PfäffikerIN Oktober 2012

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Blickpunkt Integration | Seite 5

mir getrennt wurde», sagt er. Zum Glück seien zwei Frauen von der Vormundschaftsbehörde zum Schluss gekommen, er sei ein guter Vater und könne für seine Tochter sorgen. Daraufhin wies man ihnen eine 4½-Zimmer-Wohnung an der Sophie-Guyer-Strasse zu, welche sie zusammen mit einer Frau mit zwei Kindern aus Sri Lanka bewohnen dürfen. Will kein Bettler sein Eine Weile ging alles gut. Neverzadeh lernte eifrig deutsch, hoffte immer noch, irgendetwas arbeiten zu dürfen. Er verbringt seine Zeit mit der Betreuung seiner Tochter, er kocht gerne und malt Bilder. «Ich schäme mich, jeden Monat auf der Gemeinde einen Check entgegenzunehmen, und auf die Fragen meiner Tochter, weshalb ich nicht arbeite und kein Auto mehr besitze, Ausflüchte suchen zu müs-

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sen. Liesse man mich arbeiten, würde ich längst eine eigene Firma eröffnet haben und benötigte nichts mehr», gibt er sich überzeugt. Es folgte ein weiteres Kapitel einer unendlichen Geschichte. Neverzadeh musste im Spital die Knie operieren. Zum Glück erbot sich eine Bekannte aus Bonstetten, in dieser Zeit auf seine Tochter aufzupassen. Auch später kam sie mindestens einmal pro Woche vorbei, erledigte die Wäsche, alles unentgeltlich. Gab es besonders viel Arbeit, sei sie auch schon mal geblieben und habe bei der Tochter übernachtet. Eines Morgens um halb acht Uhr stand die Polizei wieder einmal in der Wohnung. Obschon die Gemeinde über ihre Hilfe informiert gewesen sei, erhielt die Frau ein Hausverbot. Ahura Neverzadeh verzieht das Gesicht. Diese hilfsbereite Frau habe mit der Kin-

desbetreuung für die öffentliche Hand viel Geld gespart. Durch das Hausverbot habe seine Tochter ihre engste Bezugsperson neben ihm verloren. Freunde sind verdächtig Eine der wenigen Menschen, mit denen Ahura Neverzadeh Kontakt hat und versucht, sich so gut als möglich zu integrieren – er spricht mittlerweile erstaunlich gut deutsch –, ist eine Schweizer Familie. Bei der ist der einsame Iraner häufig zu Besuch. Bei Versuchen, ihm zu helfen und auf der Asylkoordinationsstelle sich für ihn einzusetzen, haben sich auch diese Freunde ein Hausverbot eingehandelt. Fragen sind dort offenbar Störungen gleichgesetzt. Als Neverzadeh anfragte, ob er seine Freunde in ihrem Zuhause bekochen dürfe, wurde ihm eröffnet, er könnte sich dadurch strafbar machen. Es

könnte der Eindruck entstehen, er arbeite dort als Koch … Ahura Neverzadeh und seine Tochter, die mittlerweile in Pfäffikon in die zweite Klasse geht, haben das Verbrechen begangen, Freiheit zu suchen. In Kanada, nicht in der Schweiz, wo sie zum Nichtstun verdammt sind. Ihr Ausländerstatus ist N, was in den Augen Neverzadehs für «Nichts wert» steht. Sein Rechtsverständnis ist angekratzt. Nicht einmal Schweizer Freunde dürfe er haben. Seine Ansprechpersonen sind die Mitarbeitenden der Asylkoordination, die ihn als «Asyl suchenden Klienten» bezeichnen. Irgendwann während des Gesprächs hat er mich zum Essen eingeladen. Er werde iranische Spezialitäten kochen. Ich werde mich in seine Wohnung schleichen und geniessen. Und weiter den Kopf schütteln!

Pren Mataj kam vor 25 Jahren aus dem Kosovo in die Schweiz

Geschäftstüchtiger Vorzeige-Einwanderer hjk. Viele unter uns kennen irgendein Mitglied der Familie Mataj im Tollhammer 15. Die Bauern im halben Zürcher Oberland, weil Vater Pren für den Maschinenbetrieb Schellenberg in Irgenhausen lange als Fahrer von Landmaschinen arbeitete. Die Benutzer des öffentlichen Verkehrs, weil er seit sieben Jahren als Buschauffeur der Firma Ryffel in Uster für uns unterwegs ist von Schwerzenbach und Uster bis Bauma oder Kollbrunn. Und eben Pfäffikon, wo er mit seiner Familie seit 1990 wohnt und mittlerweile eingebürgert ist. Prens Ehefrau Marte kennen viele als zuverlässige Raumpflegerin im Schulhaus Mettlen, wo sie unlängst ihr 10-Jahr-Jubiläum feierte. Seine drei Kinder absolvierten in Pfäffikon die Schulen. Sohn Kened arbeitet nach einer Informatikerlehre heute bei einer Grossbank zu achtzig Prozent und absolviert daneben die Fachhochschule in Winterthur, wo er sich zum Betriebsökonomen ausbildet. Seine Schwester Shpresa arbeitet im M-Restaurant in Wetzikon, der jüngere Sohn Kastriot macht in Wetzikon eine Lehre als Automechaniker. Die Familie Mataj, ein Beispiel für gelungene Integration. Beim Deutschlernen zählt allein der Wille Vater Pren kam 1987 erstmals als Saisonier in die Schweiz. Nach zwei Jahren in Zug tat er mit seiner Stelle im Maschinenbetrieb Schellenberg in Irgenhausen einen Glücksgriff. Er fuhr bald sämtliche grossen Landmaschinen und lernte so im ganzen Oberland viele Bauernbetriebe kennen. Er wurde für Servicearbeiten eingesetzt und hatte die Möglichkeit, Kurse zu absolvieren. Pren Mataj blickt gerne auf diese Zeit zurück: «In der Saison habe ich oft bis zu 16 Stunden gearbeitet. Auch später, als ich wegen Rückenproblemen

Vater Pren Mataj und seine Söhne Kastriot (links) und Kened aufhören musste, bin ich noch oft eingesprungen.» Pren Mataj sprach schon bald einmal recht gut deutsch. Er wollte diese Sprache lernen, scheute keine Kontakte und schaffte es. «Ich habe stets selber geschaut, dass ich dazulerne», ist er heute stolz. Natürlich habe er Kollegen gekannt, welche Sprachkurse absolvierten. Gebracht hätten die nichts oder nur wenig. »Man muss den Willen aufbringen, sonst nützt alles nichts», gibt er sich überzeugt. Einbürgerung vollzogen Pren Mataj musste infolge Rückenbeschwerden mit dem Landmaschinenfahren aufhören. Er fuhr für die Firma Schütz in Fehraltorf, bis ihm ein Bekannter den Job als Busfahrer vermittelte. Er lernte eine Unmenge Leute kennen, «die halbe Welt», wie er sich ausdrückt. 1995 holte er seine Familie in die Schweiz, wo ein Jahr später sein jüngster Sohn auf die

Welt kam. Pren Mataj kennt Leute aus aller Herren Ländern. Wobei ihm die Schweizer, zu denen er seit neun Jahren selber auch zählt, am angenehmsten seien. All seine Bekannten, von woher sie auch stammen, auch Menschen aus dem ehemaligen Jugoslawien, behandelt er grundsätzlich gleich. «In meiner Familie hat sich nie Hass auf andere Volksgruppen entwickelt. Ich selbst bin katholisch, habe aber keinerlei Vorurteile gegen andere Religionen.» Früher habe es zwar oft Streit wegen der verschiedenen Parteien gegeben, aber mittlerweile hätten die meisten Albaner erkannt, dass ihre Politiker in erster Linie für sich leben und handeln. Dadurch sei über manch alte, düstere Geschichte heute Gras gewachsen. Eigene Do-it-yourself-Garage Vor rund zwei Jahren hat sich Pren Mataj einen Traum erfüllt. Im Gewerbegebäu-

de Zürichstrasse 300 in Winterthur, an der Strecke nach Zürich, kurz bevor die alte Hauptstrasse Richtung Brütten nach rechts abzweigt, hat der Pfäffiker eine Do-it-yourself-Autogarage eröffnet. Sieben Hebelifte mit nötigem Werkzeug stehen jedermann zur Verfügung, der an seinem Auto selber etwas reparieren oder warten möchte. Für wenig Geld pro Stunde mieten die Kunden die Einrichtungen. Sollte jemand einmal nicht mehr weiterwissen, steht ein Mechaniker zur Verfügung, gegen Extrakosten versteht sich. Pren Mataj schaut in Randzeiten zum Rechten. Sein Beruf als Buschauffeur geht vor. Oft fährt er nach der Arbeit noch vorbei, ausser am Samstagvormittag. «Da schlafe ich lange aus, denn abends bin ich oft für den Nachtbus eingeteilt und muss hellwach sein. Die Sicherheit meiner Passagiere ist mir sehr wichtig», erklärt er und hofft, dass er seinem jüngsten Sohn die Garage einmal übergeben kann. Erfolgreich integriert Von Kened Mataj wollte ich wissen, ob er an der Fachhochschule viele Kameraden mit Balkanhintergrund kenne. Mehr als er erwartet habe, antwortet der hoffnungsvolle junge Betriebsökonom. Und welche Erinnerungen hat er als Schüler in Pfäffikon gemacht? Als Kind hätte er zwar stets gerne Fussball gespielt, aber sein Vater sei unerbittlich gewesen. Zuerst die Schulaufgaben, nachher das Vergnügen. Vater Pren hat seinen Sohn Kened stark geprägt, und dieser ist ihm heute dankbar. Die Matajs, eine zielstrebige Pfäffiker Immigrantenfamilie, haben ihre Integration in die Schweiz vollzogen. www.mataj-selfgarage.ch


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