Gitarre & Laute XXIX/2007/Nº 2

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Gitarre & L aute

O n l i n e John Dowland Alfred Deller Sting Robert Spencer Edin Karamazov Leo Witoszynskyj Der Guitarrefreund 1907

Jahrgang XXIX/2007, Heft 2


Aktuelles rund um die

Gitarre Konrad Ragossnig

Gitarrentechnik kompakt Grundformen der Technik • Effektives Einspielen • Tägliches Üben 85 Seiten, broschiert ISMN M-001-12919-0 (ED 9263) € 22,95

Peter Päffgen

Die Gitarre Geschichte, Spieltechnik, Repertoire 3., überarbeitete und ergänzte Auflage 2002 249 Seiten mit Notenbeispielen und Abbildungen sowie Zeittafel, Literaturverzeichnis und Register – gebunden mit CD ISBN 3-7957-2355-8 (ED 8874) € 29,95 / sFr 52,30 Der Autor, Herausgeber der renommierten Zeitschrift „Gitarre & Laute“, macht die Geschichte der Gitarre, ihrer Musik und Spieltechnik bis zu den Komponisten und Virtuosen des 20. Jahrhunderts zum Gegenstand dieses Buches. Er spannt dabei einen großen historischen Bogen: Er bietet den Überblick über eine Entwicklung von mehr als dreitausend Jahren und zeigt die Gitarre als ein Instrument, das die gesamte europäische Musikgeschichte seit ihren Anfängen begleitet hat und dessen vielseitiges Repertoire zu entdecken und zu beleben sich lohnt.

Der international renommierte Gitarrist Konrad Ragossnig hat mit diesem Band ein Übungsprogramm entwickelt, das sowohl für gründliches Einspielen als auch für das tägliche Üben geeignet ist. In 12 Kapiteln werden alle wichtigen Elemente der Gitarrentechnik systematisch behandelt. Konkrete Aufgabenstellungen und Übetipps helfen dem Studierenden und dem ausgebildeten Musiker dabei, seine Technik effektiv und konzentriert zu pflegen bzw. weiterzuentwickeln.

Werner Neumann

Die Jazzmethode für Gitarre – Solo Skalen • Improvisation • Phrasierung 74 Seiten, broschiert mit CD ISBN 3-7957-5352-X (ED 8427) € 24,95 Wie funktioniert eigentlich Improvisation über wechselnde Akkorde? Warum ist es wichtig, so etwas wie dorische oder mixolydische Tonleitern zu kennen oder sogar spielen zu können? Welche Funktionen haben Arpeggien? Was versteht man unter Phrasierung? Anworten auf alle diese und viele andere Fragen gibt Werner Neuman, laut Deutschlandfunk einer der führenden Fusiongitarristen Europas, in diesem Band.

Rolf Tönnes

Gitarre spielen – mein schönstes Hobby Hugo Pinksterboer

Pocket Info – Akustische Gitarre • Basiswissen • Praxistipps • Mini-Lexikon

MA_0003_02 · 12/05

136 Seiten, broschiert ISBN 3-7957-5126-8 (SPL 1042) € 9,95 / sFr 18,40 Dieses Buch enthält in kurzer und prägnanter Form alle Informationen zu Kauf, Pflege, Bau und Spieltechnik der Gitarre. Knappe, gut verständliche Texte und zahlreiche Abbildungen mit Informationen rund ums Instrument machen dieses Buch zum idealen Nachschlagewerk für Anfänger und Fortgeschrittene.

Die moderne Gitarrenschule für Jugendliche und Erwachsene 96 Seiten, broschiert mit CD ISBN 3-7957-5598-0 (ED 9475) € 19,95 Wer Gitarre spielen zu seinem Hobby machen möchte, liegt mit dieser Schule genau richtig. Dabei ist es egal, ob es ein Neueinsteiger ist, der da in die Saiten greift oder jemand, der vor vielen Jahren bereits einmal gespielt hat und nun wieder seine Kenntnisse auffrischen möchte. Eine ausgewogene Mischung von Pop, Klassik und Folk verhindert Langeweile. Da Akkord- und Melodiespiel berücksichtigt werden, ist der Schüler sowohl für den Abend am Lagerfeuer als auch für das Hauskonzert gewappnet. Die praxiserprobte Methode ist sowohl für den Unterricht als auch für das Selbststudium geeignet, wobei die beiliegende CD als Trainingspartner dient.


Liebe Leserinnen, liebe Leser wei Dinge sind als „neu“ zu melden. Erstens hat sich die Online-Präsentation Ihrer Zeitschrift Gitarre & LauteONLINE geändert. Die erste Ausgabe im Juli 2007 konnten Sie als PDF herunterladen, und das war die einzige Möglichkeit, sie einzusehen. Ab dieser Ausgabe (XXIX/2007/N° 2) ist Gitarre & Laute-ONLINE als ePaper zu sehen mit allen Suchund Betrachtungsmöglichkeiten. Auf der MusiCologne-Hompage finden Sie die entsprechenden Links. Professionell umgesetzt werden die Ausgaben der Zeitschrift von der Firma CANTAT GmbH in Wien (www.cantat.com) und auf deren Webserver werden in Zukunft auch die Zeitschriften bereitgehalten … aber wie gesagt: Links finden Sie auch an den gewohnten Stellen bei www.MusiCologne.eu. Die Darstellung bei Cantat ist so, dass Sie wie gewohnt durch die Zeitschrift blättern können. Sie können einzelne Artikel und auch einzelne Seiten vergrößern, als PDF ansehen oder ausdrucken – ganz wie Sie es wünschen. Alle anderen Möglichkeiten des Download von Notenausgaben oder älteren Artikeln bestehen wie früher. Aber nicht vergessen: http://www.MusiCologne.eu oder (für die Ausgaben des aktuellen Jahrgangs) http://gitarre-und-laute.cantat.com. Diterich Buxtehude, dessen dreihundertster Geburtstag in diesem Jahr gefeiert wird, muss leider noch eine Ausgabe warten! Es muss so viel Material gesichtet, gelesen und angehört werden, dass der Beitrag nicht fertig geworden ist. Aber in der nächsten Ausgabe! Und dann Dates und Kleinanzeigen: Beides ist kostenlos … Dates traditionell und Kleinanzeigen jetzt zur Eingewöhnung. Wir arbeiten hier daran, dass Konzerttermine und Kursankündigungen von Ihnen direkt ins Internet eingegeben werden können. Auch Kleinanzeigen. Aber die Softwareänderung ist noch nicht fertig – ich werde Sie informieren. Dann werden Ankündigungen „in Echtzeit“ im Internet zur Verfügung stehen … allerdings erst, nachdem sie redakti0nell gesichtet und freigegeben worden sind. Ich will natürlich verhindern, dass irgendwelche anzüglichen und sachfremden Inhalte hier verteilt werden. Und noch einmal ein Hinweis auf Kursberichte und Artikel über Gitarren-Ergeignisse. Vor vielen Jahren haben wir hier Artikel abgedruckt, in denen das Leben auf Festivals und Seminaren beschrieben wurde.

Z

Zum einen wurden in diesen Artikeln Erinnerungen geschildert – eigentlich immer positive Erinnerungen – zum anderen gab es Berichte über künstlerische Entdeckungen und „Sensationen“. Ich erinnere mich, dass hier von einem jungen Gitarristen namens Manuel Barrueco die Rede war, die ein Leser in Holland auf einer Veranstaltung entdeckt hatte, den hier aber buchstäblich niemand kannte. Für solche Entdeckungen gibt es Fachzeitschriften wie Gitarre & Laute

und das hat sich keineswegs geändert! Bitte schicken Sie mir also Ihre Berichte – ich kann nicht dafür garantieren, dass sie „abgedruckt“ werden, aber ich bemühe mich! Und dann noch ein Wort zur Zitierfähigkeit von Gitarre & Laute-ONLINE. Gitarre & Laute wurde und wird in vielen internationalen Bibliotheken gelesen, viele davon in den Vereinigten Staaten von Amerika, Canada, Australien aber auch in europäischen Staats- und Universitätsbibliotheken. Hier werden Online-Zeitschriften besonders geschätzt, weil sie weniger Folgekosten mit sich bringen, als gedruckte Zeitschriften. Für die müssen nämlich Regale zur Verfügung stehen, außerdem werden sie jahrgangsweise gebunden, mit einer Signatur versehen usw. All das braucht man bei einer Online-Zeitschrift nicht, ABER: Online-Zeitschriften sind „eigentlich“ nicht zitierbar, weil sie jederzeit verändert wer-

den können. Beispiel: Am ersten eines Monats wird eine Zeitschrift online gestellt und ein paar Tage später werden Fehler bekannt oder Aussagen, zu denen der jeweilige Autor nicht mehr steht. Die Fehler werden korrigiert und die neue Version der Zeitschrift wird wieder in’s Internet gestellt. In der Zwischenzeit hat aber jemand aus der Urversion zitiert … und steht im Verdacht, falsch zitiert zu haben. Bei Gitarre & Laute-ONLINE kann das nicht passieren, denn diese Online-Zeitschrift stellt eine datierte Version in’s Netz, die garantiert nicht mehr verändert wird und somit zitierbar ist. Mit dem Problem der Zitatensicherheit haben sich bisher Verleger und Herausgeber von Online-Zeitschriften nicht befasst – obwohl es offensichtlich ist, dass hier Unsicherheiten und Probleme auftauchen. Eine Online-Zeitschrft, die nicht als zusätzliche Dienstleistung zu einer gedruckten Zeitschrift erscheint, sondern als eigene Veröffentlichung, muss sich mit dem Thema befassen … wir tun’s. Wenn Sie Gitarre & Laute-ONLINE als ePaper einsehen können, sehen Sie die letzte Version, die keinerlei Veränderungen mehr erfährt. Kann zitiert werden, und zwar (für die vorliegende Ausgabe) so: in: Gitarre & Laute-ONLINE XXXIX/2007/Heft N° 2 S. X–Y. Bei der Zählung der Jahrgänge sind dabei die der Print-Ausgaben mitgerechnet. Die Zeitschrift hat sich nämlich seit der Umstellung auf ihre digitale Erscheinungsform lediglich in dieser Erscheinungsform verändert. Ich wünsche Ihnen nun viel Vergnügen mit Ihrer Zeitschrift! Ihr

Peter Päffgen Chefredakteur/Herausgeber

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… was ich noch sagen wollte … hier werde ich Ihnen in lockerer Form Bemerkungen mit auf den Weg geben, von denen ich glaube, sie wären von allgemeinem Interesse. Es wird sich dabei wie heute um Bemerkungen über neu erschienene Bücher drehen oder um neue CDs, die vielleicht auch mit der Gitarre oder der Laute überhaupt nichts zu tun haben. Oder vielleicht gilt es auch, einen Geburtstag zu feiern oder aus anderem Grund an einen Großen unserer Zunft zu erinnern. Sollte ich Sie langweilen oder sollten Sie Vorschläge machen wollen, schreiben Sie doch einfach an:

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ilto:peter.paeffen@MusiCologne.eu

Von Peter Päffgen

Norman Lebrecht, der Autor dieses Buches über die „Klassikindustrie“, sieht schwarz: Die Schallplattenindustrie wirtschaftet sich selbst in’s Abseits, bzw. sie hat es schon erreicht … das Abseits. „Die Deutsche Grammophon, einst Gralshüterin der Reinheit der Klassik, setzt inzwischen ihren Mezzosopran-Star Anne Sofie von Otter bei Songs der 70er-Jahre-Band Abba ein. Gramophone, das klassische Musikmagazin, zeigte den Pop-Schlagerstar Elvis Costello auf einer Titelseite. Die Firma Sony Classical, Erbin von Columbus, wurde mit ihrem ewigen Konkurrenten Victor, inzwischen in deutschem Besitz, zwangsfusioniert. Das auf Schallplatten gepresste Vermächtnis eines ganzen Jahrhunderts wurde einfach von einer (Firmen) Hand zur nächsten weitergereicht, als wäre es wertlos.“

Norman Lebrecht, Ausgespielt: Aufstieg und Fall der Klassikindustrie, Mainz u.a., 2007, SCHOTT BSS 52151, Preis: EUR 22,95 Was folgt, ist eine spannend zu lesende Geschichte der Aufzeichnung und Vermarktung von Konserven mit klassischer Musik. Mit Fred Geisberg fing alles an, als er am 11. April 1902 zehn Arien von einem „wichtigtuerisch auftretenden Neapolitaner“ in einem Mailänder Hotel auf Schallplatte aufnahm. Es war Enrico Caruso. Thomas Alva Edison hatte die flache Schallplatte entwickelt und das Verfahren, Klangaufzeichnungen hineinzugravieren, Emil Berliner das Grammophon, auf dem man die Platten abspielen konnte und Fred Gaisberg war der erste Schallplattenproduzent. Berliner gründete die Victor [!] Talking Machine Company, die wenig später in His Master’s Voice umbenannt wurde und schickte 1898 einen Neffen zusammen mit Fred Gaisberg nach London, um dort die europäische Dependance seiner Firma zu gründen. Die beiden taten das und reisten weiter nach Hannover. Dort gründeten sie die Deutsche Grammophon Gesellschaft. Die Aufnahme mit Caruso verkaufte sich gut und wurde zum ersten Grammophon-Hit … aber nachdem Grammophon und Schallplatte nichts Neues mehr waren, ließ der VerkaufsBoom nach. Telefon, Radio und eine technische Neuerung rückten ins Zentrum des Interesses. Eine elektronische Aufzeichnungsmethode war entwickelt worden, auf die man setzte … und wieder begann ein VerkaufsBoom. Wieder war es so, dass gesungene Musik sich gut für Aufnahmen eignete, nicht aber instrumentale oder gar orchestrale. Das hatte nicht nur klangliche Gründe („Ganze Orchester [klangen] zusammengeschrumpft und verzerrt“], sondern auch organisatorische: „Auf den Schallplatten konnten jeweils nur bis zu vier Minuten aufgezeichnet werden, die Musiker mussten also Pausen einplanen.“ 1948 wurden von CBS-Technikern Versuche angestellt, die Rillen auf einer Schallplatte

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enger aneinander zu legen und eine andere Abspielgeschwindigkeit einzuführen … die „LP“ wurde geboren mit 33 UpM (Umdrehungen pro Minute). Jetzt konnte man vierzig Minuten Musik auf einer Schallplattenseite unterbringen. RCA entwickelte gleichzeitig die EP mit 45 UpM … „Das Format von RCA hingegen, das für klassische Musik nicht brauchbar war, erwies sich als perfekt geeignet für Schlagermusik. Und so vertiefte sich die Kluft: CBS ging mehr und mehr in Richtung anspruchsvoller, RCA in Richtung leichterer Musik“. Der nächste Schritt war der Einsatz von Magnettonbandgeräten bei der Produktion von Schallplatten. Man war nicht mehr darauf angewiesen, die komplette Musik nacheinander einzuspielen, sondern konnte das stückweise machen und die Bänder dann aneinanderkleben. Die Plattengesellschaften hatten sich inzwischen zu Großkonzernen zusammengetan: RCA und CBS in Amerika, EMI und DECCA in England, DGG in Deutschland. Alle anderen waren entweder kleinere unabhängige Labels oder mit den Großen verlinkt und von ihnen abhängig. Gelegentlich taten sich Unternehmer auf, die Phalanx der Majors zu durchbrechen, aber nie bis selten gelang das. PHILIPS in den Niederlanden, „bekannt für Rasierapparate für Männer und Epiliergeräte für Frauen“ zum Beispiel, „erwarb die lokale Verkaufsvertretung von DECCA – HDD – und schlug Edward Lewis, dem DECCA-Chef, eine globale Fusion vor. Als dieses Angebot abgelehnt wurde, gelang es Philips, die CBS-Verkaufsabteilung von EMI zu erwerben, und er gründete sein eigenes Label“. In Frankreich fuhr Bernard Coutaz […] „in seinem Citroën 2CV von einer Kathedrale zur nächsten und nahm Barocksonaten auf.“ Sein Unternehmen hieß und heißt Harmonia Mundi.


Aber „das wahre Geld“ wurde nicht mit Klassik verdient. 1962/63 kamen die Beatles und bescherten der Branche etwas bis dahin nicht geahntes. Eine Beatles-Hysterie setzte ein und der Umsatz von EMI explodierte. „EMI blühte auf und DECCA war im Untergehen begriffen. In den USA wetteiferte Capitol mit Elvis auf RCA, während CBS Mitch Miller und seine Singalong-Shows hatte.“ Klassik hatte, was den Weltmarkt an Schallplatten angeht, nur noch einen Anteil von fünf Prozent – vor den Beatles waren es über zwanzig Prozent. „Da mussten Köpfe rollen“. Und sie rollten. Aber andere Produzenten, solche mit neuen Ideen und Visionen kamen. Andreas Holschneider zum Beispiel, der als Produzent für die Deutsche Grammophon arbeitete. Er gründete die Archiv-Produktion und die wurde „zu einem der führenden Label im spannenden neuen Bereich der historischen Aufführungspraxis“. Gustav Leonhardt, Nikolaus Harnoncourt, Eduard Melkus, Frans Brüggen – sie bescherten dem deutschen DECCA-Ableger Telefunken neue Tätigkeitsfelder. Überhaupt wandten sich die Anhänger der „Alten Musik“ eher an kleinere, spezialisierte Labels: Der Tag von Harmonia Mundi, Astrée und anderen war gekommen. Die Kompaktkassette wurde erfunden und löste die nächste Revolution aus: „Es handelt sich dabei um ein Bürogerät, ein Achtel Zoll breit, das ein Band mit 1.875 Zoll pro Sekunde abspielte. Darin war kein kultureller Nutzen erkennbar, bis Geschäftsleute anfingen, ihre Lieblingslieder für lange Geschäftsreisen aufzunehmen, und die Plattenindustrie begann, bespielte Kassetten auf den Markt zu bringen.“ Die Revolution bestand aber nicht nur darin, dass es nun neben Schallplatten auch Kassetten gab – revolutionär war die Tatsache, dass das Raubkopieren geboren worden war. Kassetten konnten nämlich nicht nur abgespielt werden, sondern auch bespielt! Aber man arbeitete an besseren, neuen Verfahren. Das digitale Zeitalter war zu ahnen. Am 31. August 1982 ging die Nachricht um die Welt, dass Sony, CBS-Sony, Philips und Phonogram die Compact-Disc serienreif entwickelt hätten. Ein CD-Player kam in Japan auf den Markt und die ersten fünfzig CDs. Im März 1983 wurden die Neuerungen auch in Europa angeboten. Eine CD kostete das Doppelt wie eine LP – ergo war die Zielgruppe zunächst die gehobene Gesellschaft mit mehr Geld – ergo war überproportional viel Klassik im Angebot. Die CD trat ihres Siegeszug an: „Bis 1986 hatte die CD die LP überholt. In den USA stiegen die Verkaufszahlen von einer Million 1983 auf 334 Millionen 1990 und 943 Millionen im Jahr 2000. Das Jahrzehnt der Hoffnungslosigkeit war vorüber. Zum ersten Mal seit der Zeit vor den Beatles hatte die Klassik wieder einen zweistelligen Marktanteil.“ Der Aufschwung brachte natürlich auch Be-

gehrlichkeiten an’s Tageslicht. Firmen waren für Investoren wieder interessant … „Sony verspeiste CBS vor dem Frühstück, und Columbia Pictures folgte als Dessert. Die Rechnung belief sich auf sechs Milliarden Dollar, doch der Yen stand hoch und der Wert dieses Schocks war unbezahlbar. Sony hatte genug an populärer Kultur ergattert, um seine technischen Spielereien ohne Ende zu füttern.“ Man lebte von jetzt ab großbürgerlich! Gehälter wurden hochgepusht, Tantiemen auch. „Die Ökonomie der Klassikindustrie verließ den Bereich der wirtschaftlichen Realitätsnähe“. Bisher war es nur Herbert von Karajan, der durch seine Musik reich wurde (er hinterließ 950 Tonaufnahmen und mehr als 500.000.000$ Vermögen (mehr als eine halbe Milliarde Dollar). Neue Millionäre wurden benötigt. Jemand hatte de Idee, die „drei Tenöre“ auf die Bühnen zu bringen … und hatte Erfolg damit. Vierzehn Millionen wurden von der ersten CD verkauft. Und fünfeinhalb Millionen CD mit Gregorianischen Gesängen. Dann kam Klaus Heymann, „ein deutscher Händler in Hongkong, der in der Musikauslieferung tätig war [...] kaufte in Paris von einem Slowaken dreißig Tonbänder mit Orchestermusik und presste sie für seinen Klienten, der jedoch in Konkurs ging [...] so wurde Naxos Records gegründet.“ Aus den Fehlern der großen Labels hatte Heymann gelernt. Nicht die Interpreten müssen aufgebaut und hofiert werden, sondern die Komponisten. Honorare für Interpreten standen fest, auch wenn, wie im Fall der Aufnahmen der Beethoven-Klaviersonaten durch den Ungarn Jenö Jandó, 250.000 CDs verkauft wurden. „Bei jedem anderen Label hätten die Tantiemen es Jandó ermöglicht, sich ein Haus in Budapest zu bauen. Bei Naxos war die Veröffentlichung selbst die einzige Vergütung.“ Die Majors verstanden und begannen, ihre Unternehmen zu verkleinern. Ballast abzuwerfen. Und offenbar wurden Mindestumsatzzahlen definiert … was zu skurrilen Produktionen führte. Peter Gelb, der neue TopManager von Sony Classical, „ließ das Label Vivarte eingehen und legte die Klassik auf Eis“. Auf der Klassik-Komm-Konferenz in Hamburg tönte er: „Es ist für uns weder wirtschaftlich noch in küstlerischer Hinsicht von Bedeutung, wenn wir [klassische] Tonaufnahmen herstellen, die sich nur in wenigen tausend Exemplaren verkaufen. Bevor wir mit neuen Tonaufnahmen von alter Musik, die sich nicht verkaufen, in kommerzielle Vergessenheit abdriften, haben wir damit angefangen, daran etwas zu ändern.“ Crossover war angesagt. Die Filmmusik zu „Titanic“ war Peter Gelbs erster grandioser Erfolg. Labels wurden geschlossen, andere umfunktioniert. „Classic Light“ „vermittelte die Illusion von Vitalität in der Branche“ Howard Stringer, Chef von Sony, sagte den Investoren, „dass er es beim besten Willen nicht rechtfertigen könne, weiter Klassikaufnahmen zu machen. In diesem Bereich seien die

guten Werke alle schon aufgenommen, und zwar zu oft, und es gebe keine neuen Melodien im Angebot.“ Die CD hatte bei aller technischer Überlegenheit einen grundsätzlichen Nachteil: Sie verkratzte nicht. Der Kauf eines solchen Tonträgers war eine Anschaffung für’s Leben. Und: „Der Gnadenstoß kam durch den schnellen Fortschrittdes Internets [...] Klassische Musik war durch den gemeinsamen Datenzugriff nach der Manier von Napster kaum betroffen, doch das Live-Radio stellte für sie eine tödliche Bedrohung dar.“ Ein paar statistische Daten: „Bis 1994 gab es neunundsiebzig Symphonien „Aus der neuen Welt“ von Dvořák im Handel. 2006 listete eine schwedische Website 435 Versionen der „Vier Jahreszeiten“ von Vivaldi auf. Der Internethändler amazon.com hatte 276 Versionen von Beethovens Fünfter im Angebot“ … dies lesend ging mir dir Frage durch den Kopf, wie oft es denn Koyunbaba geben mag oder, sagen wir, die Mozart-Variationen von Fernando Sor. Und daran anschließend: Blüht der Gitarre das gleiche Schicksal? Oder ist sie längst in dem Strudel untergegangen und wir haben es noch nicht gemerkt? Am Schluss des Buches von Norman Lebrecht listet er „Hundert Meilensteine eines Jahrhunderts der Klassikindustrie“ auf und kommentiert sie. Auch hier fängt alles mit Fred Geisberg an, und zwar mit den Caruso-Arien, die er 1902 in Milano aufgenommen hat. Danach begegenet man vielen legendären Musikern: Fritz Kreisler, Alfred Cortot, Jacques Thibaud, Vladimir Horowitz, Artur Schnabel, Pablo Casals, Glenn Gould … und John Williams. Ja, als Nr. 45 erscheinen da das Philadelphia Orchestra unter Eugene Ormandy sowie John Williams als Solist mit einer Aufnahme des Concierto de Aranjuez von Rodrigo. „In Ermangelung eines spanischen Stars war das Konzert noch zu haben. Der Engländer Julian Bream machte den ersten Durchgang auf Schallplatte mit Interpretationen, die um ein Haar als Schnulzen zu bezeichnen gewesen wären. Doch Großes leistete ein junger Australier …“ Na ja, über diese Einschätzung kann man sicher streiten, aber die Gitarre ist dabei bei Lebrechts top-hundred und nicht unter den „20 Aufnahmen, die nie hätten gemacht werden sollen“. Die listet der Autor nämlich auch auf und da finden wir Peter Pears und Benjamin Britten mit Schuberts Winterreise (DECCA, Oktober 1963): „Da er nun tot ist, braucht nicht weiter eine falsche Kompetenz vorgetäuscht zu werden. Pears schaffte es kaum jemals, ein Lied bis zum Ende makellos zu singen. Um eine hohe Note zu erreichen, presste oder schmetterte er. Am unteren Ende knurrte und näselte er. Überhaupt klang seine Vortragsweise nasal, so als sei ein Nasenloch permanent verstopft. Sein Deutsch war ungenau und seine Einsätze unelegant. In einem Lied nach dem anderen schlitterte er an falschen Noten entlang …“ So geht es weiter! Bravo!

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Die Lautenwerke von Santino Garsi da Parma Gesamtausgabe der handschriftlich überlieferten Quellen Faksimile mit Übertragung und Kommentar von Dieter Kirsch Die Hauptquellen für die Werke des bedeutenden Lautenmeisters Santino Garsi da Parma, die Handschriften mus.ms.40032 und 40153 der ehemaligen Preußischen Staatsbibliothek, galten seit dem zweiten Weltkrieg als verschollen. Lediglich in der Dissertation von Helmut Osthoff („Der Lautenist Santino Garsi da Parma“ 1926) waren sie den heutigen Musikern und Wissenschaftlern in Übertragungen für Klavier zugänglich. Die neue Ausgabe sämtlicher Lautenwerke verbindet erstmalig Quellen in Faksimile (auch die der erst jüngst wiederentdeckten Berliner Handschriften) mit Übertragungen im G- Schlüssel-System (für Gitarre)

Santino Garsi da Parma, Sämtliche Werke für Laute, 120 S., Großformat, GL 148, EUR 30,-MusiCologne Ltd., Köln http://www.MusiCologne.eu


Gitarre & Laute ONLINE XXIX/2007, Heft 2 Inhalt Editorial 3 … was ich noch sagen wollte … 4 Songs from the Labyrinth Der Rock-Star Sting über John Dowland und seine Beziehung zur Alten Musik 8 Biographie Edin Karamazov 10 Peter Päffgen Elizabethan Lute Songs … Wiederbelebung im zwanzigsten Jahrhundert 11 Robert Spencer Zur Aufführung englischer Lautenlieder 17 Vor hundert Jahren: Der Guitarrefreund VIII/1907/N° 2 24

Notenbeilagen zum Guitarrefreund VIII/1907/N° 2

Matteo Carcassi, Variationen über ein Thema von Weigl aus dem Singspiel „Die Schweizerfamilie“ 33 Armin Knab, Abendlied, 35 Anton Diabelli, Andante, 37 Josef Willroider, Mein Bua, Ländler, 37 Josef Willroider, Der Verlasssene Bua, Ländler, 38 Peter Päffgen Neue Platten 39 Peter Päffgen Neue Bücher 47 Kleinanzeigen 51 Dates 52 Impressum: Verlag: MusiCologne Ltd., London (GB). Niederlassung Köln: MusiCologne Ltd., Sielsdorfer Straße 1a, 50 935 Köln (Postanschrift: Redaktion Gitarre & Laute, Postfach 410 411, D-50 864 Köln), Telefon: ++49-221-346 16 23, FAX: ++49-1803-5 51 84 30 17 Aufbereitung des ePaper: CANTAT GmbH, Wien. www.cantat.com Internet: www.MusiCologne.eu, Kleinanzeigen: www.VerkaufeGitarre.de und www.gitarre-undlaute.de. Email: info@MusiCologne.eu (weitere Email-Adressen sind im redaktionellen Zusammenhang veröffentlicht). Erscheinungsweise: sechsmal jährlich, am Anfang der ungeraden Monate (Januar, März, Mai ...). Erscheinungsweise im Jahr 2007: 1. Juli 2007, danach jeweils am Anfang jedes Monats bis Dezember 2007. Kündigungsfrist: sechs Wochen vor Ablauf der Bezugsfrist, Preis: Einzelheft EUR 4,00, Abonnement für ein Jahr (sechs Ausgaben) 22,00 EUR . Chefredakteur: Dr. Peter Päffgen. Gültige Anzeigenpreisliste: Nr. 13. Die namentlich gekennzeichneten Beiträge in dieser Zeitschrift entsprechen nicht unbedingt der Meinung der Redaktion. Für unverlangt eingesandte Manuskripte und Fotos übernimmt der Verlag keine Haftung. Terminangaben, insbesondere in der Rubrik „Dates“ erfolgen prinzipiell ohne Gewähr. © Nachdruck in jedweder Form und allen Medien, auch auszugsweise, nur mit schriftlicher Genehmigung des Verlags. Aboverwaltung: Verlag, Niederlassung Köln. [abo@gitarre-undlaute.de], Bildnachweis für vorliegende Ausgabe: Seiten 1, 8, 10: Kasskara, Deutsche Grammophon; S. 11: Dolmetsch Instruments, Haslemere; S. 15: Kornfeld, BIS; S. 17: Nigel Luckhurst; alle anderen: Bildarchiv Gitarre & Laute oder Autoren Gitarre & Laute-ONLINE XXIX/2007 Nº 2 7


Songs from the Labyrinth … Der Rock-Star Sting über Dowland und seine Beziehung zur Alten Musik

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Ü

ber die letzten zwanzig Jahre haben mich die Lieder von John Dowland unaufdringlich verfolgt. 1982 bin ich im Drury Lane Theatre in Covent Garden im Rahmen einer Benefizveranstaltung von Amnesty International aufgetreten. Nachdem ich mit einem meiner Songs auf der Bühne war, kam der Schauspieler John Bird auf mich zu, um mir in Ruhe seine Anerkennung auszusprechen. Bei der Gelegenheit fragte er mich, ob ich die Lieder von John Dowland kennen würde. Ich war gezwungen zuzugeben, dass ich den Namen wohl kannte und auch eine vage Ahnung hatte, dass Dowland ein Komponist aus der Zeit Elisabeths I. und Jakobs I. war, meine Kenntnisse aber damit endeten. Ich dankte Bird sehr für sein Kompliment und war am nächsten Tag noch so fasziniert, dass ich eine Zusammenstellung von Dowlands Liedern kaufen musste, eingespielt von Peter Pears, begleitet von Julian Bream auf der Laute. Während ich die melancholische Schönheit dieser Musik sehr schätzte, konnte ich mir nicht vorstellen, wie sie in das Repertoire eines aufstrebenden Rocksängers passen könnte.

nicht, sich die Position zu sichern, die er immer anstrebte, die des Hofmusikanten von Königin Elisabeth I. Es war mein langjähriger Freund und Kollege, der Gitarrist Dominic Miller, der mein Interesse an Dowland vor einigen Jahren wieder aufleben ließ. Freundlicherweise hatte er eine 8-chörige Laute in Auftrag gegeben, die als Geschenk für mich gedacht war. Gebaut von Klaus Jacobson, ist sie einzigartig in ihrer Konstruktion. Die „Rose“ in der Mitte des Klangkörpers hat die Form eines Labyrinths, nicht das normale Renaissance-Design. Das Labyrinth, basierend auf der Vorlage des Fußbodens der Kathedrale Notre-Dame de Chartres, war in den letzten Jahren zu einer Art Obsession von mir geworden. So sehr, dass ich es mir als Erdarbeit in meinem Garten in England habe nachbauen lassen. Der Durchmesser des Labyrinths misst 13 Meter, und ich begehe es fast jeden Tag und erzähle allen Leuten, dass es meinen Geist beruhigt. Dominics Geschenk wurde sehr dankbar aufgenommen. Verwandt mit der arabischen „ud“, ist die Laute der Gitarre ähnlich, jedenfalls ähnlich genug, dass ein moderner Gitarrist sich da-

weichen Tasche aus Leinen. Als ich ihn bat, für uns zu spielen, verschwand seine Scheu sofort. Vorsichtig öffnete er die blaue Tasche. Ich hatte niemals zuvor eine Erzlaute gesehen und war sofort fasziniert von der funktionalen Schönheit des Designs und seinem orientalischen Charakter. Edin fing an zu spielen. Dominic und ich waren erstaunt, die ersten Takte von Bachs Toccata und Fuge in d-moll zu hören, eine überraschende Wahl für so ein kleines Instrument. In dem engen Garderobenraum aber deutete das Instrument bereits beim Anspielen der ersten Töne die klangliche Majestät einer Kirchenorgel an. Die Dramatik dieses Momentes war unerwartet und überwältigend zugleich, wir waren zutiefst gerührt. Edins improvisierte Darbietung wurde mit solch einer Leidenschaft und einem Engagement dargeboten, dass Bachs Musik uns gewaltsam von unserer Zeit in die seine riss. In der verbleibenden Stunde vor dem Konzert sprachen wir intensiv über Musik, ihre seltsame Macht über unser Leben, die unendlichen Möglichkeiten in der Musik und ihr Mysterium. Irgendwann in der Unterhaltung fiel Dowlands Name. Edin fragte

Dowland und ein wertvolles Geschenk

mit relativ schnell zurechtfindet. Aber sie ist doch andersartig genug in der Stimmung und der Grifftechnik, um neue Schaltkreise im Gehirn zu erfordern. Langsam aber sicher wurde ich immer tiefer in die labyrinthischen Komplexitäten dieses sehr alten Instruments und seiner verführerischen Musik gezogen.

mich, ob ich das Lied In darkness let me dwell kennen würde. Ich verneinte. „Das beste Lied, das je auf Englisch geschrieben wurde“, behauptete er. Er spielte die ersten Takte der Einleitung an. Es war seltsam dissonant und überraschend modern zugleich. „Du solltest diese Lieder singen“, sagte er, „du wirst etwas lernen“. Ich fühlte wie das Labyrinth mich näher zu seinem Mittelpunkt zog. Einige Monate später besuchte mich Edin in England. Wir gingen in meinem Gartenlabyrinth spazieren, während über uns Schwalben am blauen Himmel kreisten. Er erzählte von seiner Kindheit in Sarajewo, von der Tragödie des Krieges, von seinem Leben als Musiker und von seinen Triumphen als junger klassischer Gitarrist auf zahllosen Wettbewerben überall in Europa. Wie er eines Tages eine Laute spielen hörte und sich sofort in die Komplexität und Resonanz dieses Instruments verliebte. Er schnitt sich die Fingernägel kurz als

Über zehn Jahre später hat eine Freundin, die gefeierte Konzertpianistin Katia Labèque, mir vorgeschlagen, dass Dowlands Lieder gut zu meinem eher ungeschulten Tenor passen würden. Wieder war ich fasziniert, ja sogar mehr als ein bisschen geschmeichelt – und nur zum Spaß lernte ich drei seiner Lieder unter ihrer Anleitung: Ich versuchte mich an Come, heavy sleep, Fine knacks for ladies und Can she excuse my wrongs?, begleitet von der schönen und exotischen Katia auf einem Hammerklavier bei einer Reihe von lockeren musikalischen Abendgesellschaften. Zu diesem Zeitpunkt wusste ich bereits einiges mehr über den wohl rätselhaftesten englischen Komponisten: dass er als einer der besten Lautenspieler seiner Zeit bekannt war, vor allem in Kontinentaleuropa, wo seine Reputation so ausgeprägt war, dass man ihn den englischen Orpheus nannte. Trotz seines internationalen Rufs gelang es ihm

Auftritt Edin Es war auch Dominic, der mich Edin Karamazov vorstellte. Edin kommt aus Sarajewo und ist einer der bedeutendsten Lautenisten Europas. Vor einem Auftritt in der Frankfurter Festhalle kam er zu uns in die Garderobe. Herr Karamazov war ein wenig verlegen, mich in der winzigen Garderobe zu treffen, und erklärte etwas steif, dass sein Vorname nicht wie der biblische Garten, sondern wie die ersten beiden Silben von Edinburgh auszusprechen sei. Ich fragte ihn, was er um die Schulter hängen habe. Er hatte sein Instrument dabei, in einer

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Foto: Sting und Edin Karamazow. © Kasskara, Deutsche Grammohpon

EDIN KARAMAZOV Edin Karamazov hat mit seinen mitreißend virtuosen Auftritten als Lautenist und Gitarrist in Amerika und Europa die Aufmerksamkeit der Musikwelt auf sich gelenkt und beispiellosen Beifall bei Publikum und Musikkritik gefunden. Mit international führenden Ensembles und Künstlern der Alten Musik wie dem Hilliard Ensemble, Hespèrion XX, Mala Punica, Orpheus Chamber Orchestra und Andreas Scholl hat Karamazov als Solist zahlreiche CDs eingespielt und weltweit konzertiert. Mit seinem überragenden Können als Interpret und seiner technischen Brillanz auf zahlreichen historischen und zeitgenössischen Saiteninstrumenten hat Edin Karamazov das Konzertpublikum u.a. im Concertgebouw, der Wigmore Hall, der Berliner Philharmonie und dem Konzerthaus Wien begeistert. Von Sergiu Celibidache protegiert begann Edin Karamazov seine musikalische Karriere mit der klassischen Gitarre und hat u. a. erste Preise bei insgesamt vier Gitarrenwettbewerben gewonnen. Seine Studien der Barocklaute setzte er bei Hopkinson Smith an der Schola Cantorum Basiliensis fort. Edin Karamazov spielt mehrere Zupfinstrumente verschiedenster Kulturen und Epochen und erkundet darüber hinaus die Einsatzmöglichkeiten von Lauteninstrumenten in Moderner Musik und zeitgenössischer Improvisation. Neben seiner solistischen Karriere begleitet Edin Karamazov Sänger in unterschiedlichsten Konzertprojekten. 9/2006

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Vorbereitung für die Spieltechnik, bei der man nur mit den Fingerkuppen der rechten Hand spielt. Er erzählte, wie er begann sein auserwähltes Instrument über Jahre in der Schweiz an der Schola Cantorum in Basel zu studieren. Er erzählte von all dem, während wir dem Weg des Labyrinths nachgingen, und als wir dem Mittelpunkt näher kamen, sagte er, er müsse mir etwas beichten: „Du und ich haben uns vor Jahren schon einmal getroffen“. Ich sah ihn mit einigem Erstaunen an und erinnerte mich plötzlich an die Scheu, mit der er mir in der Garderobe in Frankfurt begegnete. „Und wann trafen wir uns das erste Mal, mein Freund? Ich kann mich nicht erinnern“. Die Schwalben schienen auf einmal verschwunden zu sein. „Vor vielen Jahren arbeitete ich in einem Zirkus mit meiner Band. Wir waren zu dritt, zwei Gitarristen und ein Perkussionist. Wir haben eine Auswahl von Mozart gespielt, zwischen der Trapeznummer und einem mongolischen Schlangenmenschen“.


Die Jahre lösen sich auf, und vor meinem geistigen Auge sehe ich Trudie und mich in der Zuschauermenge des Circus Roncalli in Hamburg, völlig eingefangen von der einzigartigen Interpretation von Mozarts Rondo alla turca, Katschaturians Säbeltanz und Vivaldis Frühling aus den Vier Jahreszeiten. Der Perkussionist spielte auf etwas, das mich entfernt an einen Kasten Milchflaschen erinnerte. Nichtsdestotrotz war die Musik sehr beeindruckend. Sie war sogar so beeindruckend, dass ich der Band eine Nachricht zukommen ließ mit der Frage, ob sie wohl nach England kommen würden, um auf einer Geburtstagsparty zu spielen, die wir ausrichten wollten. Wir waren sehr erstaunt, als wir die Antwort erhielten, dass die Gruppe nicht gewillt war, für uns zu spielen, dass sie ernsthafte Musiker seien und nicht für einen Rockstar und seine Frau auf Abruf spielende Affen. Aua! Ich erinnere mich noch sehr gut an den brennenden Schmerz dieses Momentes, der mich sicher auf meinen Platz verwies und mir unglaublich peinlich war. „Es tut mir so leid!“ sagte Edin und gab mir ein verblassendes Polaroid-Bild, welches klar ersichtlich an dem betreffenden Abend aufgenommen worden war. Da sind wir, Trudie und ich, mit einem leicht verwirrten und betretenen Gesichtsausdruck, umgeben von dem mysteriösen Trio, Edin mürrisch neben meiner linken Schulter stehend, mit grollendem Blick von irgendwo unterhalb seiner dunklen Augenbrauen. Ich beginne zu lachen, so laut und schallend zu lachen, dass ich umfalle und mich vor Lachen im Gras wälze, während die Schwalben wieder aufgeregt durch die Luft kreisten. Edin sieht entsprechend irritiert und belustigend unsicher aus. In dieser Nacht öffneten wir Dowlands First Booke of Songes, und ich begann meine Ausbildung, mein Eintauchen in der Musik eines Komponisten und Musikers des 16. Jahrhunderts, der mich seit fast einem Vierteljahrhundert verfolgt. Dowland und seine Zeit

Geboren 1563, ist John Dowland vielleicht das erste Beispiel für einen Archetypen, der uns heute sehr vertraut ist, den außerhalb seiner Gesellschaft stehenden „SingerSongwriter“, was ihm einen deutlich modernen Bezug gibt. Dem wenigen zufolge, was über ihn bekannt ist, scheint er ein schwieriger und sehr bedrückter Mann gewesen zu sein, und doch schaffte er es, die Enttäuschungen seines Lebens und den Zeitgeist des 16. Jahrhunderts in zeitlose und bezaubernde Songs zu bannen. Sie sind keineswegs alle traurig, aber trotzdem gestalten sie die Melancholie der Zeit mit ausreichend lebendiger Kontrapunktik und kontrapunktischen Rhythmen aus der Tanzmusik, so dass es unfair wäre, Dowland – in

Elizabethan Lute Songs … ihre Wiederentdeckung im zwanzigsten Jahrhundert Von Peter Päffgen Peter Pears soll es gewesen sein, der als Erster – zusammen mit Julian Bream – wieder englische Lautenlieder im 20. Jahrhundert vorgetragen hat. Bei Stainer & Bell in London [http://www.stainer.co.uk] kamen in den fünfziger Jahren, ediert von Thurston Dart, Neuausgaben auf den Markt, und zwar in einer groß angelegten Reihe namens The English Lute Songs und zur gleichen Zeit (1955) erschien auch die erste Schallplatte von Bream und Pears. 1959 wurde die Lute Society in England gegründet und die große Lauten- und speziell Dowland-Forscherin Diana Poulton (1903–1995) arbeitete an ihrer monumentalen Dowland-Biografie (erschienen 1972) und an der Ausgabe seiner Lautenwerke (erschienen schließlich 1973). Thurston Dart gab nicht nur die englischen Lautenlieder heraus, sondern nach 1948 auch das Galpin Society Journal, eine Zeitschrift, die im Andenken an Francis W. Galpin gegründet worden war, um dessen Forschungen an historischen Musikinstrumenten und um deren Aufführungspraxis weiterzuführen. Und er war einer der Initiatoren und Herausgeber der Musica Britannica, der großen Denkmäler-Ausgabe englischer Musik, die 1951 gegründet wurde. Es war in England also eine Zeit des Aufbruchs, eine Zeit der sehr intensiven und engagierten Orientierung an der historischen Überlieferung. Vor dem Zweiten Weltkrieg hatte es auch schon Bemühungen um Alte Musik gegeben und um deren Aufführungspraxis … (Eugène) Arnold Dolmetsch (1858–1940) ist da als Pionier zu nennen. Er studierte verschiedene Instrumente an verschiedenen Akademien (Brüssel und London) und er baute auch Nachbauten historischer Musikinstrumente. Seine erste Laute soll er 1893 gebaut haben, danach Cembali, Blockflöten und Gamben. Und er hat in seiner Heimatstadt Haslemere ein Festival für Alte Musik gegründet, wo für Arnold Dolmetsch, Foto um 1900 (Dolmetsch Instruments, Haslemere) seine Zeit revolutionäre Versuche unternommen wurden … die auf wenig Interesse bei Zeitgenossen stießen. In anderen europäischen Ländern hat es Versuche gegeben, Alte Musik in historischer Aufführungspraxis den Menschen nahe zu bringen. Großen Publikumserfolg hatten solche Unternehmungen aber erst in den fünfziger und sechziger Jahren des letzten Jahrhunderts – nach dem Zweiten Weltkrieg. Vielleicht waren die verheerenden Ereignisse des Kriegs und das Trauma, das die nationalsozialistische Diktatur in Deutschland hinterlassen hat, Gründe für ein Besinnen und gleichzeitig dafür, dass man sich nicht gleich mit Stolz und Ehrfurcht der eigenen (Musik-) Geschichte widmete. Auf intellektuelle Neue Musik besann man sich – und auch vorsichtig auf Alte Musik. Und man tat beides recht dogmatisch. In der neuen Musik war es zunächst das Diktat der Dodekaphonie – in der alten das bedingungslose Streben nach Authentizität. Aus beiden Richtungen wurde in die jeweils andere polemisiert. Theodor W. Adorno, fasste die Ablehnung jeglicher Bemühungen um Alte Musik pointiert zusammen. Er hielt die „Restauration alter verschollener Instrumente“ für eine Beschäftigung mit Musik, die jegliche Sinnlichkeit und Vitalität entbehrte: „... die Jugendmusik [...] möchte die Emanzipation der Farbe als einer selbständigen kompositorischen Schicht [...] widerrufen [...] Man könnte dagegen die Restauration verschollener alter Instrumen-

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te und ihrer Farben halten. Aber das trügt: die ausgegrabenen Farben werden goutiert um ihrer Unfarbigkeit, Unsinnlichkeit, Sprödigkeit willen. Man braucht nur den zugleich nüchternen und läppischen Klang einer Blockflöte zu hören und dann den einer wirklichen: die Blockflöte ist der schmählichste Tod des erneut stets sterbenden großen Pan.“ Die „Alte Musik“ überlebte – gemeint ist die „Rekonstruktion geschichtlicher Aufführungsweisen in der heutigen Praxis“, wie Carl Dahlhaus definiert hat – und sie gedieh prächtig. Die Erforschung der Aufführungspraxis und deren Ergebnisse sind aus der heutigen Musikpraxis nicht mehr wegzudenken. Auch in den Interpretationen der nicht auf Authentizität zielenden großen Symphonieorchester hört und fühlt man sie … wenn sie nicht bestimmte Werke des barocken Repertoires mittlerweile ganz aus ihrem Repertoire gestrichen und sie den „Barockorchestern“ überlassen haben. Was John Dowland und die Lautenlieder angeht, hatten sie nach 1955 eine „zweite Renaissance“. Pears und Bream waren dabei wohl tatsächlich die ersten, die damit auftraten. 1954 haben sie ihre ersten gemeinsamen Konzerte gegeben [Christopher Headington, Peter Pears: A Biography, London 1992, S. 173-175] und diese Zusammenarbeit sollte über zwanzig Jahre Dauer haben. 1952 hatte Bream auf dem Aldeburgh Festival gespielt und Pears hatte ihn eingeladen, ihn bei ein paar Elizabethanischen Lautenliedern zu begleiten. Die künstlerische Partnerschaft begann und die beiden Musiker gaben zunächst immer dann Konzerte, wenn Benjamin Britten, der Lebensgefährte von Pears, viel zu tun hatten. Bream spielte Laute bei den Elizabenthanischen Liedern und Gitarre bei moderner Musik. Benjamin Britten schrieb seine Songs from the Chinese für die beiden Musiker und Hans Werner Henze seine Kammermusik ’58. DECCA brachte 1995 in Nachpressung eine Zusammenstellung von Lautenliedern als CD heraus. Elizabethan Lute Songs

eter Pears/Julian Bream Aufgenommen 1956 und 1960, wiederveröffentlicht 1995 DECCA P

Serenata 444 524-2

Alfred Deller (1912–1979), einer der Großen der englischen Early-Music, sah als Mitglied eines Consorts die DowlandLieder anders. Wenn Pears sie in jedem Fall solistisch aufführte, wurden bei Deller solistische Lieder mit Lautenbegleitung präsentiert, abgewechselt von Consort-Sätzen in gemischten Besetzungen. Robert Spencer war sein Begleiter bei den Liedern, das Consort, bestand aus verschiedenen Musikern, unter ihnen auch die Lautenisten Nigel North und Ian Harwood. Alfred Deller hinterließ a priori einen anderen Eindruck: Er war ein Altus, eine männliche Alt-Stimme – Peter Pears Tenor. Deller schien sich gelegentlich sehr in seinem fein ziselierten Gesang selbst zu gefallen, während Peter Pears eher die Texte auskostete und ausdeutete, in denen es sich immer wieder um enttäuschte oder – häufiger – erfüllte Liebe drehte.

n Dowland: Lute Songs Alfred Deller Robert Spencer, Lute Aufgemommen 1977 Joh

Harmonia mundi France HMC 90244

In prominenter Besetzung wurden 1970 die Lieder des er12 Gitarre & Laute-ONLINE XXIX/2007 Nº 2

der reduzierenden Terminologie unserer Zeit – als einen „an Depressionen Leidenden“ zu bezeichnen. Er war durchaus der Ironie und gesunder Selbstkritik fähig, in Titeln wie Semper Dowland semper dolens wie auch in fröhlichen Höhenflügen der musikalischen Erfindung. Als John Johnson, einer der königlichen Lautenisten, 1594 verstarb, bewarb sich Dowland um die Stelle – ohne Erfolg. Er war bitterlich enttäuscht, denn er meinte, in seinen eigenen Worten, dass er es „am meisten verdient hätte“. Er bezog sein Versagen auf Gerüchte um seine Konvertierung zum Katholizismus einige Zeit zuvor. Er scheint Zeuge von Grausamkeiten gegenüber denen, die zur Kirche Roms hielten, gewesen zu sein und war so inspiriert, zum Katholizismus überzutreten. Unter der Herrschaft der katholischen Königin Maria (1553–58), Halbschwester von Elisabeth I., wurden Protestanten ähnlich barbarisch behandelt. Glaube war sowohl ein offenes politisches Bekenntnis als auch ein persönliches Glaubensbekenntnis in diesen schwierigen Zeiten. Elisabeth, die Marias Nachfolge 1558 antrat, heiratete nie und war so dem Ränkespiel der katholischen Monarchen des Kontinents ausgeliefert. Währendessen ließen englische Katholiken und Jesuiten nichts unversucht, die protestantische Monarchin zu stürzen. Dieses Netz aus Intrigen gipfelte in Guy Fawkes’ „Schießpulver-Verschwörung“, dem berühmten „Gunpowder Plot“, der 1605 gegen Jakob I. gerichtet war. Etwa 10 Jahre zuvor suchte Dowland, frustriert von England, sein Glück auf dem Kontinent, wo ihn sein Weg über die Höfe von Braunschweig (Wolfenbüttel) und Kassel nach Italien führte. Ähnlich den Schauspielern, konnten sich Musiker frei zwischen den verfeindeten Höfen Europas bewegen und waren oft verlässliche Quellen für Nachrichten und Gerüchte. Während er in Florenz war, wurde er von einer Gruppe englischer Katholiken angesprochen. Sie versprachen ihm „eine große Belohnung des Papstes und dass Seine Heiligkeit und die Kardinäle ihn hoch loben würden“. Es


mag sein, dass Dowland versucht war, auf das Angebot einzugehen, aber er hatte Angst, der Beihilfe zum Verrat angeklagt zu werden. Die politische Landschaft in England lag unter einem Furcht erregenden Schatten. Dowland lebte zur Zeit des sogenannten „spymaster“ Sir Francis Walsingham, der Herr über den Geheimdienst der Königin war und jede Bedrohung der Krone mit gnadenloser Grausamkeit beantwortete: Folter und unmenschliche öffentliche Hinrichtungen waren an der Tagesordnung. Und obwohl Walsingham seit 1590 tot war, blieb das Klima der Angst und Einschüchterung bestehen. In einer solchen Atmosphäre war Dowland verständlicherweise ängstlich – wie er in dem langen, weitschweifigen und teilweise paranoiden Brief an Sir Robert Cecil aus dem Jahre 1595 deutlich macht. Auszüge daraus lese ich auf dieser Aufnahme. Wenn der Ton dem heutigen Leser unterwürfig erscheinen mag, muss daran erinnert werden, dass Dowland dem Leiter des Geheimdienstes von Königin Elisabeth I. schrieb. Cecil war Innenminister, Nachfolger und ehemaliger Protegé von Sir Francis Walsingham und der mächtigste Höfling in England. Seine Loyalität gegenüber seiner „hohen Königin“ beteuernd, bot Dowland Informationen über Verschwörer an und deckte auf, „dass der König von Spanien einen Angriff auf England im Sommer plane“. Dowland hatte gute Gründe zu glauben, dass er sowohl um sein Leben als auch um seine Existenz kämpfte. Allerdings scheint es unwahrscheinlich, dass der engste Berater der Königin sich auf das Hörensagen eines reisenden Musikers verlassen sollte, gerade bei solch brisanten Informationen.

Die Musik, die mich verfolgt Die kurze Einleitung, die diese Aufnahme eröffnet, präsentiert die ersten Klänge von Dowlands Arrangement von „As I went to Walsingham“, einer populären anonymen Volksweise. Es gibt keine Verbindung zum gefürchteten „spymaster“, das Lied handelt von dem Dorf Walsingham in Norfolk, wo es einen Schrein gab mit einem berühmten Bild der heiligen Jungfrau Maria. Die eher verbitterten Verse von Can she excuse my wrongs? kamen angeblich aus der Feder von Robert Devereux, dem Earl von Essex und über lange Jahre Favorit der Königin – bis sein berühmt attraktiver Kopf durch die Axt des Scharfrichters vom Körper getrennt wurde. Die Musik von Flow my tears, Dowlands berühmtestem Lied, wurde ursprünglich als Pavane für ein Lautensolo namens Lachrimae geschrieben. Für ein Lied über Hoffnungslosigkeit ist es überraschend aufheiternd. Have you seen the bright lily grow? wurde von Robert Johnson geschrieben, dem Sohn von John Johnson, dem königlichen Lautenisten, dessen Nachfolger Dowland 1595 zu werden gehofft hatte. Die Verse wurden von Ben Jonson geschrieben. Dowland war in seinen späteren Jahren sehr ungehalten über die sich schnell ändernden Musikstile und drückte seine Frustration über die „jüngere Generation der Lautenisten“ und die „fehlende Kenntnis der Theorie“ aus. Ich habe natürlich keine Ahnung, ob er den Song gemocht hätte, ich jedenfalls mag ihn sehr. The Most High and Mighty Christianus the Fourth, His Galliard ist auch bekannt als The Battle Galliard. Offenbar war es für Komponisten dieser Zeit unabdingbar, mit sperrigen und pompösen Titeln wie diesem aufzuwarten, um ihren Gönnern zu gefallen. Anna, die Schwester des dänischen Königs Christian IV. – eines der größten Förderer von Dowland – wurde 1603 Königin von England durch die Thronbesteigung ihres Gemahls Jakob I. Ein gut platziertes Kompliment konnte einen weit bringen in der damaligen Welt. The lowest trees have tops ist wahrscheinlich mein Liebling unter all diesen Liedern. Seine Leichtigkeit und sein durchtriebener Humor drücken ein „Pop“-Gefühl- aus, in dem ich mich wohl fühle und das mir vertraut vorkommt. Der vierstimmige Satz für Fine knacks for ladies, ein lärmendes

sten Buches von Thomas Morley aufgenommen. Nigel Rogers hatte gerade für die gleiche Plattengesellschaft verschiedene Monteverdi-Einspielungen aufgenommen, darunter den Orfeo in der legendären Inszenierung unter Nikolaus Harnoncourt. In den Lautenliedern präsentiert er sich als sehr experimentierfreudig … wenn er zum Beispiel in „With my Love“ alle Möglichkeiten, sich in atemberaubenden Verzierungen darzustellen, ausschöpft.

Thomas Morley: The First Booke of Ayres Nigel Rogers, Tenor; Nikolaus Harnoncourt, Gambe; Eugen Dombois, Laute; Gustav Leonhardt, Virginal Aufgenommen 1970, als CD wiederveröffentlicht 1998 TEL DEC 3984-21334-2

Ganz am Ende dieser CD stehen zwei Lieder, die nicht in dem gedruckten First Booke of Ayres enthalten sind, sondern nur Text und Singstimme in einer Handschrift der Christ Church in Oxford (MS 439). Hier haben die Instrumentalisten mit offenbar riesigem Spaß Begleitungen geschrieben oder improvisiert. Dabei ist sehr vitale Musik entstanden, die gleichsam ein Bild sind für das sich Lösen der „Aufführungspraktiker“ vom paragraphengetreuen Befolgen von Regeln, die auch sie nur aus zweiter Hand bekommen haben und auf deren Interpretation sie fokussiert sind. Ob sich Nigel Rogers mit seinen „florid song“-Verzierungen zu weit auf’s Eis nicht stilgerechter, so aber doch spektakulärer Interpretationen begeben hat, darüber war man unterschiedlicher Meinung, wie der Beitrag von Robert Spencer auf den Seiten 17–22 zeigt) und ist es wahrscheinlich heute noch. So kamen die verschiedensten Aufnahmen mit englischen Lautenliedern auf den Markt – Anthologien mit Liedern unterschiedlicher Komponisten auf der einen, einem einzigen Komponisten gewidmete auf der anderen Seite. John Dowland stand dabei immer im Vordergrund, ihm galten die meisten Ein-Komponisten-CDs. Und seine Lieder und Lautenwerke sind auch am häufigsten in neuen Ausgaben herausgekommen. Die Lieder sind übersetzt, ihnen sind Dissertationen und andere Publikationen gewidmet worden. Und sie werden immer wieder aufgeführt. Auf großen und auf kleinen Bühnen. Wenn eben davon die Rede war, dass sich „die „Aufführungspraktiker“ vom paragraphengetreuen Befolgen von Regeln“ immer weiter lösen, dass diese Partien der „Alten Musik“ also immer weiter zum „Normal-Repertoire“ für Interpreten und Konsumenten gehören; dass sie keine Historiker und Wissenschaftler zur Darstellung herausfordern, sondern Musiker von Fleisch und Blut … ist dann nicht die Dowland-CD von Sting der Beweis für die Richtigkeit des Tuns der „Aufführungspraktiker“, die pingelig staubige Folianten gewälzt und nach der „richtigen“ Weise, Dowland zu spielen und zu singen, geforscht haben? Haben wir nicht die Erkenntnisse der Kollegen so verinnerlicht, dass wir jetzt den Blick (und die Ohren) frei haben für Quereinsteiger oder Häretiker? Aber ich will Sting nicht der Häresie beschuldigen, im Gegenteil! Wer weiß denn wirklich, wie die Komponisten des 16. und 17. Jahrhunderts sich ihre Lieder gesungen vorgestellt haben? Und hat Dowland nicht vielleicht selbst mit rauchiger Stimme und auf Cockney geredet? Eins ist doch klar: Die Deutsche Grammophon hätte niemals so viele CDs verkaufen können, wenn nicht der Name Sting auf dem CoGitarre & Laute-ONLINE XXIX/2007 Nº 2 13


ver gestanden hätte. Und niemals hätten sich so viele Menschen ernsthaft Dowland angehört und über seine Musik nachgedacht, wenn es nicht so gewesen wäre. Und es wäre auch nicht eingetreten, dass weltweit ein Engpass eintrat, was Lauten angeht, wenn nicht Edin Karamazov Sting begleitet hätte. Und, und, und! Es war nicht nur die exorbitante Situation, dass einer der berühmtesten Rock-Sänger der Welt eine Platte mit Lautenliedern von Dowland aufgenommen hat, es war auch die Art, wie diese CD zusammengestellt ist; die Art, wie Sting gesungen hat; und die Art, wie Künstler, Musik und CD vermarktet worden sind … das alles hat diesen Boom ausgelöst. Und hat der Boom Dowland und seinem Andenken geschadet? Hat er der Laute und der „Alten Musik“ und ihren Protagonisten geschadet? Haben Konrad Junghänel, Hoppy Smith oder Paul O’Dette jetzt an Boden verloren? Nein, Sie haben den Boom möglich gemacht … auch, wenn sie sicher viel gegen „Songs from the Labyrinth“ einzuwenden haben. PS: Zwei neue CDs, die ich ganz besonders schätze, möchte ich Ihnen am Schluss noch ans Herz legen. Auf einer davon sind ausschließlich Lieder von John Dowland gesungen, auf der anderen Lieder der gleichen Zeit aus verschiedenen europäischen Ländern. Solistin ist Emma Kirkby, die erste Frau, die hier mit englischen Lautenliedern in Erscheinung tritt. Dass Frauen seltener mit diesem Repertoire auftreten, hat weniger damit zu tun, dass Männer die hehre Rolle des Solisten seit Generationen für sich gepachtet haben … es hängt vielmehr damit zusammen, dass die Texte der englischen Lautenlieder fast ausschließlich aus der Sicht eines Mannes geschrieben sind. Den Text „Can She excuse my wrongs …“ kann (nein: konnte) ich mir – von einer Fau gesungen – nur schlecht vorstellen … ebenso „Fine knacks for Ladies“ und andere auch.

Honey from the Hieve: Songs by John Dowland Emma Kirkby, Sopran, Anthony Rooley, Laute Aufgenommen im April 2004 BIS-Records (in Deutschland bei Classic Center, Kassel, (www.bis.se und www.classicdisc.de) BIS-SACDE 1475 ✰✰✰✰✰ Aber Emma Kirkby! Sie singt nicht nur ein so feines Englisch. Es ist auch glockenklar, nachvollziehbar und verständlich. Sie malt den Inhalt der Texte nach, sie betont und unterstreicht, sie gliedert und ordnet. Und wenn da von Tränen die Rede ist – das ist so in mehreren Liedern – dann meint man sie fließen zu sehen und das Leiden zu hören. In „Fine knacks for Ladies“ jubiliert die Sängerin, frech und freudig, und bietet etwas feil. „Kaufen Sie! Feiner Tand für Damen, glitzernd, fein und preiswert!“ Emma Kirkby macht die ungeheure Vielfalt der Lieder 14 Gitarre & Laute-ONLINE XXIX/2007 Nº 2

Straßenhändlerlied, wie auch für Can she excuse my wrongs? und Come, heavy sleep, wurde von Dowland in einer unüblichen Form veröffentlicht. Alle vier Stimmen wurden auf einem Blatt dargestellt, aber so gedruckt, dass alle vier Sänger sich um einen Tisch gesellen und trotzdem bequem lesen konnten. Das Bild einer Gruppe von Musikern und Sängern des 16. Jahrhunderts, die um einen Tisch sitzen, deutet an, dass die Auftritte damals nicht in großen Salons oder gar Konzertsälen wie in späteren Zeiten stattfanden, sondern in kleinen, privaten Wohnzimmern. Ich empfinde eine Intimität in dieser Musik, der der geringe Abstand und die wispernde Nähe des modernen Mikrofons gut bekommt. Ich fühlte wenig Grund dafür, diese Lieder besonders volltönend vorzutragen: Sie zu sprechen, scheint bereits genug. Die zwei „Fantasien“, die Come, heavy sleep einrahmen, repräsentieren die Spitze von Dowlands kompositorischem Können für Sololaute. Die chromatische Erfindung von Forlorn Hope Fancy war auf jeden Fall eine Offenbarung für mich. Da ist etwas unerwartet Modernes in seinen raffinierten und gleitenden melodischen Überraschungen. In diesen Stücken beweist Edin, dass er einer der aufregendsten und individuellsten Interpreten von Musik für die Laute in der heutigen Zeit ist. Wenn es einen Song gibt, der Dowlands melancholische Reputation Lügen straft, dann ist es Come again, eine freudige Hymne an die Romantik und die Liebe. Es gibt viel mehr Strophen in diesem Lied, als ich singe. Ich habe mich für Kürze und Leidenschaft entschieden. Wilt thou unkind thus reave me demonstriert wieder die Ironie in der Überschwänglichkeit seines Wortspiels und der Melodie, in direktem Kontrast zu der erzählten Geschichte einer weiteren unerfüllten Liebe. Es scheint typisch für die Zeit, dass der Liebende leidet, doch trotzdem die Höhen und Tiefen seiner Emotionen feiert. Fast wie ein Duellant, der seine Narben zeigt. Der Trick sind die widersprüchlichen Stimmungen und Traditionen, die diese Lieder vor falschem Pathos und Trivialität retten: Sie erzählen von Verzweiflung, sind aber doch voller Leben. Weep you no more, sad fountains ist für mich das anspruchvollste Lied in der Zusammenstellung, an dem ich mich versucht habe. Ich stehe tief in der Schuld des Gesangslehrers Richard Levitt der Schola Cantorum in Basel; für seine Unterstützung, seine Gelassenheit und seinen unbezahlbaren Rat, wann zu atmen und wann nicht, wie man einen Doppellaut singt, ohne zu jaulen, und, sehr wichtig, wie man nach einem Abend mit zu viel toskanischem Wein seiner Stimme einen klangvollen Ton entlockt. Dowland schrieb nur wenige Duette für die Laute. Eines davon, My Lord Chamberlaine His Galliard enthält die seltsame Anweisung „für zwei auf einer Laute zu spielen“. Gott sei Dank galt diese Beschreibung nicht bei der Version von Lord Willoughby’s Welcome Home, die wir spielen – Edin ist hier freundlich genug, um mich mitspielen zu lassen, selbstverständlich auf einer separaten Laute. Clear or cloudy beinhaltet vielleicht meine liebste Zeile: „May all your weeds lack dew and duly starve“ – „Möge all dein Unkraut keinen Tau bekommen und prompt eingehen“. Wer hat behauptet, dass Dowland keinen Humor hatte? Es schien uns geeignet, dass Edin und ich diese Aufnahme so beenden, wie sie begann, mit den berührenden Dissonanzen von In darkness let me dwell. Es ist ein beeindruckendes Werk, mit seinem schmerzerfüllten Text und dem komplexen und kontrapunktischen Part für die Laute, seinem überraschenden und theatralischen Ende. Trotz der Tiefgründigkeit und der Komplexität dieses Liedes, die es einzigartig erscheinen lassen, hat es doch seinen Platz unter den anderen großartigen Selbstgesprächen des elisabethanischen Zeitalters. Es erinnert daran, dass trotz aller Tragödien eines individuellen Lebens das Leben selbst doch nicht tragisch ist.


Dowlands deutlich und es ist ein Vergnügen, ihr zu lauschen. Die zweite CD von Emma Kirkby enthält nicht nur englische Lautenlieder, sondern auch französische airs de cour und italienische Lieder der gleichen Zeit … auch ein bisher unbekanntes Lied von Georg Schimmelpfennig (1582– 1637), dem Lautenisten am Kasseler Hof, von dem in der letzten Ausgabe von Gitarre & Laute-ONLINE im Zusammenhang mit dem Lautenbuch der Elisabeth von Hessen (S. 37) die Rede war. Aufgelockert ist die Programmfolge durch solistische Lautenstücke von Robert Johnson, Gregory Huwet, Kapsberger, Galilei, Ballard und Wojciech Długoraj. Emma Kirkbys Darbietung hat nichts mit Sting gemein und seinem Versuch, sich Dowland zu nähern.

Sting, Songs from the Labyrinth Music by John Dowland, performed by Sting & Edin Karamazov Deutsche Grammophon (www.deutschegrammophon.com/ www.sting.com) 06025 170 3139 The Journey & The Labyrinth: The Music of John Dowland Performing Sting & Edin Karamazov Special 2 Disc Edition contains DVD & CD Deutsche Grammophon 172 3118 ✰✰✰✰✰ Dass eine Aufnahme von Dowland-Liedern durch den Rocksänger Sting auf Interesse stoßen würde, war klar! Jetzt würden Menschen Dowland hören, die sonst nicht einmal den Namen dieses Komponisten gekannt hätten. Aber würden man diese neuen Hörer überzeugen können? Würden man sie animieren können, noch einmal Musik des frühen 17. Jahrhunderts zu hören – vielleicht auch von einem anderen Sänger? Oder so: Ist hier eine neue Generation von Anhängern „Alter Musik“ produziert worden? Sicher nicht! Schon die zweite Produktion der DG mit Sting, das Doppelalbum CD/DVD verrät die Fans: Da, wo der Sänger die terra incognita verlässt und den Fuß auf sicheren Boden setzt; da, wo er in der Besetzung mit Lauten beginnt, Rockmusik zu singen, geht mehr als ein Raunen durch’s Publikum. Wiedererkennungseffekt! Sicher wünschen sich die meisten Sting wieder bei „The Police“, und diesen Gefallen hat er seinen Fans ja auch getan. Aber Dowland? Die anderen Zuhörer sind die, die bei Dowland den Wiedererkennungseffekt erleben. Und die werden ähnlich denken. Auch Sie werden sich Sting wieder bei „The Police“ wünschen, wenn sie den Namen dieser Band überhaupt schon einmal gehört haben. Was also ist mit dieser Produktion erreicht worden … außer, dass Edin Karamazov im Privatjet zu einer Unzahl von Konzerten ge-

Sie lebt mit dieser Musik und die Musik durch sie. Und in jeder Sprache, der sie sich auf dieser CD bedient, singt sie, als hätte sie die von ihren Eltern gelernt. Musique and Sweet Poetrie: Jewels from Europe around 1600 Emmy Kirkby, Sopran & Jakob Lindbgerg, Laute Aufgenommen im November 2005, erschienen 2006 BIS-Records (in Deutschland bei Classic Center, Kassel, www.bis.se und www.classicdisc.de) BIS-SACDE 1505 ✰✰✰✰✰

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iele der heutigen Sänger von Ayres, gemeint sind Lautenlieder, interpretieren Text und Musik weniger ausdrucksstark, als es von den Komponisten beabsichtigt gewesen ist. Ihre rationale, zurückhaltende Art zu singen ist durch die BBC gefördert worden, die im Jahr 1980 eine Serie von 26 Sendungen mit Ayres bestellt hat, die 1984 wiederholt wurde und die jenen technisch perfekten aber emotional eingeschränkten Stil propagierte – ebenso wie der Musikwissenschaftler Roger Fiske, der in der Rezension einer Platte mit Lautenliedern geschrieben hat: Sein Lautenist bewahrt kühle Anonymität und ich denke, dass auch der Sänger eine zu weitreichende Identifikation mit den Liedern vermeiden sollte (in: The Grammophone, März 1984. S. 1093). Dieser kühle, unengagierte Zugang mag aus zu vielen Produktionen aus Plattenstudios abzuleiten sein, die auf stimmliche und detailgenaue Perfektion eher abgezielt haben als darauf, den Zuhörer emotional zu beteiligen. Ein aktiver Zuhörer verlangt eine engagiertere und ausdrucksstärkere Aufführung — die, wie ich jetzt zeigen möchte, vom Komponisten, Sänger und Zuhörer von um 1600 erwartet worden ist. Ich werde den Stil aus beiden Blickwinkeln, dem elizabethanischen und dem heutigen, berücksichtigen, die nicht immer übereinstimmen.* „Consort Song“ und „Lute Ayre“ Ich denke, dass zunächst einmal eine klare Trennung zwischen „Consort Song“ und „Lute Ayre“ vorgenommen werden muss. Der Consort Song (ca. 1560—ca. 1620) wurde normalerweise von einer Knabenstimme mit Begleitung von vier Violen ausgeführt. Der Kompositionsstil war polyphon und in dem Stimmensatz war die Gesangstimme musikalisch nicht bedeutender als eine der Violenstimmen — ihr einziger Unterschied lag in der Tatsache, dass sie einen Text zu vermitteln hatte. Er wurde vom Komponisten und, ich denke, auch vom Sänger nicht weiter angereichert oder als besonders ausdrucksstark hervorgehoben. Die Wirkung des Liedes wurde durch die klare Artikulation und die Gleichmäßigkeit der Linien erzielt — Qualitäten, die zu einer Knabenstimme besonders passen. Kein Platz für Emotionen! Auch entsprang die Musik nicht der Bedeutung der Worte. Die meisten Consortlieder sind instrumentale Fantasien — bei denen einer Stimme Text hinzugefügt ist. Die klare, unengagierte Stimme eines Chorknaben war ideal für ihre Ausführung. Im Gegensatz dazu begannen Madrigal und Lautenlied (ca. 1590–ca. 1620) bei der Bedeutung der Texte. Thomas Morley schrieb dazu in seiner Plaine and Easie Introduction to Practicall Musicke, 1597: „Regeln, die man beim dittying (Liederschreiben) beachten muss … richte Deine Musik nach der Natur des Textes, die Du damit ausdrücken musst. Wie auch immer er beschaffen sein

Zur Aufführung englischer Lautenlieder um 1600 Von Robert Spencer mag, so musst Du die Musik ihm anpassen. Du musst also, wenn sie schwermütig ist, eine schwermütige Art von Musik anwenden — wenn es um heitere Themen geht, muss auch die Musik heiteren Charakter haben. Es wäre nämlich sehr absurd, wenn man traurige Musik auf heitere Themen anwenden würde oder heitere Musik für ein trauriges, beklagenswertes oder tragisches Thema.“1 Das mag für uns heute klar sein — in den 1590er Jahren war es eine recht neue Idee. Es ist bemerkenswert, dass William Byrd (1543—1623) diese „neue“ Denkweise mied und seine Sololieder und Madrigale fast ausschließlich als Consort Songs geschrieben hat. 1601 schrieb Thomas Campion sehr direkt in seinem Angriff auf die Consort Songs „ … ein leichtes Lied mit einem langen Präludium zu belasten, ist korrupt gegen seine eigene Natur. In der Musik sind viele Pausen entweder den Notwendigkeiten einer Fuge folgend „erfunden“ worden oder um in mehrstimmigen Liedern der Harmonie zu dienen: Aber in Ayres sehe ich in ihnen keinen Sinn – außer, dass eine vulgäre und triviale Modulation für den Ignoranten eigenartig und für den Wissenden langweilig erscheint … wir sollten auch in Worten einer Aufgabe dienen: keine Worte zu betonen außer denen, die wichtig und nachdrücklich sind.“2 Campion unterstützte

die Bedeutung der Worte noch einmal ca. 1613: „In diesen englischen Ayres habe ich hauptsächlich versucht, meine Worte und Töne liebevoll miteinander zu verbinden, was jedem schwerfällt, der nicht Gewalt über beide hat. OMNIA NEC NOSTRIS BONA SUNT, SED NEC MALA LIBRIS; SI PLACET HAC CANTES, HAC QUOQ[UE] LEGE LEGAS Nicht alles in unserem Buch ist gut und auch nicht alles schlecht. Wähle, was Du bevorzugst: Sing oder Lies sie.3 Das Ayre impliziert einen Gesangsstil, der ausdrucksstärker mit dem Text umgeht, als es die Consortlieder tun: Um diese Annahme also zu untermauern, sollten wir uns jetzt zeitgenössische Kommentare zum Gesangsstil anschauen – anders als diejenigen über den kompositorischen Stil, wie wir es bis jetzt getan haben.

Aussagen von Autoren des 16. und 17. Jahrhunderts über den Gesang

1545 schrieb Roger Ascham, Toxophilus: „ … preachers and lawiers … shalnot without … [the use of Singinge] be able to rule their

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brestes, for every purpose. For where is no distinction in telling glad thinges and fearfull thinges, gentilnes & cruelnes, softenes and vehementnes, and suche lyke matters, there can be no great perswasion. For the hearers … be muche affectioned, as he is that speaketh. At his wordes be they drawen … If he thundre, they quake: If he chyde, they feare … where a matter is spoken, with an apte voyce, for everye affection, the hearers for the moste parte, are moved as the speaker woulde. But when a man is always in one tune, lyke an Humble bee … these shall never greatly moove, as 1 have knowen many wel learned, have done, bicause theyr voyce was not stayed afore, with learnyng to synge.“4 Daß öffentliche Redner durch den Gesang lernten, wie man ausdrucksstark und überzeugend ist, belegt, dass der hoch entwickelte Gesangsstil expressiv war. Die Verbindung zwischen der Rhetorik, der Kunst, mit Reden zu überzeugen, und dem Gesang im 16. und 17. Jahrhundert, ist kürzlich von Robin Headlam Wells und Robert Toft untersucht worden (EarlyMusic, Mai 1984, S. 173-199) und ihre Ergebnisse unterstützen meine These, daß die Interpretation von Ayres emotional ausdrucksstark sein sollte, um den Zuhörer zu berühren. 1581 schrieb Richard Mulcaster, Positions … for the Training Up of Children: „Musick stands not much upon straining or fullnesse of the voice, so it be delicate and fine in concent.“5 Das Oxford English Dictionary definiert das Wort concent mit “Harmonie oder Gleichklang”. Man bemerke, dass Lautstärke nicht so bewertet wurde, wie von Samuel Pepys im folgenden Jahrhundert: „1667, September 8th … I went to the King‘s Chapel … and there I hear Cresset [an amateurl sing a Tenor part along with the Church music; very handsomely, but so loud that people did laugh at him — as a thing done for ostentacion.“ 1596, Anon., The Pathway to Musicke: „Musicke is a science, which teacheth how to sing skilfullie: that is, to deliver a song sweetly, tuneable, and cunningly.“6 Ca. 1596, William Bathe, A Briefe introduction to the Skill of Song: „The Ante rules of Song … Practise to sunder the Vowels and Consonants, distinctly pronouncing them according to the manner of the place … Practise to have the breath long to continue, and the tongue at libertie to runne … Practise in striking to keepe a just proportion of one stroke to another [i. e. keep strict time] … Practise to have your voice cleer …”7 1597 Thomas Morley, A Plaine and Easie Introduction: “… you shall bee perfectly understoode of the auditor what you sing, which is one of highest degrees of praise which a musicion in dittying can attaine unto or wish for … to retume to the expressing of the ditty, the matter is now come to that state that though a song be ne-

ver so wel made & never so aptlie applied to the words, yet shal you hardlie fmd singers to expresse it as it ought to be, for most of our church men, (so they can crie louder in yr quier then [i. e., than] their fellowes) care for no more, whereas by the contrarie, they ought to studie howe to vowell and sing cleane, expressing their wordes with devotion and passion, whereby to draw the hearer as it were in chaines of gold by the eares …”8 1603 Thomas Robinson, The Schoole of Musicke: „Passionate play [on the lutel is to runne some part of squares [i.e., bars] in a Treble [of a duet, by which lute technique was taught] … first loud, then soft, and so in a decorum, now louder, now softer, (not in extremitie of either) but as companie of other instruments, or farnesse off giveth occasion.“9 Vermutlich sind solch subtilen Abstufungen, was die Dynamik angeht, auch in der Vokalmusik erwartet worden. 1608 Ben Jonson, The … Masques … of Beautie: … a second Song (sung by a loud Tenor) … so beautie on the waters stood.“10 Das Lied war von Alfonso Ferrabosco in sehr weiträumiger Art vertont, um die Worte in der „langsamen Akustik“ des Festsaals, Whitehall, verständlich zu machen. Die Angabe „laute“ Stimme impliziert, dass normalerweise nicht laut gesungen wurde, dass aber wegen der ungewöhnlich großen Akustik der Halle anders verfahren werden musste. Diese praktische Anweisung finden wir etwas später in Italien bestätigt, wo Cesare Crivellati 1624 schrieb: „In Kirchen singt man anders als in Musikräumen, in Kirchen singt man mit lauter Stimme, in Musikräumen mit zurückhaltender Stimme.“11 1609 John Dowland, Andreas Ornithoparcus His Micrologus, or … the Art of Singing: „Let every Singer conforme his voyce to the words, that as much as he can he make the Concent sad, when the words are sad; & merry, when they are merry.“12 Hier scheint Dowland das Wort „concent“ im Sinne von „Übereinstimmung von Textaussage und Gesangsstil“ zu verwenden, wie es auch Morley schon getan hatte, als er schrieb “you shall have a perfect agreement, and as it were a harmonicall concent betwixt the matter and the musicke”13 Bei Dowland geht es so weiter: „Let a Singer take heed, least he begin too loud braying like an asse … For God is not pleased with loude cryes, but with bovely sounds … The uncomely gaping of the mouth, and ungracefull motion of the body, is a signe of a mad Singer.“14 ca. 1618 Thomas Campion, The Third and Fourth Booke of Ayres: “ … all these Songs are mine if you expresse them well, otherwise they are your owne. Farewell.“15 Zusammenfassend kann man sagen, dass die zeitgenössischen Aussagen belegen, dass Tonschönheit vor Lautstärke einge-

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schätzt wurde, obwohl Lautstärke in großen akustischen Rahmen gefordert war und weiterhin — sehr wichtig! — dass die Art zu singen die Textaussage wiedergeben sollte. Ein Hinweis auf einen sehr expressiven Gesangsstil liefert die Musik selbst — was ich eine „Seufzerpause“ nennen möchte. Zum Beispiel möge man folgende Phrase aus John Dowlands „Come again“ (1597) betrachten:16

In einer jüngeren Plattenaufnahme dieses Liedes ist die Pause zwischen den Worten „die“ und „with“ nicht beachtet worden, um aber den Ausdruck des Textes schlüssig zu vermitteln, hat der Sänger eine ganz wesentliche Komponente von Dowlands Ausdrucksmitteln übersehen. Ich denke, daß Morley diese Art Pause gemeint hat, als er 1597 schrieb “ … when you would expresse sighes, you may use the crotchet or minime rest at the most, but a longer then [i.e., than] a minime rest you may not use, because it will rather seeme a breth taking then [i.e., than] a sigh.“17 Wie sollten wir heute eine solche Pause interpretieren? Ich denke, dass der Sänger kurz und hörbar einatmen sollte. In einem Beispiel aus der französischen Sprache werde ich in meiner Annahme unterstützt. Es gibt dort nämlich, im Gegensatz zum Englischen, wo es nur ein Wort für „Pause“ gibt, das dann zusätzlich je nach Länge differenziert werden muss, verschiedene Wörter für die einzelnen Pausenwerte: demi-pause für eine halbe Pause und soupir für eine Viertelpause — Soupir ist gleichzeitg das französische Wort für „Seufzer“ oder „Stöhnen“. Obwohl wir heute unter „Stöhnen“ ein Ausatmen verstehen, finden wir bei Shakespeare einen Beleg dafür, dass mit Stöhnen auch ein Einatmen gemeint war — zumindest zu seiner Zeit „ … a plague of sighing and grief! lt bbows a man up like a bladder.“18 Ich halte es für vollkommen unangemessen, wenn man in dem zitierten DowlandLied die musikalische Phrase und die Textaussage lediglich durch Stille unterbricht. Wenn ich recht habe und die Pause soll als eine Art „Keuchen“, ein hörbares Einatmen interpretiert werden, haben wir einen klei-


nen Beweis für einen expressiven, emotionalen Gesangsstil.

Die Aufführung von Liedern um 1600

„That which was onely privately compos‘d For your delight, Faire Ornament of Worth, Is here, come, wo bee publikely discbos‘d: And to an universal! view put forth. Which having beene but yours and mine before, (Or but of few besides) is made hereby To bee the worlds and yours and mine no more …“ (John Danyel, Songs for the Lute, Viol and Voice, 1609)19 “ … partly at the request of friends, partly for my owne recreation … These Ayres were for the most part framed at first for one voyce with the Lute, or Viol …“ Thomas Campion, Two Bookes of Ayres, ca. 1613/3) Vermutlich sind die meisten „Ayres“ so entstanden: Sololieder für das private Amusement der Sänger oder Komponisten. Als eine Publikation dann geplant wurde, wurden die Bücher auf die Amateur-Musiker zugeschnitten: Viele der Lieder hatten dann zusätzliche Alt-, Tenor- und BassStimmen und die Druckanordnung als „table-books“ weist auch auf häuslich-private Anwendung hin. Um das aufgeschlagene Buch saß man und sang (siehe Abbildung rechts oben). „These Ayres … have since beene filled with more parts, which who so please may use, who like not may leave.“ (Thomas Campion, Two Bookes of Ayres ca. 1613/3) “ … so made that all partes together, or either of them severally may be song to the Lute, Orpherian or Viol de gambo.“ (John Dowland, The First Booke of Songes or Ayres, 1597)20 Ich denke, dass die meisten dieser vierstimmigen Arrangements nichts anderes als Antworten auf die Bedürfnisse des Marktes waren — eher jedenfalls als künstlerische Konzeptionen. Die Flexibilität bot Material für jedwede Besetzungen, die verfügbar war. Was die Bass-Viola angeht, muss man in Betracht ziehen, dass die Laute bis etwa 1660 mit blanken Darmsaiten bezogen war,21 so dass die lediglich auf der Laute gezupfte Bass-Linie der Begleitung das, was die Bass-Viola hervorbrachte, nicht darstellen konnte. Auch überließen viele Komponisten den Aufführenden folgende Entscheidung: „… for one Voyce alone, or to the Lute, the Basse Viole, or to both if you please … “ (Robert Jones, A Musical Drearne, 1609)22 Als in Frankreich nach 1608 die mit den „Ayres“ vergleichbaren „Airs de Cour“ herauskamen, waren sie nur für eine Stimme und Laute konzipiert — keine Stimme für Bass-Viola. Die vier- und fünfstimmigen Vokalpartituren (normalerweise die origina-

le Konzeption) wurden als separate Veröffentlichungen in Form kleiner Stimmbücher, wie bei englischen Madrigalen, gedruckt. In Italien schrieb Giulio Caccini 1602: „Der Chitarrone … ist besser geeignet, den Gesang zu begleiten, besonders den eines Tenors, als jedes andere lnstrument.“23 Wieder wird kein gestrichenes Bass- Instrument erwähnt. Es gibt Anhaltspunkte dafür, dass „Ayres“ oft von Sängern, sich selbst begleitend, gesungen worden sind. Das kann größere Flexibilität und damit Ausdruckskraft mit sich gebracht haben. Der Zuhörer konzentrierte sich auch nur auf einen Interpreten und nicht auf zwei. Thomas Hoby ermutigte 1561 in „The Courtyer“ (einer Ubersetzung von Castigliones „Il Cortegiano“ von 1528) die Amateure: „But to sing to the lute (‘viola [da mano]‘) is muche better, because al the sweetenesse consisteth in one alone.“24 Königin Anne Boleyn und Mary, Queen of Scots, sind bekannt dafür, daß sie gesungen und sich selbst begleitet haben. Der Komponist Thomas Whythorne (1528– 1596) schrieb in seiner Autobiographie: „I would sing … two or three pretty ditties made of love … oftentimes [ca. 1556] unto her on the virginals or lute. I … began [ca. 1564] to teach her to sing to lute also.“26 Am Ende des Jahrhunderts hinterließ ein gewisser John Ramsey Anweisungen, dass sein Sohn im Alter von sieben bis zehn Jahren im Lautenspiel unterrichtet werden sollte, und „to sing to it with Dytte“ und er empfiehlt die Bücher von Dowland.27 In

Theaterstücken der Zeit wimmelt es von selbstbegleiteten Liedern. In Shakespeares Tempest steht zum Beispiel folgende Regieanweisung: „Enter Ariel, playing and singing … Come unto these yellow sands …“ 28 Aber typischer noch für die geübte Praxis ist, da Ariel kaum als normaler Bürger angesehen werden kann, als in Shakespeares Henry VIII Queene Katharine eine ihrer Frauen anweist: „Take thy lute, wench: my soul grows sad with troubles; Sing, and disperse‘em, if thou canst: leave workin (Song: »Orpheus with his lute made trees...«29 Man beachte: Der Sänger sollte die Stimmung der Königin verändern, ihre Gefühle berühren. Die Form, wie die Liederbücher gedruckt worden sind — die Lautenbegleitung unter der Gesangsstimme — legt auch nahe, dass das Selbstbegleiten zumindest als eine Möglichkeit nicht ausgeschlossen werden sollte. Es ist eigenartig, dass Morley in seinen „Canzonets or Little Short Aers“ 1597 schrieb: „I have also set them Tablature wise to the Lute in the Cantus booke for one to sing and plaie alone when your Lordship would retire your selfe and bee more private...“30, die Gesangs- und die Lautenstimme aber auf gegenüberliegenden Seiten anordnete und es damit unmöglich machte, sich selbst zu begleiten. Obwohl seine „Canzonets“ und Dowlands „First Booke“ am gleichen Tag im „Stationers‘ Register“ angemeldet worden sind, am 31. Oktober nämlich31, kannte Morley unter Umständen Dowlands neue Art der Druckanordnung mit Gesangsund Lautenstimme auf

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der gleichen Seite nicht, die das Selbstbegleiten ermöglichte. Wir kennen nur einen Komponisten, der sich, schriftlichen Belegen zufolge, selbst begleitet hat: Alfonso Ferrabosco (ca. 1575-1628): „sang rarely [i.e., extremely] well to the theorbo lute.“32 Belege für Komponisten, die ihre Lieder, sich selbst begleitend, aufgeführt haben, findet man in Italien weit häufiger, wo Caccini, Peri und Rasi so verfahren haben.33

Die Aufführung von Lautenliedern heute

Die meisten der jetzt folgenden Vorschläge berücksichtigen die modernen Konzertbedürfnisse, die den Musikem der elizabethanischen Zeit fremd waren.

Balance mit der Begleitung Der Sänger muss immer beim Singen die Laute hören können, was ihn vielleicht zwingt, etwas weniger Stimme zu geben oder den Lautenisten, ponticello zu spielen, also bewusst einen härteren Klang zu erzeugen als beim Solospiel. Viele Abbildungen des 17. Jahrhunderts und auch Unterweisungstexte (zum Beispiel Thomas Mace‘ Musick‘s Monument von 1676, S. 71) verlangten, dass der kleine Finger der rechten Hand hinter den Steg gestellt werden sollte, so dass die anschlagenden Finger einen nasalen Klang erzeugen konnten. Fingernägel an der rechten Hand wurden von einigen Spielern des 17. Jahrhunderts eingesetzt, besonders von Theorbenspielem — und zwar zweifellos, um schärfer anschlagen zu können und somit besser zum Gesang oder zu anderen Instrumenten zu passen.34 Eine Bass-Viola wird vielleicht benötigt, wenn der Lautenist leise ist oder der Konzertsaal groß, was dem Sänger ohnehin sofort mehr Stimme abverlangt (man erinnere sich an den „loud tenor“!). Je intimer die Konzertatmosphäre ist, desto weniger wird eine Bass-Viola gebraucht, die die Flexibilität beeinträchtigt. Berücksichtigung der Akustik Wie wir gesehen haben, sind die meisten Lieder für intime, kleine, häusliche Aufführungen gedacht. Wenn sie aber heute in größeren akustischen Umgebungen gesungen werden müssen, muss die Art der Begleitung den akustischen Verhältnissen angepasst werden. Über die Authentizität, eine Laute zu verwenden, die vom Publikum nicht gehört wird, braucht nicht weiter geredet zu werden. Ein vorsichtig gespieltes Klavier wäre in einem sehr großen Saal sicher besser. Erwägen Sie also, eine Bass-Viola einzusetzen oder vermeiden Sie zu große Säle. Auch kann die Wahl der absoluten Tonhöhe helfen, Ort und Aufführung in Einklang zu bringen — höher für größere Räume, tiefer für kleinere. Aber Lautenisten, Achtung! Viele Begleitungen lassen sich nicht leicht transponieren. Sie müssen umgeschrieben werden, fast neu komponiert

— es sei denn, man benutzt Lauten in verschiedenen Stimmungen.

Gesangsstil 1. Schnelle strophische Lieder, mit meistens einer Note pro Silbe verlangen „kurzes“ Singen in einer Art Rezitationsstil. Das erreicht man, indem man jedes legato vermeidet und die Tonlängen beinahe halbiert und mit Pausen auffüllt. Das kann den Rhythmus von Tanzliedern unterstützen und den Zuhörer in die Lage versetzen, dem Text besser zu folgen — in normaler Redegeschwindigkeit. Konsonanten sollten dann betont werden (demonstriert in Dowlands „Away with these self-loving lads!“, zuerst legato und dann kurz gesungen.) 2. Langsamere Lieder verlangen eine Legato-Gesangslinie mit sehr wenig Vibrato wenn überhaupt — um zu der meist mehr kontrapunktischen Begleitung zu passen (demonstriert in Dowlands „I saw my lady weep“). 3. Deklamatorische und zeremonielle Lieder, geschrieben für bestimmte, nicht häusliche Gelegenheiten (Masques, Staatszeremonien), verlangen eine formellere, deklamatorische, „laute“ Gesangsweise (demonstriert in Dowlands „Time‘s eldest son“) 4. Dynamik und Tempo ergeben sich prinzipiell aus einem Studium des Textes und der Bedeutung des Gedichts. Zum Beispiel ist es so, dass die meisten Text-Wiederholungen eine rhetorische Betonung erreichen wollen. Das Verfahren, zum ersten Mal forte zu spielen und dann piano zu wiederholen, gibt also keinen Sinn — normalerweise sollte man die Dynamik nicht ändern. Die erste Note eines Lieds kann normalerweise geringfügig länger sein, als es ihr mathematischer Wert verlangt, um den Anfang zu markieren und die Aufmerksamkeit der Zuhörer zu erregen — aber das gilt für alle Musik. In den langsameren Liedern sollte man vor dissonanten Klängen, die vom Komponisten eingesetzt sind, um ein Wort zu kolorieren, ein leichtes crescendo anbringen. 5. Rubato sollte angewandt werden — vorausgesetzt, die Hauptzählzeiten werden nicht merklich verschoben. Das bedeutet in der Regel ein geringfügiges Verlängern einer Note und danach — so spät wie möglich — ein Eilen, um beim nächsten Schlag wieder präzise zu sein. Man erweckt damit den Eindruck, man improvisiere oder komponiere das Stück gar im Moment der Aufführung anstatt es von den vorgegebenen Noten abzulesen. Italiener schrieben darüber mehr als Engländer — aber ich denke, dass man ihre Ideen auch auf englische Lieder anwenden kann. Giovanni de‘ Bardi (ca. 1578) meinte: „Komprimiere oder expandiere selbständig; sieh, dass es das Privileg der Sänger ist, die Zeit nach eigener Einschätzung einzuteilen.“35

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Giulio Caccini (1614): „Rubato ist jene Grazie des Gesangs, die, wenn richtig angewendet, … vom Singen in einer bestimmten vorgegebenen Steifheit und Trockenheit wegführt und den Gesang gefällig, frei und luftig macht … “ (Punkte 1-5 sowie die „Seufzerpause“ wurden durch John Dowlands „Sorrow stay“ demonstriert) 6. Hinzufügungen von Diminutionen und Verzierungen: Ich denke, dass man sehr vorsichtig sein muss, den gedruckten Noten irgendetwas hinzuzufügen. Viele Lieder mit Diminutionen, zum Beispiel Daniel Bachelers „To plead my faith“37, wirken wenig überzeugend, da die Verzierungen der Aussage und der emotionalen Verdichtung des Textes nichts hinzufügen. Ich habe den Eindruck, dass alle Beispiele, die wir besitzen, die ausnahmslos in Manuskripten niedergeschrieben sind, aus der Feder solcher Musiker stammen, die Dowland 1612 „some simple Cantors, or vocallsingers“ nannte, „who thought they seeme excellent in their blind Division-making, are meerely ignorant, even in the first elements of Musicke.“38 Fügt man Dowlands Aussage die Tatsache hinzu, dass Komponisten, wenn sie in ihren Liedern Wiederholungen ausschrieben (zum Beispiel Philip Rosseters „Whether men do laugh or weep“ oder Morleys „Thirsis and Milla“ und „It was a lover and his lass“), bei diesen Wiederholung keine Veränderungen einbrachten, haben wir Gründe genug, vorsichtig zu sein. Wir könnten dagegen die elizabethanische Praxis halten, beim Wiederholen instrumentaler Stücke „divisions“ zu improvisieren — aber da waren keine Texte beteiligt, was einen unterschiedlichen Interpretations-Stil vielleicht provoziert hat, um die Langweile von Melodien ohne Text zu mildern. Bedenken wir, dass das Wichtigste an den „Ayres“ die Worte sind und dass alles, was den Zuhörer von den Texten auf den Sänger ablenkt, dem Komponisten einen schlechten Dienst erweist. Ein paar Jahre später, als sich das „Lute-Ayre“ ins „Continuo Ayre“ entwickelt hatte, schrieb Edmund Weiler ganz richtig in einer Lobrede „Auf Mr. Henry Lawes, der eines meiner Lieder im Jahr 1635 neu gesetzt hat „As a church window, thick with paint, Lets in a light but dim and faint; So others, with division, hide The light of sense, the poet‘s pride: But you alone may truly boast That not a syllable is lost; The writer‘s, and the setter‘s skill At once the ravished ears do fill. Let those which only warble long, And gargle in their throats a song, Content themselves with Ut, Re, Mi: Let words, and sense, be set by thee.“ Sogar in Italien, wo man meines Erachtens an Sänger und Lied gleich interessiert war, (Pietro della Valle schrieb über Vittona Ar-


chilei im Jahr 1640: „Sie verzierte die aufgeschriebene Monodie mit langen Schörkeln und Wendungen, die sie entstellten, aber sehr populär waren.“39), tadelte Caccini ausdrücklich Sänger, die eigene blumige Passagen einbrachten: „Ich sagte, dass diese vokalen Kunststücke falsch angebracht sind, denn Passagen sind nicht diminuiert, weil sie wesentlich für gutes Singen sind, sondern weil sie, wie ich glaube, eine Art Ohrenschmaus sind für jene, die kaum verstehen, was gutes Singen wirklich ist. Wenn Sie es wirklich verstünden, wären sie „passagi“ gegenüber sicherlich abgeneigt, denn sie sind schädlich für den richtigen Ausruck.“40 Diese beiden Komponenten nennen das Dilemma, in dem sich Sänger im 17. Jahrhundert wie heute befanden und befinden, beim Namen: Soll man der Neigung des Publikums nachgeben, das von den Fähigkeiten des Sängers beeindruckt sein möchte oder soll man diese Fähigkeiten in den Dienst des Komponisten steilen? Die Schauspieler der elizabethanischen Zeit hatten übrigens das gleiche Problem. Shakespeares Hamlet sagte über sie: „Let those that play your clowns speak no more than is set down for them.“ Weitere Anhaltspunkte dafür, dass verzierte Passagen nicht zum Ayre gehören, kommen von John Playfords Brief lntroduction, 1664: „of late years our … Musick … much refined to a more smooth and delightful … manner of singing … and all those Graces by Trills, Grups and Exclamations, are and may be used to our English words, as well as Italian … these Graces … have been used here in England by most of the Gentlemen of His Majesties Chappel above this 40 years, and now is come to that Excellency and Perfection there, by the Skill and furtherance of that Orpheus of our time, Henry Cook Gentleman and Master of the Children of his Majesties Chappel.“41 Das heißt, dass der verzierte italienische Stil den englischen Sängern gegen 1620 durch Komponisten der Generation nach Dowland und Campion nahegebracht wurde (Playford nennt Nicholas Lanier, Henry Lawes, John Wilson, Charles Coleman und Walter Porter in der erweiterten Neuauflage von 1666) und dass der neue Stil dann erst auf einige ältere Lautenlieder wie „To plead my faith“ angewendet worden ist.

in der Lage sein, den Inhalt des Gedichts zu paraphrasieren, Sie müssen Ihre Gefühle in einem Wort oder einem Satz zusammenfassen können — so, dass Sie mit dem ersten Klang diese Gefühle an den Zuhörer übermitteln können. Wir sollten dankbar dafür sein, dass uns die Lautenlieder niemals dazu zwingen, die Aufmerksamkeit des Zuhörers von den Gedichten abzulenken. Alle originalen Bücher mit Lautenliedem sind nach 1967 als Faksimiles neu herausgekommen (Scolar Press/Brian Jordan). Die besten modernen Ausgaben stammen von Stainer & Bell (Herausgeber Fellowes) sowie Oxford University Press (Herausgeber Warlock). Weitere nützliche Literatur:

P

eter Warlock: The English Ayre, OUP 1926: kurzer historischer Uberblick über die Komponisten und ihre Lieder Ian Spink: English Song: Dowland to Purcell, Batsford 1974: kürzer gefasst als Warlock, stellt das Lautenlied aber in einen Kontext E. H. Fellowes: English Madrigal Verse, OUP 3/1967: Texte aller Lieder, Rechtschreibung und Interpunktion modernisiert, was oft Veränderungen bedarf, um den Sinn klarer herauszubringen. In Anmerkungen werden Punkte erörtert, die Klärung bedürfen. Ein Nachschlagewerk Edward Doughtie, Lyrics from English Airs 1596–1622, Harvard University Press 1970: eine wissenschaftlich genauere Version von Fellowes, mit ausführlicheren Anmerkungen und kritischem Apparat; Rechtschreibung und Interpunktion allerdings wie im Original, Campion ausgelassen da Percival Vivians Ausgabe (OUP 1909 revidiert), das gleiche Thema behandelt. Ein weiteres Nachschlagewerk.

Anm

erkungen:

*

Zusammenfassung

Zusammenfassend sollte man festhalten, dass die Ayres von den Texten ausgehen. Als Sänger sollten wir das also auch tun. Lesen Sie sie laut, versuchen Sie sie zu verstehen und, wenn nötig, ändern Sie Ihre Betonungen. Folgen Sie diesen Betonungen beim Singen peinlichst genau. Unterbrechen Sie niemals eine Phrase — es sei denn die Textbetonung erlaubt es. Ihr Job ist es, dem Zuhörer die Bedeutung des Textes nahezubringen, ihn zu überzeugen. Das fordert Sie, bevor Sie zu singen beginnen. Sie müssen

Dieser Artikel basiert auf einem Vortrag, den der Autor anlässlich eines „Table Ronde“ bei „The Lute and its Music“ im September 1980 in Tours gehalten hat. In französischer Sprache ist er in “Le Luth et sa Musique II“ bei CNRS in Paris erschienen. Später wurde der Vortrag bei der Lute Society in London gehalten (Januar 1983) und später bei der Konferenz englischer und amerikanischer Gesangslehrer (AOTOS und NATS) in Dartington, Juli 1984. Weiter wurde das Papier in den „Newsletters“ der American Lute Society gedruckt (November 1986). In Gitarre & Laute erschien der Beitrag erstmalig im 1989 (XI/1989/N° 4, S. 45-49) Zitate aus englischen Quellen sind, um weder die Orthographie noch die Diktion der Quellen verändern zu müssen, nicht übersetzt. Wenn im englischen Text übersetzte Fremdsprachenzitate vorkommen, sind sie ins Deutsche übertragen.

1

(London) S.177

2

Philip Rosseter, A Booke of Ayres, London 1601, fol. A2v: To the Reader, in der Regel Campion zugeschrieben.

3

Thomas Campion, Two Bookes of Ayres, London ca. 1613, fol. A2v: To the Reader

4

London 1545, A (erste Seitenzählung) f. 11. Für diesen Hinweis und mehrere andere dieses Ab-

schnitts bin ich Peter Le Huray, Music and the Reformation in England 1549-1660, London, Herbert Jenkins, 1967, Kapitel 4, zu Dank verpflichtet.

5

London, S.59

6

London,fol. A2

7

London, eingetragen im Stationers‘ Register am 22. September 1596, fol. A4 8 London, S. 178 und 179

9

London, fol. Cl

10 Ben Jonson, Masques at Court, London 1616, S. 908 f 11 Cesare Crivellati, DiscorsiMusicali, Viterbo 1624, übersetzt und zitiert von Nigel Fortune in: Italian l7th Century Singing, in: Music and Letters, XXXV/1954, Nr. 3, 5. 206-219 12 London, 5. 89. Hier ist die Kölner Ausgabe des Micrologus von l524 übersetzt, der erstmalig 1517 in Leipzig herausgekommen ist. 13

Morley, op. cit., S. 178

14 London, .90 15

London, fol. G1

16 The First Booke of Songes or Ayres, London, Lied XVII 17

op. cit., S. 178

18 The First Part of King Henry die Fourth, II 4, 340-2 19 London, fol. A2: To Mrs. Anne Grene 20 London, Titelblatt 21 Die frühesten Hinweise auf übersponnene Saiten findet man bei Playford, A Briefe Introduction to die Skill ofMusick [4. Auflage], London 1664, S. 46: There is a late Invention of Strings for the Basses of Viols and Violins, or Lutes, which sound much better and lower then [i.e. than] the common Gut Strings, either under the Bow or Finger. It is Small Wire twisted or gimp‘d upon a gut string or upon Silk. I have made trial of both, but those upon Silk do hold best and give as good sound. 22

London, Titelseite

23

Le Nuove Musiche, Florenz, fol. C2v: quello strument [il chitarrone] piu atto ad accompagnare la voce, e particolarmente quella del Tenore, che qualun que altro …

24 London, fol. M4 25

Diana Poulton, John Dowland, London 1972, zitiert Chateaubriants Memoirs; Anne Boleyn (1507–1536), singing like a syren, accompanying herself on the lute und Pierre Brantomes Vies des Dames Illustres, Mary (1542–1587) … avoit la voix très douce et très bonne; car elle chantoit très bien, accordant sa voix avec le luth.

26 James M. Osbom (Herausgeber), The Autobiography of Thomas Whythorne London 1962, S. 64 und 132 27

Poulton, op. cit, 5. 61. Zitiert wird Oxford, Bodleian Library, Douce 280, fol. 90v und 120.

28 Akt 1. Szene 1 29 Akt III, Szene 1 30 London, fol. A2 31

Edward Arber (Herausgeber), A Transcript of the Registers of the Company of Stationers of London 1554–1640, 5 Vols, III, London 1876, S. 94

32

John Aubrey, The Natural History of Wiltshire, London 1847 aber geschrieben 1656, S. 88

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33

Robert Spencer, Chitarrone, theorbo and archlute, in: Early Music, IV/4, 5.419, Fußnoten 1 und 2

34 Spencer op. cit., S. 414, wo auf Piccinini, Intavolatura di Liuto et di Chitarrone, Bologna 1632, S. 2, übersetzt von S. Buetens in JLSA II/1969, S.92–10 hingewiesen wird: The thumb – should not have a very long nail – The other three fingers… ought to have somewhat longer nails … Touch the string with the tip of the flesh and push It towards the belly, letting the nail glide over both the strings. Ebenso aus Mace: Musick‘s Monument, London 1676, 5. 73: in a Consort [playing with nails] might do well enough, where the Mellowness (which is the most Excellent satisfaction from a Lute) is lost in the Crowd. Ebenso auf Silvius Leopold Weiss, zitiert von Mattheson, Der neue … Ephorus, Hamburg 1727, S. 115, übersetzt von Douglas Alton Smith in JLSA VI/1973, S.61: … the arciliuto and the theorbo are ordinarily played with the nails and produce in close proximity a coarse, harsh sound. 35

Discorso Mandato (MS) zitiert von Fortune, op. cit., S. 218 (Siehe oben Fußnote 11)

36 Nuove Musiche e Nuova Maniera di Scriverle, Florenz, zitiert von Fortune, op. cit., S. 217 37

London, British Library, Add. ms. 24,665 (Giles Earle‘s Songbook, 1615-26), fol. 48v

38 A Pilgrimes Solace, London, fol. A2v.: To the Reader 39 Discorso della musica, Florenz 1763 aber geschrieben 1640, zitiert bei Fortune op. cit., S. 213 40 Le Nuove Musiche, Florenz 1602, fol. B1: Ai Lettori, übersetzt von H. Wiley Hitchcock, A-R Editions, Madison, 1970, S.47 41 S. 75-76. Der Brief Discourse of, and Directions for Singing after the Italian Manner..., der dem zitierten Ausschnitt vorangeht, ist eine Übersetzung des Vorworts von Caccinis Nuove Musiche von 1602 und erschien in verschiedenen Varianten in Playfords Brief Discourse nur zwischen 1664 und 1694 (S. hierzu Ian Spink, Playford‘s Direction for Singing after the Italian Manner, in: Monthly Musical Record, LXX-XIX (Juli-August 1959), 5. 130-135)

Mehr zum Thema Sting & Dowland (Fortsetzung von Seite 15 flogen ist, was er sonst als Lautenist wohl niemals erlebt hätte; und dass mit einer Platte mit englischen Lautenliedern Millionen umgesetzt worden sind, was auch noch nie geschehen ist? Die Anhänger der Rockmusik kennen jetzt den Namen Dowland und die anderen, die bei Police bisher höchstens „Aha, Freund und Helfer!“ gesagt hätten, wissen jetzt, wer Sting ist … um den Namen allerdings gleich wieder zu vergessen. Edin Karamazov ist zu den Aufnahmen und vor allem zu den Konzerten, die er hinterher mit Sting gegeben hat, mit einem völlig überflüssig großen Instrumentarium erschienen: Da war von der kleinen Renaissance-Laute bis zum Arciliuto alles vertreten. Und wie Andreas Schlegel werden auch ihn viele gefragt haben und fragen, wie sich die verschiedenen Lautentypen unterscheiden, was man auf einen und was auf der anderen spielt usw. Und die Besucher der Konzerte werden sehen, dass die Lautenmusik nicht herkömmlich notiert worden ist, sondern in Tabulaturen. Und dass Lauten keine Einzelsaiten haben wie Gitarren, sondern Chöre, sprich: Doppelsaiten. Das Verbreiten dieses Verständnisses wird die Lauteninstrumente bekannter machen. Sting singt die Dowland-Lieder mit seiner bekannt rauhen, unebenen Stimme. Manches haucht er, manches schreit er heraus … und er trifft eigentlich immer die Stimmung, die der jeweilige Liedtext vermitteln will. Melancholische Lieder herrschen vor … Texte, die einen Grundtenor von Traurigkeit, Depression und tiefgehendem Grübeln vermitteln. MEMENTO MORI – gerade, wenn es dir gut geht: Denk’ an die Endlichkeit allen Tuns, denk’ an den Tod! Tränen, Dunkelheit, Schmerz, solche Vokabeln liest und hört man oft, und zwar nicht nur bei Dowland. Melancholische Stimmungen waren waren eine Art „Zeitmode“. Christian Kelnberger (Text und Musik bei John Dowland, Passau 1999) spricht von einer „Melancholiebewegung“: „Es gab kaum einen Künstler, ob nun Poet, Maler oder Musiker, der sich dieser Strömung entziehen konnte“ (S. 66). Hier jedenfalls, auf dieser DCD mit Sting kommt die Grundstimmung sehr eindrucksvoll ’rüber und auch der Brief Dowlands passt in dieses Bild. Dowland schrieb am 10. November 1595 von Nürnberg an Sir Robert Cecil und schildert ihm seine Reise durch Deutschland und Italien. Bekanntlich hatte sich Dowland um die Position eines Hoflautenisten bei Königin Elizabeth I. bemüht und war nicht genommen worden. Er begab sich darauf auf Reisen von einem Hof zum anderen, wo man seine Kunst verstand und schätzte. Und man schätzte sie fast überall – nur nicht im heimatlichen England. Und Dowland berichtete auch, er habe gehört, dass der spanische König sich bereitmachte, im

22 Gitarre & Laute-ONLINE XXIX/2007 Nº 2

nächsten Jahr wieder England anzugreifen … er hatte ein paar Jahre vorher, 1588, mit seiner „unbesiegbaren Armada“ vor der englischen Küste eine vernichtende Niederlage einstecken müssen. Den Brief Dowlands liest Sting zwischen den Liedern und Solostücken und vertieft die vorherrschende Stimmung sehr eindrücklich. Ich halte die Produktion von Sting für mehr, als die musikalische Laune eines von Medien und Plattenindustrie verwöhnten Rockstars. Für viel mehr! Gordon Matthew Thomas Sumner, so der „bürgerliche“ Name des Sängers, hat sich tatsächlich von der Stimmung fangen lassen und er fängt seine Zuhörer! Bei Doblinger in Wien ist die Notenaugabe zur CD herauegkommen: Sting:

Songs from the Labyrinth

Songbook for Voice and Guitar Herausgegeben von Werner J. Wolff Doblinger D.19779 Preis: EUR 14,90

Es ist die programmgerechte Auskopplung aus den bekannten Dowland-Ausgaben, die seit einigen Jahren auf dem Markt sind: vorbildlich in jeder Hinsicht. Deutsche Übersetzungen sind dabei. Der Notensatz ist großzügig und außerordentlich gut lesbar. Am Schluss gibt es ein paar sehr stimmungsvolle Landschaftsfotos aus England (in Farbe) zusammen mit Liedtexten und als Finale einen nachdenklichen, melancholischen Sting. Das haben Sting und Edin auch mit ihrer Produktion erreicht: Dass einmal eine Notenausgabe so üppig ausgestattet werden konnte!


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Vor hundert Jahren … Der Jahrgang VIII/1907 der Zeitschrift „Der Guitarrefreund“, dessen Reprint in der letzten Ausgabe begonnen wurde, wird weitergeführt mit einem Heft, das zum größten Teil aus einer Rezension des Standardwerks „Die Geigen- und Lautenmacher vom Mittelalter bis zur Gegenwart“ von Willibald Leo Freiherr von Lütgendorff besteht. 1904 erschien die erste Auflage dieses Buches, ein Reprint der sechsten Auflage in zwei Bänden ist heute noch erhältlich, ergänzt um einen Ergänzungsband, erstellt von Thomas Drescher im Jahr 1990 (Tutzing, Schneider Verlag, Bände 1 und 2: 1975, Band 3: 1990). In letzterem befindet sich auch ein Portrait des Autors. „Der Lütgendorff“ ist heute noch, mehr als hundert Jahre nach seinem ersten Erscheinen, ein Standardwerk und für Instrumentenkundler unentbehrlich. Das hat auch Dr. Jos[ef] Bauer, der Rezensent des Guitarrefrend geahnt: „Wer sich durch das ganze Werk hindurchgelesen hat, kann sich der Überzeugung nicht verschließen, dass es sich um das Bedeutendste handelt, was in dieser Hinsicht und auf diesem Gebiet geleistet worden ist.“ Weiter unten heißt es: „Hat Frankreich seinen Vidal und Grillet, Italien seinen Piccolellis, England seinen Hart, kann Deutschland nunmehr mit stolz auf seinen Lütgenndorff hinweisen.“ Bei den hier von Josef Bauer angedeuteten Büchern handelt es sich um folgende:

Antoine Vidal (1820–1891), La Lutherie et les Luthiers, Paris 1889, als Reprint erhältlich bei Broude Brothers in New York (1969)

Laurent Grillet (1851–1901), Les ancêtres du violon et du violoncelle: les luthiers et les fabricants d’archets, Paris 1901 (1939– 1912), Liutai antichi e moderni, Firenze 1885

Giovanni, Marchese di Piccollelis

George Hart (1839–1891), The Violin: Its Famous Makers and their Imitators, s. l. 1875

In der Tat reihte sich von Lütgendorff ein in eine Reihe sehr bekannter Autoren, die aber in der Regel sebst Instrumentenbauer 24 Gitarre & Laute-ONLINE, XXIX/2007/Nº 2

(meist Geigenbauer) waren. Willibald Leo von Lütgendorff [kurz: Leo] wurde 1856 in Augsburg geboren, in München machte er 1873 sein Abitur. Danach studierte er an der Münchener Kunstakademie, ging dann nach Wien, um seine Studien bei dem Historien- und Freskenmaler August Eisenmenger weiter zu führen. Als Freskenmaler machte Leo dann auch eine erste Karriere. Das Nationaltheater in Pressburg, trägt seine Handschrift, danach Kirchenräume. In Lübeck, wo er sich später auch dauerhaft niederließ, erhielt er Aufträge für verschiedene öffentiche Gebäude, darunter das Rathaus, das 1942 allerdings in einem Bombenangriff völlig zerstört worden ist. Leo gründete eine Kunstschule, die sehr guten Ruf genoss, und malte. Aber seine Talente und Interessen waren vielfältig. Leo übersetzte dänische Volksmärchen ins Deutsche, schrieb ein Buch über Walther von der Vogelweise … dies und vieles mehr unter dem Pseudonym „Willibald Leo“. Ein vierbändiges Werk über „Lübeck zur Zeit unserer Großeltern“ erschien zwischen 1931 und 1938. Das Geigenbauer-Lexikon war, wie Leo selbst im Vorwort schreibt, „Frucht jahrzehntelanger Arbeit“. Er selbst hat Viola und Violoncello gespielt. Bei dem in Lübeck ansässigen Geigenbauer Johann Heinrich Schult (1866–1949) hat er schließlich Kenntnisse im Geigenbau erworben und auch eine Viola unter Anleitung selbst gebaut. Die internationale Fachliteratur stand ihm zur Verfügung, trotzdem musste er mit zahlreichen Archiven in Kontakt stehen, viele Instrumente selbst in Augenschein nehmen und die ermittelten Informationen verwalten und ordnen. „Abschließend lässt sich das Lexikon als großartige Einzelleistung in der Tradition positivistischer Geschichtswissenschaft werten“ schreibt Thomas Drescher, von dem übrigens alle hier veröffentlichten biographischen Daten über Willibald Leo Freiherr von Lütgendorff stammen, in seinem Ergänzungsband. Was die Notenausgaben angeht, sind sie jetzt „reichhaltiger, nach dem Grundsatz, wer vieles bringt, wird allen etwas bringen“, wie in der Zeitschrift (s. S. 18) kommentiert wird.


Zu dem besprochenen Buch von Willibald Leo Freiherr von Lütgendorff s. vorige Seite

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Armin Knab (1881– 1951) war deutscher Schriftsteller, Dichter und Jurist. Nach 1931 arbeitete er als Amtsrichter in Rothenburg o.d.T. und verschiedenen anderen Städten Süddeutschlands. Als Komponist von Klavierund Lautenliedern machte er sich einen Namen, schrieb aber auch andere Stücke, darunter ein Oratorium.

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Joseph Willroider, der Komponist der beiden Ländler am Ende der Notenbeilage, war Mitglied im Internationalen Guitarristen-Verband … mehr ist über ihn nicht in Erfahrung zu bringen. Einen Künstler namens Joseph Willroider hat es gegeben (1838–1915). Zu ermitteln, ob er mit dem Komponisten identisch ist, setzt aber eine zu aufwändige Recherche voraus.

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Neue Platten

Volker Höh, Romantic Moments: Klassische Träumereien für Gitarre W i, Mendelssohn-Bartholdy, Sor und Schumann Aufgenommen im August 2006, erschienen im Juli 2007-08-01 NAXOS

erke von Schubert, Mertz, Paganini, Regon-

d

[www.Naxos.de] 8.551263

PPP

Vorgestellt von Peter Päffgen

… hohe Kunst des Gitarrespiels …

Die Stücke auf dieser CD kann man, wenn man denn will, „verschnulzen“ – in der Annahme, die Komponisten und Interpreten im 19. Jahrhundert hätten es so gewollt und auch selbst so gespielt. Und man kann die Stücke „versachlichen“, entromantisieren, weil man annimmt, so passten sie besser ins 21. Jahrhundert. Beispiele für beide extreme Haltungen kennen wir. Volker Höh hat – wie die meisten seiner Kollegen – den berühmten Mittelweg eingeschlagen. N’bisschen romantisch. Dabei spielt er ein paar Höhepunkte romantischer Gitarrenmusik, die beinahe dazu einladen, überromantisiert zu werden … das Ständchen aus „Schwanengesang“ von Franz Schubert in der Bearbeitung von Mertz zum Beispiel oder desselben „Lied ohne Worte“ aus den „Bardenklängen“ op. 13. Aber Volker Höh spielt sehr kontrolliert. Er lässt sich nicht verführen von wunderbaren Melodien und auch nicht von der süßen Frucht des Virtuosen, wenn perlende Arpeggien dahinrauschen wie etwa in „Fingals Höhle“ von Mertz. Nein, fast wünschte man sich hie und dort etwas mehr Schmalz und auch etwas Virtuosen-Glamour, aber das ist nicht Höhs Ding. Mitunter habe ich auch den Eindruck, als gingen ihm solch exponierte Phrasen nicht wirklich leicht von der Hand. Das Thema des Variationssatzes von Sors großer „Fantaisie“ op. 7 beendet er beispielsweise mit einer üppig umspielenden Verzierung und gerade die wirkt fast ungelenk. Ach ja, zu „Moment douloureux“ muss natürlich noch ein Wort gesagt werden. Das Stück ist auch in der an sich sehr verdienstvollen Ausgabe „100 klassisch-romantische Etüden für Gitarre“ von Volker Höh und Gerd Michael Dausend (Band 3, Zimmermann ZM 34430) enthalten. Dort wird es als erste Neuveröffent-

lichung und im CD-Booklet als Ersteinspielung gefeiert … ohne zu erwähnen, dass die Autorenschaft Regondis mehr als zweifelhaft ist und auch, dass es von Jakob Ortner (1879– 1956) durchaus eine Neuausgabe gegeben hat. Die ist, so Zuth in seinem „Handbuch“, 1925 erschienen: „1925 veröffentlichte er [Ortner] bei Haslinger, Wien, 7 Hefte mit alter Gitarrenmusik unter dem Sammeltitel „Akademische Ausgaben“ (S. 212). Um eine dieser Ausgaben handelt es sich. In der Boije-Sammlung in Stockholm befindet sich eine ältere Ausgabe des Stücks, die auch bei Haslinger in Wien erschienen ist und die Plattennummer 14169 trägt. Diese Ausgabe trägt den Komponistennamen „Ch. Gondy“, die spätere, von Ortner betreute: „R. Gondy“ (PN 10519). Ein Komponist dieses Namens ist in der Literatur nicht bekannt. Leider enthält die Ausgabe von Höh/Dausend kein Quellenverzeichnis, es ist also nicht ersichtlich, nach welcher Vorlage sie angefertigt worden ist – eines aber ist klar: Die Ausgabe bei Zimmermann ist nicht die erste Neuausgabe des Stücks, wohl aber die erste, in der es (ohne ein erklärendes Wort) Giulio Regondi zugeschrieben wird. Die Mitglieder einer sehr prominent besetzten Newsgroup zum Thema klassische Gitarre im Internet haben fast einstimmig dafür plädiert, das Stück könne aus qualitativen Gründen nicht von Regondi stammen … und tatsächlich: Es ist kein Meisterwerk! Die große Neuentdeckung also ein Flop? Schade! Die CD, um die dreht es sich hier schließlich, ist ein neuer Beweis für Volker Höhs hohe Kunst des Gitarrespiels. Tränen der Ergriffenheit habe ich nicht geweint, wohl aber das hohe Maß an handwerklicher Präzision bewundert, auch die geschickte Programmwahl und die durch und durch professionelle Präsentation!

Federico Moreno Torroba: Guitar Music I Ana Vidovic, Guitar Aufgenommen im September 2005, erschie-

nen im Juli 2007 NAXOS atemberaubend …

[www.Naxos.de] 8.557902

PPPPP …

Ein Vergnügen! Diese Junge Frau, vor ein paar Jahren noch als weiblicher „Wunderknabe“

Gitarre & Laute-ONLINE XXIX/2007 Nº 2 39


David Becker Tribune: Leaving Argentina

Aufgenommen im Juni 2006

Acoustic Music Records 319.1385.2 … hier wird nicht Tango Argentino getanzt, sondern eine andere Erscheinungsform dieses Tanzes …

PPPP

gefeiert als sie den Wettbewerb in Bath gewonnen hatte, hat jetzt diese CD für NAXOS eingespielt. Nach Bath und weiteren Wettbewerben studierte sie in den USA bei Manuel Barrueco – jetzt hat sie ihre Meisterprüfung abgelegt. Ana Vidovic bringt den klanglichen den Schmelz von Andrés Segovia auf die Bühne ohne auch dessen eigenwillige Marotten übernommen zu haben. Sie steht immer noch am Anfang ihrer Karriere und lässt eine Professionalität ahnen, als wäre sie seit Jahrzehnten im Geschäft – und das ist ausschließlich positiv gemeint! Da sind keine Unsicherheiten mit dem musikalischen Material zu merken, keine unausgesprochenen, nur geahnten Fragen, nein, sie steigert sich in die Sinnlichkeit dieser Klänge, sie schwelgt in Hispanismen, als wäre sie nicht in Kroatien sondern in Spanien groß geworden. Was kann man mehr sagen?

Wenn Sie Tangos erwarten oder Chacareras, dann sind Sie hier falsch! Völlig falsch! Hier geht es nicht um Folklore oder ähnliches. Hier wird gejazzt. Und David Becker ist auch nicht aus Bielefeld oder Quakenbrück, sondern aus dem Staat Ohio. Dort hat er mit allen möglichen Größen des Geschäfts musiziert … und doch: bei Nummer drei des Programms kommt der Tango. Ein Surrogat dessen, was wir Tango nennen, eine eingekochte Basis. David Becker war einmal in Argentinien und über seinen Abschied improvisiert er jetzt.

Terry Riley vor dem Ford seines 97jährigen Nachbarn Tommy Bartch

40 Gitarre & Laute-ONLINE XXIX/2007 Nº 2

Und es spielt auch Dario Polonara auf dem argentinischen Musikinstrument überhaupt, dem Bandoneon … das Bandoneon heißt, weil es um 1840 von Heinrich Band in Krefeld erfunden worden ist. Aber auf dieser CD schwingt alles gegen den argentinischen Rhythmus, hier wird nicht Tango Argentino getanzt, sondern ein anderer Aggregatszustand dieses Tanzes … wie vermutlich heutzutage in ganz Argentinien auch. Der große Piazzolla hat schließlich auch einen Tango Nuevo geschaffen, weil er den traditionellen für nicht überlebensfähig gehalten hat. Also: David Beckers eloquenter Kommentar zum Thema Argentinien und zu den Themen Tango und Zamba sind hier zu hören. Aus der Sicht eines Amerikaners aus Ohio.

MINIMAL MAXIMAL

Minimal Piano Collection: Jeroen van Veen, Piano

on John Adams, John Borstlap, John Cage, Philip Glass, Arvo Pärt und anderen Aufgenommen im Oktober 2006 Brilliant Classics [www.brilliantclassics.com] 9 Werke v

CD 8551

PPPPP

… eigentlich ein Muss …

erry Riley: In C Ars Nova Conpenhagen, Percurama PercusT

sion Ensemble, Paul Hillier Aufgenommen im Januar 2005, erschienen

2006 ARS NOVA, DACAPO [bei NAXOS] 8.226049

… höchst vitale und sinnliche Musik, mit in-


tellektuellem Anspruch …

PPPPP

Landscapes: The Gothenburg Combo plays M avid Hansson & Thomas Hansy Werke von Peter Hanssen, Andreas Eklöf, Steve Reich, Fredric Bergström Aufgenommen im November 2006

usic for two Guitars by Steve Reich & others

D

Northwest Classics

www.northwestrecords.com] NWC 611094 … CD empfiehlt sie sehr für musikalische Entd [

PPPPP

eckungsreisen ...

Minimal Music? Man mag die Streichquartette von Anton Webern (op. 5 oder die „Bagatellen“ op. 9 zum Beispiel) für Minimal Music halten, weil sie in Sekunden an einem vorbei rauschen, komprimiert und auf ein Minimum eingekocht, so, dass man sie mehrmals hören muss, um überhaupt einen Endruck von ihnen zu erhalten. Arnold Schoenberg schrieb im Vorwort zur ersten Ausgabe von Weberns op. 9: „Man bedenke, welche Enthaltsamkeit dazu gehört, sich so kurz zu fassen. Jeder Blick lässt sich zu einem Gedicht, jeder Seufzer zu einem Roman ausdehnen. Aber: einen Roman durch eine einzige Geste, ein Glück durch ein einziges Aufatmen auszudrücken: zu solcher Konzentration findet sich nur, wo Wehleidigkeit in entsprechendem Maße fehlt.“ Aber auch, wenn Webern einigen der Minimalisten der ersten Stunde, La Monte Young zum Beispiel, als Vorbild gegolten hat, sind sie, die amerikanischen Komponisten um Steve Reich, Terry Riley, Philip Glass und einigen anderen einem anderen Weg gefolgt, der ihnen im Gegensatz zu den Komponisten um Schoenberg, Berg und Webern auch noch eine ausnehmend positive Publikumsresonanz eingebracht hat … zumindest in den USA. Vielleicht war es diese positive Aufnahme, die europäische, und da vor allem deutsche Kritiker und Wissenschaftler so skeptisch gemacht hat, dass sie zunächst kein gutes Haar an den Werken der Minimalisten ließen oder sie in Buchveröffentlichungen beinahe ignorierten. 1996 beklagte Fabian R. Lovisa, der Minimal Music sei „im deutschsprachigen Schrifttum bislang wenig Beachtung geschenkt worden“ (minimal-music: Entwicklung, Komponisten, Werke, Darmstadt 1996, S. 1996, S. 1), zu ei-

Terry Riley, Portrait von Betty Freeman

ner Zeit also, als ihre Popularität den Zenith längst überschritten hatte. Aber worüber reden wir eigentlich? Im Gegensatz zur seriellen Musik beispielsweise von Anton Webern bewegt sich die Minimal Music vornehmlich im tonalen, oft im modalen Bereich. Dabei ist eines ihrer Haupt-Charakteristika das stark Repetitive, das ständige Wiederholen einzelner Phrasen, oft in der Form zweier konkurrierender Instrumente, die minimal unterschiedlich schnell spielen. Dabei ergeben sich dann quasi per Zufall ständig neue Klangmuster, die außerordentlich reizvoll sind … diese Kompositionstechnik nennt man „phase-shifting“, abgeleitet von zwei (fast) parallel abspielenden wheelto-wheel-Bandmaschinen, die ganz geringfügig asynchron laufen und auf diese Weise die neuen Klangmuster erzeugen. Aber den Begriff Minimal Music auf diese Techniken zu fixieren, hieße, ihn viel zu kurz zu greifen. Mit Minimal Music werden so unterschiedliche musikalische Stile bezeichnet, dass eine Definition schwer fällt. Aber die Musik, die wir aus der Gitarrenszene kennen, arbeitet meistens mit „phase-shifting“ – erinnern wir uns an „Electric Counterpoint“ von Steve Reich oder an Leo Brouwer mit seinem stimmungsvollen Stück Paisaje Cubano con Lluvia (1984) für vier Gitarren. Beide arbeiten mit der gleichen Kompositionstechnik. Die CD-Gebinde , die hier zur Besprechung anstehen, hinterlassen beim Zuhörer recht unterschiedliche Impressionen: zuerst über zehn Stunden Klaviermusik unterschiedlichster Couleur, dann ein zentrales Meisterwerk der Minimal Music und schließlich zwei Gitarristen, die sich dieser Musik verschrieben ha-

ben. Höchst interessant ist die Sammlung mit Klaviermusik, wo wir neben den bekannteren Stücken auch Schlüsselwerke der Minimal Music hören können, deren Komponisten man stilistisch ganz und gar nicht in dieser Anthologie erwartet hätte. Erk Satie (1866– 1925) zum Beispiel mit „Vexations“, „dessen Wiederholungsorgie – 840mal soll es ohne Unterbrechung wiederholt werden – eine Vorreiterschaft zu minimalistischen Repetitionsformen nahelegt.“ (Lovisa S. 16). Oder Friedrich Nietzsche (1844–1900), von dem ein Stück namens „Fragment an sich“ mit knapp zehn Minuten Länge wenig Fragmentarisches hat, es sei denn in seiner Beschränkung auf eine einzige melodische Phrase, die in gleicher Harmonisierung und gleichem Duktus wiederholt wird. Aber die Anthologie hat natürlich viel mehr zu bieten … zehn Stunden Musik, wie gesagt.

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The Gothenburg Combo David Hansson & Thomas Hansy

Nicht mit Stücken vertreten ist „the acknowledged father of minimalism“ La Monte Young, obwohl er mit „Piano Piece for David Tudor Nr. 1“ und Piano Piece for David Tudor Nr. 3” durchaus für das Instrument geschrieben hat. Auch für Gitarre gibt es ein Stücke von La Monte Young: „For Guitar“ aus dem Jahr 1958, vermutlich noch zwölftönig bis seriell angelegt, also vor Youngs minimalistischer Zeit! Ich hab’s nie gehört und habe auch nie die Partitur in der Hand gehabt … ist das eine Aufgabe für Gitarristen? Hans Vogt (1911–1992) hat 1982 über Minimal Music geschrieben: „Der Verfasser ist nicht der einzige, der die Ergebnisse des geschilderten Musizierens als lähmend langweilig empfindet“ („Neue Musik nach 1945“, Stuttgart 1982, hier zitiert nach Lovisa S. 1). Ganz abgesehen davon, dass das Anführen anonymer Gleichdenkender dieses Diktum a priori entwertet und auch davon, dass der Verfasser nicht über zehn Stunden minimalistischer Klaviermusik hören konnte, um zu seinem Urteil zu gelangen: Die vorliegende Anthologie muss nicht en suite gehört werden! Nicht, weil es „lähmend langweilig“ würde, täte man es doch. Nein, weil dies Musik ist, die den Zuhörer fordert, ihn beschäftigt. Und minimal ist Minimal Music nicht in ihren zeitlichen Dimensionen. Ganz am Schluss, am Ende der letzten CD, steht Terry Rileys „In C“, ein Stück von rund einer Stunde Dauer. „The more the merrier“ ist als Besetzungsangabe über die Partitur geschrieben, in der 53 Patterns festgelegt sind, die über eine ostinate C-Oktave ständig ausgeführt werden: „je mehr, desto fröhlicher“. Das ist alles! Paul Hillier, von dem noch die Rede sein wird, wertet „In C“, zusammen mit Karlheinz Stockhausens „Stimmung“, als die beiden

Werke, die für ihn das musikalische Schaffen der 1960er Jahre repräsentieren, auch, wenn „the two composers could not be more radically different“. Aber zum Beispiel ihre Rückkehr zur Tonalität (schon der Titel „in C“ ist provozierend tonal) und die damit ausgedrückte Loslösung von der Orientierungslosigkeit der damaligen Moderne zwischen dem Diktat der Dodekaphonie, „Dada“ und „Fluxus“ vereint sie. Die maximale „Minimal Piano Collection“ von Brilliant Classics: Jeroen van Veen kommt der Musik in seiner Unaufdringlichkeit sehr entgegen – minimalistische Klaviermusik ist keine, mit der Pianisten sich normalerweise selbst in besseres Licht rücken wollen und können! Und für Menschen, die sich für Musik der 1960er interessieren, Musik der Zeit, als die Weichen gestellt wurden für politische, gesellschaftliche und künstlerische Erneuerungen, für den ist diese Anthologie, zumal für den Preis, zu dem sie angeboten wird, ein MUSS! „In C“ von Terry Riley ist auch in einer anderen Neuaufnahme auf dem Markt, entstanden unter der Leitung von Paul Hillier. Hier ist ein Vokalensemble, „Ars Nova Copenhagen“. Hauptakteur (Your know: „The more the merrier“) und daher wirkt die Aufnahme überhaupt nicht steril, weniger exemplarisch und sehr viel sinnlicher. Das C-C-Ostinato wird auf einer Marimba gespielt und gibt ihm den Puls von Metronom und Intensivstation gleichzeitig, manchmal aufgelöst durch andere Perkussionseinschübe – auch auf der Marimba. Das Stück wird zwischendurch, am Anfang von „Track 2“ beispielsweise, regelrecht choral und vollstimmig, dann wieder filigran und reduziert auf minimal … nein, Minimalismus im Sinne klanglicher Reduktion oder im Sinne von Stagnation gibt es hier nicht. Paul Hillier inszeniert dieses Werk als sinnliches, reifes,

42 Gitarre & Laute-ONLINE XXIX/2007 Nº 2

voluminöses Erzeugnis seiner Entstehungszeit, und nicht als Diskussionsgrundlage … und damals waren die Menschen nicht weniger genusssüchtig als heute! Und schließlich hat Hillier das nie anders getan. Auch mit seinem Hillier Ensemble, das sich der Alten Musik verpflichtet hatte und hat, beamt er die Musik in unsere Zeit ohne ihr untreu zu werden, ohne sie zu übertünchen. Diese Aufnahme zeigt „In C“ von Terry Riley als ganz und gar nicht „lähmend langweilig“ sondern als höchst vitale und sinnliche Musik, mit intellektuellem Anspruch, der sich vielleicht nicht unbedingt jedem und sofort erschließt … aber wenn man sich bemüht! Die Gothenburgcombo spielt zwei Werke von Steve Reich, das aufregende „Nagoya Guitar“, für zwei Gitarren bearbeitet von David Tanenbaum (im Original ist für zwei Marimbas) und den „Klassiker „Phase“ von 1967. Die eben beschriebenen Techniken findet man hier in Reinkultur wieder – vor allem bei „Phase“, wo beide Gitarristen eine sehr kurze Phrase ständig wiederholen und sich dabei in kaum merkbarem Tempo voneinander entfernen bis neue Bilder und neue Klangmuster entstehen … das ist ein faszinierendes Spiel, wenn man als Interpreten und auch als Zuhörer bereit ist, sich darauf einzulassen. Und es ist außerordentlich schwierig, es zu spielen, weil beide Musiker immer geneigt sein werden, sich dem jeweils anderen anzupassen. Wenn sie nicht Steve Reich spielen, verlieren sich die Gitarristen in reizvollen Klangwelten, ziemlich zurückgezogen und einsam, Klangskulpturen nennen sie es selbst, was sie hier vorführen. Die Schweden David Hansson & Thomas Hansy, die seit dem Jahr 2000 zusammen arbeiten, befassen sich, auch wenn man das annehmen möchte, nicht nur mit zeitgenössischer Musik, sondern haben auch eine CD mit Musik des 19. Jahrhunderts eingespielt … auf Instrumenten der Zeit. Die jetzt vorliegende CD empfiehlt sie sehr für musikalische Entdeckungsreisen.

Between the Times Knut Rössler und Johannes Vogt mit Miroslav Vitous Aufgenommen im Oktober 2006, erschienen

am 25. Mai 2007 t [www.actmusic.com] ACT 9463-2 …

PPPPP

ein hinreißendes Spiel!

Mit einem ganz andersartigen klanglichen Experiment führt sich der (Barock-) Lautenist Johannes Vogt hier ein. Er spielt „Paraphrasen über französische Lautenmusik des 17.Jahrhunderts“, bewegt sich zwischen den Zeiten und musikalischen Stilen sozusagen. Knut Rössler spielt Sopran-Saxophon, Miroslav Vitous, Bass und Mani Neubauer, als Gast, Schlagzeug. Wir haben es zu tun mit Lautenmusik von Ennemond Gaultier, Pierre Dubut und Jacques Gallot, mit Lautenmusik aus einer Zeit, als das Instrument wieder einmal eine Hauptrolle


toire, er bricht mit dem immer fester verankerten Zugaben-Repertoire, das man so auf Festivals hört oder in Gitarrenreihen … und vor allem auf Debut-CD, und darum scheint es ich hier zu handeln. Vedeles erste und bisher einzige CD!

Toru Takemitsu: L’opera completa per chitarra sola Andrea Dieci Aufgenommen im Mai 2004 MAP G 2-CD 0032 … kongenial …

PPPPP in der europäischen Musikgeschichte spielte und für andere Länder, Deutschland beispielsweise, beispielgebend war. Die Franzosen sind nicht nur für die neue Lautenstimmung in dMoll verantwortlich, sie haben auch den „style brisé“ entwickelt oder das nicht mensurierte Prélude, das „Prélude non mesuré“. „Der Franzosen ohnerzwungene ehrerbietige Freyheit ist geschickter sich in die Gemüther der Menschen einzuschleichen als eine affectirte bauernstoltze gravität“ schrieb 1687 Christian Thomasius in seinem Buch „Von der Nachahmung der Franzosen. Und die „ohnerzwungene ehrerbietige Freyheit“ können die Musiker diese Produktion natürlich genießen. Sie tun’s auch … aber, wenn man ehrlich ist, nutzen die Freiheit zum Improvisieren eigentlich nur die anderen, will heißen: nicht der Lautenist. Sie haben es ja auch, das hört man, nicht zum ersten Mal getan, aber ein Lautenist? Dessen Freiheit spielt er beim Continuo-Spiel aus oder in vielleicht waghalsigen Verzierungen … aber ist das zu vergleichen mit dem, was sich die Jazzer an seiner Seite ’rausnehmen dürfen und müssen? Rössler und Vitous (mit Neumeier als Gast) haben sich aber seinem (Vogts) Diktat gefügt. Die französische Lautenmusik des 17. Jahrhunderts ist der durchgehende Puls, an ihr improvisieren die anderen entlang, und das machen sie sehr sensibel und klangschön. Die ausgewogene instrumentale Konstellation von Sopransax, Barocklaute und Bass (mit einem durchaus zurückhaltenden Schlagzeuger) führt in neue Welten – Cooler Jazz! Johannes Vogt kühlt durch Distanz ’runter, seine Kollegen heizen an … ein hinreißendes Spiel!

Compositori Austro-Tedeschi del 900 Werke von Uhl, von Einem, Baur, Takacs, Ap ostel, Opitz

igi Vedele, chitarra Aufgenommen im Juni 2003 Lu

L

ira Classica CD 095

ein mutiges Programm!

PPPPP …

Dies ist ein mutiges Programm! Sechs Komponisten einer Generation, alle geboren zwischen 1901 (Hans Erich Apostel) und 1918 (Gottfried von Einem und Jürg Baur) mit Werken, von denen die meisten in den sechziger

Jahren, die Sonate von Alfred Uhl bereits 1938 entstanden ist. Die meisten der Werke sind bisher nicht eingespielt und auch in Konzerten höchst selten (bis überhaupt nicht) zu hören. Keiner der Komponisten war oder ist Gitarrist und Andrés Segovia hat an keinem der Werke mitgewirkt ... bis auf die Uhl-Sonate, die der Komponist für ihn geschrieben, die er allerdings nie gespielt hat (wohl aber in einem Brief an seinen Freund Manuel Ponce lobend erwähnt). Das sind so viele Gemeinsamkeiten, dass man sich wundert, dass auf diese Werkzusammenstellung nicht schon vorher jemand gekommen ist! Die sechs Herren hatten ihre Lern- und Wanderjahre in der Zeit vor dem zweiten Weltkrieg und so wird hier wie durch ein Kaleidoskop ein Blick auf viele Nuancen und Schattierungen der kompositorischen Tendenzen der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts möglich: von „neo-klassisch“ und „post-romantisch“ bis hin zu mehr oder weniger streng seriellen Strukturen. Und alle sechs sind „ernste“ Musik – auch, wenn Eich Opitz seine Sonatina „Austriaca“ nennt, ist sie nur sehr verfremdend der Folklore Österreichs verpflichtet. Luigi Vedele, Jg. 1969, erhielt seinen musikalischen Feinschliff bei Angelo Gilardino, hat, nebenbei sozusagen, Komposition studiert und befasst sich mit elektronischer und neuer Ensemble-Musik; den Marteau sans Maître hat er vor ein paar Jahren aufgeführt – dies nur, um sein künstlerisches Umfeld zu skizzieren! Den Einstieg in seine CD bildet die Uhl-Sonate, die sofort in die magische Klangwelt der Gitarre entführt und nicht in Debatten um Strukturen (und das, obwohl Uhl keineswegs Gitarre gespielt hat!). Welch einen Kontrast bilden danach Gottfried von Einem und Jürg Baur! Wieder sehr dem Klang der Gitarre verpflichtet sind danach die Sechs Musiken von Apostel, die jeder aus der Scheit-Reihe bei UE kennt, aber kaum jemand je gehört hat. Wie die sechs Saiten der Gitarre beginnen sie mit dem Ton „E“ und schließen damit – ansonsten sind sie mit all ihren lyrischen Momenten der Dodekaphonie verpflichtet, wie sie in den Studienjahren Apostels in seiner Wahlheimat Wien en vogue war. Luigi Vedele zeigt mit seiner CD, dass er es ernst meint! Er bricht aus mit seinem Reper-

Hinreißend sind sie, diese 12 Songs, voll innerer Spannung und harmonischem Sprengstoff … aber ist für sie der gleiche Komponist (oder Arrangeur?) verantwortlich wie für Folios oder All in Twilight? Hier, auf dieser Sammlung mit sämtlichen Solowerken von Toru Takemitsu, füllen sie eine komplette CD und schließen versöhnlich mit der Internationalen. Ja, versöhnlich! So, als habe Toru Takemitsu zeigen müssen, dass ein irisches Volkslied wie Londonderry Air zerrissen und voll Spannung sein kann und das Kampflied der Kommunisten versöhnlich. q.e.d. Vielleicht auch, dass das kleine Volkslied nichts Volkstümliches mehr hat und die Hymne für soziale Gerechtigkeit zur Barmusik degeneriert ist? Dazwischen Hey Jude und Yesterday! Aber (nur) ein paar Jahre vorher (1974) hat Takemitsu seine Folios geschrieben. Irgendwo zwischen softly und dying away unendlich fein nuancierte klangliche Ebenen, Stimmungen, die vorgegeben, beschrieben sind. Aber auch Chaos und Zwiespalt. Und dann tun sich Töne zusammen, kaum merklich finden sie zueinander bis sich der Choral O Haupt voll Blut und Wunden von Johann Sebastian Bach klar, deutlich und mahnend aus allem löst. Kurz nur, bis er in andere meditative Dimensionen mutiert. Ja, das ist der gleiche Komponist! Seine Provokationen, und provozieren will und muss er wie jeder Künstler, liegen nicht auf der Ebene „laut-leise“ oder der Ebene schmerzhafter Erkenntnisse, sie fühlt man, „zwischen den Zeilen“ sozusagen, diskret aber nicht minder

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deutlich. All in Twilight. In Andrea Dieci hat er einen kongenialen Interpreten gefunden. Er erzeugt Spannung und kann sie bewahren, er kann sie halten und bis ins Unerträgliche weiterführen. In the woods, Takemitsus letztes Werk, das er selbst nicht mehr hat hören können (der erste Satz wurde bei seinem Begräbnis uraufgeführt), lebt von anderen Spannungen, von solchen, die sich aus Bewegungen und Begegnungen ergeben, aus Reibungen und Interferenzen, in sich drehenden Figuren, Arpeggien und Kreisen. Und hier finden sich auch Reminiszenzen an Komponistenkollegen, die Andrea Dieci auferstehen lässt und doch wieder als Träume verblassen. Dies ist eine würdige Takemitsu-Ehrung geworden!

lfin Lieske: Taqsim I-III Aufgenommen im August 1999 Kr Wu

euzberg Records 10089

PP

… work in progress …

Das hier vorgestellte Stück „entstand in den Jahren 1990-1994 als »work in progress« in Köln und in Kappadokien“. Aufgezeichnet wurde es dann mehr als fünf Jahre später, nachdem es „zu einer notierten Komposition“ geworden war. Kappadokien, dies zunächst zur Information, ist eine Landschaft in Zentralanatolien und hat eine außerordentlich bewegte Geschichte. Heute gehört sie zur Türkei, als Durchgangsland zwischen „Europa“ und Asien war Kappadokien aber immer außerordentlich begehrt und umkämpft, so dass die Herrschaft über diesen Landstrich oft wechselte. Dies hatte zur Folge, dass sich eine außerordentlich reiche und vielfältige Kultur entwickelt hat, die unter anderem von griechischen, osmanischen, asiatischen und arabischen Einflüssen gespeist wurde. Wulfin Lieske hat musikalische Elemente aus Arabien und Kappadokien auf sich wirken lasen und dann improvisatorisch auf der Gitarre umgesetzt. Verlegt ist das Werk beim Verlag Margaux, der mit auf die Türkei bezogenen Improvisationen für Gitarre eine gewisse Erfahrung hat, sich in diesem Fall aber offenbar nicht zu einer Publikation entschließen konnte. Im Online-Katalog des Verlags (www.ama-verlag.de) ist das Werk bedauerlicherweise nicht zu finden. Wer sich über weitere kompositorische Unternehmungen von Wulfin Lieske informieren möchte, kann das unter www.wulfin-lieske.de tun. Zu

Plattentipp Luys de Narváez: Musica del

elphin Pablo Márquez D

Aufgenommen im April 2006, erschienen 2007

[im Vertreb der Deutschen Grammophon, www.ecmrecords.com] N ECM

ew Series 1958

PPPPP

… Bravo Pablo!

Pablo Márquez, der Asket, der Spartaner, der sich nicht im Bad von Rhythmen aalt, die ihm seine Heimat, Argentinien, mit auf den Weg gegeben hat, sondern der in’s Land und in die Zeit der Conquistadores zurückgeht, in die Zeit derer, die „Lateinamerika“ unter ihre Fuchtel genommen haben, spielt Narváez! Er spielt Narváez auf einer modernen Gitarre und nicht auf der Vihuela de mano, der spanischen Antwort auf die europäische Laute des 16. Jahrhunderts … die eigentlich aus Arabien stammte und von anderen Eroberern mitgebracht worden war. Luys de Narváez war, das sehen wir an seinen Veröffentlichungen und auch an Dingen, die Zeitgenossen über ihn geschrieben haben, ein hoch gebildeter Mann und geschätzter Musiker, geboren um 1500 in Granada. Ein paar Vokalkompositionen sind von ihm erhalten und sein Hauptwerk, die „Sey Libros del Delphin“, gedruckt 1538 in Valladolid. [Bücher 1 & 2] Fantasien, [Buch 3] Französische Chansons und Messesätze (vornehmlich von Josquin Desprez), danach [Buch 4] Variationen über zwei Choralsätze, [Buch 5] Romanzen und Villacicos für Gesang und Vihuela und schließlich [Buch 6] Variationssätze (über „Conde Claros“ und „Guárdame las Vacas“) sowie als Schluss „Baxa de contrapunto“. Die „diferencias“, die Variationen, sind nicht nur die heute am meisten gespielten Stücke aus den Büchern von Narváez, sie haben auch zu ihrer Entstehungszeit Aufsehen erregt. Nachdem die aufgeschriebene Instrumentalmusik zunächst hauptsächlich auf Sätze der Vokalmusik zurückgriff, waren diese Variationssätze die ersten Emanzipationsversuche, die ersten Schritte hin zu eigenen Strukturen. Man umspielte vorgegebenen Melodien … und Narváez war einer der Ersten, welche die so entstandenen „diferencias“ aufschrieben und drucken ließen. In Italien entstanden vornehmlich Variationen auf der Basis von Bassgerüsten wie der Romanesca oder dem Passamezzo – letzterer zum Beispiel von Hans Newsidler 1536 in Nürnberg adaptiert in seinem welschen [fremdländischen, auch italienischen] Tanz „Wascha mesa“, was nichts anderen heißt als Passamezzo. In Spanien kamen, was Variationen angeht, eher Oberstimmen-Modelle auf und da waren „diferencias“ über das Lied „Guárdame las Vacas“ außerordentlich beliebt, finden wir sie doch bei Cabézon, Henestrosa, Mudarra, Narváez, Pisador und Valderrábano. Pablo Márquez hat das Repertoire seiner CD modal gegliedert, vom „Primer tono“ bis zum „octavo tono“, oder vom Dorischen bis zum Hypermixolydischen, und folgt damit den Gepflogenheiten der Menschen im 16. Jahrhundert. Mindestens die Fantasien sind in allen Veröffentlichungen von Lautenund Vihuela-Musik in dieser Zeit nach Kirchentönen angeordnet … zumindest in Italien und Frankreich. Und das war etwas grundsätzlich anderes, als später, sagen wir, erst alle Stücke in C-Dur und dann alle in G-Dur zu spielen. Die Kirchentöne waren in ihrer Struktur nicht identisch, wie die Duroder Moll-Tonleitern mit Ganz- und Halbtonschritten an immer gleichen Positionen. Sie gehörten zu bestimmten Melodien, schließlich waren sie aus dem Tonsystem des Gregorianischen Gesangs entstanden und waren mit Choralmelodien direkt verbunden. Pablos Anordnung der Stücke ist also eine für das 16. Jahrhundert sehr plausible. Sie ist heute vielleicht vom Höreindruck her nicht mehr nachvollziehbar, zeigt aber, wie tief der Musiker sich intellektuell mit der Musik und ihrer Entstehungszeit auseinander gesetzt hat. Sehr deutlich spürbar ist Pablo Marquez’ tiefe innere Bindung zu den Stücken, die er spielt. Das ist nicht einfach fünfhundert Jahre altes Spielmaterial, das heute dem Zuhörer des 21. Jahrhunderts zum Konsum vorgeworfen wird. Dies ist das Bekenntnis eines Interpreten, der es ernst meint. Wir erleben fein ziselierte Beispiele für frühe Instrumentalmusik: einen Choral („O Gloriosa Domina“) mit Variationen zum Beispiel, der einen in seiner stillen Frömmigkeit förmlich in die Zeit von Narváez zurückversetzt, „Sanctus und Hosianna“ aus einer Messe von Josquin Desprez als Zeugnisse polyphon-sakraler Pracht, und wir hören stolze Bekenntnisse zur neuen, nicht sakral gebundenen, instrumentalen Musik dieser Zeit mit den Fantasien und „Baxa de contrapunto“ zum Beispiel. Bravo Pablo!

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seinen letzten großen Projekten gehört sein Grand Tango de Concert für Gitarre solo (verstärkt) und Blasorchester, der mit dem Musikkorps der Bundeswehr unter Oberstleutnant Walter Ratzek uraufgeführt worden ist.

Aires de la Guitarra: Wulfin Lieske Werke von Paco Peña, Ruperto Chapí, Joaquín Malats, Regino und Eduardo Saínz

Das Ferenc Snétberger Trio mit Paolo Vinaccia, Ferenc Snétberger und Arild Andersen

de la Maza, Joaquín Turina, Manuel de Falla

und Joaquín Rodrigo Aufgenommen im Dezember 2003

K

reuzberg Records Kr 10090

Das ist Flamenco … und wieder nicht!

PP …

Auch Kompositionen von Kollegen hat Wulfin Lieske eingespielt, und zwar einige „Klassiker“ und ein paar zwar bekannte aber weniger oft gespielte Werke. Zu den Klassikern gehören natürlich de Fallas Homenaje und die Stücke von Turina: Rafaga, Garrotín, Soleares und Fandanguillo (Garrotín und Soleares auch bekannt als Hommage à Tárrega). Und dann enthält diese CD das Stück, das ich für einer der besten halte, das im 20. Jahrhundert für Gitarre geschrieben worden ist: Rodrigos Invocación Y Danza! Aber gleich ins andalusische Leben mit Arabesca von Paco Peña! Das ist Flamenco … und wieder nicht! Domestizierter Flamenco vielleicht, handzahmer Flamenco. Nicht, weil er auf einer Konzertgitarre gespielt ist und auch nicht, weil er von uns so konsumiert wird, als würden wir eine Sonate von Sor hören. Nein, aber schon, weil er „notiert“ ist. Das hört man! Das klingt „steifleinen“, nicht „aus dem Bauch“. Metrisch korrekt. Mitgezählt! Und die meisten anderen Stücke höre ich mit ähnlicher Zurückhaltung … auch wenn sie der ernsten spanischen Musik zugehören, der „klassischen“. Aber sie duften ja nach Spanien, zwar durch ein Spitzentaschentuch, aber doch Spanien. Die großen nationalen Kompositionsschulen sind Kinder des 19. und frühen 20. Jahrhunderts. Felipe Pedrell hat für das in Spanien gesorgt, das Bela Bartók für Ungarn und vor ihm beispielsweise Chopin für Polen geschaffen haben: musikalische Identitäten. Chopin

hat Mazurka und Polonaise bekannt gemacht, auf Pedrell bezogen sich Enrique Granados, Isaac Albéniz, Joaquín Turina und schließlich Manuel de Falla. Und auf den Errungenschaften dieser spanischen Schule haben alle Komponisten, die hier bei Lieske vertreten sind, aufgebaut. Sie haben alle das mehr oder weniger gleiche Ausgangsmaterial gehabt. Der eine nutzte es mehr zugunsten der maurischen Elemente, der andere mehr in Richtung der katalanischen. Aber hören Sie sich die zig Aufnahmen mit Gitarrenwerken von Albéniz bis Rodrigo, von Granados bis de Falla oder von Turina bis Tárrega an. Irgendwie identifiziert „jeder“ das als „spanisch“, auch ohne Ethnomusikologe zu sein. Das heißt, dass die Saat der spanischen Schule nicht nur in Spanien aufgegangen, sondern dass „das Spanische in der Musik“ auch bei uns, den nicht-spanischen Konsumenten, bekannt ist. Und es war auch bekannt, als 1875

der Franzose Georges Bizet die vermeintlich spanischste aller Opern, Carmen, schrieb. Zurückzukommen auf Wulfin Lieskes Interpretationen, kann ich nur konstatieren, dass er alle Noten spielt und auch in der richtigen Reihenfolge, dass mir aber doch etwas fehlt. Ist es die „innere Balance“ in den Stücken. Ist es das Verhältnis zwischen agogischer Freiheit und Texttreue? Ist er vielleicht zu wenig Spanier? Oder ich? Das Spanische in mir trifft er jedenfalls nicht!

B

ritish Guitar Music

Werke von Walton, Maxwell Davies, Rawst-

orne, Berkeley, odney Bennett Aufgenommen zwischen 2000 und 2003 h

NAXOS

8.557040

Music from Brazil Werke von Perreira, Pernambuco, Jobim Bonfa, Sergio Assad, Rabello, Gismonti und VillaLobos Aufgenommen im Januar 2003 Beide: Graham Anthony Devine, Gitarre NAXOS 8.557295 Guitar

… detailversessener Musiker …

PPP

Nein, nicht alle diese Kompositionen sind für Julian Bream geschrieben und von ihm uraufgeführt worden. Lennox Berkeleys Theme and Variations zum Beispiel ist für Angelo Gilardino geschrieben. Farewell to Stromness ist von Peter Maxwell Davies überhaupt nicht für Gitarre konzipiert worden, sondern für Klavier und von Timothy Walker transkribiert. Lennox Berkeleys Quatre Pièces pour la Guitare sind sogar Maestro Andrés Segovia gewidmet, der sie aber wie so viele andere nie eines Blickes gewürdigt hat. Alle anderen Stücke dieser CD

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gehen, zugegeben, auf Julian Bream zurück und eine wichtige, sehr bekannte Komposition fehlt: das Nocturnal op. 70 von Benjamin Britten. So viel zur Statistik! Als Julian Bream die ersten Kompositionen in Großbritannien anregte, ging es unter anderem darum, sich vom spanischen Repertoire ein wenig wegzubewegen. Segovia beherrschte mit „seinen“ Stücken die Gitarrenszene weltweit und es wurde Zeit, Alternativen zu schaffen. Maestro Segovia hat sich umgekehrt nie für die englischen Gitarrenwerke interessiert – zumindest hat er sie nicht gespielt. Graham Devine ist Engländer und hat dort mit seiner musikalischen Ausbildung bei Gordon Crosskey begonnen, als Teenager ist er nach Brasilien umgezogen, wo er seine Karriere als konzertierender Musiker und Lehrer begann. Heute unterrichtet er am Trinity College in London. Mit den fest im Repertoire verankerten Bagatellen von William Walton beginnt er sein Programm. Und gleich mit ersten Satz (Allegro) stellt er klar, mit wem der Zuhörer es zu tun hat. Entschlossen, nach vorn gerichtet, und dann wieder lyrisch, sinnlich. Er zaubert den hinreißend schönen Satz Alla Cubana mit Synkopen und lateinamerikanischem Flair. Mit einem virtuosen Feuerwerk beschließen Walton und Devine den Zyklus. Schlicht und ergreifend ist Farewell to Stromness, ein mystisches, fast gespenstisches schottisches Lamento, und auch die Elegy von Alan Rawsthorne führt in eine ähnliche emotionale Welt. Sie war Rawthornes letzte Komposition. Es folgen drei Kompositionen von Lennox Berkeley: Sonatina, Theme and Variations,

Quatre Pièces pour la Guitare. Devine neigt dazu, sich ein wenig an kleine Einheiten, an Details zu verlieren und dabei das Gesamtwerk außer Betracht zu lassen. Hier, in der Sonatina fällt mir das besonders auf. Die großen Spannungsbögen, die sich aus vielen kleineren zusammensetzen, und die wieder aus noch kleineren, dieser Mikrokosmos von Abhängigkeiten und Beziehungen als Ganzes macht das Kunstwerk aus und weniger die „schönen Stellen“. Graham Anthony Devine ist ein ziemlich detailversessener Musiker mit sicherer Kontrolle über sein Instrument und seine klanglichen Möglichkeiten. Das brasilianische Repertoire, später aufgenommen aber vor der englischen CD erschienen, kommt Devines Sicht der Dinge viel eher entgegen. Hier ist einem die Klang-, Detailund letztlich Selbstverliebtheit nichts Fremdes. Und hier, mit der Musik des Landes, in dem er groß geworden ist, brilliert Devine! Graham Anthony Devine ist ein vielseitiger Musiker. In zwei ziemlich unterschiedliche musikalische Welten führt er seine Zuhörer mit diesen CDs. In beiden fühlt er sich zuhause.

Ferenc Snétberger: Nomad mit Arild Andersen, Bass und Paolo Vinaccia, percussion Aufgenommen im April 2005 E eine höchst unterhaltsame CD… nja-records ENJ 9485-2

PPP …

Ferencs neues Trio ist hier erstmalig auf CD zu hören: Arild Andersen ist Norweger und hat Jazz-Geschichte miterlebt und geschrieben.

Der Italiener Paolo Vinaccia lebt seit vielen Jahren in Norwegen und ist fester Bestandteil der skandinavischen Musikszene. Über Ferenc Snétberger muss hier nichts gesagt werden (s. Gitarre & Laute XXII/2000/N° 3, S. 9-11). Zusammen spielen die drei Musiker seit zwei Jahren. Als „Triangel paneuropäischer Inspiration“ sind sie bezeichnet worden, wo „in der Mystik und Lebenslust, Traumpfade und helles Lachen, Trance und Tanz sich amalgamieren“ und dieses Wort ist nicht als Ausdruck von Unsicherheit zu werten. Unsicherheit in der Kategorisierung höchstens. Schon mein Interview im Jahr 2000 begann mit der Frage, in welche Schublade Schallplattenhändler seine Produktionen steckten. Damals war „Klassik“ eine der Alternativen. Heute ist es einfacher: Der Jazz überwiegt! Man hat zwar immer wieder den Eindruck, das Trio breche aus, überschreite Grenzen – aber was sind Grenzen? Die Musik, die ankommt, swingt zwischen Meditativem und Minimalistischem, zwischen Bekanntem und völlig Unerhörtem. Dann gerät alles in Bewegung und groovt in „schierer emotionaler Kraft“ vor einem davon oder ergeht sich in Virtuosem. Und aus der emotionalen Energie, der Ruhe und Weite schöpft man nachhaltig. Ferenc Snétberger sucht seinen Weg und findet ihn … seinen Weg zu einem persönlichen, unverwechselbaren Stil – aber ist nicht vielleicht der Weg das Ziel? Dies ist jedenfalls wieder eine höchst unterhaltsame CD geworden! Und hallo: Ein Amalgam ist eine Verbindung mit Quecksilber. Quecksilber ist silbrig und, notabene, sehr giftig!

MA_0003_05 · 05/06 c

Neuerscheinungen für Gitarre Manuel M. Ponce

Olli Mustonen

Guitar Works

Jehkin livana

Urtextausgabe

Sonaatti kitaralle/Sonata for Guitar

Herausgegeben von Tilman Hoppstock Inhalt: Thème varié et Finale – Sonata clásica – Sonate Romantique – Sonatina 64 Seiten, geheftet ISMN M-001-14018-8 (GA 544) · € 13,95

16 Seiten, geheftet ISMN M-001-13893-2 (GA 543) · € 12,95

Endlich liegt eine Urtextausgabe dieser Werke vor, die zum Standardrepertoire des 20. Jahrhunderts zählen. Ein interessantes Vorwort und ein ausführlicher kritischer Bericht geben Auskunft über die Quellenlage und die daraus resultierenden Entscheidungen des Herausgebers. Die Originalfassungen von „Thème varié et Finale“ und „Sonatina“ wurden von dem Herausgeber auf der CD „Manual Ponce: Variations & Sonatas“ (erschienen bei Signum) eingespielt.

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Mustonens Sonate für Gitarre entführt in die sagenhafte Welt finnischer Mythen und Epen, als tapfere Helden die Geschicke des Nordlands führten und ein Volk von Zauberern die endlosen Wälder durchstreifte. Benannt ist die Sonate nach Jehkin Iivana. Iivana (1843-1911) war einer der letzten großen Vertreter des traditionsreichen Runengesangs und ein Meister im Spiel der Kantele. Faszinierend lässt Mustonen den Klang des finnischen Nationalinstruments von der Gitarre nachempfinden und schafft eine Atmosphäre, die den Zauber mythischer Welten greifbar nahe erscheinen lässt.


Walter Aaron Clark, Isaac Albéniz: Portrait

of a Romantic Ox

ford 2003 (Oxford University Press) 0-

19-925052-9

Es wundert niemanden, dass der Autor dieses bemerkenswerten Buches, Walter Aaron Clark, von der Gitarre kommt – er hat bei Pepe Romero studiert und ist heute Professor für Musikwissenschaft an der Universität Kansas. Dabei hatte Isaac Albéniz nichts mit diesem Instrument zu tun. Aber Clark bemerkt schon nach ein paar Seiten, dass Albéniz’ Werke „well over a century“ nach seinem Tod populär geblieben sind, und dass „his circle of admirers continues to grow due in no small measure to the dissemination of his work in guitar transcription.” [S. 4] Der oft geäußerte Verdacht, die Klavierwerke von Isaac Albéniz hätten nur überlebt, weil sie von Gitarristen für ihr Instrument adoptiert worden sind, wird hier also noch einmal bestätigt. Dabei hält auch Clark Albéniz’ Klavier-Zyklus Iberia „without doubt“ für „one of the greatest collections of keyboard works ever written, and the foremost by a Spanish composer in the modern era”. [S. 3] Aber Iberia hört man durchaus gelegentlich von Pianisten, während sich Gitarristen hauptsächlich an die programmatischen Sätze aus der Suite española halten, die in der Wissenschaft allgemein als Salonmusik eingeschätzt werden … wenn sie überhaupt Erwähnung finden. Isaac Albéniz und seine Musik sind von der schreibenden Zunft außerhalb Spaniens und Frankreichs lange stiefmütterlich behandelt worden. Das scheint sich zwar jetzt zu ändern, aber immer noch sind etliche Facetten des Phänomens Albéniz unerforscht. Außerdem beherrschen oft zu lesende Ondits die Literatur. So hat Albéniz selbst Gerüchte über sich in die Welt gesetzt, um sich in besseres Licht zu setzen – zu diesen Histörchen gehört seine Behauptung, er habe bei Franz Liszt studiert. Diese und andere Unebenheiten sind von etlichen Biographen akzeptiert und sogar noch fabulierend weitergetrieben worden – in vorliegendem Buch werden sie angesprochen und geglättet. Walter Aaron Clark hat dafür zum Teil bisher unbekanntes Quellenmaterial entdeckt und ausgewertet – Ergebnis ist ein spannend zu lesendes Buch! Acht Kapitel widmet der Autor seinem Forschungsgegenstand: Das erste ist „The Phenomenon (1860–1875)“ überschrieben. Die Familie Albéniz stammte wahrscheinlich aus dem Baskenland und der einzige Träger des Namens neben Isaac, der Bekanntheit errungen hat, war der Kirchenmusiker Mateo Pérez de Albéniz (1755–1833). Von ihm wird in Transkription eine Sonate auf der Gitarre gespielt. Mateo Albéniz stammte aus dem Baskenland … aber Isaacs Anspielungen, dieser Musiker von Ruf sei sein Großonkel

Neue Bücher

gewesen, gehören wie so vieles andere in’s Reich der Legenden. Isaacs Vater Angel war tatsächlich auch Baske. Und er war Freimaurer, was für Isaacs Karriere noch eine Rolle spielen sollte. Bei allem, was sich an Legenden um den jungen Albéniz rankt: Sicher ist, dass er eine Wunderkind-Karriere machte. Seine erste Komposition (eine Marcha Militar für Klavier) erschien 1869 [!] in Madrid, sein erstes belegtes Konzert gab er 1872 in Valladolid. Issaac Albénz war zwölf Jahre alt. Schon vorher soll er allein für Konzerte un-

Isaac Albéniz Die Laute

terwegs gewesen sein – schon 1870, also mit zehn! – aber diese Alleingänge sind nicht belegbar. Clark meint zwar richtig „Absence of proof is not proof of absence” [S. 27], bucht aber die Geschichte vom jugendlichen Konzertpianisten eher in’s Reich der Legende … obwohl sie von den meisten früheren Albéniz-Biografen unbewiesen übernommen worden ist. Nach 1868 war Albéniz Student am Real Conservatorio in Madrid. Seine in bisher jeder Biografie kolportierte legendäre Reise als blinder Passagier nach Amerika, um dort Konzerte zu geben, hat stattgefunden … allerdings nicht als blinder Passagier und auch nicht im Alter von zwölf Jahren, wie Albéniz gerne versichert hat, sondern im stolzen Alter von fünfzehn Jahren. Gespielt hat er in Puerto Rico und Havanna, wo sein Vater, er war spanischer Staatsbeamter, als Interventor General arbeitete. Der junge Isaac spielte beispielsweise die Ouvertüre

Gitarre & Laute-ONLINE XXIX/2007 Nº 2 47


Foto: Isaac Albéniz am Klavier mit einer seiner Töchter zu Semiramide von Rossini … und zwar mit dem Rücken zum Klavier sitzend. Begeisterung! Zurück aus Amerika führte er sein Studium weiter, zunächst in Leipzig, danach in Brüssel. In Leipzig blieb er nur knapp zwei Monate. Er sprach und verstand die Sprache nicht, das hat ihn wohl entmutigt. Salomon Jadassohn war sein Klavierlehrer. Die nächste Etappe war Brüssel – Albéniz wurde im Oktober 1876 am Conservatoire Royale aufgenommen und blieb bis September 1879. Er ging zurück nach Barcelona, wo er ob seiner Erfolge als „local hero“ [S. 39] gefeiert wurde. Konzerte, begeisterte Kritiken, weitere Konzerte. Albéniz spielte Scarlatti, Schubert, Mendelssohn, Chopin … Repertoire, das man sich auch heute vorstellen könnte. Danach soll er zurück nach Brüssel gegangen sein, um weiter zu studieren … Belege dafür gibt es nicht, eher sogar Hinweise darauf, dass das nicht wahr ist, auch wenn es in allen bisherigen Biographien steht. Von Brüssel aus soll er dann am 12. August 1880 eine Reise angetreten haben, um seinen Traum zu verwirklichen, bei Franz Liszt zu studieren. Von Brüssel aus, so steht es in seinem Tagebuch, fuhr er über Köln, Magdeburg und Dresden nach Prag … und dort traf er Liszt nicht an. Albéniz versetzte seine Uhr, weil er kein Geld mehr hatte, und fuhr nach Budapest. Dort soll er dann, so sein Tagebuch, Franz Liszt getroffen haben. Er schildert, er hätte ihm vorgespielt und dass Liszt lebhaftes Interesse an dem jungen Kollegen bekundet hätte … leider kann das Treffen nicht stattgefunden haben, weil Franz Liszt zu dieser Zeit keinesfalls in Budapest gewesen sein kann. Das beweist Walter Aaron Clark unwiderlegbar. Liszt war in Weimar und blieb dort bis zum Januar des nächsten Jahres. Zu dieser Zeit – im Dezember 1880, um präzise zu sein – gab Isaac Albéniz erneut Konzerte in Havanna. So geht es weiter in der Lebensgeschichte Isaac Albéniz’. Clark hinterfragt, was bisher als gesichert galt, und er korrigiert dabei

vieles und versieht anderes mit Fragenzeichen. Und er präsentiert Fakten, die bisher nicht bekannt waren. Zum Beispiel, dass Isaac Albéniz während seiner frühen Karriere als Komponist eher mit Zarzuelas Aufsehen erregte, als mit Klavierwerken. Er war in Madrid Direktor eines Zarzuela-Theaters und zwar 1882. Und notabene! Albéniz war zu dieser Zeit gerade 22 Jahre alt. 1886 (!) erschien in Barcelona die erste Albéniz-Biographie und mit ihr wurden vermutlich viele der Falschinformationen als eherne Weisheiten festgeklopft [Antonio Guerra y Alcarón, Isaac Albéniz: Notas crítico-biográficas de tan eminente pianista]. Die Karriere des Isaac Albéniz war schrill und ungewöhnlich. Eine der Facetten war, dass er sein Gesamt-Œuvre von zehn Jahren

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an einen englischen Bankierssohn verkaufte, genau gesagt, an Francis Burdett Thomas Nevill Money-Coutts, the 5th Lord Latymer, der nicht nur unsäglich reich war und so der Familie Albéniz ein gutes und sorgenfreies Leben garantieren konnte, sondern der sich außerdem als Dichter empfand und Albéniz verpflichtete, seine Libretti zu vertonen. Henry Clifford war die erste Oper, die Albéniz für Coutts komponierte, sie wurde am 8. Mai 1895 uraufgeführt, Pepita Jiménez die zweite (UA 8. Januar 1896). Von 1905 bis 1908 schrieb Albéniz dann Iberia, „a monumental set of works“ [S. 223] und begann damit seine „second manner“ [S. 223], seine zweite Schaffensperiode, wie der Komponist es selbst nannte. Iberia, 85 Minuten lang, verlangt „almost superhuman technique“ [S. 224] und Albéniz selbst war kaum in der Lage es zu spielen – er war schon von seiner Krankheit gezeichnet, an der er kurz nach der Fertigstellung des Werks sterben sollte. Das Werk war viel komplexer und musikalisch anspruchsvoller als alles, was er bisher geschrieben hatte. Keine Salonmusik! Abschließend muss etwas über Walter Aaron Clarks Anmerkungen aus der Sicht eines Gitarristen gesagt werden … schließlich trifft man nicht so oft auf eine solche Personalunion. Von Enrique Granados (1867–1916) wird das nicht belegbare Zitat kolportiert, er habe Miguel Llobet gesagt, ihm gefielen seine Klavierstücke in der Gitarrenbearbeitung besser als im Original. Von einem „gi-

Foto: Titelseite der Erstausgabe der Suite Española von Isaac Albéniz bei Zozaya


tarristischen Klavierstil“ ist sogar die Rede, und das bezieht sich auch auf die Werke von Isaac Albéniz. Walter Aaron Clark schreibt, dass Albéniz die Gitarre sehr gut gekannt hat: „Albéniz played the guitar to accompany his own singing of Andalusian folk songs. Leaning on a table or on the arm of a chair, his eyes wrinkled with laughter, his fingers nimbly plucked the chords’ ” – wir erfahren aber erst aus einer Fußnote, dass seine Quelle keine sichere ist. Frederic V. Grunfelds Buch The Art and Times of the Guitar [New York 1974, S. 288] war der Quell dieser Weisheit und die wissenschaftliche Aussagekraft dieses Buches ist eher umstritten, zumal auch Clark (wieder in einer Fußnote: Nr. 58, S. 98) Zweifel anmeldet: „Regrettably Grunfeld neglects to provide the source of the quote. This is also true of the ejaculation he attributes to Albéniz after hearing Francisco Tárrega perform a transcription of one of his works: »This is precisely as I had conceived it!«” Schon die Tatsache, dass hier Granados und dort Albéniz für die Aussagen verantwortlich gemacht wird, und dass es einmal Llobet und das andere mal Tárrega war, dem das anvertraut wurde, gibt Anlass zu der Vermutung, dass auch sie ins Reich der Legenden gehören. An anderer Stelle lesen wir wieder etwas über Albéniz und die Gitarre: „Albéniz was a lover of the guitar and evidently played the instrument himself“ [S. 284]. „Evidently“! … Clark suggeriert förmlich beim Leser eine Verbindung zwischen Albéniz und der Gitarre … auch ohne einen Beweis liefern zu

können. Sein eben zitiertes Motto „Absence of proof is not proof of absence“ kann er hier nicht bemühen, denn schier alles ließe sich damit behaupten. Und die Tatsache, dass die „pre-Iberia piano-works“, also die Stücke von Albéniz, die als Salonmusik kategorisiert wurden und werden, ohne die Gitarristen heute vielleicht nicht mehr gespielt würden, reicht auch nicht aus, dem Komponisten, im Umkehrschluss sozusagen, Begeisterung für die Gitarre nachzuweisen. Durch das Buch ziehen sich auch analytische Bemerkungen zu Albéniz’ Kompositionsstil, wo immer wieder Gitarrentechniken hörbar sind. Die Rede ist da von rasgueadound von punteado-ähnlichen Passagen in den Klavierstücken, aber auch das sind klangmalerische Effekte, die nichts aussagen über Albéniz’ Liebe zur Gitarre und schon gar nicht darüber, ob er die Gitarre geliebt und sie „evidently“ sogar selbst gespielt hat. Das Buch über den Romantiker Isaac Albéniz räumt mit vielen Missverständnissen auf, stellt Dinge klar, entlarvt Falschaussagen und Beschönigungen, ist daher auch weitgehend spannend zu lesen … aber es liefert keine Argumente dafür, dass Albéniz seine frühen Klavierwerke für Gitarre komponiert hätte, wäre er nicht Pianist gewesen.

Peter Päffgen

Andreas Schlegel, Die Laute in Europa: Ge-

e und Geschichten zum Genießen

schicht

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enziken (CH) 2006, The Lute Corner 978-3-9523232-0-5

Ein schönes Buch! Nicht sehr groß und nicht sehr umfangreich, und doch ein Prachtband! Informationen in Hülle und Fülle, alles in zwei Sprachen (Deutsch und Englisch) und alle Fotos in Farbe. So weit die technischen Details! Andreas Schlegel ist ein vielbeschäftigter Lautenist, der auf Instrumenten unterschiedlichster Bauart konzertiert … als Solist, im Ensemble und als Continuo-Spieler. Dabei wird er, so der Autor selbst im Vorwort, immer wieder auf die Instrumente angesprochen und auf die Tabulaturen, auf Spieltechniken und Stimmungen usw. Jetzt hat er dieses Buch geschrieben. Weil er die diversen Fragen kennt … und die Anworten. Es sind nicht nur die Lauteninstrumente, die umfassend vorgestellt werden, sondern auch die Gitarren, von der 4-chörigen Renaissancegitarre bis zur fünfchörige Barockgitarre. Und da werden auch Fragen

Gitarre & Laute-ONLINE XXIX/2007 Nº 2 49


beantwortet wie „Was ist eine chitarra battente“. Und alles ist mit tollen Fotos von originalen Instrumenten belegt, zum Teil im geöffneten Zustand, wo Baudetails preisgegeben werden, die einem sonst verborgen sind. Über die diversen Lautentypen finden wir Informationen, kurz und knapp über ihre Geschichte und ihr Repertoire. Wir lesen, welche Lauten im Laufe der Jahrzehnte und Jahrhunderte umgebaut worden sind und wie sie zu ihrer Entstehungszeit ausgesehen haben. Und schließlich lesen wir etwas über „Die Wiederbelebung des Lautenspiels und deren Folgen“. Ein schönes und höchst informatives Buch!

RED

50 Gitarre & Laute-ONLINE XXIX/2007 Nº 2


Antonio Marin Montero Bj 84, Bouchet Modell, "kleines Modell" , sehr tragfähig, Mensur 65, Rio Fichte, sehr schöner, "schmalzig-romantischer" Ton, dazu äußerst tragfähig. "Was, eine Gitarre!" (Zitat eines Besuchers in der vorletzten Reihe) In 1a Zustand für 3600 Euro zu verkaufen. Tel 06224 174387 (Nähe Heidelberg) [15.08.2007] -

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Gitarre & Laute-ONLINE XXIX/2007 Nº 2 51


Seminare - Festivals - Wettbewerbe Termin: 21.09.2007-24.09.2007 mit Carlo Marchione, Gruber & Maklar und Helmut Oesterreich Bielefelder Gitarrenforum e.V., Hans Irmer, Im Barrenholze 60, D32051 Herford Tel: 05221-343907 Fax: 05221-343908 eMail: Hans-Irmer@t-online.de Internet: www.gitarrenforum.de

Duo, Michael Partington, Rucco-James Duo, Marc Teicholz, lasinc & Loncar Guitar Duo, Jack Sanders, Wulfin Lieske, Jorge Caballero, Thomas Viloteau, 2006 GFA International Competition Winner Evan Hirschelman, Dr. Scott Morris Cal State University, Dominguez Hills, 1000 East Victoria Street, Carson, CA 90747 eMail: info@gutarfoundation.org Internet: www.guitarfoundation.org

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Kammermusikkurs für Gitarre und Mandoline

10. Internationales Bielefelder Gitarrenfestival 2007

40. Concorso Internazionale di Chitarra Classica Michele Pittaluga,

Premio Città di Alessandria

Termin: 24.09.2007-29.09.2007 Seit 1968 gibt es diesen Wettbewerb! Er ist einer der bedeutendsten, nicht nur, weil er als einer der wenigen in der „Fédération Mondiale des Concours Internationaux de Musique“ organisiert ist. Comitato Promotore del Concorso di Chitarra Classica Michele Pittaluga, Piazza Garibaldi, 16, I-15100 Alessandria Tel: +39-0131-25.12.07/25.31.70 Fax: +39-0131-23.55.07 eMail: concorso@pittaluga.org Internet: www.pittaluga.org

M

eisterkurs an der Musikhochschule Rostock

Termin: 24.09.2007-29.09.2007 Eduardo Isaac leitet diesen Kurs an der wunderschönen Rostocker Hochschule. Am 28.9.2007 spielt Eduardo Isaac danach in Berlin in der Konzertreihe „La Guitarra y el vino“ Hochschule für Musik und Theater Rostock, Beim Katharinenstift 8, D-18055 Rostock Tel: 0381-5108-0 Fax: 0381-5108-101 eMail: hmt@hmt-rostock.de Internet: www.hmt-rostock.de open strings 2007, Osnabrück

Termin: 28.09.2007-30.09.2007 Rafael Cortés, Mariano Martin, Julian Kleiss, Biber Herrmann, Trio Escolaso, Michael Fix, Tony Cox, Solo Razaf, Villa-Lobos-Duo u.a. Acoustic Music Records, Peter Finger, Postfach 1945, D-49009 Osnabrück Tel: 0541-71 00 20 Fax: 0541-70 86 67 eMail: peter.finger@acoustic-music.de Internet: www.open-strings.de

remen Guitar Art - Meister- und Studienkurse

B

Termin: 05.10.2007-07.10.2007 Jorge Cardoso, Raphaëlla Smits, Bernard Hebb, Hans Wilhelm Kaufmann, Jens Wagner, Andreas Lieberg, Andreas Wahl Bremen Gutar Art (Hans Wilhelm Kaufmann), Hochschule der Künste (HfK), Dechanatstraße 13-15, D-28195 Bremen Tel: 0421-95 95-15 07 Fax: 0421-95 95-25 07 eMail: a.heibuelt@hfk-bremen.de Internet: http:\\bremenguitarart.hfk-bremen.de ✰✰

GFA International Convention and Competition 2007

Termin: 16.10.2007-21.10.2007 Carlo Marchione, Benjamin Verdery, Tilman Hoppstock, Roland Dyens, Eliot Fisk,William Kanengiser, Scott Tennant, Amadeus

52 Gitarre & Laute XXVIII/2006/N° 2

Termin: 28.10.2007-02.11.2007 Der Bund Deutscher Zupfmusiker, Landesverband Baden-Württemberg e.V. veranstaltet auch im Herbst 2007 wieder seinen traditionellen Kammermusikkurs. Er wird geleitet von Pia Grees, Matthias Kläger und Sonja Wiedemer, drei Künstlern, die sich gerade auf kammermusikalischem Gebiet durch vielfältige Konzert- und Lehrtätigkeit sowie mehrere CD-Einspielungen einen Namen gemacht haben. Matthias Kläger, Duo P. Grees & M. Kläger, Nimburgerstr. 6, D79356 Eichstetten Tel: 07663-2403 Fax: 07663-2403 eMail: grees.klaeger@t-online.de Internet: www.gitarrenprojekte.de ✰✰

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oncours International Robert J. Vidal

Termin: 08.11.2007-10.11.2007 Nach Robert J. Vidal, dem Gründer und Leiter des legendären Wettbewerbs von Radio France, ist dieser neue Wettewerb benannt. Concours International de Guitare „Robert-Jean Vidal“, Conservatoire Municipal de Musique, 20, rue Saint-Mathias, F-16300 Barbezieux Saint Hilaire Internet: www.concours-robert-j-vidal.com Workshop Gitarre

Termin: 10.11.2007-11.11.2007 Gerald Handrick und Thomas Offermann stehen für diesen Workshop als Dozenten zur Verfügung Hochschule für Musik und Theater Rostock, Beim Katharinenstift 8, D-18055 Rostock Tel: 0381-5108-0 Fax: 0381-5108-101 eMail: mailto:hmt@hmt-rostock.de Internet: www.hmt-rostock.de Bergisches Gitarrenfestival

Termin: 02.01.2008-06.01.2008 Costas Cotsiolis - Gitarre, Meisterkurs Thomas Koch - Gitarre, Meisterkurs Gerd-Michael Dausend - Gitarre, Seminare, Workshops Prof. Alfred Eickholt - Gitarre, Seminare, Workshops Prof. Hans-Michael Koch - Gitarre, Laute, Vihuela, Histor. Musizierpraxis Prof. Dieter Kreidler - Gitarre, Ensembleleitung, Ensemblespiel Volker Höh - Gitarre Thomas Fellow/Stephan Bormann - E-Gitarre, Jazz, Meisterkurs Michael Borner - E-Gitarre, Gitarre, Studiopraxis, Improvisation, Harmonielehre Bert Fastenrath - E-Gitarre, Bandproben, Workshops Peter Fischer - E-Gitarre, Bandproben, Equipment Janes Klemencic - Blues-Harp


Seminare - Festivals - Wettbewerbe

Rolf Fahlenbock - Bass, Bandproben, Arrangements Peter Even - Percussion, Bandproben, Arrangements Akademie der musischen Künste, Fakultät der Musik, Malostranske nam.13, CZ-11800 Praha 1 New York Guitar Festival

Termin: 12.01.2008-07.02.2008 Programme stehen noch nicht fest oder werden noch nicht mitgeteilt. Die Konzerte finden in der Carnegie Hall und anderen Lokalitäten statt. Gitarre(n) aller Art! New York Guitar Festival, Internet: www.newyorkguitarfestival.org ✰✰ 8.

Internationaler Kompositionswettbewerb Alessandria

Termin: 11.06.2008Kompositionen für zwei oder drei Gitarren werden 2008 bewertet. Einsendeschluss ist der 31. März 2008. Preisgelder: EUR 8.000 ,— Comitato Promotore del Concorso di Chitarra Classica Michele Pittaluga, Piazza Garibaldi, 16, I-15100 Alessandria Tel: +39-0131-25.12.07/25.31.70 Fax: +39-0131-23.55.07

eMail: concorso@pittaluga.org Internet: www.pittaluga.org

Aspen Music Festival

Termin: 18.07.2008-17.08.2008 Traditionell gibt Sahron Isbin in Aspen ihre Mesterkurse für das Fach Gitarre. Achtung: Aspen ist mondän, teuer ... und wunderschön! Tel: 001-970-925 32 54 Internet: www.aspenmusicfestival.com ✰✰

Internationale Gitarrenfestspiele Nürtingen 2008

Termin: 25.07.2008-02.08.2008 Programnm steht noch nicht fest, wohl aber die Termine. Bitte übers Internet aktualisieren! Internationale Gitarrenfestspiele Nürtingen, c/o Stefanie Kobras, Am Winacker 3, D-84 646 Bad Tölz Tel: 08041-7 95 40 50 Fax: 08041-7 95 40 51 eMail: stefanie.kobras@gitarre-nuertingen.de Internet: www.gitarre-nuertingen.de

Vollständig? Ein

Veranstaltungskalender wie unserer kann nicht vollständig sein. Aber man kann sich um möglichste Perfektion bemühen. Dieses Bemühen war bei Gitarre & Laute immer angesagt – und ist jetzt, im Zeitalter der grenzenlosen elektronischen Kommunikation auch fast erreichbar … wenn Sie mitarbeiten! Auf Konzerttermine haben wir in dieser Ausgabe noch verzichtet – ab der nächsten sind sie aber auch in GITARRE & LAUTE ONLINE vertreten! Sie, die Veranstalter von Konzerten, Wettbewerben, Kursen und Seminaren sind aufgerufen, Ihre Dates möglichst früh an Gitarre & Laute ONLINE zu schicken, damit sie in den Terminkalender eingearbeitet werden können. In diesem Jahr, 2007, erscheint die Zeitschrift jeden Monat, danach wird sie wie früher alle zwei Monate herauskommen – und immer wieder durch Newsletters aktualisiert. Und diese Newsletters enthalten vornehmlich Updates von Konzertterminen und andere Veranstaltungshinweise. Also: Nichts wie ran! Schließlich wollen Sie auch nicht in leeren Sälen spielen! Die Maßstäbe für Dates-Veröffentlichungen haben sich geändert: Es werden nicht mehr vollständige Wettbewerbsregeln etc. abgedruckt, sondern nur noch Eckdaten und Links zu den Angaben im Internet. Das ist zuverlässiger und der Hinweis „Alle Angaben sind ohne Gewähr“ wie bei den Lottozahlen, erübrigt sich damit fast. Auf jeden Fall können Fehler seitens der Veranstalter nicht mehr übernommen und neue in viel kleineren Maß produziert werden. Und dass Sie, als Leser einer ONLINE-Zeitschrift, Zugang zum Internet haben, wissen wir schließlich! Konzerttermine und Angaben zu Festivals und Wettbewerben werden ständig akualisiert! Bitte schicken Sie Meldungen oder Änderungen an:

dates@gitarre-und-laute.de Gitarre & Laute XXVIII/2006/Nº 2 53


So geht’s weiter: Das nächste Heft von Gitarre & Laute - ONLINE erscheint im September 2007 und enthält eine Nachlese auf das Mozart-Jahr. Dazu gehören Besprechungen von Büchern, Noten und CDs, aber auch eine neue Urtext-ausgabe des Vorspiels zu einer Mozart-Oper. Dann dreht es sich um Joaquín Rodrigo. Auch hier werden neue Fachbücher vorgestellt und bewertet, sowie etliche CD. Der letzte Teil des Artikels „Über den Umgang mit Konflikten“ wird kommen und der erste Teil einer Reihe über Dieterich Buxtehude, dessen Todestag sich in diesem Jahr zum dreihundertsten mal jährt. Dazu Interview, Der Guitarrefreund, Besprechungen von Noten, Büchern und Platten ...


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