Pfarrbrief 2-2010

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Leitartikel Sind die ganzen Missbrauchsfälle schon unfassbar und schlimm, so stellt jedoch das Verhalten unseres ehemaligen Bischofs unser Bistum vor tiefgreifende Fragen und hinterlässt – Gläubige wie Geistliche gleichermaßen – tief enttäuscht, wütend und fassungslos. „Gott einen Ort sichern“? Ich kann mich noch sehr gut an unsere ersten Predigtversuche erinnern. Einer meiner Mitbrüder hatte im Priesterseminar eine Übungspredigt über die Berufung der ersten Jünger zu halten. Seine Grundaussage – die den Regens sehr aufbrachte – war: nur wenn wir alle am Reich Gottes mit bauen, werde es auch entstehen. Also im Grunde genommen genau das: wir müssen Gott einen Ort sichern. Eine These, die – und das brachte den Regens so auf – so richtig wie falsch ist. Jetzt wird der eine oder die andere natürlich fragen, ob es mir schon noch gut geht. Diese These kann doch nicht falsch sein. Wir sind doch schließlich Gottes „Werkzeug“ in dieser Welt – wenn wir also sein Reich nicht bauen, wird es folglich auch nicht kommen können. Und genau da liegt unser menschlicher Denkfehler. Wir denken in Institutionen und Machtbereichen, in Systemen und Funktionen. Die ernüchternde

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Frage wäre: Braucht Gott uns, damit sein Reich kommen kann, oder käme er in seiner Allmacht nicht ohne uns aus? Das Herausfordernde unserer christlichen Botschaft ist: Gott könnte es freilich ohne uns machen, eigentlich bräuchte er uns nicht – aber er liebt uns so sehr, dass er uns unbedingt dabei haben will. Denn Gottes Reich ist zuallererst Beziehung, die gelebt, die geliebt werden will. Das bedeutet aber auch, dass wir ihm „in die Quere“ kommen können. „Gott einen Ort sichern“ heißt also nicht, „Naturschutzgebiete“ für den Glauben aufzurichten, in denen „die Welt noch in Ordnung“ ist; es heißt auch nicht auf einen missionarischen Kreuzzug zu gehen. „Gott einen Ort sichern“ bedeutet, sich selbst der Liebe bewusst zu werden, die er uns schenkt, selbst in dieser Liebe zu leben und diese Liebe auch weiterzugeben. Der Ort, den wir letztlich für Gott sichern sollen, ist vor allem und allein unser Herz. Darüber sind viele Priester und Bischöfe selbst gestolpert, das ist es, was auch Bischof Mixa verloren hat. Schauen wir, dass wir selbst es besser machen – und das wird sich auch am Umgang mit den Geschehnissen und am Umgang mit den „Tätern“ herausstellen. Pfarrer Thomas Hagen


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