Pasta! Februar 2018 - Passauer Stadtmagazin für Genusskultur

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GLYPHOSAT

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S wovon ich keinerlei Vorteil habe? Hier gilt für mich das Prinzip von Ockhams Rasiermesser: Was man nicht braucht, sollte man weglassen.

Was kann ich gegen Glyphosat in Lebensmitteln tun? Als Konsumenten sind wir im Prinzip der wichtigste Teil unseres Wirtschaftssystems. Denn es ist – auch wenn man manchmal einen anderen Eindruck gewinnen könnte – immer noch so, dass die Nachfrage das Angebot bestimmt und nicht umgekehrt. Natürlich ist es leicht, mit dem Finger auf andere zu zeigen und Politiker, die EU, Bauern, Lobbyisten, Industrie und Handel in einen großen Sack zu stecken und mit dem Knüppel draufzuhauen. Doch das wird keine positive Veränderung auf meinem Teller herbeiführen. Nicht diese immer wieder heraufbeschworenen Feindbilder sind letztlich verantwortlich für das Gift auf dem Acker und in meinem Gemüse – sie stellen allesamt nur Erfüllungsgehilfen unseres Billig-Wahns dar, der aus der eigenen Verantwortungslosigkeit im Umgang mit unserer Ernährung resultiert. Nicht die Glyphosat-Befürworter sollten sich schämen, sondern wir selbst – weil wir es besser wissen (müssten) und tatenlos zusehen. Allerdings mit einer wesentlichen Einschränkung: Wenn wir Opfer gezielter Desinformation und mangelnder Aufklärung sind, dann sind wir unmündig; der Mangel an Information macht uns

zum Spielball anderer Interessensgruppen. Wenn wir diesen Zustand aber freiwillig akzeptieren, sind wir selbstverschuldet unmündig. Deshalb liegt es an uns, die nötigen Informationen zu beschaffen, um eine Entscheidung treffen zu können. Als Verbraucher müssen wir uns darauf besinnen, dass wir im Besitz der Macht sind. Wenn wir kollektiv kein Geld mehr für bestimmte Produkte ausgeben, dann wird es diese über kurz oder lang nicht mehr geben.

Ist eine Landwirtschaft ohne Herbizide vorstellbar? Glyphosat steht, wie eingangs erwähnt, nur symbolisch für hunderte zugelassene Herbizide (sowie Pestizide und Fungizide), die seit dem 2. Weltkrieg, vor allem aber seit den 70er Jahren in der Landwirtschaft eingesetzt werden. Mehrere Generationen von Landwirten sind mit diesen synthetischen Spritzmitteln großgeworden und haben sie – zugegeben, das ist jetzt etwas polemisch – förmlich mit der Muttermilch aufgesogen. Ihr Einsatz ist genauso wie die Verwendung von Kunstdünger aus ihrer Sicht normal – das bewährte System funktioniert und sie sehen keinen Grund, es zu ändern. Veränderungen sind ja für viele Menschen gleichbedeutend mit Unsicherheit, Orientierungslosigkeit und Identitätsverlust. Man muss sich vielleicht aus seiner Komfortzone herausbewegen, muss Neues wagen. Das kostet, wie eingangs schon erwähnt,

Energie, Mut und vielleicht auch Geld. Man kann die Veränderung als Problem begreifen, aber ebenso als Chance. Manche Landwirte, Hersteller und Konsumenten haben das schon beherzigt. Fakt ist aber: Die Welt verändert sich. Die konventionelle Landwirtschaft, wie sie heute noch großflächig praktiziert wird, gehört zur Welt von gestern. Seit vielen Jahren wird international an alternativen Bodenbearbeitungsmethoden geforscht – denn der Boden ist die Zukunft, nicht das Gift. Die Pflege und der Schutz des Bodens werden unsere Nahrung in der Zukunft sichern – und dank der zurzeit in Entwicklung befindlichen technischen Möglichkeiten und wissenschaftlichen Erkenntnisse wird man künftig nicht nur auf tiefgründige Bodenbearbeitung, hohen Kraftstoffverbrauch und endlose Stunden im Traktorsitz verzichten können, sondern auch auf jegliches Gift. Die Bio-Bewegung hat einen wichtigen Beitrag zu dieser Entwicklung geleistet – letztendlich ist Bio aber nur eine Etappe auf dem langen Weg zur Erreichung dieses Ziels. Die heutige konventionelle Landwirtschaft ist wie die Telefonzelle in der Fußgängerzone, wie die Schreibmaschine auf dem Bürotisch: obsolet. Das ist keine Utopie von einer schönen neuen Welt, nicht das Wunschbild einiger weniger Idealisten – es ist die Zukunft. Aber wir selbst haben es in der Hand, wann diese Zukunft beginnt. Anderer Meinung? Schreiben Sie mir: gabriel@pastaonline.de


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