PASTA! November 2016 - Die Reanimateurin

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GARTEN & NATUR

Reiche

ERNTE

DANK

solidarischer Feldarbeit EIN INFORMATIVES TREFFEN AUF DEM ACKER DER VEREINTEN WURZELWERKE ILZTAL E.V.

K

ürbisse stapeln sich in unzähligen Kisten, Kartoffeln und Sellerieknollen warten auf Abholung; die Tomaten, Gurken und Zucchini sind aber schon aufgeteilt worden, die gibt‘s erst kommendes Jahr wieder. Auf einer Tafel im ehemaligen Kuhstall des einsam liegenden Hofes in Unteröd bei Passau kann jeder nachlesen, was ihm zusteht und was noch zusätzlich zur Ernte freigegeben ist. Zufrieden blicken die knapp 80 Mitglieder der Vereinten Wurzelwerke Ilztal e.V. auf die vergangene Anbausaison zurück. Doch die Arbeit ist keineswegs erledigt: Draußen stehen schon die Kisten mit den Jungpflanzen für die Wintersalate bereit, ein Folientunnel muss versetzt und das Unkraut sollte im Zaum gehalten werden. Natürlich ist die Gemüseernte eine schönere Aufgabe als Hacken, Umgraben oder Gießen; doch gerade die anstrengenden, weniger beliebten Arbeiten gehen leichter von der Hand, wenn alle mit anpacken.

So funktioniert solidarische Landwirtschaft Das ist der Sinn einer solidarischen Landwirtschaft wie den Vereinten Wurzelwerken. Bei einer Solawi, so die Kurzform, handelt es sich meist um den Zusammenschluss eines bäuerlichen Betriebes mit mehreren Haushalten zu einer Wirtschaftsgemeinschaft. Das bedeutet, dass eine Gruppe von Konsumenten die Kosten für einen Bauernhof trägt und sich die Mitglieder gegebenenfalls auch mit Muskelkraft beteiligen; im Gegenzug erhalten sie dafür die NOVEMBER 2016

Ernteerträge, die sie dann unter sich aufteilen können. Der finanzielle Beitrag für den Einzelnen ergibt sich aus den Gesamtkosten für die Erhaltung des Betriebes, die Anschaffungskosten für Maschinen, Geräte, Versicherungen, Saatgut usw. Diese Kosten werden für ein Jahr im Voraus berechnet. Jedes Mitglied bietet, orientiert an einem Durchschnittsrichtwert, in einer anonymen Bieterrunde mit. Ist das Budget dann gedeckt, kann ins neue Gartenjahr gestartet werden.

Transparenz bei der Nahrungsmittelproduktion Diese Wirtschaftsweise befreit den Landwirt von Marktzwängen und ermöglicht eine rücksichtsvolle, der Erhaltung der Bodenfruchtbarkeit und Artenvielfalt gewidmeten Landwirtschaft; die Mitglieder wiederum erhalten Transparenz in Bezug auf die Art und Weise, wie ihre Lebensmittel angebaut werden, fördern die Regionalität und Nachhaltigkeit der Lebensmittelproduktion und haben die Möglichkeit, sich durch eigenen Einsatz und persönliche Erfahrung viel Wissen rund um die Herstellung von Lebensmitteln und die Pflege landwirtschaftlicher Kulturräume anzueignen. Letztendlich teilt sich in diesem solidarischen Konzept der Verbraucher mit dem Produzenten die Kosten, die Verantwortung, das Risiko und die Ernte. In Deutschland gibt es schon mehr als 100 solcher Gemeinschaftsbetriebe, deren Struktur und organisatorische Ausprägung so unterschiedlich sind wie ihre Mitglieder. In

Passau, wo die Initiative im Winter 2014/15 ins Leben gerufen wurde, besteht die Solawi bislang aus 80 Mitgliedern, die ein Stück Land bestellen; einen Bauernhof und Vollzeit-Landwirte gibt es hier nicht. Das Grundstück, auf dem die Wurzelwerker ihre Gemüse ziehen, haben sie von dem Besitzer eines benachbarten DemeterBetriebes gepachtet. Die Vereinten Wurzelwerke sind als gemeinnütziger Verein organisiert und beschäftigen die fest angestellte Gärtnerin Leila Linke, die sich verantwortungsvoll um alle gärtnerischen Belange der Wurzelwerke kümmert: Sie übernimmt die Anbauplanung, legt fest, was zu welchem Zeitpunkt geerntet wird, teilt die Arbeitskräfte ein und beschafft Saatgut und Jungpflanzen; und natürlich steht sie jederzeit mit Rat und Tat zur Seite, wenn es um die alltäglichen Herausforderungen bei der Feldarbeit geht. Doch nicht nur Leila Linke, auch Vorstandsmitglied Florian Fischer kann als studierter Agraringenieur einiges an Fachwissen einbringen. Zusammen mit Stefanie Wehner und Severin Plankl leitet er im Vorstand das Solawi-Projekt in Passau. Bei unserer gemeinsamen Feldbegehung Anfang Oktober konnten wir nicht nur die Ergebnisse des solidarischen Wurzelwerkens bestaunen, sondern gleich noch ein kleines Interview führen – denn einige Fragen rund um das Projekt waren bislang noch offen!

INTERVIEW auf der nächsten Seite! 55


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