rückgrat ist gebrochen. Wir sind ineinander verknotet und das Fieber der Pest hat uns blind gemacht. Vielleicht offenbart sich ein Strand in einer der nächsten Wiederholungen.

Inmitten dieses Bruchs liegt niedrig der dritte Teil, der mit seiner Breite die Bootsteile optisch verbindet und dem Ganzen einen Aspekt von Ruhe gibt. In diesem mittleren Teil liegt in einer Aussparung aus geordneten Lamellen, wie eingebettet, in einem gläsernen Sarg eine weißliche tote Ratte, Sinnbild für Tausende Ertrunkene. Im

MASOUD RAZAVY POUR (VISUAL-MEDIA-ARTIST, GRAZ / TEHERAN) 97


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Die Installation „Lampedusa” erinnerte mich an „das Ende der Geschichte und der letzte Mensch”. [14] Das Werk stellt nämlich eine Geschichte aus, die weder linear noch periodisch verläuft. Die Installation erinnert an Stillstand und Wiederholung. An Ereignisse wie: die Krise der Kirche während der Aufklärung, den Widerspruch zwischen Moral und Macht, an antike Sklaverei und die daraus folgenden Migrationswellen der Afrikaner Richtung Europa. An den geistigen Austausch zwischen Griechenland und dem Osten, an das Erblühen der Zivilisation entlang der mediterranen Ländern. Jedes dieser Ereignisse ist, in ihrer ewigen Wiederholung, ein Zeuge des Untergangs eben dieser Geschichte. Als ob die Zivilisation den Wahn der Modernität auf die Spur gekommen wäre. Für die „Zivilisation“ bedeutet die brennende Fackel [15] der „Lampedusa” das Zeichen der inneren und äußeren Krisen des modernen Menschen und dessen Bedürfnis nach Migration.

(...) Die Dreiteiligkeit der Installation könnte mit der GedankenTrilogie „Ost, West, Katastrophe“ auch einen Hinweis auf die Dreifaltigkeit beinhalten. JAVID RAMEZANI (ART DIRECTOR, ASSISTANT PROFESSOR, TEHERAN)

Das Boot wurde in drei Teilen zerstückelt. Die Besatzung hat das geplagte Schiff verlassen, – und / oder: die Migranten fanden auf der Suche nach einem besseren Leben im stürmischen mediterranen Meer den Tod. Ertranken. Sie hatten den Horizont Europas erblickt und vermuten dort das erhoffte Glück. Hatten jedoch vergessen, dass für ihre Väter das Tor nach Europa den Weg in die Sklaverei bedeutete. Scheinbar ist das mittlere Stück der Installation eine Station zwischen dem Osten und dem „fortgeschrittenen“ Westen. Die getrocknete Leiche der toten verpesteten Ratte liegt in der Mitte und die zerbrochenen Teile seitlich davon. Der mittlere Teil, wie die verdorrte Insel südlich von Sizilien, ist an Pest erkrankt und schon tot; vielleicht ist das die Schuld des Heiligen Papstes.

OBJEKTINSTALLATION „LAMPEDUSA“, 2015 Installationsansichten

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OBJEKTINSTALLATION „LAMPEDUSA“, 2015 Installationsansicht / Ausschnitt: luftgetrockneter Tierkadaver einer Ratte

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OBJEKTINSTALLATION „LAMPEDUSA“, 2015 Installationsansicht

Der Künstler / Bildhauer Walter Kratner greift auf Metaphern zurück, um seine Botschaft zu vermitteln. Die aufwühlende Botschaft der Objektinstallation „Lampedusa“ dringt tiefer in das Herz des Betrachters ein, als Wörter es könnten. Denn die Wörter verstummen in diesen Tagen angesichts der Bilder von Kriegsgeschehen, Zerstörung, Flucht und Tod. Das Boot ist die Metapher für das „Reisen“ schlechthin. Das Boot ist das Leben, die Wiege, Arche und Sarg, – gedacht in See zu stechen, um an einem anderen Ort wieder anzulegen. Hier ist der Ort der Ankunft bereits aus dem Titel des Werkes abzulesen, „Lampedusa“, – eine Insel im Mittelmeer, die an der Grenze zweier Welten liegt. Zwischen einer Welt, die das Individuum als Bürger mit Rechten und Pflichten ansieht, und einer zweiten, die den Anderen als unterlegen und rechtlos behandelt. So flüchten die Rechtlosen dorthin, wo sie glauben, das Recht einfordern zu können, als Mensch behandelt zu werden. Aber die Flucht ist voller Gefahren und das Boot zerbricht. Das Leben zerbricht und findet keine Fortsetzung. Das zerschellte Boot ist Bild für eine solche tragisch unterbrochene Reise. Walter Kratner zeigt den Bruch in dramatischer Härte. Er baute das Objekt aus lackierten Hölzern und polierten Materialien nach, um zu beweisen, dass die Verantwortlichkeit für die Tragödie Folge unfassbarer, perverser, beängstigender Umstände ist. Im Relikt des Bootsgerüstes findet sich eine tote Ratte. Die Ratte ist die letzte, die das sinkende Schiff verlässt. Die Ratte ist das chthonische, irdische Bild von der Welt, dem alles durchdringenden Geheimnis des Lebens, von der latenten Greuel, von der Pest. Die Ratte lässt uns den Blick abwenden, aber Walter Kratner zwingt uns gerade dadurch hinzusehen und das ausgetrocknete Tier schreit uns zu: „Obwohl ihr glaubt, von Schuld freigesprochen zu sein, ward ihr doch beteiligt!“ STEFANIA SEVERI (KUNSTHISTORIKERIN, KURATORIN) 101


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literatur mahnmal „porajmos“ chronologie

ANHANG

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LITERATUR

[1]

Katalog: Walter Kratner, „Der Auftrag_Gesten der Macht_Entfernte Nähe“, Kulturzentrum bei den Minoriten Graz, Kurator: Johannes Rauchenberger, 2005 [2]

(…) Von Ikonen der Macht und ihrer verheerenden Wirkung. Eine beeindruckende Installation von Walter Kratner in der Minoriten-Reihe “cumulus_kunst: Vor Ort”. 1500 Meter Kabel winden sich im Aufgang zum Minoritensaal – und enden in einer Fassung mit schlichter Glühbirne. Sie allein und nicht der prächtige Luster erhellt den Raum. Und sechs dunkle Großformate, die nach und nach ein (leider) bekanntes Gesicht freigeben: nämlich das von Adolf Hitler. Der Grazer Walter Kratner verwendet Heinrich Hoffmanns berühmte Fotostudien von 1927, die Hitler gewissermaßen beim Training zeigen. In Posen, die heute hohl wirken, aber vor 70 Jahren unendlich wirksam waren. „Gesten der Macht”. Kratner konfrontiert in seiner beeindruckenden Arbeit unterschiedliche „Gesten der Macht”, Nazi-Ikonografie mit barocker. Und zeigt, wie sich Macht repräsentiert, was passieren kann, wenn Ideologie oder Religion mit tatsächlicher politischer Macht ausgestattet werden. Ein weiteres Tableau zeigt eine mögliche Folge derartig verhängnisvoller Konstellationen: Auschwitz aus der Luft, Fabrik für die Vernichtung des “Anderen”. Hoch aktuell. Zit.: Walter Titz (Kleine Zeitung)

Kulturzentrum bei den Minoriten

Rauminstallation “Dämmerung” Material: Kalkstein, Wasser, Hanfseil, Wassereimer, Filzverhängung

[6]

Vgl.: Memory Lab. Photography Challanges History, MUSA Wien, 2015: Welche Bedeutung hat das fotografische Bild in Bezug auf die Konstruktion von Vergangenheit und Geschichte? Wie wird die Distanz zwischen damals und heute, zwischen aktuellen und vergangenen Lebensverhältnissen überwunden, welche „Wirklichkeit“ generiert sich hierbei?

[3]

Katalog: „1+1+1=1 Trinität“, Herausgeber: Philipp Harnoncourt, Birgit Pölzl, Johannes Rauchenberger, Edition Korrespondenzen, 2011

Belastet mit einem schweren historischen Erbe der letzten 100 Jahre, setzten sich KünstlerInnen heute intensiv mit der Vergangenheit auseinander, reflektieren subjektive Erfahrungen und machen so die offizielle Historie und deren Auswirkungen nachvollziehbar.

[4]

(…) Der Grazer Walter Kratner (*1954), der in Nürnberg und Florenz Design und Kunstgeschichte studierte, hat das Thema in eine sinnliche, ironische Objektinstallation gepackt, mit Alu-Leiter, Holzbrett, Wassersackerln, Kübeln, Bügeleisen, Klemmen, Plastikschläuchen: „Pfffff“ (2008/2011), das sich in sechs Sätzen mit Identität und Nichtidentität von Vater, Sohn und Heiligem Geist beschäftigt, ist auch die Versuchsanordnung zu einem Experiment. Aus einem Wasserbehälter (1) löst sich ein Tropfen (+1) durch ein Infusionsbesteck, um auf eine heiße Platte (+1) zu fallen. Es erfolgt die Transformation in Dampf (=1). Nicht alle Beiträge sind so hinterlistig, viele aber setzen auf Reduktion.

Gerade bei der Hinterfragung des bildlichen Gedächtnisses, beim Formulieren von Erinnerung zeigt sich die Herausforderung, die sowohl in der künstlerischen Gestaltung als auch in der Betrachtung liegt: Bilder, die an unser Erinnerungsvermögen appellieren, vergegenwärtigen das Vergangene, verlangen zugleich aber, dass wir uns in der Erinnerung daran der eigenen Gegenwart bewusst sind. Die ausgewählten, oftmals sehr persönlichen Foto- und Videoarbeiten verdeutlichen, dass Geschichte stets aus mehreren Komponenten besteht – dem Geschehenen an sich und seiner (Re-) Konstruktion. Letztlich sind wir es, die Vergangenes aus dem Heute zu verstehen versuchen.

Zit.: Norbert Mayer (Die Presse, 26.06.2011) [5]

Vgl.: Rauminstallation „Dämmerung”, Kulturzentrum bei den Minoriten, Graz, 1996 (…) The choice of material derives from the iconography of poverty which characterizes the Franciscan order: wood pressed between two columns, a poor material with nails. The wood also acts as a division between the inside and outside – a wooden barrier referring to the psychological state of those inside. The architectural function of the cloister columns, meant to alternate dark and light as a form of meditation, is heightened with the resulting dimunition of light.

[7]

Katalog: „Made in Austria“, Galeria Sztuki Wspòlczesnej ESTA, Gliwice, Polen, 2013 [8]

Katalog: „9th International Biennal of Miniature Art“, Herausgeber: Cultural Centre Gornji Milanovac, The Modern Gallery, Serbien, Kuratorin: Mirjana Peitler Selakov.

Walter Titz, Kleine Zeitung, Graz (engl. Version: Galerie „refusalon, San Francisco) 105


SEITE 106

217.O.T.02, 2007

(Bodenobjekt: Redwood, Paperbags) für: Djerassi Resident Artists Program, San Francisco, 2002 Graphit, Pastell, Öl auf Fotografie auf Papier ca. 20 x 30 cm SEITE 104

SEITE 102

126.BROTPRESSUNG.07, 2007

118.EISENTAFEL.07, 2007

C-Print auf Papier, ca. 30 x 30 cm

C-Print auf Papier, ca. 30 x 30 cm

(Hipp-Kunsthalle, Gmunden 1999) für: Rauminstallation „Fremdes Brot“,

(Objekt „banana bread“; für: Atelierhaus Panzerhalle, Berlin) Material: Brot, Draht, Baumrinde, Schraubenzwinge 106


[9]

Katalog: „Il Canto della Terra“ (Poesie von Claudio Claudi, Werke von Francesca Cataldi, Anna Esposito, Daniel Hees, Walter Kratner), Herausgeber: Biblioteca Casanatense, Rom, Kuratorinnen: Stefania Severi, Cristiana Ubaldini, 2011, Edilazio Letteraria, 2009 [10]

Nachdenknahrung „Fremdes Brot“ (…). Wer die Souveränität verliert über „eigenes Brot“ verfügen zu können, sondern stattdessen auf „fremdes Brot“ angewiesen ist, befindet sich meist in einer schrecklichen Notsituation, ausgelöst durch Naturkatastrophen, Krieg, oder einschneidende Schicksalsschläge. Solcherlei existentielle Fragen verbergen sich hinter der Installation „Fremdes Brot“ von Walter Kratner, der hierfür den Raum der Hipp-Halle optimal zu nutzen verstand und eine symbolkräftige Inszenierung fand: lange Stangen an deren Spitzen Brotscheiben mit Draht befestigt wurden (eine Darreichungsform, die zudem nicht direkt mit der Armut in Kontakt kommen möchten), lehnen an den Wänden, darunter schwarze Stoffbahnen, auf welche manchmal bereits ein Brotstück hinab gefallen ist, am Boden verfällt, erhärtet, verschimmelt oder bricht. Dort verästeln sich verschiedene Interpretationsmöglichkeiten, Humus für Nachdenkpausen.

Hipp-Kunsthalle Gmunden

Rauminstallation „Fremdes Brot” Material: Eisentafeln, Hanfseil, Sichel, Filz, Erde, Kohlensäcke

Die Objekte, die nicht nur durch ihre spartanische Reduktion aufs Symbolhafte überzeugen, sind in der Gmundner Hipp-Halle zu sehen. Zit.: Otto Johannes Adler, Salzkammergut Zeitung, (27. Mai 1999) [11]

Djerassi Resident Artists Program 2002, Woodside, California: The mission oft the Djerassi Resident Artists Program is to support and enhance the creativity of artists by providing uninterrupted time for reflection, and collegial interaction in a setting of great natural beauty, and to preserve the land on which the program is situated. [12]

Vgl.: Katalog: „5a Biennale Libro d`artista, Città di Cassino, 2007“, Herausgeber: Comune di Cassino, Assesorato della Cultura, Kuratorin: Vittoria Biasi, Tipografia Alfa, Napoli

Biennale del libro, Casino

Buchobjekt „Lenin 1“ Hipp-Kunsthalle Gmunden

[13]

Rauminstallation „Fremdes Brot” Material: Flacheisen (gezundert), mit Draht vernähtes Brot, Eisenhaken, Filz

Katalog: „Venite adoremus / mostra d`arte sacra“, Herausgeber: Basilica di Santa Maria in Montesanto, Chiesa degli Artisti, Rom, Kuratorin: Stefania Severi, Edizioni Joyce & Co, Rom

Der in Graz geborene Künstler verwendet für seine Arbeiten offensichtlich gern solch rudimentär einfachen Materialkonstellationen, Ausdruck einer Konzentration aufs Wesentliche. So zeigt eine weitere Installation Kratners in sieben Längsreihen geordnete leere Jutesäcke, in deren Faltmitte sich jeweils ein kleiner Kegel Salz befindet – organische Stoffe Jute und Salz, die normalerweise nie aufeinandertreffen. Ähnliche Spannungsverhältnisse – allerdings deutlich gewichtigerer Art – bieten ferner mehrere Metallplatten, die von verschnürten Säcken (in denen, wie der Künstler versichert, sich lediglich Erde befindet) im Gleichgewicht gehalten werden, wobei verschärfender Weise am Ende der verbindenden Zugseile sich statt eines Hakens eine Sichel befindet, welche eines Tages die Vertäuung durchtrennen wird – eine Spannung also, die tatsächlich zum Zerreißen führt – Sinnbild äußerst fragiler Gleichgewichtszustände, welche jederzeit ins Chaotische umkippen können.

Basilica Santa Maria in Montesanto

Installation „Pane negato“ Material: Teller, Brot, Eisendraht

[14]

Gleichnamiges Buch des amerikanischen Politikwissenschaftlers und Philosophen Francis Fukuyama. [15]

Das Wort „Lampedusa” bedeutet „Fackel”. Die Insel Lampedusa war ein Stützpunkt für Piraten und Händlern mit afrikanischen Sklaven. 107


505.PORAJMOS.12, 2013

(Material: Radachse, Eisenbahnschiene, Beton) Graphit, Pastell auf Fotografie auf Papier ca. 40 x 60 cm

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MAHNMAL „PORAJMOS“, 2012 für die im Nationalsozialismus ermordeten Sinti und Roma WALLFAHRTSKIRCHE AM WEIZBERG (BEI GRAZ)

(…) Das Mahnmal qualifiziert die nationalsozialistischen Verbrechen als Völkermord an Sinti und Roma, der aus dem gleichen Motiv des Rassenwahns, mit dem gleichen Vorsatz und dem gleichen Willen der planmäßigen und endgültigen Vernichtung durchgeführt worden ist – wie an den Juden.

Wallfahrtskirche am Weizberg,

Mahnmal „Porajmos” Zerbrochene Radachse, Eisenbahnschienen, Betonfundament

(...) Der Entwurf des Künstlers nahm den ureigenen Auftrag jeden Denkmals, nämlich zu erinnern, sehr ernst. Es setzt ein deutlich wahrnehmbares Zeichen. Vielleicht ist ein solches Mahnmal auch ein Anlass, der viele Passanten zum Nachdenken bringen wird. Die Symbolik ist vertraut – und unbequem zugleich.

Wallfahrtskirche am Weizberg,

Mahnmal „Porajmos”; Mahnmal und Gedenktafel

Der Begriff „Porajmos“ (auch manchmal „Porrajmos“ ) bedeutet in der Sprache der Roma und Sinti „das Verschlingen“. Er wird in der neueren Literatur für den nationalsozialistischen Völkermord an den Roma und Sinti verwendet. Die Verwendung von „Porajmos“ anstelle von Holocaust vermeidet einerseits die schwierige Diskussion über die Singularität des nationalsozialistischen Verbrechens aufgrund der Rassenideologie an den Juden – andererseits übernimmt der Begriff, in Analogie zu „Shoah“, die Sprache und Perspektive der Opfer. Vgl. dazu Mahnmaldiskussion. Berlin, 2010; „Der Spiegel“, 27.12.2010 / „ORF - Landesstudio Steiermark“ zur Eröffnung am 6. Mai 2012 109


2005, Kulturzentrum bei den Minoriten, Graz [Rauminstallation “Der Auftrag_Gesten der Macht_Entfernte Nähe”], Katalog 2005, Schloss Dachau [Objektinstallation “Der Makel”], Katalog 2006, Haus der Künste, Jesteburg, Hamburg [Objektinstallation “O.T.”] 2006, Kunsthaus Weiz, Österreich [Objektinstallation mit Sieglinde Gerstl “Sperrzone”] 2007, Biennale del Libro, Cassino, Italien [3 Buchobjekte “Lenin 1“, “Lenin 2“, “Lenin 3“], Katalog 2007, Stift St. Lambrecht, Peterskirche, Österreich [Rauminstallation “Attendite“], Katalog 2008, International Biennial of Miniatur Art, Gornji Milanovac, Serbien [Objekt “Handicap“], Katalog 2008, Exit Art, New York [Photo-Documentation “Green“] 2009, Biblioteca Nacional Argentina, Buenos Aires [Foto-Dokumentation mit Luis Camnitzer “The last book“] 2009, Biblioteca Statale del Monumento Nazionale, Grottaferrata, [3 Buchobjekte “Lenin 1“, “Lenin 2“, “Lenin 3“] 2009, Quellenmuseum, Klein St. Paul, Österreich [Objektinstallation “homeless“] 2010, Zentralbibliothek Zürich [“El último libro”, proyecto de Luis Camnitzer] 2010, Haus Frey, Galerie Kunst & Handel, Graz [Objekt “Handicap”] 2010, Premio di Scultura, San Felice Circeo, Italien [Objekt “Per Circe”] 2011, Biblioteca Aguilar, New York Public Library [“El último libro”, proyecto de Luis Camnitzer] 2011, Biblioteca Casanatense, Rom [Bilderzyklus “Hart Island”], Katalog 2011, Kulturzentrum bei den Minoriten, Graz [Objekt “pffff” zur Themenausstellung “1+1+1=1 / Trinität“], Katalog 2011, Galerie Cabinet, New York [Fotoarbeit “An exchange with SoLeWitt”], Katalog 2012, Stift Rein, Graz [Installation “Celan” für “8. Steirische KünstlerInnen-Klausur”] 2012, ORF-Zentrum, Graz [Zeichnungen und Objektinstallation “Celan”] 2012, Hypo-Bank, Graz [Bilderzyklus “Werkzeug”] 2012, Württembergische Landesbibliothek, Stuttgart [Bilderzyklus “Hart Island”], Katalog 2013, Artforum, Offenburg, Europäisches Symposium [Objektinstallation “5 Days”] 2013. QuartierLeech, Graz [Bilderzyklus “Werkzeug”] 2013, Galeria ESTA, Gliwice, Polen [Objekt und Fotoarbeit “Austrian Landscape”], Katalog 2013, Theater Trier [Bilderzyklus “Hart Island”], Katalog 2013, Kunstbad Graz [Objekt “Unruhe “] 2014, “Ten Days“, St. Johann b. Herberstein [Bilderzyklus “Die Unvorhersehbarkeit der Katastrophe“]

AUSGEWÄHLTE AUSSTELLUNGEN

1994, Kirche San Giovannni degli Almadiani, Viterbo, Italien [Zyklus “13 disegni”], Katalog 1995, steirischerbst 95, Out of Graz [Rauminstallation “Abtransport”] 1996, Kulturzentrum bei den Minoriten, Graz [Rauminstallation “Dämmerung”] 1997, Kulturzentrum Ajka, Ungarn [Objekt “Spannung”] 1997, Kulturzentrum Weberhaus, Weiz, Österreich [Rauminstallation “natura morta”], Katalog 1998, Kunstwoche Jesteburg, Hamburg [Rauminstallation “Stille”] 1998, Centro Culturale Giorgione, Treviso, Italien [Objekt “Eckfragment”] 1998, Kunstkeller am Weizberg, Österreich [Rauminstallation “Zerstört”] 1999, Hipp-Kunsthalle, Gmunden, Österreich [Rauminstallation “Fremdes Brot”] 2000, Galerie “refusalon”, San Francisco [“Dear Austria”, Foto-, Rauminstallation mit Roman Signer] 2000, Galerie “The Projects Room”, San Francisco [Rauminstallation “Three Chairs”] 2000, Vienna Contemporary Art Fair, Galerie Hubert Winter, Wien [Rauminstallation “Dear Austria 2”] 2001, Museum Exploratorium, San Francisco [Objektinstallation “helpless”], Katalog 2001, New Orange Gallery, San Francisco [Bilderzyklus “paper bags”] 2002, ComputerArt Festival, Multimedia Center “kibla“, Maribor [“helpless 2”, Rauminstallation mit Helmut Schäfer] 2002, Djerassi Art Program, San Francisco [Projektarbeit “homeless”], Katalog 2002, steirischerbst 02, Out of Graz [Rauminstallation “balance”] 2002, Kentler Gallery, New York [Zeichnung “Drawing for peace”] 2003, Galerie Malzhaus, Plauen bei Leipzig [Objektinstallation “Bewegung”] 2003, Atelierhaus Panzerhalle, Berlin, Potsdam [Objekt “banana bread “] 2003, Augsburg, Bertolt Brecht Haus [Objektinstallation “Ursache und Wirkung”] 2004, Wallfahrtskirche am Weizberg, Österreich [Rauminstallation “Salz”] 2004, steirischerbst 04, Out of Graz [Rauminstallation “floating toys”] 2004, Museum im Ritterhaus, Offenburg [Objekt “Vaterstadt” / mit Günter Brus und Hannes Schwarz] 2004, Basilica di Santa Maria in Montesanto, Rom [Objektinstallation “Pane negato”] 2005, Städtische Galerie im Kulturforum, Offenburg [Rauminstallation “non mi ricordo”] 2005, Kunsthalle Arnstadt, Thüringen [Objekt “banana bread”] 110


2015, Kunstbad, Steiermarkhof Graz [Objekt “Celan”] 2015, Wallfahrtskirche am Weizberg, Österreich [Objekt “Lampedusa”] 2015, Galerie Reflektor, Wien [Objekt “Celan”] 2016, Wallfahrtskirche am Weizberg, Österreich [Objektinstallation “Der lange Hunger”] 2016, Österreichisches Kulturforum, Istanbul [Objekt und Fotoarbeit “Austrian Landscape 2”]

PREISE (AUSWAHL)

Djerassi Artists in Resident, San Francisco, 2002 Kulturzentrum bei den Minoriten, Graz, 2011 (3. Preis für Objekt “pffff” zur Themenausstellung “1+1+1=1 / Trinität“)

OBJEKTE IM ÖFFENTLICHEN RAUM, PERMANENTE INSTALLATIONEN

2001, “Lichttrog”, Lichtskulptur / “GeminiHaus” (Landesausstellung 01), Katalog 2001, “Alte Kegelbahn”, Architektonische Skulptur / Wallfahrtskirche am Weizberg (Landesausstellung 01), Katalog 2004, Altarraumgestaltung der St. Thomaskirche am Tabor / Diözese Graz Seckau, Katalog 2004, “Schwebebalken”, Wallfahrtskirche am Weizberg, Katalog 2011, “Porajmos“, Mahnmal für Roma und Sinti. Walfahrtskirche am Weizberg

FILM, VIDEO, TV, RADIO (AUSWAHL)

RAI, Interview zur Ausstellung “13 disegni“, Oktober 1994 ORF, Landesstudio Oberösterreich [“Fremdes Brot”], Mai 1999 Dokumentarfilm von xxkunstkabel Graz [“Alte Kegelbahn”], Mai 2001 Ö1, Radiointerview zu “Kunst am Spirituellen Weg“, April 2001 ORF, Landesstudio Steiermark [“Alte Kegelbahn”], Mai 2001 ORF, Landesstudio Steiermark [“Schwebebalken”], Mai 2004 ORF, Landesstudio Steiermark [“Sperrzone”], November 2006 ORF, Landesstudio Steiermark [“Attendite”], Juni 2007 Ö-Regional, Radiointerview zu “Attendite“, Juni 2007 ORF, Orientierung, Interview zu “Kunst und Kirche“, Juni 2008 ORF, Landesstudio Steiermark, Interviews zu “PfingstArt”, Mai 2007, Mai 2009, Mai 2012, Mai 2013 und Mai 2014 Videodokumentation über: Mostra “Il Canto della terra“ alla Biblioteca Casanatense, 2011 ORF, Landesstudio Steiermark [“Porajmos”], Mai 2012 ORF, Landesstudio Steiermark [“Celan”], Juni 2012 ORF, Landesstudio Steiermark [“Lampedusa”], Mai 2015

WALTER KRATNER (*1954 in Graz). Er studierte Design und Kunstgeschichte in Florenz. Der akademischen Ausbildung schlossen sich langjährige Aufenthalte in der Schweiz (Bern) und in den USA an. Auf Einladung realisierte er Projekte für das „Djerassi Resident Artists Program“ und für das Museum Exploratorium in San Francisco. Gesellschaftliche und persönliche Amnesie beschäftigen diesen Künstler. Oft sind es mit Kohlenstaub verdunkelte, historische Fotografien, die den Zerfall des Erinnerungsbildes belegen. Er wurde von der Diözese Graz-Seckau mit der künstlerischen Ausgestaltung der Weizer Taborkirche beauftragt und ist zurzeit u.a. Kurator für „kunst am spirituellen weg“ und „pfingstArt“ in Weiz.

WERKE IN SAMMLUNGEN (AUSWAHL)

Sammlung Carl Djerassi (San Francisco); Sammlung Foster Goldstrom (San Francisco); Quellenmuseum, Klein St. Paul (Österreich); Biblioteca Comunale Malatesta, Cassino (Italien); Kulturzentrum bei den Minoriten (Graz); Styrian Art Foundation; QuartierLeech (Graz); Stadt Offenburg

Im Mai 2012 gestaltete Kratner neben der Weizbergkirche das Mahnmal „Porajmos“ zum Gedenken an die systematische Ermordung der Roma und Sinti in der Zeit des Nationalsozialismus. 111


UMSCHLAG

RAUMINSTALLATION „SPERRZONE“, 2006

Detail: „floating chair“ Kunsthaus Weiz, bei Graz; Österreich

Material: Stuhl (zerbrochen) , Rehgeweih, Befestigungsteile (Holz, Metall) Maße variabel

UMSCHLAG (INNENSEITE)

RAUMINSTALLATION „FLOATING TOYS“, 2004

für „Steirischererbst 2004“; Detail

Material: Holzkonstruktion (Holzmanufaktur Martin Glawitsch), Weinglas Maße variabel

RÜCKSEITE

RAUMINSTALLATION „SPERRZONE“, 2006

Detail: „Wald“ Kunsthaus Weiz, bei Graz; Österreich

Material: 102 Rundhölzer, 102 Kalksteine, 102 Plastik-Modell-Bäumchen, 102 Müllsäcke Maße variabel

RÜCKSEITE (INNENSEITE)

ARBEITSFOTO, 2009

für „Hart Island“, 2011 Fotografie ca. 40 x 50 cm

WALTER KRATNER INSTALLATIONEN | ZEICHNUNGEN | FOTOGRAFIEN © bei den Autoren

Fotonachweis und Reproduktionen: Konstantinov (Seite 8, 10, 12, 13) Harald Polt (23, 24, 25, 27, 34, 35, 36, 37, 38, 39, 58, 60, 62, 64, 66, 76, 108, KatalogRückseite) Walter Kratner (Katalog-Umschlag, Katalog-Umschlag/Innenseite, Seite 4, 18, 19, 20, 21, 22, 26, 27, 28, 29, 32, 33, 42, 44, 45, 46, 47, 49, 50, 51, 52, 54, 55, 56, 57, 58, 59, 68, 69, 71, 72, 73, 75, 77, 78, 79, 80, 81, 82, 85 unten, 86, 88, 89, 94, 95, 102, 104, 106, 107, 109, Katalog-Rückseite/Innenseite ) Johannes Rauchenberger (Seite 30, 31) Axel Bleyer (Seite 40) Franz Sattler (Seite 48, 70, 83, 84, 85, 87, 96, 97, 98, 99, 100, 101, 105, 110, 111) Max Klammler (Seite 74) Hanns Waltinger (Seite 11) Hubert Brandstätter (90, 91, 92, 93) Luftaufnahme des KZ Ausschwitz (Seite 53): Aerial Reconnaissance Archive, Universität Keele, England Umschlaggestaltung und Grafik: Walter Kratner Produktion: Icono Weiz, 2016 112


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walter kratner installation fotografie zeichnung

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