Die Parler - Eine Baumeisterdynastie

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Die Parler Die Baumeisterdynastie aus Schw채bisch Gm체nd


Heiliges Deutsches Reich mit Europa, um 1390

Schw채bisch Gm체nd




Das Heilig-Kreuz-Münster

Der Sankt-Veits-Dom

Schwäbisch Gmünd

Prag

2 Die Geschichte der freien Reichsstadt

10

4 Von der Basilika zur Hallenkathedrale Die Familie Parler

Die Baustatik der Gotik

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6 Bauphase I: Das Langhaus Das Kreuzrippengewölbe

8 Bauphase II: Der Chor Das Maßwerk in Geometrie

Peter als Dombaumeister Der Schöne Stil Die schöne Madonna

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Die Bauhütten Die Hierarchie einer Bauhütte


Das Heilig-Kreuz-Münster

1162

Schwäbisch Gmünd

Ersterwähnung als Stadt

Die Geschichte der Freien Reichsstadt Die Zeit der Staufer wurde für die süddeutsche Stadt Schwäbisch Gmünd ein Aufstieg. Durch seine günstig gelegene Lage an der Remstalstraße, die den Verkehr nach Nürnberg, Augsburg und Straßburg sicherte, gab 1162 der Stauferkaiser Friedrich Barbarossa Schwäbisch Gmünd als eine der ersten Reichsstädte das Stadtrecht.

Die Stadt Schwäbisch Gmünd schlug sich auf die Seite des König Rudolf von Habsburg, der versprach die staufischen Städte als kaiserliche Freie Reichsstädte anzuerkennen. In diesem Verbund gründete sich der Schwäbische Städtebund unter Führung von Ulm, die die Unabhängigkeit der Reichsstädte sicherte.

Damit sollte Schwäbisch Gmünd die erste Stadt im heutigen Württemberg werden. Mit der Erhebung bekam die Stadt eigene Gerichte, Verwaltung und Schulheiß.

Trotz zahlreiche Schlachten, an denen sich Schwäbisch Gmünd rege beteiligte dauerten die Gebietskriege nahezu 200 Jahre an.

Das Marktrecht besaß Schwäbisch Gmünd wahrscheinlich schon früher durch das orstansässige Kloster St. Denis, das nahe der nördligen Mauer lag. Mit dem Tod des letzten Abkommen der Staufer 1250 begann das Spätmittelalter, eine Zeit des Umbruchs. Das Heilige Römische Reich zerspaltete sich in viele kleine Herrschaftsgebiete, die Gebietskriege um das staufische Erbe war verheerend.

Die Bevölkerung wurden von Kriegsfolgen geplagt, als auch Hungersnöte hereinbrechen und die Pest über das Land infiziert. Gleichzeitig war erlebte Schwäbisch Gmünd seine höchste Blüte zu dieser Zeit. Leute und besonders Adelige zoge es in die Stadt, die bald ihre Stadtmauern erweitern musste. Handel und Gewerbe blühte auf.

„So blühte das Land im Angesicht des

Blutes, das sich avf dem Lande vergoß. Auszug aus „Gotischer Lyrik“, unbekannt 1545

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1250

1525

Tod des letzten Staufermeisters und Beginn der Gebietskriege

Zweite Erweiterung der Stadtmauer

Das Heilige Deutsche Reich um 1250

In der Zeit der Parler gab es starken Zuzug. Die bestehende, staufische Stadtmauer (um 1250, innen) wurde erweitert (um 1525, auĂ&#x;en). Wie genau dvor sich ging ist heute unklar.

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Das Heilig-Kreuz-Münster

1310

Schwäbisch Gmünd

Geburt von Henrich Parler

Von der Basilika zur Hallenkathedrale Die mit 2000 Bürgern große Reichsstadt leistete sich in der unsicheren Zeit eine große Investition mit dem Umbau der bestehenden Basilika zur Hallenkathedrale. 1300 begann der Bau des neuen Münsters zu Gmünd. Um die Ummantelung der bis dahin bestehenden romanische Basilika wurde das neue Münster „zum Heiligen Kreuz“ gebaut, die den Fortbestand des Gottesdienstes sicherstellte. Die Gründe für den Ausbau sind heute unbekannt, können aber auf den Blüte von Schwäbisch Gmünd und die Erweiterung zurückzuführen sein.

Heinrich hatte damals schon als Baumeister am Kölner und auch am Ulmer Dom gearbeitet. Nun überarbeitete er die Baupläne seines Vorgängers und entwarf die Hallenkathedrale, die gilt als eine der ältesten Deutschlands gilt. Der Bau begann an der Westfassade des Langhauses, danach folgte der Chor, der komplett von Heinrich entworfen wurde. Dieser gilt als der wegweisendes Bauwerk zur deutschen Spätgotik.

Während noch in den ersten Jahren ein unbekannter Baumeister die Bauarbeiten am Langhaus leitet, wird ab 1330 der renommierte Baumeister Heinrich, damals noch „von Köln“, berufen.

„ Es soll auch keiner sein Ehrenzeichen, das ihme von

einem Handwerk verliehen und vergönnet worden ist, für sich selbs und eigens Gewalt ändern; so es ihm zu ändern vermeinet, solle er es mit Gunst, Wissen und Willen eines ganzen Handwerks tun. Aus der Baseler Hüttenordnung

Die Familiendynastie Parler Obwohl schon Heinrichs Vor-

Das Wappen der Parler ist

Ulm“ oder auch als „der Ältere“

fahren Baumeister waren, zählt

der Winkelhaken, ein wichtiges

bezeichnet. Dabei ist „Parler“

man Heinrich als den Begrün-

Werkzeug für einen Steinmet-

selbst eher eine Berufsbe-

der der Parlerdynastie. Mit sei-

zen. Das Wappen hat über die

zeichnung, die des „Parlier“,

nem richtungsweisenden Bau in

Generationen verschiedene

der Sprecher und Leiter einer

Schwäbisch Gmünd machte er

Ausprägungen erhalten und

Bauhütte.

den Parlerstil bekannt, der von

kann deswegen eher als indi-

seinem Sohn Peter dann bis

viduell modifizierbares Signet

Der oberrheinische und der

nach Prag gebracht wurde.

verstanden werden als ein

Ulmer Zweig der Familie, die

Familienwappen.

durch die Verwendung des

Neben Peter gab es mehrere

Parlerzeichens und die Nen-

Söhne, die den Beruf des

Der Nachname „Parler“ wurde

nung von Gmünd als Familien-

Steinmetzes erfolgreich verfolg-

erst später in der Geschichts-

mitglieder gesichert sind, haben

ten, nie aber den Status ihres

schreibung der Familie gege-

den Namen Parler anscheinend

Bruders erreichten.

ben. Heinrich wurde je nach

nicht geführt.

Wirkungsort „von Köln“, „von

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1330

1360

1372

1404

Geburt der Söhne Heinrichs Peter und Johann

Geburt der 3. Generation

Tod von Heinrich Parler

Tod von Peter Parler

Das Parlererbe gründet sich in zwei Orten, Schwäbisch Gmünd mit der größten Hallenkirche Deutschlands und dem Prager St-Veits-Dom.

Heinrich Parler (* ca. 1310 in Köln, † 1372 in Schwäbisch Gmünd)

Prager Zweig

Peter (* um 1330 in Schwäbisch Gmünd, † 1399 in Prag)

Johann der I. (* ca. 1365, † unbekannt)

Benedikt (* u. † unbekannt) Wenzel (* u. † unbekannt) Johann der Jüngere (* u. † unbekannt)

Wenzel (* um 1360, † 1404)

Oberrheinischer Zweig

Johann der I. (* ca. 1330, † unbekannt)

Heinrich der II. (* u. † unbekannt)

Heinrich der III. (* u. † unbekannt)

Michael von Freiburg (* u. † unbekannt)

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Das Heilig-Kreuz-Münster

1300

Schwäbisch Gmünd

Baubeginn der Hallenkathedrale

Bauphase I: Das Langhaus Zügig, und darum in einheitlichen Formen, wuchs das Werk zwischen 1325 und 1347/48 über dem noch Hochgotisch konzipierten Grundriss auf die Chorbogenwand und die Osttürme der romanischen Kirche zu. Es nahm die Gestalt eines dreischiffigen, 44,7 Meter langen und 21,25 Meter breiten Hallenraums an. Zwölf hohe, dreifach geteilte Maßwerkfenster nahmen ihm die Schwere. Süd- und Nordseite des Langhauses werden von je sechs spitzbogigen, hohen, im oberen Teil maßwerkgefüllten Fenstern zwischen Strebepfeilern gegliedert. Die Strebepfeiler tragen, wie auf der Westseite, Figurenbaldachine, die in Fialen auslaufen und von je einem Wasserspeierpaar gekrönt werden.

Im vierten Joch auf jeder Seite durchbrechen spitzbogige Portale unter kleinen Vorhallen die untere Wandzone. Das Giebelfeld des Südportals zeigt im unteren Teil den Tod Mariens im Kreis der Apostel und im oberen Teil die Krönung Mariens. Im Giebelfeld des Nordportals ist im oberen Teil Geburt Jesu, im unteren Teil die Anbetung der Könige dargestellt. Zu Seiten des Portals stehen auf Konsolen die Figuren einer Verkündigungsgruppe aus getöntem Kunststeinguss. Die Einwölbung konnte von den Parlern selbst nicht mehr vollbracht werden, dies übernahmen die Baumeister Hans von Urach und Aberlin Jörg 1491.

Das Münster weist zwei Gewölbemuster auf, die sich in Langhaus und Chor aufteilen.

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1330

1372

1497

1521

Heinrich übernimmt Bauleitung am Münster

Tod von Heinrich Parler, Bauleitung an Johann Parler

Einsturz von Türmen und Teile des Dachs

Fertigstellung der Einwölbung durch Nachfolger

Verschiedene Gewölberaster im Kreuzgewölbe

1000

1300

1351

1552

Romanische Basilika

Beginn Langhaus

Beginn Chor

Abschluss der Bauarbeiten

Das Kreuzrippengewölbe Die konstruktive Grundlage für das Rippensystem eines gotischen Gewölbes bildet nicht die Leibungsfläche des Gewölbes, sondern das Rippengerüst selbst. Man arbeitete nicht, daß man zunächst auf einer durchgehenden Lehrverschalung die Gewölbeschalen aufmauerte, um ihnen dann die Rippen zu unterlegen, sondern setzte auf einem System von Lehrbögen zunächst das Rippengerüst zusammen, dessen offene Fächer mit Mauerwerk schloß.

Weil die einzelnen Bögen nur in Ausnahmefällen mit verschiedenen Radien geschlagen wurden, konnte man sich beim Aufreißen der Rippenbögen auf relativ einfache Konstruktionen beschränken. Hätte man das Rippengerüst einer vorgegebenen Leibungsfläche anpassen wollen, dann hätten sich bei der mathematisch exakten Konstruktion recht unpraktische Bogenformen ergeben. Bei der kunstwissenschaftli-

chen Betrachtung gotischer Rippengewölbe standen bisher außer ästhetischen formale Gesichtspunkte im Vordergund. Man beschäftigte sich unter stilkritischen Gesichtspunkten in erster Linie mit dem Grundriß der Rippenkonfiguration, ohne auf die mit der Verräumlichung des Grundrisses verbundenen konstruktiven Probleme einzugehen.

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Das Heilig-Kreuz-Münster

1351

Schwäbisch Gmünd

Grundsteinlegung des Chors

Bauphase II: Der Chorbau Die Leistung, der zweiten bautragenden Generation ist der Parlerchor. Eine Inschrift in seiner nördlichen Portalvorhalle überliefert das Datum seiner Grundsteinlegung: 17. Juli 1351. Auch er wuchs der Überlieferung nach zügig empor, wenigstens bis 1377, geriet dann aber unter den Unstern der gefährlichen Städtekriegszeit von 1377 bis 1388 und anderer Plagen. 1409 waren die Arbeiten beendet, 1410 weihte man den Choraltar. Heute begründet der „Parlerchor“ des Meisters Heinrich I. Parler den Ruhm des Gründer Münsters als einer wegweisenden Bauanleistung: „Er gilt zu Recht als der Schöpfungsbau, mit ihm beginnen fast alle Darstellungen der spätgotischen Architektur in Deutschland.“

ist, wirkt der Chorschluss für das Auge fast rund. Die Seitenschiffe umlaufen einen von acht Rundpfeilern gebildeten Binnenchor von gleicher Scheitelhöhe. Indem Parler das östliche Pfeilerpaar, das den Standort des Hauptaltars bezeichnet, zur Figur eines halben Sechseck zusammenrücken ließ, betonen sie den Umgangscharakter der Halle und fügen sich zugleich als raumschließendes Element sowohl in den schmiegsamen Rhythmus des Chorrunds wie in die fluchtende Dynamik der gesamten 77 m langen Mittelschiffachse ein.

Der Gründer Chor ist ein dreischiffiger Hallenumgangschor mit einem Kapellenkranz. Er ist 32 Meter lang und hat ohne Kapellen fast dieselbe Breite wie das etwas niedrigere, tiefer gelegene Langhaus. Da er mit sieben Seiten eines Zwölfecks geschlossen

Kleeblatt

Vierpass

Dieses Münsterfenster ist dreibahnig angelegt mit Abschluss in einem Dreipass-Spitzbogen, der nicht geschlossen ist. Es wird durch Maßwerkstücke im Gegenschwung zu den Fensterkapitellen hin abgestützt.

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Dreipass


1377- 1388

1410

1552

Aussetzung der Bauarbeiten

Fertigstellung und Einweihung des Chors

Abschluss der Bauarbeiten am Münster

Aussen- und Innenansicht des Chors

„ Das Maßwerk ist ein aus Kreisen und Kreisbogen

zusammengesetztes geometrisches Ornament, welches zur Verzierung hoher Fenster und Brüstungen, oder als Relief verwendet wird. Aerodynamik in Architektur

Das Maßwerk in Geometrie Die Zweckgebundenheit des Maßwerks als konstruktives Element der Unterteilung von Fensteröffnungen, wird in der Frühzeit des beginnenden 13. Jahrhunderts durch einfache Formen unterstrichen, wird sehr bald überspielt durch seine von Anfang an ornamentale Funktion. Stand als Urform die Unterteilung des Fensters durch einen Stab in zwei Bahnen, die durch einen in den Bogen einbeschriebenen Ring abgeschlossen wurden, so wird es zum wesentlichen und kennzeichnenden Bestandteil

der Bauornamentik. Neben die geometrische Grundform des Kreises treten im 14. Jahrhundert gehäuft sphärische Dreiund Vierecke auf. Die Entwicklung des Maßwerks wird ab etwa 1330 wesentlich von Bauwerken bestimmt, die entweder von den Parlern erbaut oder von ihnen beeinflußt worden sind. In den Langhausfenstern des Heiligkreuzmünsters von Schwäbisch Gmünd erscheinen erstmals unvollständige, aufgebrochene Einzelmotive.

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Der Sankt-Veits-Dom

1344

Prag

Umbaubeginn der Prager Basilika in einen Dom

Peter als Dombaumeister Der frisch gekrönte Kaiser Karl IV. des römisch-deutschen Reiches rief 1356 den damals jungen Peter Parler nach Prag.

Er ging architektonische Meisterleistungen ein, die für damalige Leistungen ein enormen Fortschritt bedeuteten.

Prag sollte unter Kaiser Karl IV. das kulturelle und geistige Zentrum werden und später als „Die goldene Stadt“ in die Geschichte eingehen. Er selbst leitete in den ersten Jahren den Bau des Veitsdoms, gab auch die Karlsbrücke und die Teynkirche in Auftrag, die unter Peter Parler gebaut werden sollte.

Mit 23 Jahren wird Peter Parler Dombaumeister am St. Veitsdom in Prag. Frisch aus der Meisterlehre setzt er die 1344 begonnen Bauten am Chor und Kapellenkranz fort. Obwohl er sich an strenge Bauvorgaben halten muss, lässt er seinen eigenen Parlerstil mit einfliessen, indem er das „doppelte Triforium“ wie auch lichtreiche Fensterflächen einbaut.

Peter sollte ein zentraler Teil der Prager Geschichte werden. Während seiner Zeit in Prag unterhielt er mehrere Baustellen und lies die Tradition der Bauhütten wieder aufleben. Mit seinem großen Einkommen galt als Großverdiener unter den Handwerkmeistern.

Innen- und Aussenansicht des Veitsdoms. Rechts: Die Stützpfeiler des Doms.

Arler oder Parler „Gmünds erbaute Mailands Dom, sein Peter ließ sich nieder zu Prag am Moldaustrom und lebte dort als schöner Naze, Nazarener. Aus „Berühmte Gmünder“ von Johann Straubenmüller, 1897

10


1356

1380

1929

Peter wird neuer Baumeister

Söhne Johann und Wenzel übernehmen die Bauleitung

Ende der Bauarbeiten am Prager Veitsdom

Die Baustatik der Gotik In der Gotik ging der Trend zu

Durch die neu gewonnene

größeren Fensternflächen, die

Leichtigkeit konnte man durch

nicht nur Licht in die dunklen

Strebepfeilern, Spitzbögen und

Steinkirchen liessen, sondern

Strebebögen die Masse neu

auch die Gesamtmasse der

und mehr senkrecht ausba-

Mauern verringerten.

lancieren und noch höhere, filigranere Bauwerke gestalten.

Die neue Verwendung von hergestellten Ziegelsteinen entlasteten das Gewölbe.

Frühromanik

Romanik

Frühgotik

Spätgotik

Mit dem Anspruch immer höher und größer bauen zu können benötigte man mehr Stützmechanismen, was sich letztendlich zu den äußeren Stützpfeilern ausbildete. Rechts: Querschnitt der Seitenstützen Veitsdom

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Der Sankt-Veits-Dom

1344

Prag

Gründung der Dombauhütte zum Prager Dom

Die Bauhütten Als Bauhütte bezeichnet man Werkstattgebäude in der Nähe einer Baustelle, die jedoch auch eine Gemeinschaft mit Ausbildungscharakter bezeichnen. Meist waren die Gebäude gleichzeitig Arbeitsplatz, Lagerräume und Unterbringung für die Arbeiter. Innerhalb einer Bauhütte galt eine strenge Hierarchie. In der Zeit des Heiligen Römischen Reiches gab es vier Haupthütten, denen alle anderen Bauhütten unterteilt waren. Die Haupthütte für die Prager war in Wien. Dahin mussten auch Abgaben entsand werden.

mer und Meißel. Der fertig bearbeitete Stein wurde letztendlich mit Hilfe eines Krans in die höheren Bereiche des Baus gebracht. Der Kran wurde durch ein Laufrad betrieben und funktioniert durch die Klemmwirkung einer großen Steinschere. Die technischen und gestalterischen Geheimnisse einer Bauhütte waren wohl behütet. Durch die Beliebtheit des Parlerstils konnten sich die Mitglieder der Parler-Bauhütten schnell auch überregional gegen Konkurrenten durchsetzen, was den Schönen Stil nach Europa brachte.

Die anfangs noch Natursteine wurden von Knechten mit einer Spitzhacke aus dem Berg geschlagen. Später wurden für leichtere Bauten Ziegelsteine hergestellt. Für die gestalterische Detailarbeit nahm man Ham-

Die Hierarchie einer Bauhütte In einer Bauhütte gab es eine strenge Hierarchie, die nicht nur die am Bau beschäftigten Handwerker beinhaltete. Eine größere Bauhütte war wie ein kleines Unternehmen und hatte einen sakralen Abteilung wie auch Bedienstete. Desweiteren gab es unter anderem eigene Bäcker, Köche und Gesinde. Die Bandbreite der Handwerker streckte sich von Steinmetzen über Zimmermänner, Maurer, Schmiede aber auch Glaser.

Der Lehrling Bei Aufnahme musste der Junge 14 Jahre und getauft sein, mit verheirateten Eltern. Zu Beginn seiner Lehre musste er 20 Gulden Bürgschaft hinterlegen. Der Geselle Durch die „Ledigsprechung“ wurde ein Steinmetzlehrling zum Gesellen und erhielt sein Steinmetzzeichen mit der Aufnahme in die SteinmetzBruderschaft. Die Wandergesellen Reisende Gesellen verbanden die einzelnen Bauhütten miteinander. Dies war auch wichtig zum weiteren Aufstieg.

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Der Parlier Der Parlier war das Bindeglied zwischen Meister und Gesellen, er überwachte die Arbeit. Er war morgens als erster da und ging abends als letzter.

Der Meister Eine geregelte Meisterausbildung gab es nicht. Die Anstellung als Meister in den Bauhütten war vom gutem Ruf und Können abhängig und hochrangige Auftraggeber. Der Meister hatte an seinem Werk die oberste Autorität. Der Werkmeister plante und strukturierte das Bauvorhaben.


1356-1401

1731

Peter Parler als Vorstand der Dombauhütte

Verbot der Bauhütten, Übergang in Zünfte

Hammer (Fäustel) und Klüpfel zum Schlagen der Eisen. Der Klüpfel ist meist aus Holz oder Messing.

Sprengeisen zum Absprengen größerer Steinteile

Der Kopierzirkel wurde zum Abnehmen von Formen und Strecken benutzt. Sie gibt es von Taschengröße bis zu mehreren Metern groß.

Schariereisen zum Herstellen feiner Oberflächen

Der Krönel ist für die Herstellung größerer Flächen oder Formen vorgesehen. Er kann durch seine verschiebbaren Stiften sowohl glätten wie auch strukturieren.

Spitzeisen für grobes Formanelgen von Figuren und Schriften

Zahneisen für feinere Ausarbeitung der Oberflächen

Der Stockhammer dient zur Strukturierung von Flächen. An seinen Außenkanten hat er stumpfe Kanten

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Der Sankt-Veits-Dom

1356

Prag

Peter Parler bringt den Schönen Stil nach Prag

Der Schöne Stil Für die Parler waren Architektur und Bildhauerei eng miteinander verbunden. In der Gotik musste noch jeder Baumeister als Steinmetz ausgebildet sein, weswegen das Wissen von exakter Geometrie und künstlerischem Feingefühl schon früh ausgebildet wurde. Schon früh lassen sich in den Bauwerken Heinrichs die Vision einer Fusion von Geometrie und Kunst, Architektur und Plastik erkennen. Eine Generation später erreicht das Zusammenspiel mit Peter von Parler von Bau und Plastik ihren Höhepunkt. Durch seine Popularität und seine hohen Auftragsgeber hat er auch die Möglichkeiten weitern an seinen Ideen zu feilen. Dadurch wird sein „Idealportrait“ der Durchbruch auch über weite Strecken.

Besonders gerne ist das Idealbild in der sogenannten „schönen Madonna“ umgesetzt worden. Die Frauenfigur verkörpert das zeitliche, erdische Schönheitsbild. Dagegen steht das makellos fallende Gewand, das die Frauengestalt nahezu komplett, keusch verhüllt. Aufgrund der weichen, geschwungenen Formen wird der „Schöne Stil“ auch der „Weiche Stil“ genannt. Mit dem Ende des Spätmittelalter um 1450 endet auch die Ära der Plastiken. Der schöne Stil wird als letzte prägende Ära wahrgenommen. Heute gilt Peter Parler mit seiner Familie als die wohl wichtigsten Baumeister der Spätgotik.

ist die Betonung des in „ Charakteristisch runden, fließenden Mulden herabfallenden, zunehmend dreidimensional wirkenden Gewandes. Ebenfalls charakteristisch sind der zarte, verträumte Ausdruck und die zierliche Gestalt, gepaart mit Detailschilderungen. Wi-Kai Peidia, Parlerforscher

Romanik

Frühgotik

Die Entwicklung der Madonnenform geht zu realistischen, weichen Formen. Die S-Form wird eine gängige Form.

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Gotik


1390

1401

1450

Finale Ausformung des Stils

Tod von Peter Parler

Ende der Spätgotik und des Schönen Stils

Die schöne Madonna Besonders gerne die „schönen Madonna“ umgesetzt worden. Die Frauenfigur verkörpert das erdische Schönheitsbild. Dagegen steht das makellos fallende Gewand, das die Frauengestalt nahezu komplett verhüllt. Die „Horber Madonna“ gilt als die absolute Verkörperung des

Schönen Stils. Die Figur wurde um 1420 in dem kleinen Ort Horb im Schwarzwald erstellt. Der Künstler ist nicht mehr bekannt. Die Madonna zeigt sehr individuelle, weibliche Züge mit einem friedlichen Gesichtsausdruck und hat Locken. Auch das Christuskind ist realistisch

mit Hautfalten und gekrümmten Fingern. Dagegen fällt das Gewand sehr weich mit keinen harten Kanten und versteckt die komplette Gestalt der Maria. Die gesamte Haltung der Figuren und Positionierung der Details führen zu einer S-Form und Sehweise.

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Heiliges Deutsches Reich mit Europa, um 1390 mit Wirkungsorten der Familie Parler

Schw채bisch Gm체nd


Prag


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