Gitarre & Laute XXX/2008/Nº 2

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Gitarre & Laute ONLINE, XXX/2008/Nº 2 Julian Bream wird 75! Zum Tod von Alexandr Frauči – Joseph Kreutzer – Carl Maria von Weber – Fernando Sor


P R I M - Musikverlag : EditionEN Tilman Hoppstock Neuerscheinungen 2006-2007

Transkriptionen für Gitarre solo transcriptions for solo guitar

Für Gitarre solo:

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Transkriptionen für Gitarre solo

Joh. Seb. Bach: Cellosuite Nr. 2 a-moll (2 Fassungen) PRIM 99 079 Preis: 11,90

Johann Seb. Bach

transcriptions for solo guitar

FRANZÖSISCHE SUITE

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N .2 -

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Joh. Seb. Bach: Franz. Suite Nr. 2 (orig. für Cembalo) PRIM 99 062 Preis: 10,50

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Johann Seb. Bach

orig. für Cembalo in c-moll

Cellosuite Nr. 2

orig. for harpsichord in c minor

Bearbeitung und Fingersätze von/ transcription and fingerings by

Tilman Hoppstock

Dietr. Buxtehude: Suite Nr. 10 BuxWV 236 (orig. für Cemb.) PRIM 99 061 Preis: 8,50

a-moll BWV 1008

Isaac Albéniz

2 Fassungen

Cello suite no. 2

TANGO PRim - Musikverlag Darmstadt E L P OLO

a minor BWV 1008 2 versions

Nr. 99 062

Isaac Albéniz: Tango + El Polo (orig. für Klavier) PRIM 99 077 Preis: 9,95

Bearbeitung und Fingersätze von/ transcription and fingerings by

orig. für Klavier Tilman Hoppstock orig. for piano

PRim - Musikverlag Darmstadt

Bearbeitung und Fingersätze von/ transcription and fingerings by

Nr. 99 079

Tilman Hoppstock

PRim - Musikverlag Darmstadt

Franz Schubert

Nr. 99 077

LIEDER MIT GITARRE

Schubert: 110 Lieder für Gesang und Gitarre Band 3: 12 Lieder aus “Winterreise”

Band 4: 17 Lieder nach versch. Dichtern Band 5: 6 Lieder aus “Schwanengesang” Band 6: 12 Lieder nach Schiller/Klopstock

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Vol. 5

Franz Schubert LIEDER MIT GITARRE

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Vol. 3

PRIM 99 703 Preis: 16,90 PRIM 99 704 Preis: 15,50 PRIM 99 705 Preis: 13,90 PRIM 99 706 Preis: 14,50

6 Lieder aus „Schwanengesang”

12 Lieder aus „Winterreise”

6 songs from “Schwanengesang”

für Tenorstimme 12 songs from for tenor voice “Winterreise” Bearbeitung und Fingersätze von/ transcription and fingerings by

Tilman Hoppstock

für hohe/mittlere Stimme

PRim - Musikverlag Darmstadt

for high/medium voice

Nr. 99 705

Bearbeitung und Fingersätze von/ transcription and fingerings by

Tilman Hoppstock

PRim - Musikverlag Darmstadt Nr. 99 703

Aus der bekannten Serie “Große Komponisten für junge Gitarristen” Gaspar Sanz: 3 Suiten für 2 Gitarren PRIM 99 074 Preis: 10,50 Enrique Granados: Valses Poeticos f. Gitarre solo PRIM 22 100 Preis: 8,50 Isaac Albéniz: Asturias + Malagueña f. Git. solo PRIM 99 039 Preis: 8,50

G r o ss e Komponisten fu¨r junge G i t a r r i s t e n

Gaspar Sanz 3 Suiten

G r o ss e Komponisten fu¨r junge G i t a r r i s t e n

Für 2 Gitarren:

Dietrich Buxtehude: Passacaglia PRIM 99 074 Preis: 10,50 Gitarrenkammermusik

2 Gitarren

Enrique Granados Valses Poetic os

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bearbeitet fu¨r 2 Gitarren/ arranged for 2 guitars by

Tilman Hoppstock

Dietrich Buxtehude PASSACAGLIA

PRim - Musikverlag Darmstadt

BUXWV 161

Nr. 99 065

orig. für Orgel original for organ

bearbeitet fu¨r Gitarre solo von/ arranged for guitar solo by

für 2 Gitarren

Tilman Hoppstock

for 2 guitars Bearbeitung von/ transcription by

Tilman Hoppstock

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Nr. 22 100

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Liebe Leserinnen, liebe Leser

Liebe Leserinnen, liebe Leser, ab sofort können Sie fast jeden Beitrag in Gitarre & Laute-ONLINE selbst kommentieren, ergänzen und eventuell widerlegen. Das unten stehende Zeichen begleitet die Artikel und leitet Sie in den GL-BLOG. Dort können Sie sich äußern … wenn Sie sich vorher mit Namen und Email-Adresse angemeldet haben. Es handelt sich um ein moderiertes Weblog, das heißt, Ihre Zuschrift muss erst von uns freigeschaltet werden und erscheint dann. Wir wollen natürlich verhindern, dass Werbezuschriften oder nicht sachdienliche Kommentare auf unseren Seiten erscheinen – das ist auch in Ihrem Interesse! Also: Für Sie heißt es, erst registrieren, dann die Email mit Passwort abwarten (kommt innerhalb Sekunden), dann über den mitgelieferten Link anmelden … und los geht’s! Wenn Sie jetzt Kommentare an uns schicken, werden die innerhalb kürzester Zeit bearbeitet und freigeschaltet. Das geht nicht mehr innerhalb von Sekunden, weil diese Arbeit schließlich keine Computer-Routine ist, aber wir bemühen uns, das schnellstens zu erledigen. Aleandr Frauči ist am 2. Juni 2008 verstorben.

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Sie finden in dieser Ausgabe nicht nur einen Nachruf auf den russischen Musiker, wir laden Sie auch hier ein, ihm Ihre Reverenz zu erweisen. Sascha ist viel zu jung gestorben – sicher haben ihn viele kennen und schätzen gelernt. Im Zusammenhang mit Alexandr Fraučis Namen, den wir, wie Sie wissen, bisher immer „Frauchi“ geschrieben haben, werden wir kurz auf die Fragen nach Transliteration und Transkription fremder Schriftzeichen und Wörter (vor allem Namen) eingehen. In Rahmen der Globalisierung der Gitarrenwelt müssen wir darauf gefasst sein, uns mit solchen Fragen zu befassen und auch Korrekturen vorzunehmen. Besonders hinweisen möchte ich Sie auf die erste Neuausgabe der „Introduktion und Variationen über »Wir winden dir den Jungfernkranz« aus der Oper »Der Freischütz« (Carl Maria von Weber) für zwei Gitarren von Joseph Kreutzer (1790—1840). Johann Gaitzsch, der zu unserer Ausgabe den biographischen Artikel geschrieben hat, ist der Wiederentdecker von Joseph Kreutzer. Er hat im Verlag Philomele in Genf die ersten Neuausgaben von Gitarrenstücken des Düsseldorfer Komponisten herausgebracht und er hat seine Biographie erforscht. Lesen Sie den spannenden Beitrag ab Seite 17. Ich wünsche Ihnen viel Vergnügen mit Ihrer Zeitschrift Gitarre & Laute ONLINE und bin mit besten Empfehlungen Ihr

Peter Päffgen Chefredakteur/Herausgeber

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… was ich noch sagen wollte …

4 Gitarre & Laute-ONLINE XXX/2008 Nº 2


Blühende Fantasie … oder: Wie erwirbt und verteidigt man seinen Expertenstatus? Von Peter Päffgen

Schade, dass Beethoven oder Mozart nicht für Gitarre komponiert haben, hört man immer wieder, dann wäre das Instrument heute überall anerkannt. Danach werden dann die großen Komponisten aufgezählt und zitiert, die für Gitarre geschrieben oder sich mindestens löblich über das Instrument ausgelassen haben. Legenden werden aufgezählt, die von Gitarrenliebhabern in die Welt gesetzt worden sind und seitdem unausrottbar durch die Literatur geistern, etliche davon sind von Andrés Segovia und stehen in allen Büchern vom Maestro und über ihn. Aber zum Glück gibt es ja „Gitarren-Publizisten“ und „Gitarrologen“, die mit den Halbwahrheiten aufräumen. „Gitarrologen“? Termini wie dieser sind immer gern von denen in die Welt gesetzt worden, die sich „ernsthaft“ und „wissenschaftlich“ mit der Gitarre und ihrer Musik befasst haben. Das Fach hieß dann „Gitarristik“ und man verbrämte Halbwissen mit wissenschaftlichem Gehabe und aufgesetzter Diktion. Oder man setzte wüste Andeutungen in die Welt, spielte die Rolle des allwissenden Weltverbesserers … ohne Argumente aber mit viel ausladender Geste. Kurz: Die Gitarre wird von der etablierten Musikwissenschaft (immer schon) stiefmütterlich behandelt … mit dem Erfolg, dass sich Dilettanten (von lat. delectare: erfreuen, ergötzen) zu Fachleuten erklären und ungestraft Dinge behaupten oder in Frage stellen. Worum es geht? Diejenigen unter ihnen, die schon länger die damals noch gedruckte Zeitschrift Gitarre & Laute kennen und gelesen haben, werden sich erinnern, dass 1991 die Handschrift einer „Fantaisie pour Guitare Seule Composée et dédiée à Son Elève Mademoiselle Houzé par Ferdinand Sor“ bei einem Bostoner Antiquar zum Verkauf stand, ein bis damals unbekanntes Werk des Komponisten, und dass damals die Frage nach der Echtheit dieser Handschrift diskutiert wurde. Selbstverständlich ist diese Diskussion nach der Veröffentlichung in Gitarre & Laute weitergeführt worden, hier und anderswo. Und man hatte keine Zweifel daran, dass die Handschrift, die da entdeckt worden war, tatsächlich von der Hand Fernando Sors stammt.

Die Handschrift ist übrigens damals für US-$ 15.000 im Angebot gewesen und an Pepe Romero verkauft worden, der das enthaltene Werk dann im Verlag Tuscany Publications unter 494-01970 herausgegeben hat. Pepe Romero war natürlich der Erste, der die Fantaisie eingespielt hat, nach ihm kamen aber auch sein Vater Celedonio, Adam Holtzman und Alexander Sergei Ramírez (s. S. 11). Nun steht seit einiger Zeit ein Artikel von Wolf[gang] Moser im Internet (früher www.wolfmoser.net, jetzt auch www.wolfmoser.de), in dem die Urheberschaft nicht nur bezweifelt, sondern kategorisch bestritten wird. Das Manuskript bezeichnet Moser als „bewußte Fälschung“ und seine Argumente sind … na ja, da wird es schwierig. Zunächst beschreibt der Autor aber seine eigene Kompetenz zum Thema … weniger die anderer Autoren wie zum Beispiel Brian Jeffery, dessen Buch über Sor (Fernando Sor: Composer and Guitarist, London 1977) immerhin bis zum Erscheinen des Moser im Jahr 1984 das Standardwerk zum Thema war und auch danach unangetastet blieb. Moser: „Der Fund [der neu entdeckten Komposition von Sor] war für mich eine Herausforderung wegen meiner anderthalb Jahrzehnte Beschäftigung mit dem Thema »Sor«: Sieben Jahre zuvor hatte ich über ihn eine Monographie veröffentlicht und 1989 – zum 150. Todestag des Spaniers – noch ein 80-seitiges Sonderheft als Herausgeber betreut, mit Aufsätzen zu Leben oder Werk, vermischt mit Berichten von jüngsten Veranstaltungen zu Sors Ehren“. Warum war der Fund eine Herausforderung? Und warum ist Moser nicht freudig erregt auf die Besitzer der Handschrift zugegangen? Es müsste für ihn, als ausgewiesenen Sor-Kenner, eine Freude gewesen sein, ein neues Werk des Komponisten in Augenschein nehmen zu können. Und warum haben die Besitzer der Handschrift nicht bei ihm, als ausgewiesenem Sor-Kenner, ein Gutachten in Auftrag gegeben oder mindestes um eine Art Stellungnahme gebeten? War es vielleicht so, dass seine Publikationen ihn überhaupt nicht als Sor-Kenner ausgewiesen hatten? Hier Wolf Mosers Argumente gegen Sor als Komponisten der „neuen Fantaisie: 1. Sor hat Mademoiselle Nathalie Houzé neGitarre & Laute-ONLINE XXX/2008 Nº 2 5


ben der vorliegenden Fantaisie drei weitere Kompositionen gewidmet: opp. 39, 42, 54 b(is). „Schwer vorstellbar, denn in seinem Gitarrenschaffen hat Sor niemanden häufiger oder schmeichelhafter mit Widmungen bedacht.“ „Eine vierte [Widmung] in so kurzem Abstand hätte die junge Dame eigentlich bloßstellen müssen, unter den Zeitumständen.“ 2. Auf dem Titel des Manuskripts widmet Sor die Fantaisie so: „À Son Elève Mademoiselle Houzé“, aus den drei anderen Werken geht nicht hervor, dass sie seine Schülerin gewesen ist. „Der Komponist hätte sich folglich erst, als er ihr das anspruchsvollste Werk schrieb, darauf besonnen, dass die junge Frau seine Elevin war.“ 3. „Und warum hätte der Autor, seit 1828 eigener Verleger seiner Werke, die Kompositionen nicht selber herausgebracht, und sei es als Opus 64 – es blieben ihm immer noch fünf oder sechs Jahre zu leben.“ 4. „Die Dreiteilung in der Schreibweise ist ein unübersehbarer Schönheitsfehler“ … geschrieben steht auf dem Titelblatt „Inro … d … uction.“ 5. Den Duktus der Notenschrift hat Moser untersucht und dann befunden, es seien zwar die Einzelnoten getroffen, „nicht aber die charakteristische Linienführung noch die Sor eigene Eleganz für Federstriche.“ 6. Das „F“ vor Fantaisie ist dem „F“ im Namen Fernando zu ähnlich, ähnlich wie das „S“ in „Seule und das in „Sor“. Letzteres, das Titelblatt der Fantaisie, aus dem sich die Beobachtungen zu „6.“ ergeben haben, hat Moser erst später eingesehen: „Bis diese Erweiterung [!] in einer Fotokopie [!] auf meinen Schreibtisch flatterte, vergingen wieder Jahre.“ Erweiterung? Moser hat ganz offenbar alle bisherigen Argumente gegen die Authentizität der Sor-Komposition ausschließlich aus dem verkleinerten Abdruck in Gitarre & Laute geschlossen und meinen eigenen Kommentaren dazu, die ich wiederum weitgehend dem Antiquariatskatalog von J. & J. Lubrano entnommen hatte (damals Boston, heute New York), den mir Matanya Ophee zugeschickt hatte. Das war’s! Danach wartete der Sor-Forscher Moser Jahre auf einen Satz Fotokopien [!], um seine Beobachtungen weiterzuführen, die für ihn immerhin eine „Herausforderung“ gewesen waren … anstatt 15 $ zu investieren, um die Ausgabe käuflich zu erwerben und sofort in der Hand zu haben. Auf jeden Fall hielt Moser die Handschrift vor Einsicht der „Erweiterung“ für eine „Nachahmung“, danach für eine „bewusste Fälschung“! Bei allen nachvollziehbaren und auch nicht nachvollziehbaren Argumenten gegen das Sor-Manuskript: Keines der Moserschen Argumente schert sich um die Musik, die da notiert ist. Einmal heißt es, die Fantasie sei „das anspruchsvollste“ der Werke, die Sor Ma6 Gitarre & Laute-ONLINE XXX/2008 Nº 2

demoiselle Houzé gewidmet habe und ganz am Schluss schreibt Moser, dem Autor der Handschrift sei „überzeugend das »Pasticcio« einer Sor-Fantasie gelungen“. Das Stück hat also eine gewisse Qualität und es klingt auch nach Sor, ist aber nicht von ihm!? Es wird nicht untersucht, ob es stilistisch von Sor stammen könnte, es wird nicht nach Parallelen in anderen Werken des Komponisten gesucht oder nach nicht zu erklärenden Gegensätzen. Um Musik scheint es bei Moser, dem ausgewiesenen Sor-Kenner, nicht zu gehen! Die Neuauflage des Sor-Buches von Moser, zunächst 1984 bei Gitarre & Laute in Köln erschienen und jetzt in einer „erweiterten und völlig überarbeiteten Neuauflage“ bei Moser selbst, listet die Fantasie aus „zweifelhaft“ auf, ebenso das Violinkonzert. Argumentiert wird nur knapp – dafür apodiktisch: „Gegen die Echtheit spricht bereits, dass Nathalie Houzé hier das ‘vierte’ Mal als Widmungsträgerin in Sors Schaffen erscheinen würde. Doch ist die Handschrift dieser Fantaisie in Text und Noten auch eine Nachahmung, wobei das Manuskript eines Sor-Balletts von 1824 in der Pariser Bibliothèque de l’Ópéra als Vorlage gedient hat.“ Dies alles sind zu vage Argumente, um sich so weit aus dem Fenster zu lehnen. Und andere ausgewiesene Sor-Kenner wie Robert Spencer, Brian Jeffery und alle anderen teilen auch Mosers Meinung keineswegs. Sie [Mosers Meinung] stützt sich schließlich auf nichts anderes, als auf, erstens, eine Vermutung bezüglich gesellschaftlicher Gepflogenheiten zu Sors Zeit und, zweitens, auf ein paar Beobachtungen typographischer Art. Zu 1: Peter Danner hat jenes Fräulein Houzé ausfindig gemacht und ihr Portrait als Titelbild in Ausgabe XIX/1992, Nº 3 veröffentlicht. Er hat es gefunden in Francesco Molinos „Grande Méthode“ op. op. 46 und zwar stand es dort als Demonstration für die richtige Spielhaltung, allerdings ohne zu vergessen, sie im Untertitel, zwar kryptisch

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aber immerhin doch, zu erwähnen: „Madelle. N. H., Elève la plus forte de Mr. F. M.“ Danner hatte aus der Tatsache, dass derselbe Molino seine „Grande Sonate“ op. 51 ein paar Jahre später einer Nathalie Houzé gewidmet hat, davon aus, dass es sich bei den beiden Widmungsträgerinnen mit gleichen Initialen um ein und dieselbe Dame gehandelt hat: um Nathalie Houzé, die auch Fernando so geschätzt hat … denn schon bei Molino galt sie als „Elève la plus forte“, als seine „Meisterschülerin“. Wen wunderts also, wenn diese junge Frau so begabt und so fleißig war, dass beide Lehrer, Molino und Sor, sie in Publikationen gern als ihre jeweilige Schülerin ausgaben? Sie schmückten sich mit ihrem Namen, waren stolz darauf, sie unterrichtet zu haben oder zu unterrichten. Heute geschieht so etwas meist umgekehrt … Musiker brüsten sich damit, Schüler von Segovia, Pujol oder anderen Großmeistern gewesen zu sein (meistens übrigens, wenn die Lehrmeister schon verstorben sind, sich also nicht mehr wehren können). Damals schmückte sich der Lehrer mit seinen Schülern, auch aus rein merkantilen Überlegungen übrigens. Und nun die Frage: Wie decouvrierend muss es für Mademoiselle Houzé erst gewesen sein, wenn gleich mehrere Künstler ihr Kompositionen widmeten? Natalie Houzé war offenbar eine überaus begbte Musikerin und vermutlich kam sie aus gutem Haus. Vielleicht war Papa Houzé dazu ein großzügiger Mäzen der Pariser Künstler und vielleicht zeigten sich Molino und später Sor dafür erkenntlich, indem sie dem Fräulein Tochter coram publico ihr Talent bescheinigten? Das Mosersche Argument ist mehr als blass! Es bleiben jene, die sich auf die Paläographie, Graphologie oder den Schriftenvergleich beziehen. Moser hat offenbar nie eine Gitarren-Handschrift Fernando Sors in der Hand gehabt … und auch das für ihn als Beweis für die Fälschung der Fantasie herhaltende Autograph von „Alfons und Leonore“ kennt er nur vom Mikrofilm, der ihm im Palais Garnier in Paris in den Projektor eingelegt worden ist. Und er kommt zu diesem Schluss: „Der Fälscher und ich hatten den gleichen Einfall, jeder ist für seinen Zweck hier nachsehen gegangen und hat sich eine Vorlage verschafft von einem der Werke, das damals wie heute für Kopien zur Verfügung stand.“ Und dann: „Gleichsam als Coda sei angefügt: Mit den Registern der Opernbibliothek würde sich, zumindest theoretisch, nachweisen lassen, von wem und woher gegen Ende der achtziger Jahre Bestellungen des Mikrofilms oder über Kopien des fraglichen Ballett kamen. Die Suche würde möglicherweise zum Autor des Autographs führen ...“ Das ist Mosers cliffhanger! Jeder will in der nächsten


Abbildung von Natalie Houzé aus der „Grande Méthode“ op. 46 von Francesco Molino

Folge seines Krimis wissen, wer es denn nun war … wenn nicht längst jemand da nachgeforscht, wo Moser erstaunlicherweise gekniffen hat. Aber ich wage hier eine Behauptung: Man wird keinen verdächtigen Eintrag aus den späten achtziger Jahren finden! Ich gehe davon aus, dass das Sor-Manuskript von Sor stammt – nicht, weil ich so viele andere Gitarren-Handschriften Sors in der Hand gehabt hätte und auch nicht, weil ich mich besonders auf den Schriftenvergleich verstünde. Ich sehe aber, wie Moser seine Argumente gegen die Echtheit der Handschrift an den Haaren herbeigezogen hat und ich ahne auch, warum! Sicher wird hier noch über das Violinkonzert von Fernando Sor zu lesen sein. Die neue Auflage des Sor-Buchers von Moser, ist übrigens mit großer Vorsicht zu behandeln. Nach einer Stunde ganz normalen Lesens ist mein Exemplar in etwas über

hundert Einzelblätter auseinandergefallen. Es ist nämlich nicht von einem Buchbinder in Form gebracht worden, der Bücher, wie es sein Berufsname anzudeuten scheint, bindet, sondern von einem, der sie einfach zusammenpeppt ohne vorher darauf zu achten, dass das nicht mit jeder Papiersorte möglich ist … und überhaupt höchstens für Taschenbücher angemessen ist. Aber ein Buch, das den kühnen Preis von 36 Euro für gut zweihundert Seiten hat, sollte wenigsten den ersten Tag Lesen überdauern. Ich habe noch das eine oder andere Exemplar der ersten (fadengehefteten) Auflage von 1984. Es hat andere Mängel … aber als Buch ist es für die Ewigkeit gemacht und kein Wegwerfprodukt!

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Gitarre & Laute ONLINE XXX/2008, Heft 2 Inhalt

Editorial 3 … was ich noch sagen wollte … Bühende Fantasie … Moser über Sor 4 Klaus Wollny Der Gedanke, überhaupt keine Konzerte mehr zu geben, erschreckt mich furchtbar Interview mit Julian Bream 10 Peter Päffgen Neuerscheinungen zum 75. Geburtstag von Julian Bream 12 Johann Gaitzsch So, wer war überhaupt dieser Joseph Kreutzer? 17 Joseph Kreutzer Six Variations avec Introduction pour Deux Guitarres concertantes sur le Thème de l’Opéra: Der Freischütz „Wir winden dir den Jungfernkranz“ 21 Zum Thema Transliteration 30 Vorschau 30 Alexandr Frauči in memoriam (1.4.1954–2.6.2008) 32 Mitteilungen des Internationalen Guitarristen-Verbandes XXX/1900/Nº 2 35 Peter Päffgen Neue Platten 51 Kleinanzeigen 57 Impressum: Verlag: MusiCologne Ltd., Registered in England & Wales No. 5752198; Niederlassung Deutschland: MusiCologne Ltd., Sielsdorfer Straße 1a, D-50 935 Köln (Briefanschrift: Redaktion Gitarre & Laute, Postfach 410 408, D-50 864 Köln). Telefon: ++49-221-346 16 23. FAX: ++49-1803-5 51 84 30 17. Aufbereitung des ePaper: CANTAT GmbH, Wien, www.cantat.com. Internet: www.MusiCologne.eu, Kleinanzeigen: www.VerkaufeGitarre.de und www.gitarre-und-laute.de. Weblog: http://www.gitarre.-undlaute.de/gl-blog Email: info@MusiCologne.eu (weitere Email-Adressen sind im redaktionellen Zusammenhang veröffentlicht). Erscheinungsweise: sechsmal jährlich, am Anfang der ungeraden Monate (Januar, März, Mai ...). Erscheinungsweise im Jahr 2007: 1. Juli 2007, danach jeweils am Anfang jedes Monats bis Dezember 2007. Kündigungsfrist: sechs Wochen vor Ablauf der Bezugsfrist. Preis: Einzelheft EUR 5,50, Abonnement für ein Jahr (sechs Ausgaben) 28,00 EUR inklusive Porto (In- und Ausland) und der gesetzlichen Mehrwertsteuer (19 %). Chefredakteur: Dr. Peter Päffgen. Gültige Anzeigenpreisliste: Nr. 13. Die namentlich gekennzeichneten Beiträge in dieser Zeitschrift entsprechen nicht unbedingt der Meinung der Redaktion. Für unverlangt eingesandte Manuskripte und Fotos übernimmt der Verlag keine Haftung. Terminangaben, insbesondere in der Rubrik „Dates“ erfolgen prinzipiell ohne Gewähr. © Nachdruck in jedweder Form und allen Medien, auch auszugsweise, nur mit schriftlicher Genehmigung des Verlags. Aboverwaltung: Verlag, Niederlassung Köln. [Abo@gitarre-und-laute.de], Bildnachweis für vorliegende Ausgabe: S. 1 und 11: © by Sopie Baker, London, für RCA; S. 4-5: © J.& J. Lubrano Music Antiquarians, New York; S. 21-29: Ausgabe und Stichbild und Fotos S. 32-34 © Dr. Peter Päffgen, Köln; Alle anderen: Autoren oder Bildarchiv MusiCologne Ltd. Köln

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Der Gedanke, überhaupt keine Konzerte mehr zu geben, erschreckt mich furchtbar … Interview mit Julian Bream. Anlässlich des Konzerts von Julian Bream am 28. Februar 1995 in der Hamburger Konzerthalle sprach Klaus Wollny mit dem Künstler.

In den letzten Jahren haben Sie kaum mehr Uraufführungen gespielt. Glauben Sie, dass es keine guten Komponisten mehr gibt? J.B.: Ich habe in meinem Leben eine Menge Uraufführungen gespielt, und es gibt viele gut Werke, die ich immer wieder gern spiele. Eigentlich brauche ich keine neuen Werke mehr, die jemand speziell für mich schreibt. Ich denke, nun sind jüngere Gitarristen an der Reihe, für die geschrieben werden sollte. Ich spiele jetzt professionell seit über 48 Jahren. K.W.: Seit 48 Jahren? J.B.: Ja, mein erstes Konzert habe ich 1947 gegeben. Seitdem ist eine Menge Zeit vergangen, und ich habe sehr viele Kompositionen gespielt. Die letzte Uraufführung war vor zwei Jahren eine Sonate von Leo Brouwer. Ich denke auch, dass es heute nicht mehr so viele wirklich interessante Komponisten gibt. Vielleicht gibt es sie irgendwo, aber ich kenne sie nicht. K.W.: Also glauben Sie, dass unsere musikalische Welt ärmer geworden ist? J.B.: Nein, ich glaube, sie ist dabei, sich zu verändern. Und dieser Moment der Veränderung ist in der Regel nicht so sehr faszinierend. K.W.: Es ist interessant, dass Sie im diesjährigen Programm die Sonate von Mario Castelnuovo-Tedesco spielen. Tedesco haben Sie bislang weder in Konzerten noch auf Schallplatten gespielt. Ist diese Sonate eine neue Liebe für Sie? J.B.: Ich habe sie vor 40 Jahren gespielt. Ich kenne Castelnuovo-Tedesco, er hat einige sehr gute Werke für Gitarre geschrieben, zu denen auch die Sonate gehört. Aber der Stil, in dem er schreibt, ist im Großen und Ganzen nicht mein persönlicher Geschmack. AnK.W.:

dere mögen das sicherlich ganz anders sehen, es ist eine reine Frage der Vorliebe. K.W.: Denken Sie, dass es daran liegt, dass viele seiner Werke sehr von Segovia inspiriert sind? J.B.: Nein. Segovia hat sehr viele Menschen inspiriert, auch mich. Ich denke nicht, dass dies der Punkt ist. Ich denke, er hat eine furchtbar große Einfachheit in seinen Stücken, die nicht von Inspiration geprägt ist. Früher, das heißt vor dem Krieg, hat er einige Stücke geschrieben, die mehr Originalität hatten, als die Stücke, die er in den letzten 25 Jahren seines Lebens geschrieben hat. Die Sonate ist sicherlich keine große musikalische Entdeckung, aber sie hat Charme und einen sehr erfrischenden Humor. Ich denke, man kann sie mit Freude und Zufriedenheit spielen. Ja, sie hat Charme und Grazie, sie ist ein Stück, das sozusagen tanzt. Ich glaube, vor 25 Jahren wäre diese Sonate nicht so interessant zu spielen gewesen, aber heute schon. Es ist nicht „Kitsch“, es ist … es gibt kein Wort, das es genau beschreiben würde. Früher hätte es nicht funktioniert, aber heute geht es. K.W.: Also können wir davon ausgehen, dass Sie Castelnuovo-Tedesco in den nächsten Jahren öfter in Konzerten spielen werden? J.B.: Ich habe immer die Sonate und auch einige andere Stücke von ihm gespielt. Genau wie Castelnuovo-Tedesco ist auch Ponce ein guter, aber nicht überragender Komponist, aber einige seiner Stücke haben einen ganz eigenen Charme. Ponce ging als Mexikaner nach Deutschland, um zu studieren. Ich glaube, er hätte besser in Frankreich studiert. Das heißt, eine kurze Zeit hat er das auch, aber seine Stücke haben etwas sehr Deutsches. Sie sind gut, aber ich glaube, er komponierte besser, wenn er entspannt war, wenn er Musik schrieb, die seiner Natur entsprach. Wenn er dies nicht tat, bekamen seine Stücke etwas Popartiges, und das ist sicherlich nicht so interessant. K.W.: Welche Pläne haben Sie für die nächsten Jahre? J.B.: Ich lebe mein Leben in gewisser Hinsicht von Tag zu Tag. In anderer Hinsicht lebe ich es von Jahr zu Jahr. Im Moment ist mein Leben sehr konzentriert und kompri-

miert, dass ich in der Tat nicht zu viel plane. Ich denke darüber nach, was heute und was morgen ist, und ich mache „kleine“ Pläne, die in der unmittelbaren Zukunft liegen. Aber von diesen Plänen erzähle ich keinem Menschen etwas. Wenn du etwas ankündigst und es dann nicht tust, sind die Menschen sehr enttäuscht. Das Geheimnis ist, Pläne zu haben und sie nicht zu erzählen. K.W.: Aber Sie müssen für die nächsten beiden Jahre Ihre Konzertreisen nach Japan, Amerika und Europa planen. J.B.: Aber nicht mehr soviel. Na ja, ich sage immer, dass ich weniger tun möchte, aber ich tue es nie; ich plane es nur. Nun, das ist zum Beispiel ein Plan: nicht mehr soviel zu tun. Aber mit diesem Plan habe ich keinen Erfolg. Aber auf der anderen Seite würde ich wirklich gern weniger tun. Der Gedanke, überhaupt keine Konzerte mehr zu geben, erschreckt mich furchtbar, aber weniger wäre schon gut. Wenn ich das täte, würde jedes Konzert für mich noch mehr eine ganz besondere Gelegenheit sein, nicht mehr nur noch ein Konzert. Aus diesem Grund ist es wichtig, auszuwählen. K.W.: Glauben Sie, dass ein Konzertsaal wie die Hamburger Musikhalle zu groß für die Gitarre ist? J.B.: Nein, gerade die Musikhalle hat eine wundervolle Akustik, und es gibt viele kleinere Hallen mit schlechter Akustik, die nicht so reizvoll sind. Bei einem großen Saal mit guter Akustik reist der Klang sozusagen durch den Saal, und etwas passiert mit dem Klang. Das ist sehr interessant. Ein anderer Punkt, der sehr faszinierend ist: Ein Konzertpublikum, das aufmerksam ist, konzentriert sich besser in einem großen Saal. Es ist eine spezielle Atmosphäre, an der jeder im Saal mitwirkt. Normalerweise ist ein Saal für ca. 500 Besucher für die Gitarre ideal. Aber was ist, wenn 1200 Menschen kommen möchten? Es ist nicht dasselbe, das Konzert dann eben zweimal zu spielen. Und was würde das Publikum dazu sagen? K.W.: Das Publikum hat oft große Schwierigkeiten damit, einen anderen Saal als den gewohnten für Konzerte einer bestimmten Größenordnung zu akzeptieren. Es gibt einen gewissen

Am 15. Juli dieses Jahres wurde Julian Bream 75 Jahre alt. 2002, vor gut fünf Jahren, hat er seine Konzertkarriere beendet. In Gitarre & Laute stand der Name des großen Musikers natürlich häufig. Mehrere Interviews sind erschienen, Besprechungen von Ausgaben und Platten und sonstige Berichte. Seit er fünfzig wurde, sind seine„runden Geburtstage“ hier gewürdigt worden. „Vivat“ heißt es auch jetzt wieder. Als Julian Bream uns dieses Interview im Jahre 1995 gab, erschreckte ihn der „Gedanke, überhaupt keine Konzerte zu geben, furchtbar. 10 Gitarre & Laute-ONLINE XXX/2008 Nº 2


Gitarre & Laute-ONLINE XXX/2008 Nยบ 2 11


Neuerscheinungen zum 75. Geburtstag von Julian Bream Von Peter Päffgen Anlässlich seines 75. Geburtstages sind zwei CD-Produktionen mit Aufnahmen von Julian Bream neu erschienen – eine davon enthält frühe Aufnahmen, die er 1956 für die Plattengesellschaft Westminster gemacht hat, die andere einen Querschnitt durch die zahllosen Produktionen für RCA. Julian Bream plays Dowland and Bach Aufgenommen 1956, erschienen 2008 Deutsche Grammophon (deutschegrammophon.com) 2 CD 00289 477 7550 The Essential Julian Bream Werke von Tárrega, Villa-Lobos, Malats, Turina, Roussel, Walton, de Falla, Pujol, Britten, Sanz, Aguado u.a. Aufgenommen zwischen 1959 und 1991, erschienen 2008 SONY-BMG (sonybmgmasterworks.com) 2 CD 88697214422 Noch bevor es einen Trend namens „Alte Musik“ gab, spielte Julian Bream Laute. Sein Vater hatte ein solches Instrument mit nach Hause gebracht, eine sechssaitige Gitarrenlaute zwar, aber die hatte Thomas Goff für ihn in ein chöriges Instrument umgebaut. Bream lernte den Sänger Peter Pears kennen und seine vielleicht allererste Schallplatte (DECCA LW 5243, aufgenommen 1955) enthielt Lautenlieder von John Dowland. Sänger war Peter Pears … „That was one of my very first commercial recordings but I don’t remember anything about it.” Nach dieser DECCA-Produktion begann Breams Zusammenarbeit mit Westminster, aus der übrigens mehr Platten entsprangen, als Tony Palmer in der Diskographie in seinem Buch „Julian Bream: A Life on the Road“ (London, Sidney 1982) nennt. Was die Laute angeht, blieb Julian Bream der Musik der elisabethanischen Zeit treu und da speziell den Solostücken und Liedern von John Dowland. Die CD der Deutschen Grammophon enthält den musikalischen Inhalt einer WestminsterLP mit Solostücken von Dowland, einer LP mit „Ayres“ von Dowland, aufgeführt zusammen mit den „Golden Age Singers“ und einer mit Werken von Johann Sebastian Bach … „It was the first time a record of a plucked instrument had featured one composer”. In Richtung Authentizität orientierte Musikliebhaber hatten nicht wirklich Freude an Julian Breams Lautenspiel. Das wusste er selbst: „They’re always critical of me. It’s something I got used to. I don’t reciprocate.“ Seine Lauten von Goff waren keine originalgetreuen Nachbauten. Um das Spiel mit Fingernägeln zu erlauben, bestand nicht nur der oberste Chor, die Chanterelle, aus einer einzelnen Saite, sondern mindestens zwei Chö12 Gitarre & Laute-ONLINE XXX/2008 Nº 2

Snobismus, mit dem die Leute sagen, wer in einem so kleinen Saal spielt, kann nicht sehr gut sein. Es muss ein Student oder ein sehr junger Musiker sein. Wir haben hier einen wunderschönen Saal in einem Museum mit 250 Plätzen, auf den dies zutrifft. Für Sie wäre dieser Saal ideal mit seiner sehr privaten Atmosphäre und seiner antiken Einrichtung. J.B.: Ich würde dem zustimmen. Aber wenn ich in London bin, spiele ich normalerweise in der Wigmore Hall, die 560 Plätze hat. Aber wenn ich einen Saal wie diesen hätte, würde ich darin auch in London spielen. Wir haben natürlich größere Säle, aber die sind dann schon wieder zu groß und deshalb nicht gut für die Gitarre. Und hier spielt die Akustik wieder die große Rolle, wenn sie in einer großen Halle nicht gut ist, ist die Inspiration für das Publikum nur halb so groß. Das ist für mich das Wichtigste. Wenn die Akustik gut ist, spielt es keine Rolle, ob der Saal für 100,300 oder 1000 Leute passt. Mein Manager weiß das, und er muss flexibel sein mit meinem Honorar, denn natürlich können Konzertveranstalter in Sälen für 100 Personen nicht genug Geld verdienen. Ich habe immer gesagt, man muss sein Honorar den Sälen anpassen. K.W.: Haben Sie Interesse an der Entwicklung der Gitarrenszene in der Zukunft? Kennen Sie einige jüngere Gitarristen? J.B.: Ich kenne nicht viele junge Gitarristen; die meisten sind Studenten aus meinen Meisterklassen. Ich höre sehr viele Konzerte im Radio, und ich höre alles an Gitarrenmusik, was ich bekommen kann. Ich bin sehr interessiert daran, wie die jüngere Generation spielt, was sie spielen und wie sie es spielen. Manchmal höre ich andere Gitarristen, und ich bin begeistert, wie ausgezeichnet sie spielen. Ich glaube, heute gibt es viele sehr gute Gitarristen, und es inspiriert mich, sie zu hören. Natürlich spielen Sie in einem anderen Stil, mehr technisch und nicht so romantisch geprägt. Sie benutzen nicht die vielen Möglichkeiten der Klangfarben der Gitarre, die rechte Hand ist fixiert. Auch die dynamische Skala wird nicht so ausgenutzt wie früher. Aber die Möglichkeiten, die junge Gitarristen heute haben, sind faszinierend. Im technischen Bereich werden so viele Dinge gemacht - die schwierigen Paganini-Stücke zum Beispiel - es ist unglaublich, was heute möglich ist. Ich denke, der Unterschied zwischen früher und heute ist, dass heute der athletische Aspekt eine größere Rolle spielt als der musikalische Aspekt. Das war zu meiner Zeit anders. Für mich ist das Expressive in der Musik das Wichtigste. Für einige jüngere Musiker - nicht für alle natürlich ist der Effekt, den ein Stück auf das Publikum hat, wichtiger. Ich denke, das kommt von der zunehmenden Wettbewerbs-Atmosphäre, in der die Musiker heute leben. Jeder will brillanter und besser sein, als der andere. Aus künstlerischer Sicht sehe ich keinen Grund dafür. Mit Musik sollte man Gefühle ausdrücken und mit anderen Menschen kommunizieren. Ich denke, man kann Musik nicht als eine Art Sport behandeln. Ich kann es jedenfalls nicht. K.W.: Vielleicht ist es dasselbe mit dem Generationsunterschied bei Gitarrenbauern. Sie bevorzugen immer noch ihre Hauser, aber es gibt doch so viele neue Gitarrenbauer, die sehr gute Instrumente bauen. Was halten Sie von denen? J.B.: Es ist wie bei vielen Dingen. Man baut ein Instrument, man kann eine gute Kopie eines Instruments machen. Aber wenn man nicht ständig die Qualität im Sinn hat, die Idee, die „Persönlichkeit“ der Gitarre, dann wird es nicht richtig. Das Problem vieler junger Gitarrenbauer ist auch, dass sie bauen, aber nicht lernen. Es ist wie überall im Leben: Das ganze Leben ist ein ständiger Prozess des Lernens und Ausprobierens. Ein Gitarrenbauer sollte schon sehr früh anfangen zu lernen; der Lernprozess muss sehr langsam und vorsichtig vorangehen. Ein Gitarrenbauer sollte eine richtige Lehre machen, mit einem Testinstrument, das gut genug sein muss, damit der Gitarrenbauer eine Werkstatt eröffnen kann. Das mag restriktiv klingen und altmodisch sein, aber auf der anderen Seite ist es eine Frage der Qualität. Viele haben einfach eine romantische Idee des Gitarrenbaus und vergessen darüber, dass es ein schlichtes Handwerk ist, mit mechanischer Arbeit, die gut gemacht werden muss. Und es gibt zu viele Leute, die nicht wissen, was sie wollen. Sie haben keine Vergleiche. Wenn jemand sagt:„Das ist ein gutes Instrument“, dann


frage ich „verglichen womit?“ Darauf wissen die meisten keine Antwort. K.W.: In der Vergangenheit hatten Sie eine sehr gute Beziehung zu den Gitarrenbauern Romanillos und Rubio. Sie haben bestimmt gegenseitig viel voneinander gelernt. J.B.: Ja, sicher. Ich weiß sehr genau, was eine gute Gitarre ist; viele Gitarristen spielen zwar eine gute Gitarre, aber sie wissen es nicht. Na ja, ich bin immer sehr interessiert daran, mich mit einem Gitarrenbauer darüber auszutauschen, was für mich eine gute Gitarre ausmacht. Aber was für mich gut ist, muss für andere noch lange nicht gut sein. Ich möchte Gitarrenbauer dazu bringen, ein gutes Musikinstrument zu bauen, nicht nur eine gute Gitarre. Und ein gutes Musikinstrument hat viele Eigenschaften. Die erste ist, dass der Klang eine natürliche Qualität hat, und dass Höhen und Tiefen ausgewogen sind. Zu mir sind oft Leute gekommen und sagten: „Ich habe eine phantastische Gitarre gehört, die musst Du auch hören“. Ich war dann oft ein bisschen enttäuscht; es ist viel besser zu sagen: „Es gibt da eine Gitarre, die Dir möglicherweise gefallen wird“. Psychologisch gesehen bin ich dann vielleicht offener. Wirklich gute Dinge sind so selten. Heute gibt es zwar viel mehr von allem, aber es wird nicht unbedingt mehr gutes. Ich war neulich in einem Warenhaus, dort hingen 260 Gitarren. K.W.: Aber die waren nicht alle handgemacht? J.B.: Vielleicht höchstens die Hälfte. Sehen Sie, nur weil ein Gitarrenbauer die Publicity bekommt, dass Segovia eines seiner Instrumente spielt, ist das noch lange keine Garantie dafür, dass alle seine Gitarren gut sind. Ein anderes Beispiel: Der junge Hauser – der Enkelsohn – konnte recht gute Instrumente bauen, und ich versuchte, ihm ein wenig zu helfen. Dann sah ich ihn zufällig wieder, und er war dabei, einen Kurs in Wirtschaftslehre zu absolvieren. Was hat das mit Gitarrenbau zu tun? Ich war zunächst schockiert, aber so ist es heute: Du musst Dich auch selbst vermarkten können. Das ist hart, und ich glaube, der alte Hauser – der Großvater – hätte sich wohl im Grab umgedreht darüber, dass sein Enkel Wirtschaft studiert, anstatt Gitarren zu bauen. Aber so ist es heute. K.W.: Vor einigen Jahren haben Sie Ihre Schallplattenfirma gewechselt. Waren Sie mit Ihrer alten Firma RCA nicht mehr zufrieden? J.B.: Nein, so kann man das nicht ausdrücken. Wissen Sie, die Beziehung zwischen einem Künstler und seiner Schallplattenfirma muss zunächst eine künstlerisch-produktive sein. Wird der kommerzielle Aspekt zu stark, engt dies zwangsläufig künstlerische Freiheiten ein. Natürlich ist mir klar, dass sich eine Produktion mit zeitgenössischer Musik nicht so gut verkauft wie eine andere, mit den Hits des spanischen Repertoires. Aber als Künstler habe ich nicht primär an Verkaufszahlen Interesse, wie die Schallplattenfirma. Das ist ein unauflösliches Spannungsfeld. Ausschlaggebend für den Wechsel zu EMI waren Zusagen, die mir größere Freiheit in der Auswahl des Repertoires gegeben haben. Außerdem war ein ganz wichtiger persönlicher Punkt, daß mein langjähriger Produzent, James Burnett, mit dem ich über 25 Jahre fast alle meine Aufnahmen gemacht habe, damals gerade starb und ich mir sowieso einen neuen Produzenten suchen mußte. Daher war der Wechsel für mich auch nicht mehr so schwer. K.W.: Eine Frage möchte ich noch zum Abschluss stellen: Wird es von dem Duo Bream/Williams in Zukunft etwas Neues zu hören geben? J.B.: Ich glaube wohl nicht. John und ich sind gute Freunde und haben ständigen Kontakt, aber alles hat seine Zeit. Als wir unsere Konzerte und Aufnahmen vor über 20 Jahren machten, passte das genau in die Zeit. Es war ein Happening, wir hatten sehr viel Spaß zusammen, aber wir sind eben zwei Solisten. John war mehr an seinen verschiedenen Musikgruppen interessiert, und ich habe auch meine eigenen Projekte gehabt. Heute das Duo wiederzubeleben, wäre nicht spontan wie damals, sondern wäre geplant mit einer bestimmten Zielsetzung. Als die drei Tenöre zum ersten mal 1990 in Rom zusammen aufgetreten sind, war das auch ein Happening. Alle hatten ihren Spaß an der Sache. Vier Jahre später war es nur noch Geschäft: Keine Musik und kein Spaß. K.W.: Vielen Dank für das Gespräch.

re. Auch mit dem Fingernagelanschlag hängt die Tatsache zusammen, dass die Goff-Lauten erheblich schwerer gebaut waren, als man es heute von Lauten gewohnt ist, die nach alten Vorbildern gebaut sind. Mit Fingernägeln braucht man höhere Saitenspannungen und die sind bei den leicht gebauten Lauten nicht möglich. Also wurden schwerere Instrumente gebaut, die vor allem dickere Decken erlaubten. Ein weiteres modifiziertes Detail, wenn auch ein scheinbar weniger bedeutsames, sind die fest installierten Bünde, die die Lauten von Goff hatten, Bundstäbchen wie auf der modernen Gitarre. Dabei kommt der Begriff „Bünde“ schließlich von „binden“, und gebunden hat man Darmsaiten um den Lautenhals, und diese „gebundenen Bünde“ konnte man je nach Stimmung verschieben. Aber mehr noch: Ansichten über Phrasierung und Akzentuierung haben sich seit Julian Breams ersten Versuchen mit der Laute grundsätzlich verändert. Vergleicht man die Aufnahmen mit denen von Paul O’Dette oder Jakob Lindberg, um nur zwei Lautenisten heutiger Zeit zu nennen, dann hört man, dass da eine ungeheure Wandlung vorgegangen ist, und zwar keine Wandlung hin zu blasser, verstaubter Authentizität, sondern eine zu höherer Musikalität, zu leichterer, schwingender Darstellung, zu völlig andersartigen Betonungsmustern und zu einer neuen Virtuosität, die sich aus der rekonstruierten Anschlagstechnik entwickelt hat. Heute sind es Lautenisten, die da Laute spielen und keine Gitarristen! Und doch: Julian Bream war der Erste, der auf internationalen Bühnen Laute gespielt, der die Laute wieder bekannt gemacht hat. Zu einer irgendwie gearteten Szene für Alte Musik hat er nie gehört und das wollte er vermutlich auch nicht … denn unumstritten war und ist Julian Bream als Gitarrist! Bach (unter anderem Chaconne und PFA) finden wir auf CD Nº 2 der Deutsche Grammophon-Anthologie, die Trio-Sonate BWV 525 auf der SONY-BMG Geburtstags-CD, gespielt zusammen mit George Malcolm, Cembalo. Bei der Zusammenstellung dieser letzteren CD hat man offenbar nicht auf die großen Superhits des Gitarrenrepertoires gesetzt, sondern auf seltener gehörte Preziosen. Gut, mit „Recuerdos de la Alhambra“ geht’s los und es kommen auch ein paar Etüden von Heitor Villa-Lobos aber auf so manchen ausgetretenen Renner hat man weise verzichtet. Dafür gibt es die mehr als selten gehörten „Courtly Dances“ aus „Gloriana“ von Benjamin Briten, für die das Julian Bream Consort mit Robert Spencer, Desmond Dupré und anderen angetreten ist. Und „Invocación y danza“ ist zu hören, ein Stück Musik, das meiner Meinung nach zu den besten gehört, die im letzten Jahrhundert für Gitarre geschrieben worden sind. Julian Bream war die Musikerpersönlichkeit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, an der sich Generationen von Gitarristen orientiert haben. Seine Repertoirewahl hat man zum Vorbild genommen, seinen kompromisslos analytischen Zugang zu den Stücken, die er spielt und seine schnörkellosen und doch Gitarre & Laute-ONLINE XXX/2008 Nº 2 13


sehr persönlich gefärbten Interpretationen. 2002 hat Julian Bream unwiderruflich seine aktive Karriere beendet … „although he still practises every day.“ Es war der einflussreichste Gitarrist der letzten fünfzig Jahre, das steht ohne Zweifel. Jetzt hat er sich zur Ruhe gesetzt und man kann Julian Bream nur eine gute Zeit wünschen … und man sollte ihm danken für zahllose Anregungen, für Werke, die für Gitarre geschrieben worden sind, weil er die Komponisten dazu angeregt hat und schließlich für zahllose Stunden, in denen man seine Musik live oder zuhause von Konserve hören durfte. Happy birthday, Maestro! Eine DVD möchte ich noch würdigen, die schon vor einigen Jahren für verschiedene Fernsehstationen angefertigt worden ist. Dort sind es acht Sendungen gewesen von knapp dreißig Minuten: The Guitar in Spain: Julian Bream ¡Guitarra! The Chamber Orchestra of Europe, Sir Charles Groves Directed by Barrie Gavin ARTHAUS Musik (Arthaus-Musik.com) 102 003 Nein, diesmal kein Konzert, das für das Medium DVD aufgenommen und gefilmt worden ist! Wir begleiten Julian Bream über drei Stunden auf einer Reise durch Spanien und durch die spanische Musikgeschichte. Sevilla, Granada, Barcelona, Toledo … das Land der „Spanish Guitar“, wie die klassische Gitarre in England immer noch heißt. Der Maestro erzählt selbst und er spielt Renaissance-Gitarre, Vihuela, Barockgitarre und schließlich moderne Konzertgitarre. Natürlich spielt er die historischen Instrumente so wie ein modernes und natürlich ist er spätestens ab der Klassik, das heißt der Musik des frühen 19. Jahrhunderts, unnachahmlich gut. Aber auch die Geschichten, die er über die frühere Gitarrenmusik erzählt, sind amüsant und jedenfalls hörenswert. Und er erzählt sie nicht in einem Studio oder einem Hörsaal. Einmal ist es eine Tapas-Bar in Barcelona, ein anderes Mal die Kathedrale von Sevilla, wo im 16. Jahrhundert Alonso Mudarra als Geistlicher tätig war. Das ist begreifbare Musikgeschichte … und es ist eine spannende Rundreise durch Spanien. Von Felipe Pedrell wird erzählt, natürlich von Granados und Albéniz, dann von Manuel de Falla und den anderen. Jeder „Kleinmeister“ habe ein Werk geschrieben, meint Bream, das erstklassig ist, manchmal auch zwei … bei Sor waren das die Mozart-Variationen op. 9, die hier auch gespielt werden: „the jackpot!“. Dann spielt er ein Wenig Aguado und schließlich, wir sind in Córdoba, kommt der Flamenco-Gitarrist Paco Peña mit ins Spiel. Wie viele Aspekte des Flamenco sind in der Gitarrenmusik des 20. Jahrhunderts aufzuspüren? Wie hat der Flamenco, die Musik der andalusischen Zigeuner, die „Kunstmusik“ beeinflusst? Viele Fragen, die man sich, was Gitarrenmusik angeht, immer wieder stellt, werden hier zumindest angesprochen … wenn nicht teilweise bis manchmal auch ganz beantwortet. Und wenn sie nicht beantwortet werden, hat man jedenfalls eine Zeit unterhaltsam verbracht!

14 Gitarre & Laute-ONLINE XXX/2008 Nº 2

Auf das Interview mit Julian Bream, erschienen in Gitarre & Laute XVII/1995/Nº 5, S. 8-11, kamen folgende Leserbriefe, die auch veröffentlicht wurden. Sehr geehrter Herr Päffgen, Im Hinblick auf die vielen Anrufe und Zuschriften, die ich auf das in Heft 5/1995 (September/Oktober) veröffentlichte Interview mit Herrn Julian Bream erhalten habe, sehe ich mich zu nachfolgender Klarstellung veranlasst: Ich habe weder ein Wirtschaftsstudium begonnen, noch den Gitarrenbau aufgegeben oder eingeschränkt. Selbstverständlich habe ich mich, wie alle anderen auch, im Rahmen meiner Ausbildung zum Instrumentenbaumeister auch mit betriebswirtschaftlichen Dingen beschäftigen müssen. Dies gehört in der heutigen Zeit allerdings leider dazu, um das Überleben des Betriebes sicherzustellen, und ein solcher Betrieb ist nun einmal die Grundlage für ein solides Handwerk. Ich bin auch durchaus der Ansicht – auch wenn das hier etwas unbescheiden klingen mag –, dass mein Großvater sich keineswegs ob meiner Leidenschaft zum Gitarrenbau und der Qualität meiner Gitarren schämen und „im Grab umdrehen muss.“ Solche Äußerungen des Herrn Bream, den ich und meine Familie als Künstler sehr schätzen, kann ich nur mit äußerstem Befremden zur Kenntnis nehmen. Es bleibt Herrn Bream selbstverständlich unbenommen, sich über die Eigenschaften meiner Gitarren zu äußern, dies sollte aber differenziert und qualifiziert geschehen, wie wir es im übrigens auch sonst von ihm gewohnt sind. Hermann Hauser III, Zupfinstrumentenbaumeister Erschienen in G&L XVII/1995/Nº6, S. 4 Als begeisterter Besitzer einer Hauser-Gitarre und guter Freund der Familie Hauser, besuchte ich diesen Sommer den Gitarrenmeisterkurs in Reisbach. Bei einem Glas Wein erzählte mir Hermann Hauser von seiner letzten Begegnung mit Julian Bream. Er habe Julian Bream erzählt, dass er für seine bevorstehende Meisterprüfung auch Fächer wie Buchhaltung, Wirtschaft etc. besuchen musste. Hermann Hauser baut seit seiner bestandenen Prüfung weiterhin exzellente Musikinstrumente. Wie erstaunt war ich da, als ich im letzten Heft von Gitarre & Laute (5/1995) folgende Unwahrheit lesen musste. Julian Bream sagt zu seinem Interviewer Klaus Wollny, Hermann Hauser studiere Wirtschaft anstatt Gitarren zu bauen. Was soll das? Ich bin mir nicht sicher, ob solche Fehlinformationen aus purer Bosheit oder wegen über-

setzungsfehlern geschrieben werden. Mit freundlichen Grüßen Gares Szowgvay Erschienen in G&L XVIII/1996/Nº 1, S. 4 Sehr geehrter Herr Päffgen, hiermit nehmen wir Bezug auf die vorliegende deutsche Übersetzung des Interviews mit Julian Bream in Gitarre & Laute, Heft 5, S. 11. Dort geht es in einem Abschnitt um den Gitarrenbauer Hermann Hauser III. Es entsteht dabei der Eindruck, dieser erstklassige Instrumentenmacher würde heute keine Gitarren mehr bauen, sich dafür aber mit Wirtschaftslehre befasse. Dies ist so nicht richtig, wie Gitarre & Laute selbst vor einiger Zeit über die Hausers berichtet hat. Hermann Hauser III. baut nach wie vor handgefertigte Gitarren von allerhöchster Qualität. Zu seinen Kunden zählen viele erstklassige Namen, u.a. auch Julian Bream. Wenn ein junger Mann eine große Familientradition fortführt, werden sich bestimmt weder Großvater noch Vater „im Grab umdrehen“, wenn der Enkel bzw. Sohn einen Wirtschaftskurs belegt, um in der heutigen Zeit die Wirtschaftlichkeit des Unternehmens zu optimieren und das Überleben des Familienbetriebs zu sichern. Es wäre beinahe töricht, in dieser Hinsicht keine Ausbildung zu nutzen. Bildung schadet nicht. Wir schätzen Herrn Bream sehr und ebenso Herrn Hauser, so dass wir uns veranlasst sehen, diese unglückliche Note in besagtem Interview zu kommentieren. Was Wahrheit ist, muss eben Wahrheit bleiben. Mit freundlichen Grüßen Volker Niehusmann – Folkwang Gitarren Duo Erschienen in G&L XVIII/1996/Nº 1, S. 4 Ich frage mich, ob ich der einzige bin, dem es so geht, doch kann ich nichts die Gitarrten von Hermann Hauser III. diskreditierendes in dem oben genannten Interview erkennen. Im Gegenteil: Julian Bream äußert sich meiner Lesart nach sehr positiv über die Gitarren von Hermann Hauser, nur beklagt er eine Zeit, in der es nicht mehr ausreicht, hervorragende Gitarren zu bauen, sondern auch wirtschaftswissenschaftliche Betätigung notwendig ist; eine Zeit in der das „Klappern“ nicht mehr nur zum Handwerk dazugehört, sondern mit Voraussetzung für wirtschaftlichen Erfolg ist. Eine Einschätzung, die ich durchaus teile. Mit freundlichen Grüßen Thomas Schall, Sulzbach Erschienen in G&L XVIII/1996/Nº 3, S. 4


Die Lautenwerke von Santino Garsi da Parma Gesamtausgabe der handschriftlich überlieferten Quellen Faksimile mit Übertragung und Kommentar von Dieter Kirsch Die Hauptquellen für die Werke des bedeutenden Lautenmeisters Santino Garsi da Parma, die Handschriften mus.ms.40032 und 40153 der ehemaligen Preußischen Staatsbibliothek, galten seit dem zweiten Weltkrieg als verschollen. Lediglich in der Dissertation von Helmut Osthoff („Der Lautenist Santino Garsi da Parma“ 1926) waren sie den heutigen Musikern und Wissenschaftlern in Übertragungen für Klavier zugänglich. Die neue Ausgabe sämtlicher Lautenwerke verbindet erstmalig Quellen in Faksimile (auch die der erst jüngst wiederentdeckten Berliner Handschriften) mit Übertragungen im G- Schlüssel-System (für Gitarre)

Santino Garsi da Parma, Sämtliche Werke für Laute, 120 S., Großformat, GL 148, EUR 30,-MusiCologne Ltd., Köln http://www.MusiCologne.eu

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Joseph Kreutzer (1790–1840)

Johann Gaitzsch: So, wer war überhaupt dieser Joseph Kreutzer?

Joseph Kreutzer: Six Variations avec Introduction pour Deux Guitarres sur le Thème de l’Opera: Der Freischütz »Wir winden dir den Jungfernkranz« Erste Neuausgabe hrsg. v. Peter Päffgen

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Werkeverzeichnis Joseph Kreutzer 0p.

Ttitel

Tonart Verlag

Quatuor pour flûte, violon, alto et violoncelle (n.1) 2 Quintetti pour flûte, violon, 2 alto et violoncelle 2 Quatuors pour flûte,violon, alto et violoncelle (n.2/3) 6 Variations avec introduction pour 2 g concertantes sur un thème de „Freischütz“ 6 Variations pour guitare sur le thème de Mozart „Wer ein Liebchen hat gefunden…“ 4 Trios pour flûte, violon et g

D ?/C e/G D a A/e/D/C

Simrock Simrock Simrock Bachmann Bachmann Simrock

10 11 12 13 14 15 16

6 Variations brillantes pour g sur l’air „A Schisserl…“ 6 Variations pour la g 6 Variations pour la g sur l’air „God save the King“ 6 Variations pour g sur le thème „Kind willst du …“ 8 Variations pour g sur un air favori tyrolien 6 Variations brillantes pour g sur un air tyrolien Grand Trio pour g, flûte, clarinette (alto)

C D A A A A

Simrock Simrock Simrock Simrock Simrock Simrock Simrock

1893 2087 2086 2610 2408

17 18 20 21 23 25 27 WoO WoO WoO WoO

12 Pièces amusantes pour guitare Trois grand duos concertants pour deux violons Trois Quatuors pour 2 violons, alto et violoncelle Quatuor pour flûte et cordes (nr.4) Trois Rondeaux pour la g Variations faciles sur la romance de „Joseph,“ (violon & p.-f. ou quatuor à cordes) Trost im Leiden (voice & p.-f.) 12 Pièces pour 2 flûtes et g 10 Variations sur l’air allemand: „Mein Schatz ist ein Reiter“ pour g Quatuor brilliant (op.1 ?) Ouvert. de Lodoiska p. Flûte, Violon et Guitare Etude A (in

Simrock Bachmann Simrock

306 2587

2 3 5 6 7 9

So, wer war überhaupt dieser Joseph Kreutzer? von Johann Gaitzsch

S

(erstellt von Johann Gaitzsch)

o lautet die irgendwie frustrierte Frage im Booklet einer der zahlreichen CD-Einspielungen von Joseph Kreutzers „Grand Trio“ op. 16 für Flöte, Klarinette und Gitarre. Andere Aussagen fallen einem in die Hand, wenn man das Internet nach „J.K.“ durchsucht, unter anderem die Bezeichnung „das Phantom Joseph Kreutzer“ oder die peremptorische Behauptungen „er hat nichts zu tun mit Beethovens Kreutzer-Sonate “ oder etwa „obwohl unbekannt, kann man ihn vom Höreindruck her einordnen: Seine luftigen, reizenden Melodien erinnern irgendwie an Mozart …“ Wie kann man „das Phantom Joseph Kreutzer“ demaskieren? Zuth gibt keine biographischen Informationen. Bone zitiert Prat der veröffentlichte, J.K. sei ein Bruder des berühmten französischen Geigen-Virtuosen Rodolphe Kreutzer gewesen. McCutcheon zitiert Peter Danners Artikel in „Soundboard“ Jahrgang 1981 und liefert kommentarlos die Jahreszahlen 1780—1849. Diese gehören aber de facto zu Conradin Kreutzer. Peter Danner fasst die verfügbaren Informationen zusammen und kommt zu dem Schluss, dass wir, sieht man von den erhaltenen Ausga-

ben ab, buchstäblich nichts über Joseph Kreutzer wissen. In dem Band „Thematischer Katalog der Musikhandschriften nach 1600“ des RISM, ist ein Manuskript des „Quatuor pour la flûte, violon, viole et violoncelle, par Jos. Kreutzer, Bonn et Cologne, chez N. Simrock Nº 1190“ verzeichnet. Nach RISM ist der Autor ein Jean (Nicolas Auguste) Kreutzer (1778—1832). Kein Wort wird darüber verloren, wie aus dem „Jos.“ ein „Jean“ geworden ist. Dass es innerhalb einer Generation mehr als drei Komponisten mit dem Namen „Kreutzer“ gegeben haben soll, war offenbar für einige unvorstellbar, also verleugnete man kurzerhand Josephs Identität und dass es ihn überhaupt gegeben hat. Tatsächlich gibt es keinen Grund, Joseph hinter einem seiner Namensvettern zu vermuten – im Gegenteil! Whistling unterscheidet unmissverständlich zwischen sechs Trägern des Namens: Auguste (Jean Nicolas), B. (Bernhard? cf. infra), Conradin, Joseph, Paul und Rodolphe. Hardy, Biograph des Letztgenannten nennt die im Taufregister der Stadt Versailles aufgelisteten Geschwister Rodolphes auf … ein Joseph ist nicht darunter. Nr. 8, das jüngste der Geschwister, hieß Jean Nicolas Auguste Kreutzer, geboren in Versailles am 3. September 1778, und war selbst ein brillanter Geiger und Nachfolger seines

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?/E/Ab ?/C/Bb F D/G/A D

Simrock Mompour Severin Bachmann

PLN 1650

165 149 2062/6 1891

2864

2853 A

Simrock Simrock

Bruders Rodolphe am Konservatorium. Er starb 1832. Conradin Kreutzer (1780—1849) war ein deutscher Komponist und hat Opern, Lieder und Instrumentalmusik geschrieben. Der Name „J.K.“ ist in seinen ansonsten recht umfangreichen biographischen Unterlagen nirgends erwähnt. Er war als Kapellmeister in Stuttgart, Wien und Riga tätig. Nach Bone hat er zwei Stücke für Klavier und Gitarre komponiert, eines davon, eine Polonaise op. 10, hat Whistling erwähnt. Der Joseph Kreutzer, an dem wir hier interessiert sind, hat rund dreißig Stücke komponiert, die zwischen 1822 und 1828 bei den Verlegern Bachmann (Hannover) und Simrock (Bonn) herausgekommen sind: zehn Stücke für Gitarre solo, ein halbes Dutzend Kammermusikwerke mit Gitarre und ein Dutzend Werke für unterschiedliche Besetzungen. Unter den letzten sind ein Streichquartett mit dem Titel „Quatuor brilliant“ und ein Set von drei „Duos concertants“ für zwei Violinen. Dies könnte ein Hinweis darauf sein, dass der Komponist neben seinen Fähigkeiten als Gitarrist auch ein professioneller Geiger war. Aber trotz der vielen erhaltenen Kompositionen und trotz ihres ganz offensichtlichen Erfolgs sind von J.K. keine biographischen Spuren überliefert und was diesen Punkt angeht, waren auch keine Fortschritte zu erwarten.

(AMZ, 1


Fundort

Mod. Ausgabe Kunzelmann

DBs(1)CzBm(2)

DKk DKk 67?/70 VOB Philomele(e) DBs DKk VOB DBs VOB ed.

S.P.E.S (fac.) Philomele Doblinger(D)

Philomele Zimmermann Belvin Mills

ed. (2) ZT (3)X 2/3 ASsp VOB

Philomele

DDÜl DBs

1832, Spalte 3

Intelligenzblatt

Ein möglicher Zugang zu Informationen allerdings war bisher offenbar nicht verfolgt worden: die Widmungsträger. Im Fall von J.K. führte dieser Weg sofort zum Ziel. Die am ehesten Erfolg versprechende Spur war die von Dr. Joseph Naegele, „médecin et chevalier“ und Widmungsträger von J.K’s opp 2 und 3 (einem Quartett und einem Quintett für Flöte und Streicher). Das „Biographische Lexicon hervorragender Ärzte“ nennt eine drei Generationen unfassende Ärzte-Dynastie mit dem Namen Naegele, ansässig in Düsseldorf. Unter ihnen gab es einen Joseph Naegele (1782—1830), Professor für Chirurgie in Düsseldorf, und er wird als Musikliebhaber geschildert. Wir wissen zwar nicht, ob er, Dr. Naegele, Liebhaber des Flötenspiels war, aber das kann man annehmen, weil Joseph Kreutzer ihm seine Flötenwerke gewidmet hat. Joseph Kreutzer scheint also irgendwie mit Düsseldorf verbunden gewesen zu sein. Dieser Hinweis führte zu weiteren Untersuchungen im Düsseldorfer Stadtarchiv und brachte mehr als zehn Musiker mit dem Namen Kreutzer in dieser Region ans Tageslicht, die alle in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts aktiv waren. Ein Bernhard Kreutzer (1805—1856), in Düsseldorf geboren, war Musikdirektor beim Fürsten von Baden und gründete die „Heidelberger Musikfeste“. Es ist gut möglich, dass er der „Cousin Bernard

Kreutzer“ war, dem J.K. sein Op. 7 gewidmet hat („Six Variations pour la guitare sur le thème de Mozart „Wer ein Liebchen hat gefunden“). An diesem Punkt meiner Untersuchungen, im August 1999, fiel mir per Zufall ein Artikel über den Komponisten Norbert Burgmüller (1810—1836) in die Hand, erschienen in einer Zeitschrift die ich zwar abonniert hatte, die aber normalerweise keine Beiträge über Musik enthält. Norbert Burgmüller, unterschätztes Genie der frühen deutschen Romantik, verbrachte den größten Teil seines kurzen Lebens in Düsseldorf. Ich fragte sofort Dr. Klaus Zehnder-Tischendorf, den Autor des Artikels, ob er, als Kenner der Düsseldorfer Musikszene im frühen 19. Jahrhundert, von einem Joseph Kreutzer gehört hatte. Bingo! Es stellte sich heraus, das J.K. in der frühen Romantik-Bewegung im Rheinland eine bekannte Person war. Das Problem war nur, das die Forscher, die sich mit dem Umfeld von Mendelssohn, Spohr und Burgmüller befassten, an den Gitarrenwerken eines Joseph Kreutzer nicht interessiert waren und sich daher nicht des Problems bewusst waren, welches Gitarren-Historiker seit vielen Jahren zu lösen versuchten. Da andererseits Gitarristen an Mendelssohn nur als einem Lieferanten gefälliger Melodien für Transkriptionen interessiert sind, hätte es es bei diesem status quo vermutlich noch viele Jahre bleiben können. Joseph Kreutzer wird nach 1814 als Konzertmeister und gelegentlich als Dirigent des Düsseldorfer Orchesters „Verein für Tonkunst“ erwähnt. Dort finden wir seinen Namen auch in Buchhaltungsunterlagen und auf Zahllisten. Die „Zeitung für die Elegante Welt“ berichtet in einem Bericht über die Konzertsaison von 1815: „Herr Kreutzer jun. verdient besondere Erwähnung, weil er vor kurzem ein Violinkonzert von Fränzl in höchster Reinheit, Delicatesse und Fertigkeit aufgeführt hat. Mag dieser junge Mann nicht versäumen, seine künstlerische Bildung seiner außergewöhnlichen Begabung entsprechend auszubilden. Wir bezweifeln nicht, dass er sich eines Tages in der Musikwelt einen Namen machen wird.“ J.K. erscheint wiederholt in der BurgmüllerBiographie von Kopitz. Nach Kopitz war er der Violinlehrer von Norbert Burgmüller und seines Bruders Friedrich. Der Vater der beiden, August Burgmüller (1766—1824), war Kapellmeister und Musikdirektor in Düsseldorf und so der direkte Vorgesetzte von Kreutzer. In späteren Jahren wurde Kreutzer angeblich schrullig und streitsüchtig. Er steckte hinter der Opposition des Orchesters, mit welcher der 24-jährige Felix MendelssohnBartholdy während seines Düsseldorfer Aufenthalts zwischen 1833 und 1835 konfrontiert war. Ein gewisser Friedrich Kreutzer veröffentlichte am 15.1.1838 in der Düsseldorfer Zeitung

die Vorankündigung eines Konzerts zu Gunsten seines Cousins J.K.. Von Letzterem wurde erzählt, er habe krankheitshalber seit über einem Jahr nicht mehr arbeiten können – und das nach 33 Jahren loyaler und aufopfernder Tätigkeit für das Orchester. Das Konzert fand dann auch am 19. April 1838 statt. Auf dem Programm standen eine Ouvertüre, verschiedene Vokalkompositionen, zwei Sätze einer Symphonie (heute verloren) von J.K., ein Violinkonzert von Spohr und eine Violin-Sonate von Beethoven, gespielt vom Organisator des Konzerts Friedrich Kreutzer. Nach seiner Todesurkunde starb J.K. am 16. Juni 1840 in Düsseldorf an Schwindsucht. Zusätzlich steht zu lesen: „fünfzig Jahre alter Junggeselle, Musiker, geboren in Aachen, Sohn des geehrten Paul K., Musik-Professor in Aachen und von N.N., hier unbekannt.“ Über Paul Kreutzer ist nichts bekannt, außer, dass er, nach Whistling, einen Variationssatz über das Lied „Milch ist gesünder“ für Violine und Cello, und einen weiteren über eine Melodie aus „Don Giovanni“ (nicht „Finch’han il vino…, wie man vermuten könnte, sondern über das berühmte Menuett) herausgegeben hat. Wenn Joseph Kreutzers Alter in dieser Urkunde korrekt war, muss er 1789 oder 1790 geboren sein. Ein Anfrage bei der Aachener Stadtverwaltung brachte heraus, dass am 21. November 1790 ein „Wilhemus Josephus illegitimus“, illegitimer Sohn von Wilhelmus Kreutzer eingetragen ist. Das erklärt das N.N. [NOMEN NESCIO: lat. den Namen weiß ich nicht – Anm. des Übersetzers] statt des Namens der Mutter in Josephs Geburtsurkunde. Offenbar war der junge Wilhelmus Josephus von seinem Stiefvater Paul Kreutzer, vielleicht ein Onkel oder Vetter) adoptiert worden, weil seine eigenen Eltern nicht in der Lage waren, für ihn zu sorgen Seinen ersten Namen hat er dann abgelegt und übrig blieb „Joseph Kreutzer“. Diese Unbillen, die Joseph in früher Kindheit erleben musste, erklären vielleicht seinen schwierigen Charakter und die Tatsache, dass er lebenslang Junggeselle blieb. Was wir aber mit Sicherheit jetzt sagen können ist, dass er am 21. November 1790 in Aachen geboren wurde und am 16. Juni 1840 in Düsseldorf gestorben ist. Neben J.K.’s gedruckten Gitarrenwerken ist beim momentanen Stand der Forschung nichts weiteres über seine Aktivitäten als Gitarrist, Gitarrenlehrer und Komponist für Gitarre bekannt. Da beide Burgmüller-Brüder später gelegentlich für Gitarre komponierten, liegt die Vermutung nahe, dass Kreutzer ihnen, neben dem Violinunterricht auch etwas Gitarrenspiel beigebracht hat. Norbert Burgmüllers „Ständchen“ für Klarinette, Viola und Gitarre, ein reizendes Gelegenheitsstück, kann stilistisch in die Zeit um 1825 eingeordnet werden. Wir haben es bei diesem Stück vielleicht mit einem stummen

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Ottobrunner

Konzerte Classical & Beyond

Gitarren-Nacht

Alvaro Pierri Classical Guitar Virtuoso

Ralph Towner Jazz Guitar Icon

Freitag, 17. Oktober 2008, 20Uhr München Ticket 089-54 81 81 81 WFH 089-60808-302 t to

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Photography © Uli Fild (Joachim Kühn), Matthias Hennekeuser / Universal (Anna Gourari)

Wolf-Ferrari-Haus Ottobrunn

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Künstlerische Leitung: Cornelius Claudio Kreusch & Johannes Tonio Kreusch

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Six Variations avec Introduction pour Deux Guitarres concertantes sur le Thème de l’Opéra: Der Freischütz »Wir winden dir den Jungfernkranz«

Joseph Kreutzer (1790—1840)

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Die „Six Variations avec Introduction pour Deux Guitarres concertantes sur le Thème de l’Opera: Der Freischütz »Wir winden dir den Jungfernkranz«“ erschienen als Plattennummer „165“ im Verlag Bachmann in Hannover. Das hier verwendete Exemplar gehört der Kongelige Bibliotek in Kopenhagen und befindet sich dort in der Rischel & Birket-Smith-Sammlung [RISM-Sigel DK-Kk]. Die hier veröffentlichte Ausgabe kann zwar als PDF heruntergeladen und benutzt werden, Edition und Stichbild unterliegen gleichwohl dem Urheberschutz: © 2008 by Peter Päffgen, Köln. Ein kritischer Bericht erscheint zeitnah zur Veröffentlichung in Gitarre & Laute ONLINE im Internet unter: peter-paeffgen.eu. Strittige Fragen können im Internet geklärt werden: www.glblog.de. Jytte Torpp Larsson, Catalogue of the Rischel and Birket-Smith Collection of Guitar Music in The Royal Library of Copenhagen, Columbus/Ohio 1989 Johann Gaitzsch, So, wer war überhaupt dieser Joseph Kreutzer?, S. vorliegende Ausgabe von Gitarre & Laute ONLINE, S. 17-19 und 30 Gitarre & Laute-ONLINE XXX/2008 Nº 2 29


Zeugen der wenig bekanten Seite unseres Komponisten zu tun. Im Laufe der Untersuchungen wurde auch die Hypothese geprüft, es handle sich bei dem Komponsten Joseph Kreutzer um zwei unterschiedliche Personen: einen Geiger und einen Gitarristen. Dieser Verdacht wurde aber schnell verworfen, als das Werkverzeichnis vorlag. Stücke für beide Instrumente sind auf die Schaffensperiode und auf die verschiedenen Verleger gleichmässig verteilt, dabei überschneiden sich niemals Opusnummern. J.K.’s bekanntestes Werk ist das oben genannte Trio op. 16, bemerkenswert nicht nur durch seine ungewöhnliche Besetzung mit zwei Blasinstrumenten und Gitarre. Die eröffnende Unisono-Skala zeugt von Beethovenschem Selbstverständnis. Das Skalenmotiv ist Teil des ersten Themas, eines geräumigen „Allegro risoluto“ in klassischer Sonatenform. Es wird von Kreutzer kunstvoll eingesetzt um die verschiedenen Abschnitte zu gliedern und wird ohne Unterbrechung durch die Wiederholung der Exposition, Durchführung und Reprise geführt. Der Gitarrenpart hat einige sehr interessante Soli, so zum Beispiel im „Adagio“ in der Mitte und auch in der abschließenden „Polacca“. Dieses feine Stück Kammermusik war das erste Werk Kreutzers, das 1921 in einer modernen Ausgabe verlegt wurde, und zwar als Nr. 9 der berühmten dunkelgrünen Reihe bei Zimmermann, herausgegeben von Heinrich Albert. Vierzig Jahre lang war dies Kreutzers einziges verfügbares Werk – bis in den sechziger Jahren Karl Scheit das Trio op. 9/3 bei Doblinger herausgab. Auch wenn die Werke unseres Komponisten schon einige romantische Merkmale aufweisen, ist er noch tief in der klassischen Zeit verwurzelt. Die meisten Solostücke für Gitarre sind Variationssätze, die Kammermusikwerke heißen Trios, haben SerenadenCharakter, allerdings mit Eröffnungssätzen in Sonaten-Hauptsatz-Form. Zwei der Gitarrenstücke sind vermutlich verloren, die „12 Pièces Amusantes“ op. 17 sowie „12 Pièces pour deux Flûtes et Guitare“ (WoO) [Werk ohne Opusnummer – Anmerkung des Übersetzers]. Gelegentlich bewegt sich Kreutzer mit eigenen Wendungen etwas außerhalb eingefahrener Wege, hie und dort erinnern Passagen an Violintechniken wie zum Beispiel Arpeggien in hohen Lagen auf leeren Saiten. Seine Variationen über ein Thema von Mozart op. 7 sind eine interessante, technisch aber weniger fordernde Alternative zu Fernando Sors Variationen op. 11. Dankend erwähnt seien Dr. Klaus M. Kopitz, Berlin Dr. Elisabeth Scheeben, Stadtarchiv Düseldorf Dr. Klaus Zehnder-Tischendorf, Suhr Übersetzung: Markus Grohen

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Frauchi, Frautschi, Frauči? Zum Problem der Transliteration

Unter Transliteration versteht man das buchstabengetreue Übertragen eines Textes in eine andere Schrift … also zum Beispiel von der kyrillischen in die hier gebräuchliche lateinische. Sie ist eine Methode der Aufarbeitung fremder Texte. Benutzt wird sie, um Wörter in fremden Schriften in ein anderes Buchstabierungssystem einzugliedern, zum Beispiel in einem Lexikon oder einem Wörterbuch. Transliterierte Wörter bieten allerdings dem Benutzer keinerlei Hinweise darauf, wie sie ausgesprochen werden … sieht man von den diakritischen Zeichen ab. Diakritische Zeichen (von gr. Diakritikós, unterscheidend) sind zum Beispiel (im Deutschen) die Umlautpunkte über Vokalen, (im Französischen) die Akzente und (im Spanischen) die Tilde über dem „n“: „ñ“. Wenn man Wörter in eine andere Schrift übertragen und dabei klare Hinweise auf ihre Aussprache geben möchte, kann man sie auch phonetisch übertragen, das heißt, man schreibt sie so, wir sie in der Zielsprache ausgesprochen würden. Im Fall von Alexander Kamillowitsch Frauchi, um den geht es hier, ist sein Name in dieser Schreibweise („Frauchi“) für einen deutschsprachigen Textzusammenhang falsch phonetisch übertragen. Hier müsste er „Frautschi“ geschrieben werden – so wird er ausgesprochen. „Frauchi“ ist die phonetische Umschreibung durch einen Engländer oder Amerikaner. Spricht man „Frauchi“ englisch aus, kommen wir dem deutschen „Frautschi“ wieder nahe! Das Verfahren der phonetischen Umschrift nennt man auch Transkription. Der DUDEN (neueste Auflage von 2008) liefert eine Liste der kyrillischen Buchstaben übersetzt in „aussprachenahe Transkription” und „Transliteration nach DIN 1460“? So bürokratisch sich das Transliterieren nach Deutscher Industrie-Norm (DIN) auch anhören mag, man fände ein falsch transliteriertes Wort in Verzeichnissen nie mehr wieder … oder gleich mehrmals, weil man sich nicht über die Schreibweise einigen konnte! Hier also die Erklärung, warum Frauchi nicht mehr Frauchi oder Frautschi geschrieben wird, sondern Frauči. Dass hier in Comuterumgebungen solche Zeichen darstellbar sind, hängt damit zusammen, dass der alte Zeichensatz ASCII (American Standard Code for Information Interchange), in dem maximal 128 Zeichen darstellbar sind, ausgedient hat und man in Unicode (UCS-2) kodiert. Damit sind 65.536 Zeichen darstellbar und eine internationale Kommission ist dabei, alle in den Weltsprachen benutzten Zeichen zu katalogisieren, numerieren und integrieren. Daher also Frauči.

Vorschau auf die nächste Ausgabe von Gitarre & Laute ONLINE: Nachdem viele Leser der Zeitschrift ihr Bedauern geäußert haben, dass keine Vorschauen auf die jeweils nächsten Hefte mehr veröffentlicht werden sollten, werden jetzt doch kurz und knapp die Themen genannt, mit denen sich hier Autoren und Redakteure beschäftigen. In Gitarre & Laute ONLINE XXX/2008/Nº 3 werden Sie folgende Namen wiederfinden: Nora Buschmann, Napoleon Coste, Antoine de L’Hoyer, Joaquín Rodrigo … dabei werden besonders neue Notenausgaben bewertet und gewürdigt, es werden Gespräch geführt und Sie finden auch wieder Spielmaterial. Nach Mozart und Carl Maria von Weber in den letzten Ausgaben wird es jetzt Gioacchino Rossini sein. Lassen Sie sich per Newsletter informieren: www.MusiCologne.eu. Und reden Sie mit: www.gl-blog.de!


Notenausgaben von Gitarre & Laute

John W. Duarte Danserie No. 2 für Gitarre solo € 7,50 G&L 142 Eduardo Falú Gavota para Guitarra, Mit Fingersätzen versehen von Hubert Käppel, 2-3 € 5,00 G&L 112 Eduardo Falú Preludio del pastor € 6,50 G&L 111 Santino Garsi da Parma Sämtliche Lautenwerke, Gesamtausgabe der handschriftlichen Quellen, Faksimile mit Übertragungen und Kommentar von Dieter Kirsch € 30,00 G&L 148 Jana Obrovská Hommage à Choral Gothique f. Gitarre Solo, Revidiert von Milan Zelenka € 8,50 G&L 122 Jana Obrovská Due Musici für zwei Gitarren € 8,50 G&L 123 John W. Duarte Danserie No. 2 für Gitarre solo € 8,50 G&L 142 Adrian Patino Nevando Está, Für Gitarre bearbeitet von Eduardo Falú € 6,50 G&L 120 A. Robles und Jorge Milchberg El Condor pasa, Für Gitarre bearbeitet von Eduardo Falú € 6,50 G&L 116 Ignace Strasfogel Prélude, Elegie und Rondo für Gitarre, Herausgegeben von Volker Höh € 13,00 G&L 168 Heinrich Marschner Lieder mit Begleitung der Gitarre (Zwölf Lieder op. 5, Zwei Lieder von Goethe), Herausgegeben von Oliver Huck € 15,00 G&L 169

Der gesamte Katalog bei:

www.MusiCologe.eu Gitarre-und-laute.de

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Alexandr Frauฤ i in memoriam (1.4.1954--2.6.2008)

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Am 2. Juni 2008 starb in Moskau Alexandr Kamillowitsch Frauči. Der Musiker war am 1. April 1954 in Rostow geboren, studierte später bei Natalia Ivanova-Kramskaja am Moskauer Konservatorium und arbeitete schließlich als Leiter der Gitarrenklasse an der Gnesins-Musikakademie in Moskau. Die Musikwelt verliert einen sensiblen Förderer der Gitarre, der sich besonders für zeitgenössische russische Musik einsetzte. Seine Zusammenarbeit mit Nikita Koshkin förderte zum Beispiel die internationale Popularität von dessen Musik. Erinnerungen an Sascha Von Peter Päffgen Als ich Sascha Frauči kennenlernte, das war 1988, gab es sie noch, die Sowjetunion. Für uns Westeuropäer war es damals mit ein paar Unbillen versehen, sich irgendwo im Osten dieser Gitarrenwelt zu treffen … aber für ihn! Ich musste mich für mein Visum an der sowjetischen Botschaft, die sich zu der Zeit noch im rheinromantischen Bonn befand, ein paar Stunden in eine Schlange Wartender stellen – für ihn standen Anträge an und immer wieder ermüdendes Warten und Bangen auf dem Programm. Und das, um in einen sozialistischen Bruderstaat reisen zu dürfen, nicht nach Westdeutschland oder in die USA! Für Fraučis, Sascha reiste meistens zusammen mit seiner Ehefrau Mascha, war es schon schwierig, die Pässe ausgehändigt zu bekommen … aber die entsprechenden Devisen zu besorgen, war eine schier unüberwindliche Hürde. Dafür gab es die Festivals und Wettbewerbe in sozialistischen Staaten. Esztergom war berühmt als Treffpunkt von Ossis und Wessis. Hier ging es! Hier traten westliche Musiker auf und als Gage gab es Kost und Logis und vielleicht ein paar Forint oder Złoty, die man jeweils im Land ausgeben musste. Musiker aus den Ostblockstaaten kamen, weil ihre sozialistischen Brüder ihnen Sonderkonditionen einräumten und so eine Teilnahme ermöglichten. Na ja, in Tychy bin ich dann 1988 Sascha zum ersten Mal begegnet. Beim Śląnska Jesień Gitarowa, beim Schlesischen Gitarrenherbst war’s, bei diesem wunderbaren Festival, das damals noch von Edmund Jurkowski geleitet wurde, dem visionären Gründer dieser Veranstaltungsreihe. Tychy war ein OstWest-Treffpunkt, wenngleich echte Treffen mit offenen Gesprächen und Diskussionen nur bedingt möglich waren. Viele Teilnehmer aus Ländern östlich des Eisernen Vorhangs hatten gelernt, sich abzukapseln und lieber den Mund zu halten. Aber es ging. Die nächtlichen Treffen im Hotel Tychy nach den Konzerten waren legendär. Hier traf man sich und teilte, was man aus Duty-FreeShops mitgebracht oder in den polnischen PEWEX-Läden gekauft hatte. Hier kamen

in Pushchino 1990 … der Zweite von links ist Jens Wagner, für alle anderen (Schüler und Freunde von Sascha) werden die Namen nachgeliefert auch Meinungen und Erzählungen auf den Tisch, die man sonst nicht weiterzugeben gewagt hätte … und natürlich war alles von Musik begleitet. Sascha Frauči sang russische Balladen, Štěpán Rak verblüffte durch seine neuen Tremolo-Techniken und die achtzehnjährige Nicola Hall, Gewinnerin des ersten Wettbewerbs in Tychy zwei Jahre vorher, brillierte mit ihrem naiv-kindlichen Spaß an Virtuositäten. Das alles nachts bis in den frühen Morgen. Das war die große Zeit für Gitarrenfestivals, als es noch spannend war, Musiker aus der UdSSR oder Polen kennenzulernen. Man bedenke, dass man nicht einmal problemlos von West nach Ost telefonieren konnte. Ein Gespräch von Köln nach Markneukirchen in der DDR zum Beispiel musste Stunden vorher angemeldet werden, ganz zu schweigen von Köln—Warschau oder Köln—Moskau. Und Briefe oder Drucksachen zu schicken war auch ein Risiko. Die Schnüffler von der STASI – oder wie die Institutionen in anderen Ländern hießen – interessierten sich bekanntlich für alles. Um meine Zeitschrift Gitarre & Laute an die Deutsche Bücherei in Leipzig zu schicken, die ein kostenloses Abonnement gern entgegengenommen hatte, musste jeder Sendung ein von der Bibliothek gelieferter offizieller Zettel „Erlaubte Drucksache“ beigelegt werden … jegliche Art von Kommunikation wurde erschwert, bis es einem lästig wurde und man die Idee aufgab. Das jedenfalls war der Plan! Und Sascha gab ein Konzert in Tychy. Ich schwärmte danach von der „russischen Seele“, von seinem einfühlsamen Spiel … Die Zeit zwischen 1988 und 1990 war eine Zeit des Aufbruchs. Glasnost (Offenheit) und Perestroika (Umgestaltung) waren die

Schlagworte, die Michail Sergejewitsch Gorbatschow, von 1985 bis 1991 Generalsekretär der KPdSU, in Umlauf brachte. Die UdSSR war, wie die meisten ihrer Vasallenstaaten, pleite und so wurden schnell Kontakte zu den prosperierenden Klassenfeinden im Westen angestrebt. Dinge veränderten sich … aber ganz langsam! Schließlich fiel der „antiimperialistische Schutzwall“. 1990 erhielt ich eine Einladung nach Moskau, wo ein erstes russisches Gitarrenfestival stattfinden sollte: „Alexander Frauchi invites to Russia“. Als ich auf dem Roten Platz stand, dachte ich, die Welt stünde kopf. Ich kannte diesen Ort vornehmlich von Fernsehbildern und da mit einem ARD-Korrespondenten im Vordergrund, der gewohnheitsgemäß bedrohliche Meldungen verbreitete. Jetzt stand ich auf diesem Platz vor dem Lenin-Mausoleum und niemand störte sich an mir. Nach der Oktober-Revolution von 1917 war man jetzt dabei, erneut die Verhältnisse umzukehren. Das Festival war zur Überraschung aller nicht in Moskau, sondern in Pushchino, einem Örtchen 120 Kilometer südlich der Stadt, am Fluss Oka gelegen. Sascha Frauči zeigte sich hier als Hochschullehrer und ich konnte seine Studenten kennenlernen, viele hochbegabte junge Musiker, die mit ihrem Lehrer offenbar sehr glücklich waren. Einige von Ihnen haben sich später international einen Namen gemacht. Das Festival in Pushchino präsentierte Konzerte, hatte wenige internationale Gäste (dafür umso interessantere) und stellte einen Anfang dar, den ersten Versuch, ein veritables Gitarrenfestival mit Alexandr Kamillowitsch Frauči als Hauptperson zu organisieren. Organisationsstrukturen, die im Westen längst gang und gäbe waren,

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mussten in Russland erst entwickelt werden. Wie, muss man sich fragen, konnten sich Russen, die über fünfzig Jahre in absoluter Isolation gelebt hatten, an internationale Kooperationen gewöhnen? Joint Venture war das Zauberwort der Zeit … und westliche Kooperationspartner fanden sich schnell, denn Russland war ein quasi neuer Millionen-Markt. Nicht nur das Reisen nach Russland wurde vereinfacht, auch Russen konnten sich plötzlich frei bewegen … wenn sie das dazu nötige Kleingeld hatten. Das nächste Mal jedenfalls, dass ich Frauči traf, war im gleichen Jahr (1990) und zwar in Pasadena/Ca. Dort fand zwischen dem 14. und dem 18. August das jährliche Festival der Guitar Foundation of America statt. Frauči war die Sensation! Matanya Ophee hatte sein Ticket bezahlt und er hatte ihm auch Tips gegeben, wie er sein Konzertprogramm gestalten sollte, um dem vornehmlich amerikanischen Publikum das zu bieten, was es erwartete. Auf dem Programm standen hauptsächlich russische Kompositionen, darunter Koshkins „Prince’s Toys“ und Stücke von Vyssotsky … als er auf der Bühne saß, änderte Frauči spontan das Programm und spielte Stücke, die jeder Zuhörer mehr als gut kannte. Die Chaconne zum Beispiel oder „La Frescobalda“, dazu Petitessen, die normaliter als Zugaben gegeben werden. Das Publikum applaudierte artig, aber man hatte anderes erwartet. Nach fast fünfzig Jahren Kaltem Krieg und nach vielem Gemunkel und vielen Gerüchten hatte man einen Innovator erwartet, einen Musiker, der zeigt und hören lässt, welche Musik man denn am anderen Ende der Welt spielt. Im unbekannten, gefürchteten, kalten Russland. Die Los Angeles Times verriss Frauči – man war enttäuscht. Was er gespielt hatte, war „secure and charming“ … aber belanglos. Was geschehen war? Sascha hatte Angst vor der eigenen Courage bekommen. Schließlich entschied er sich, den vermeintlich sicheren Weg zu gehen und auf die „old favorites“ zu setzen, mit denen er bisher jedes Konzert gerettet hatte … und damit tat er genau das Falsche. Die Amerikaner hatten einen völlig anderen Musiker erwartet. Das charmante Zugaben-Programme zwischen „Tango en skai“ und dem „Usher Waltz“ kannte man schon von Cotsiolis. Aber wie hätte Frauči das einschätzen können? Im gleichen Jahr sahen wir und noch einmal, und zwar in Köln. Mein vierzigster Geburtstag stand am 18. November an. Sascha war ein paar Tage da und einige unserer Kollegen. Wir feierten, wieder mit russischen Balladen und wieder mit Koshkin. Ein paar Monate später, im April 1991, sahen wir uns alle in Moskau wieder: meine Frau und ich, Mascha und Sascha. Fraučis haben uns ihr Moskau gezeigt und wir haben die neue Freiheit miteinander gefeiert. Die neue Freiheit für uns alle, die offene Welt ohne Stasi

Am 18. November 1990 in Köln und KGB, ohne Mauer und Kaltem Krieg. Warum ich Ihnen das schildere? Menschen, die beruflich miteinander tun haben, verstehen sich nicht immer gut – aus professioneller Notwendigkeit arrangieren Sie sich aber meistens, weil der eine vom anderen profitiert und umgekehrt. Aber mit Sascha war es anders. Mit ihm haben wir nicht nur einen Musiker verloren, der ständig mit Überraschungen aufwarten konnte; einen hilfsbereiten und loyalen Kollegen; einen Vollblutmusiker mit sehr vielseitigen Interessen und Fähigkeiten. Ich habe einen Freund verloren!

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Vorgestellt von Peter Päffgen

Neue Platten

Italienische Serenade: Maximilian Mangold, Historische Gitarre und Kristian Nyquist, Fortepiano Werke von Carulli, Giuliani, Giordani Aufgenommen im April 2005 Musicaphon (bei Klassik Center Kassel, www.klassikcenter-Kassel.de) M 56875 … herzerfrischend unverkrampft … PPPPP Zwei Werke von Ferdinando Carulli (1770— 1841) rahmen das Programm ein, ein Grand Duo op. 86 und das Duo op. 134. Schaut man in die monumentale Arbeit von Mario Torta („Catalogo tematico delle opere di Ferdinando Carulli“, 2 Bde., Lucca 1993) sieht man, dass allein die nummerierten und gedruckten Werke dieses Komponisten (WoO und handschriftlich überlieferte Kompositionen nicht mitgezählt) die stolze Zahl von 366 erreichen, darunter sind 28 für die Be-

setzung Gitarre und Klavier. Und, um diese Zahlen ins rechte Licht zu rücken: Wir finden auch 14 Werke für Flöte und Gitarre, 66 [!] für Violine und Gitarre und natürlich eine erkleckliche Anzahl für zwei oder drei Gitarren. Carulli hat sein Instrument, die Gitarre, in unterschiedlichen musikalischen Umgebungen zur Geltung gebracht und damit in Paris Karriere gemacht. Dort hat er offenbar, was die Gunst des Publikums anging, in Konkurrenz zu seinem Landsmann Francesco Molino (1775—1847) gestanden – die Zeitung mit den großen Buchstaben war scheinbar damals schon dabei (s. Foto)! Carulli war ein fleißiger Komponist … aber er hat keine billige Massenware produziert. Viel leichtes Spielmaterial war dabei, aber gerade die Kammermusikwerke zeichnen sich durch hohe formale Geschlossenheit aus und durch fein ausgearbeitete Melodien. Nie durch exorbitante Virtuosität … das ist Kammermusik und kein Kampfsport, galante Unterhaltung, und zwar für die Ausführenden und für die Zuhörer! Die instrumentale Kombination eines Hammerflügels und einer Gitarre der gleichen Zeit passt gut, vor allem, wenn man elektronisch noch ein wenig nachhelfen kann. Hier, auf dieser Aufnahme, hält sich das Klavier manchmal sehr diskret zurück – ich denke an das sehr schöne „Allegro alla caccia“ von Tommaso Giordani (ca. 1730—1806) und an-

Unten: Discussion entre les Carulistes et les Molinistes, Lithographie , erschienen in Charles de Marescots Buch „La Guitaromanie“, Paris o.J.

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lässig … PPPP [2] Silvius Leopold Weiss, Sonatas Nos. 14 and 20 for Lute and Mandolin; Johann Hoffmann, Sonatas in G major and D minor for Mandolin and Archlute Duo Ahlert & Schwab Aufgenommen im September 2005 NAXOS (www.Naxos.com) 8.557716 … wunderschöne CD mit vitaler Musik … PPPP dere Sätze. Auch, wenn das Fortepiano das hielt, was sein Name versprach, war es vor zweihundert Jahren schwieriger, klangliche Balance zu wahren. Giordanis Sonaten sind übrigens eine schöne Bereicherung des Repertoires … obwohl sie nicht wirklich für Gitarre geschrieben sind, sondern für „English guitar“, eine Art Zister, die in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts als „guitar“ oder „guittar“ in England benutzt wurde. Als dann um 1800 die „Spanish Guitar“ vom Kontinent ins Land gebracht wurde, nannte man das eigene Instrument „English guitar“, um beide unterscheiden zu können. Das Spiel der beiden Musiker ist herzerfrischend unverkrampft. Da ist nicht unbedingt jedes Detail perfekt, nicht jede Wendung so, wie tausendmal geübt. Kammermusik eben! Nicht, dass Sie jetzt annehmen, da würde genuschelt und vertuscht, keineswegs! Aber da wird spontan musiziert! Und Sie können dabei sein! [1] the violin & the Mandolin: Accomplices and Rivals Divertimenti e Quartetti per mandolino, violino e basso c. Ensemble Baschenis Werke von Johann Hoffmann und Giovanni Francesco Giuliani Aufgenommen im Frühjahr 2007 Concerto (bei Klassik Center Kassel, www.klassikcenter-Kassel.de) CD 2036 … nicht überengagiert und nicht nach-

Johann Hoffmann … oder Giovanni Hoffmann? Der Autor des Textes im Booklet „1“ besteht darauf, dass er Giovanni geheißen hat und dass man nicht viel bis überhaupt nichts über ihn weiß. Über dem Programm im gleichen Heft stehen allerdings „Johann [!] (A. H.) Hoffmann“ und auch Jahreszahlen: 1770—1842. Die Gesellschaft der Musikfreunde in Wien besitze das Manuskript, heißt es: „I Divertimenti a Mandolino, Violino e Basso del si. re Giovanni Hoffmann“ und aus dieser Quelle stammten die beiden hier eingespielten Divertimenti. RISM (Band A/I/4) verzeichnet unter H6249 „Tre Duetti per il mandolino e violino“ op. 1, erschienen bei Artaria in Wien und zwar von einem „HOF[F]MANN, Johann (Giovanni)“, sowie unverdächtige „Trois Duos pour le violon et violoncell“, die auch in Wien gedruckt worden sind. Marga Wilden-Hüsgen nennt im Booklet zu Gertrud und Michael Trösters CD CTH 2204 einen „Mailänder [!] Komponisten Johann [!] Hoffmann (1770—ca.1814)“, dessen Sonate dMoll sich „galant, verspielt, frühromantisch in den harmonischen Wendungen“ zeige. Bei Heinrichshofen sind drei Kompositionen von einem Giovanni Hoffmann erschienen. Alle drei mit Mandoline und herausgegeben von Vinzenz Hladky in Wien. Im Heft der NAXOS-CD („2“) steht folgendes: „Man weiß heute nur wenig über Leben und Werke des in Wien [!] ansässigen Mandolinisten und Komponisten. Seine Kompositionen wurden erst in der Mitte des 20. Jahrhunderts zugänglich gemacht und sind auch heute noch in verschiedenen Wiener Bibliotheken zu finden. Alle seine Werke beschäftigen sich mit der Mandoline …“ Genannt wird er hier Johann Hoffmann und seine Lebensdaten werden mit 1770—1814 angegeben. Philip J. Bone, den bisher noch niemand zur Sache Hoffmann konsultiert hat (zumindest erwähnt ihn niemand als Quelle), nennt einen Johann D. Hoffmann: „German guitarist, living in the first part of the nineteenth century, who revised Bornhardt’s guitar method under the title of New edition with a large

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collection of modern and popular melodies, a copy of which is in the library of the Munich Guitar Society. Hoffmann is the composer of some songs with guitar accompaniment and Op. 2, Variations for guitar solo, published by André Offenbach. He composed Sonatas for two mandolas, mandolin and bass; concerto for mandolin with strings and wind instruments, and Divertimenti for mandolin, violin and bass; all the manuscripts are in the library of Musikfreund, Vienna.” [„Guitar and Mandolin“, Reprint of the Second Edition, London 1972, S. 167].

Johann Heinrich Carl Bornhardt (1774— 1843), das nur am Rande, war Musiklehrer in Braunschweig und unterrichtete Gitarre und Klavier. Seine „Anweisung, die Gitarre zu spielen und zu stimmen“ ist 1802 in Braunschweig erschienen und danach in verschiedenen Neuauflagen. Von Bornhardt überliefert sind neben vielen Vokalkompositionen einige Stücke Kammermusik mit Gitarre (s. Dagmar Schnell in MGG2/P-III, Sp. 423-426: „Durch Bornhardts Werk zieht sich roter Faden die Ausrichtung an einer Klientel, die musikalisch einfache und eingängige sowie technisch leicht ausführbare Stücke goutierte“). Von den Informationen, die Bone über Hoffmann gibt, passen einige auf das bisher gelesene – andere nicht. Die Divertimenti for mandolin, violin and bass in der Bibliothek der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien sind allerdings ein deutlicher Hinweis. Sie sind vermutlich die Stücke, die das Ensemble Baschenis eingespielt hat. Diese letztere Aufnahme hält noch eine Überraschung bereit, einen Giovanni Francesco Giuliani (um 1760—nach 1818) nämlich als Komponisten von Quartetten für Mandoline, Violine, Viola, Cello und Laute. Bei ihm steht fest, dass er nicht Johann Franz Giuliani geheißen hat – und dass er mit dem hier allbekannten Mauro nicht verwandt war, auch nicht mit Rudolph. Zu hören sind hier drei Quartette aus Giulianis Feder … deren Manuskripte übrigens auch in der Bibliothek der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien liegen: sehr gefällige, klassische Quartette mit leicht antiquierten, zweisätzigen Satzfolgen, in denen Giuliani sein Instrument, die Violine, durchaus besser bedacht hat, als die Mandoline. Konzertante Quartette, bei denen die Mitspieler des (ersten) Geigers zu begleitenden Statisten degradiert werden, sind es allerdings nicht, sondern charmante, in sich geschlossene Kammermusik. Das Ensemble Baschenis spielt nicht überengagiert und nicht nachlässig. Manchmal, sehr selten, wirken sie unterfordert und man vermisst ihre eigentlich hohe Präzision im Ringen um diese gute aber nicht immer geniale Musik. Das Duo Ahlert & Schwab, bestehend aus Daniel Ahlert (Mandoline) und Birgit


Schwab (Lauten) übermittelt naturgemäß ein intimeres musikalisches Bild. Die Impuls gebende Mandoline mit ihrem dominanten und bei schlechter Behandlung penetranten Klang wird als sensibles Instrument vorgestellt, gut geeignet für die unterschiedlichsten musikalischen Aufgaben. Was die Weiss-Sonaten angeht, reicht mir die Angabe, sie stammten aus dem Londoner Manuskript und stünden dort „ohne Besetzungsangaben“, nicht aus (es ist ein Lautentabulaturband!), sie jetzt mit Laute und Mandoline zu besetzen! Es ist auch müßig, eine aufführungspraktische Rechtfertigung herbei zu zerren: „Die Idee, diese Werke mit Mandoline zu spielen, wurde durch den freien Umgang angeregt, den Weiss mit seinem eigenen Werken pflegte. […] Es st auch sehr wahrscheinlich, dass Weiss am Dresdner Hof Kontakt zu Musikern hatte, die Mandoline spielten, da zu dieser Zeit viele italienische Musiker am Hof beschäftigt waren.“

Reicht es den Musikern nicht, eine wunderschöne CD mit vitaler Musik aufgenommen zu haben? Einen Sonderpreis für Authentizität werden sie ohnehin nicht bekommen. en garde! duo trekel-tröster, mandoline & gitarre Werke von Keigo Fujii, Pearson, Zenamon, Alfonso Carlos Miguel, Maximo Diego Pujol, Piazzolla, Jean Françaix Aufgenommen im Juni 2006 thorofon (bei Klassik Center Kassel, www.klassikcenter-Kassel.de) CTH 2469 … Tiritomba-touch … PP Musik des 20. Jahrhunderts, Musik aus aller Herren Länder! Steffen Trekel und Michael Tröster haben ein Programm zusammengestellt, das von exotischen Einflüssen, von Klangspielereien und Stimmungsbildern lebt. Gespannt ist der Bogen zwischen dem sehr klassisch anmutenden „Divertissement“

von Jean Françaix (1912—1997), das eigentlich für zwei Gitarren konzipiert war, und der Sonate des Japaners Keigo Fujii (*1956), in der der Komponist traditionelle westliche Formen mit expressiver Harmonik füllt. Damit ist umschrieben, womit das Publikum unterhalten werden soll. Nicht mit schriller Neutönigkeit, nicht mit Gedankenspielen, sondern mit intuitiv erfassbaren Klangstücken, mit in Musik gefassten Impressionen. Das hinreißend melancholische Stück „Oblivion“ von Astor Piazzolla zum Beispiel (ver)führt in eine fremde und doch so vertraute Welt und vor allem zeigt es – in dieser konkreten Aufnahme –, dass ein vor sich hin tremolierender Mandolinenspieler durchaus nicht unbedingt Zupforchesterseligkeit ausstrahlen muss. Das ist schon sehr subtil und versatil, was wir von Steffen Trekel da zu hören kriegen … und doch hat die tremolierende Mandoline einen unverkennbaren Tiritomba-touch: Napoli, Margot Eskens und das Meer. Das Instrument ist so italienisch, italienischer geht’s nicht! Und schließlich wissen wir, wie suggestiv Musik wirken kann. Als Nino Rota für „The Godfather“ die Oscar-gekrönte Musik schrieb, hat er mit tremolierenden Mandolinenklängen Italien auf die Leinwand gezaubert – und ähnliche Bilder hat man auch dann vor Augen, wenn die Mandolinenmusik aus einer Tango-Bar am Rio de la Plata kommt. Aber noch einmal: Steffen Trekel brilliert mit dieser Aufnahme. In „Café para dos“ von Pujol zum Beispiel beschwört er Stimmungen herauf, deren Wirkung man sich nicht entziehen kann, auch in den „Reflexões Nº 6“ von Zenamon. Aber Tremoli sollte er vielleicht noch vorsichtiger einsetzen, um falsche Assoziationen zu vermeiden. Michael Tröster wird hier nur scheinbar als marginal erwähnt … er ist auf dieser CD einmal mehr ein verlässlicher Partner! night of Four moons Catherine Cooper, Mezzo-Sopran, Kevin Cooper, Gitarre Werke von Bodanovic, Steven Gates, Brouwer, Frederick Lesemann, Barry McNaughton, David Leisner Aufgenommen im Juli 2006 Doberman-Yppan DO 600 … Catherine glänzt derweil mit ihrer wundervoll runden, wohltönenden, ebenso mütterlich wie verführerisch klingenden Stimme und ihren klaren und eher rational betonten Interpretationen … PPP

bekannten Komponistennamen sind Dusan Bogdanovic und Leo Brouwer, David Leisner ist vielleicht noch einigen bekannt … aber die anderen? Steven Gates (*1976) war Jazz-Pianist, als er mit dem Komponieren begann. Heute ist er ein preisgekrönter Komponist von mehreren Orchesterwerken und von vielfältiger Kammermusik. Frederick Lesemann hat eine Vielzahl großer Orchesterwerke, Symphonien und Konzerte geschrieben, auch einige Solowerke für Gitarre. Barry McNaughton ist der Komponist dieser CD, der der Gitarre am nächsten steht. Er hat bei Bill Kanengiser Gitarre studiert, sich danach bei Pepe Romero, Barrueco, Paul Galbraith und den Assad-Brüdern fortgebildet. Das Programm dieser CD hält viele Überraschungen bereit. Am Anfang Dusan Bogdanovic, den ich Anfang der achtziger Jahre als ein Mitglied des „De Falla Trios“ kennen gelernt habe und zwar in einem Konzert in Pasadena/California. Sie spielten Bogdanovic aber auch Lennie Bernstein, Strawinsky und herrliche, improvisiert wirkende (was sie natürlich nicht waren!) Jazz-Nummern. Das ist lange her! Dusan hat sich in der Zwischenzeit zu einem Komponisten entwickelt, der eher kammermusikalische, irritierend vielgestaltige Stücke geschrieben hat und damit eine Spiel mit den Zuhörern treibt. Das erste Lied dieser CD, „I The Song“ mit dem (kompletten) Text „I The Song walk here“ lässt Sie ahnen (und vielleicht fürchten), Sie hätten es mit einem Avantgardisten zu tun, mit einem Neutöner, bei dem sich vieles in Andeutungen und Unausgesprochenem erschöpft. Aber schon kurz danach, in „We Only Came to Dream“ kommt die Entwarnung. Hier wird wieder gesungen, hier findet man auch Melodien, die einem vertraut vorkommen … obwohl sie es natürlich nicht sind. Weiter später dann, in „The Agaya Crab“ kommt Bogdanovic dann auf das zurück, was man von ihm als „Guitarist/Composer“ eigentlich erwartet hat, auf programmatisch, lautmalerische Musik, die ebenso treffsicher

Catherine Cooper ist ausgewiesene Spezialistin für Neue Musik – und das wird auch hier präsentiert. Die beiden hier in Europa Gitarre & Laute-ONLINE XXX/2008 Nº 2 53


Frederick Lesemann

wie unterhaltend ist. Kein Hirnfutter für Intellektuelle, sondern sensitiv aufnehmbare Musik! Und so endet die CD auch schließlich. Kurz vor Schluss hören wir das „gemütliche“ jiddische Wiegenlied „Rozhinkes mit Mandeln“, die Vertonung eines „Volkslieds“, das 1880 von Abraham Goldfaden für eine Operette vertont und nun von David Leisner für Gitarre und Stimme neu und (um)gesetzt worden ist. Die Zuhörer werden damit sachte ans Ende des Konzerts begleitet, auch mit den beiden abschließenden Liedern von Bogdanovic übrigens, die beides Schlaflieder sind: „La medianoche“ und „Meciendo“. Kevin Cooper, der Gitarrist, muss nicht alles geben auf dieser CD … und das tut er auch nicht. Er spielt relaxed, unaufgeregt, unaufdringlich. Seine Frau Catherine glänzt derweil mit ihrer wundervoll runden, wohltönenden, ebenso mütterlich wie verführerisch klingenden Stimme und ihren klaren und eher rational betonten Interpretationen. Sie promoviert gerade in historischer Musikwissenschaft an der University of Southern California – hoffentlich wird sie dabei den Konzertbesuchern nicht verloren gehen. Mauro Giuliani: Works for Violin and Guitar Kim Sjøgren, Violin, Lars Hannibal, Guitar Aufgenommen Mai 1988, Remastered 2007 OUR Records (bei NAXOS, www.Naxos.com) 8.226904 … Rampensau … PPPP

grens Glissandi und Agogik, seine unverhohlene Leidenschaft für die Violine und vor allem ihr Spiel ist ein Vergnügen. Gut, Sjøgren ist eine Rampensau, er nimmt jeden Klatscher mit … aber keinen, den er nicht verdient hat. Die CD von OUR, die offenbar jetzt zu NAXOS gehört, lässt hoffen, dass noch etliche Entdeckungen der damaligen dänischen EMI noch einmal entstaubt werden.

Wenn man eine Schallplatten zwanzig Jahre nach Entstehung noch einmal in neuem Gewand und aufpolierter Technik veröffentlicht, dann handelt es sich um eine besondere Aufnahme, die es wert ist, dass man noch einmal an sie erinnert. Es ist eine „historische Aufnahme“. Die „originale“ Einspielung der vorliegenden CD erschien bei der EMI (7491.072) und liegt hier auch als Rezensionsexemplar unter #9.00436 vor, ist aber damals, vermutlich 1990, nicht besprochen worden. Warum? Weiß niemand … aber bedauerlich ist es! Die Darstellung kammermusikalischer Werke von Mauro Giuliani hat sich in den vergangenen zwanzig Jahren zwar grundlegend verändert, aber der Spaß, der einem da präsentiert, ja, regelrecht aufgedrängt wird, ist den Ausflug in die nicht durch Purismus verdörrte Sinnlichkeit immer wert. Kim Sjø-

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La Vida Breve The Gothenburg Combo plays romantic music for two guitars Werke von Albéniz, de Falla, Brahms, Carulli, Debussy, Bach Aufgenommen im Mai 2007 Combo CD002 … Da ist einiges unproportioniert! … PP


Na gut, es ist schwer, immer wieder Namen für neue CDs zu finden, die auch noch treffend darstellen, was man da den potentiellen Käufern anbietet … aber „romantische Musik für zwei Gitarren“ ist für diese Werkzusammenstellung irreführend. Oder dreist? Die Musiker selbst haben offenbar ihre Probleme mit dem Titel und fragen im Booklet: „On this disc we perform a wide variety of styles and genres. Do they have anything in common? Yes, the fact, that we live with them for years, performing them at numerous concerts all over the world.” Aha! In „Sevilla“ geht alles los, dann geht’s nach Córdoba … zwei der schönsten Stücke, die Albéniz geschrieben hat. Und wer die beiden Städte kennt, dem geht die Musik nicht aus dem Sinn – oder umgekehrt: Wer die Musik hört, hat die Bilder vor Augen, den Alcázar, die Mesquita, die Gassen der Judería. Aber mir fehlt in Sevilla und auch in Córdoba etwas die gelassene Ruhe und Eleganz, die das Leben dort ausstrahlt. Man bedenke: Diesen Teil Andalusiens nennt man die „Bratpfanne Europas“, es ist, im Sommer jedenfalls, mehr als heiß. Hektik ist nicht angesagt, sondern Ruhe und Gelassenheit … und die höre ich bei den Skandinaviern Thomas Hansy und David Hansson nicht durchgehend. Da wird’s zwischendurch recht turbulent und dann urplötzlich ganz ruhig und langsam. Diese CD ist sehr direkt und unverblümt aufgenommen, man hört jeden Lagenwechsel, jedes Scheppern, sitzt förmlich zwischen den Gitarristen und ist manchmal geneigt, die Hand auszustrecken und um etwas Mäßigung zu buhlen. Da ist einiges unproportioniert! Die folgende „Danza Española“ 1 von de Falla leidet unter einem ähnlichen Phänomen: Oft zu viel des Guten! Und Dann Brahms’ „Intermezzo“ op. 118 Nº 2 in der Bearbeitung von Ansgar Krause. Und jetzt wird mir auch klar, was mir an dieser CD fehlt! Das, was sie im Titel verspricht, Romantik nämlich! Ich höre mehr sportiven Ehrgeiz, Aufregung und große Gesten. Dass man „Golliwogg’s Cakewalk“ oder die drei Kanons aus dem „Musikalischen Opfer“ nur schwerlich mit „romantisch“ übertiteln kann, gut, damit kann man vielleicht leben, aber nichts klingt romantisch – nicht einmal der Bach! Zu schnell, zu dramatisch. Schade! Tangos y Serenatas Alan Durst, Saxophon, Corey Whithead, Gitarre Werke von Benjamin Boone, Michael Bard, Piazzolla, Mark Carlsen, Adrienne Albert, Apostolos Parakevas, Kenneth Froelich Aufgenommen im Dezember 2006 CENTAUR (bei Klassik Center Kassel, www.klassikcenter-Kassel.de) CRC 2901

Anerkennung finden, dort machte es im Jazz Furore. Spätestens Charlie Parker (1920—1955) wurde weltberühmt … und mit ihm sein Altsaxophon. Jugend-Gitarren-Orchester Baden Württemberg meets Duo Kvaratskhelia Leitung: Helmut Oesterreich Werke von Vivaldi, Haydn, Garcia, Piazzolla, Nanindo, Giovanelli Aufgenommen im September 2007 ears love music (in Deutschland bei rough trade) 319.8002.2 … Spitzenensemble seiner Art … ✰✰✰✰ … zwiegespaltene Eindruck … PP Als der Belgier Adolphe Sax (1814—1894) gegen 1840 das Instrument entwickelte, das später seinen Namen tragen sollte, ein Holzblasinstrument übrigens, obwohl es nicht aus Holz ist, sah er dessen Zukunft im Sinfonieorchester … wo es nur gelegentlich eingesetzt wurde. Aber aus der Unterhaltungsmusik und aus dem Jazz ist das Saxophon nicht wegzudenken. Als Kammermusikpartner zur Gitarre ist das Instrument bisher sehr selten in Erscheinung getreten und original für just diese Besetzung ist auch nichts oder sehr wenig komponiert worden. Durst und Whithead, beide tätig an der California State University in Fresno, spielen Werke, die sie für ihre Besetzung arrangiert, haben, zum Beispiel „Histoire du Tango“ von Piazzolla, und solche, die für sie geschrieben worden sind, zum Beispiel „Joropo Jam“ von Benjamin Boone, ein lebhaftes Stück, dessen Gitarrenpart vom Klang des Cuatro inspiriert ist. Danach kommt „Mediterranean Beauty“ von Michael Bard, eigentlich für zwei Gitarren geschrieben und bei diesem Stück wird mir klar, wo die Grenze des Instruments Saxophon liegen: bei langsameren, getragenen Melodien in hohen Lagen. Die kommen auf dem Instrument nicht gut, klingen unsauber. Das wird auch in den beiden Balladen von Mark Carlson deutlich … hier merkt man allerdings auch, dass die beiden Musiker nicht wirklich in der Lage sind, der Musik Leben einzuhauchen. Den Spaß, den ich mir von dieser CD erhofft hatte, hat sie nicht geliefert. Vielleicht ist der zwiegespaltene Eindruck, den ich von dieser CD habe, nichts als eine Bestätigung dafür, dass sich das Saxophon als „klassisches Instrument“ nicht hat durchsetzen können, und das trotz der Tatsache, dass sich Hector Berlioz (1803—1869) vehement für das neue Instrument eingesetzt hat. In Chicago sollte es schließlich

Man stelle sich vor, rund dreißig junge Musiker spielen Gitarre! Zusammen! Das kann nicht gut gehen, mögen Sie vielleicht sagen. Dreißig Instrumente mit einem punktuellen Ton spielen nie zusammen. Und dann sind die beiden Soloinstrumente auch noch Gitarren. Geht nicht! Zugegeben: Dass dreißig Gitarristen tatsächlich jeden Ton exakt gleichzeitig anschlagen, findet man tatsächlich nicht. Und das muss auch in solchen Formationen nicht sein. Jede Stimme ist chörig besetzt, da hört man ein minimales Hintereinander nicht. Minimales Hintereinander! … Präzision muss sein, aber die Quadratur des Kreises muss auf dieser Ebene nicht erreicht werden. Und es ist ja auch kein Zupforchester, es ist ein Gitarrenorchester! Das heißt, dass keine vorlauten Mandolinen aus dem Gesamtbild herausfallen können. Dreißig punktuelle Instrumente der gleichen Ton- und Klangfarben unter einen Hut zu bringen ist einfacher möglich, als ein Zupforchester mit Mandolinen als Stimmführern. Wenn die nicht völlig gleichzeitig ihr Plektrum in Gang setzen, hört das jeder – bei einer von dreißig Gitarren keineswegs. So, nun ist genug gesagt über Präzision und Vor(be)halte. Wie ist das Programm des

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JGO-BW auf dieser CD? Es beginnt mit dem Komponisten, dessen Name immer dann, wenn Zupfer in Kompaniestärke auftreten, unvermeidbar ist: Vivaldi. Jetzt ein „Concerto“ in a-Moll aus „Estro Armonico“ op. 3 mit dem Georgischen Duo Kvaratskhelia. Sie hört man in ihrer Funktion als Solisten leider erst im zweiten, langsamen Satz wirklich. Und da hört man sie nicht so, wie Gitarristen-Kollegen sie gerne präsentiert bekämen: flott und virtuos. Das geht im „Larghetto spirituoso“ nur in den Trillern. Gleich danach kommt Ruggero Giovanelli (1560—1625), wo das Orchester auf sich gestellt ist. Auch bei Giovanni Maria Nanino (1543/44— 1625) und in beiden Programmteilen werden Madrigale gesungen … ja, gesungen, auch, wenn Sie sich das bei Instrumenten mit einem punktuellen Ton nicht vorstellen können. Von Gerald Garcia gibt es danach das „Lorca-Konzert“ für zwei Gitarren und Gitarrenorchester, das wir vom Amadeus Guitar Duo kennen – da allerdings gespielt zusammen mit einem Sinfonie-Orchester. Die schnellen Sätze des Konzerts jonglieren mit (allzu) spanischen Versatzstücken, bei denen Virtuosität und Tanz im Vordergrund stehen und die beim Zuhörer keinen Zweifel lassen, welche Bilder da heraufbeschworen werden sollen. Im langsamen Satz „Nana“ aber wird ein faszinierender Klangteppich ausgebreitet, auf dem sich Melodien entwickeln und Geschichten erzählt werden. Jetzt sind es eher Stimmungen, die den Reiz des Stückes ausmachen. Impressionen und weniger bunte Postkarten aus dem letzten Spanienurlaub. Dazwischen ist den Musikern noch das Lyrakonzert HOB VIII H:1 von Joseph Haydn exzellent gelungen. Das Orchester versucht hier nur sehr

selten, Tutti-Fülle zu simulieren, sondern wirkt als eine Art kammermusikalischer Ergänzung, und das ist gut so! Ganz abgesehen davon, dass dem Klangkörper die Puste fehlt, sich wirklich sinfonisch zu gerieren, fehlt mir als Hörer in solchen Situationen, dass ein Orchester ausschließlich aus Zupfinstrumenten nicht wirklich legato spielen kann, sondern eine Reihe mehr oder minder lauter Klänge nebeneinanderstellen muss. Aber wie gesagt: In anderen Situationen gelingen Stücke überraschend gut: der langsame Satz des Vivaldi zum Beisiel oder auch „Nana“. Das Jugend-Gitarren-Orchester Baden-Württemberg unter der Leitung von Helmut Oesterreich wird völlig zu Recht als ein Spitzenensemble seiner Art gehandelt. Nicht nur bemüht man sich darum, ausschließlich Musik hoher Qualität darzubieten, man tut das auch auf eine sehr professionelle Art mit hohem Engagement.

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neu, hervorrag. Klang, VB 3800, 01717653389

Teils neues, Highend-Schertler-Set günstig abzugeben zur Verstärkung f. Ensemble/Orchesterspiel. andreas.ogger@gmx.net Tel: 0711-6566810

Kleinanzeigen in Gitarre & Laute sind seit fast 30 Jahren beliebte Bekanntmacher. Da sind Instrumente verkauft worden, oder Duo-Partner gefunden. Da sind mit großem Erfolg Quellen für Notenausgaben gesucht worden oder antiquarische Noten gekauft und verkauft. Da sind Dudelsäcke und Vihuelas vermittelt … und Karrieren begonnen worden.

Konzertgitarre Modell "G", 1968 von Dieter ense gebaut, sehr guter Zustand, voller Klang, Boden und Zargen aus Palisander, Decke Zeder, geschmackvolle Schallloch-Intarsie, Preis: 2.750 Euro VB; Fotos werden auf Wunsch per e-mail zugesandt. Termin zur Ansicht jederzeit vereinbar. Tel.: 0170/9 20 38 24 H

Solisten-Gitarre. Marke DONJA40, Hersteller: Joachim Schneider, Markneukirchen.Baujahr 1989, Boden und Zargen aus Amazonas Palisander, Decke aus feinster Tonholzfichte, eingeschäfteter spanischer Cedrohals, Intarsieneinlagen. Neuwert 1989: DM 8.300.--, Verhandlungsbasis EUR 2100.--, Dieter Amman, Saliterweg 6, 82131 Gauting. Tel. 089/8 50 43 43, E-mail: Dieter.Amman@arcor.de 10-saitige Paulino Bernabe, Bj. 1987 zu verkaufen. Preis und weitere Infos: Thomas Köthe, Tel.: 08841-40185 oder 1464-486@onlinehome.de 10chörige Renaissancelaute von Wolfgang Emmerich wegen Zeitmangels zu verkaufen. Die Laute ist BJ.2005 und kaum gespielt. Sie ist an einem Spahn von W. Emmerich repariert – ist klanglich jedoch ohne Bedeutung. Preis 1.800 Euro incl. Holzkoffer. (Neupreis des gleichen Models ohne Reparatur 2.800 zzgl. 350 Euro für den Koffer. Mehr Infos und Bilder unter rs.sander-grafik@t-online.de Verkaufe Antonio Marin Montero neu (Bj.09/2007), Fichtendecke, mit Koffer. Kein Vergleich zu den Gitarren, die er früher gebaut hat. Eine Super-Gitarre für 7500,Euro. Tel: 0151/59 02 55 19

Jetzt, in Gitarre & Laute-ONLINE sind Kleinanzeigen zunächst kostenlos … sie werden allerdings moderiert, damit nur solche Angebote erscheinen, die für Sie, unsere Leserschaft von Interesse sind. Die Redaktion behält sich vor, Anzeigen, die aus dem reaktionellen Rahmen fallen, ebenso natürlich solche, die anstössig oder sittenwirdrig sind, ohne weitere Erklärungen oder Rechtfertigung auszuschließen. Kostenlos akzeptiert werden nur private, nicht gewerbliche Kleinanzeigen! Für gewerbliche Kleinanzeigen wenden Sie sich bitte an: Anzeigen@Gitarre-und-Laute.de. Wenn Sie Ihrer Anzeige ein Foto des zu verkaufenden oder gesuchten Objektes beigeben wollen, berechnen wir dafür eine Aufwandsentschädigung von EURO 10,00 pro Foto. Fotos werden einspaltig in Farbe in den Anzeigentext eingebracht. Die Bilder schicken Sie uns bitte als TIFF oder JPG im Anhang Ihrer Anzeige per Email. Im Internet sind Kleinanzeigen für jeden einsehbar (also nicht nur für Abonnenten), und zwar unter www.VerkaufeGitarre.de Dort sind die Anzeigen für mindestens zwei Monate zu sehen. Die Seite www.VerkaufeGitarre.de wird ständig aktualisiert.

Gitarre & Laute-ONLINE XXX/2008 Nº 2 57


Gitarre & Laute-ONLINE ‌ alle zwei Monate unter www.MusiCologne.eu Ankßndigungen von Konzerten, Wettbewerben und Seminaren finden Sie unter: http://dates.gitarre-undlaute.de Kleinanzeigen finden Sie hier: www.VerkaufeGitarre.de Mitreden? www.MusiCologne.de/gl-blog

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