Ostvision - Dezember 2018

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559 | DEZEMBER 2018

Monatszeitschrift der Christlichen Ostmission

DER ARMUT ENTKOMMEN Persรถnlich Marko und Tina Grozdanov | Kambodscha Zuerst der Stiefvater, dann der Onkel | Usbekistan Gehรถrlose wollen die Bibel verstehen | Kuhbank Vietnam Der Armut entkommen


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ostvision dezember 2018

editorial

ostvision

Der Stern hat sich nicht geirrt, als er den Fernsten rief, aufzubrechen zum nahen Gott. Der Stern hat sich nicht geirrt, als er stehenblieb über dem Haus der kleinen Leute. Dein Herz hat sich nicht geirrt, als es sich aufmachte, den Unbekannten zu suchen. Dein Herz hat sich nicht geirrt, als es sich beugte vor dem Kind. Klaus Hemmerle

Heute führen die christlichen Familien ihre landwirtschaftlichen Familienbetriebe erfolgreich und in eigener Verantwortung. Sie sind nicht mehr in den Klauen der Geldausleiher und Einkäufer, die sie früher systematisch ausnutzten. Wie war das möglich? Christ zu werden, veränderte ihre Mentalität. Die Bauersleute wurden fähig, selbständig zu denken und zu handeln, Verantwortung zu übernehmen. Ihr Prediger besuchte eine Schulung der Christlichen Ostmission und lernte, wie man Familien beim Aufbau eines eigenen Betriebs anleiten kann. Danach wendete er sein neues Wissen bei Bauernfamilien der Gemeinde an. Dies und bescheidene Startkredite der COM waren gute Voraussetzungen für einen Neuanfang.

Nr. 559: Dezember 2018 Jahresabonnement: CHF 15.– Redaktion: Georges Dubi, Beatrice Käufeler, Thomas Martin

Liebe Missionsfreunde Kürzlich besuchte ich wieder einmal Bergbauern in Nepal. Sie leben in einer paradiesisch schönen Gegend, weit weg von der nächsten Stadt. Doch ihr Leben war nicht paradiesisch – bis vor einigen Jahren. Sie gehören den untersten Kasten an und darum schien ihr Schicksal besiegelt: Sie würden nie etwas anderes als Verachtung, Armut und Ausbeutung erleben. Dann aber hörten sie von Jesus und viele wurden Christen. Das stellte ihr Leben auf den Kopf. «Gott bestimmt über unser Leben», realisierten sie, «nicht die Kastenzugehörigkeit.» Der neue Glaube sprengte Ketten und befreite die Bauern von religiösen und gesellschaftlichen Zwängen.

wird monatlich herausgegeben von der CHRISTLICHEN OSTMISSION (COM), Worb

Es ist faszinierend mitzuerleben, wie Gott Grenzen sprengt und religiöse und gesellschaftliche Fesseln löst, wie Er Menschen ermöglicht, ein Leben in Würde zu führen. Für ihre Umgebung sind solche Christen ein eindrückliches Zeugnis. Menschen sehen, dass Christen auf persönlicher Ebene ein ganz anderes, gutes Leben führen und dass sich auch in ihrem beruflichen Umfeld alles verändert. Missionieren ist in Nepal sehr schwierig und wird vom Staat unterdrückt, gegen ein gelebtes christliches Zeugnis hingegen sind die Behörden machtlos. Gottes Wirken ist faszinierend, Mission ist faszinierend! Mit Gottes Segen können wir in dieser Welt viel bewirken und verändern. Dass wir handeln können, verdanken wir Menschen, die treu für uns beten und spenden. Sie im Rücken zu haben, ist ein grosses Privileg, für das wir sehr dankbar sind. Auch im zu Ende gehenden Jahr haben wir auf Ihre Verbundenheit und Unterstützung zählen dürfen, vielen Dank.

Adresse: Christliche Ostmission Bodengasse 14 3076 Worb BE Telefon: 031 838 12 12 Fax: 031 839 63 44 E-Mail: mail@ostmission.ch Internet: www.ostmission.ch Postkonto: 30-6880-4 Bankkonto: Spar + Leihkasse Münsingen, 16 0.264.720.06 Kontrolle der Bücher: Unico Treuhand AG, Burgdorf Spenden sind in allen Kantonen steuer­ abzugsberechtigt. Nähere Auskünfte er­teilt unser Sekretariat. Gehen für ein Projekt mehr Spenden als benötigt ein, werden diese für ähnliche Zwecke ein­gesetzt. Bildquellen: COM, Hagar Kombodscha Wenn nicht anders vermerkt, haben die abgebildeten Personen keinen Zusammenhang mit den erwähnten Beispielen. Gestaltung: Thomas Martin Druck: Stämpfli AG, Bern Papier: Das Magazin ist auf chlorfrei gebleichtem und FSC-zertifiziertem Papier gedruckt. Geschäftsleitung: Georges Dubi, Missionsleiter Gallus Tannheimer

Im Namen des Stiftungsrats, der Mitarbeitenden und aller Partner in den Projektländern wünsche ich Ihnen frohe Weihnachten und Gottes reichen Segen.

Stiftungsrat: Mario Brühlmann, Orpund, Präsident Pfr. Thomas Hurni, Madiswil, Vizepräsident Lilo Hadorn, Selzach Pfr. Matthias Schüürmann, Reitnau Thomas Haller, Langenthal

Mit herzlichen Grüssen aus Worb

Beauftragter des Stiftungsrates: Günther Baumann

Georges Dubi Missionsleiter

Das unabhängige Gütesiegel der Stiftung Ehrenkodex attestiert eine umfassende Qualität der Arbeit sowie einen sorgsamen Umgang mit Spendengeldern.

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persönlich

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Marko und Tina Grozdanov Mazedonien

MENSCHEN unterwegs mit uns

Mazedonien ist ein kleines, schönes Land im Balkan mit Bergen, Seen und Flüssen, aber über den Menschen liegt Dunkelheit. Wir wurden in Mazedonien geboren, als das Land noch kommunistisch und Teil Jugoslawiens war. In einer kleinen evangelischen Gemein­ schaft aufzuwachsen, war in jener Zeit nicht einfach. Wir wurden in der Schule wegen unseres Glaubens lächerlich gemacht und viele Leute mieden unsere Familien. Unsere Eltern gehörten zur gleichen Baptistengemeinde, so kannten wir uns schon als Kinder. Wir wa­ ren noch Teenager, als der demokratische Wandel in Osteuropa statt­ fand. Unsere Identität als evangelische Christen wurde neu heraus­ gefordert. Wir fanden unseren Weg und begannen, uns in der Ge­ meinde zu engagieren: in Gottesdiensten, in der Literaturarbeit, in der Evangelisation … 2000 heirateten wir und im selben Jahr begannen wir am Theologi­ schen Seminar in Osijek in Kroatien zu studieren. Während des Stu­ diums besuchten wir Flüchtlinge, betreuten kleine Gemeinden in ab­ gelegenen Dörfern, spielten mit todkranken Kindern im Spital, en­ gagierten uns in Jugendarbeit, Evangelisation und Lobpreis … Die praktischen Erfahrungen waren eine sehr lehrreiche Ergänzung zum Unterricht. 2004 schlossen wir das Grundstudium ab. Dank einem Stipendium konnten wir ein Masterstudium an der baptisti­ schen Hochschule in Prag anhängen. Nach dem Abschluss kehrten wir 2006 nach Mazedonien zurück. Marko wurde zum Pastor ordi­ niert und nahm den Dienst in unserer Kirche, der Baptistengemeinde Eklesia in der mazedonischen Hauptstadt Skopje, auf. Zwölf Jahre ist das nun her. Heute haben wir drei Kinder: Izabela, David und Jakov. Und wir haben von Markos Vater, Dr. Ivan Grozdanov, die Gemein­ deleitung übernommen. Aufregende Zeiten liegen hinter uns. 2010 wurde klar, dass unser Kir­ chengebäude definitiv zu klein war. Viele Hürden mussten überwun­ den werden, bis wir 2017 endlich das neue, grössere Gebäude bezie­

hen konnten. Alle Dienste haben davon pro­ fitiert: Gottesdienste, Evangelisation, Arbeit mit Frauen, Jugendlichen und Kindern. Es hat ein Aufbruch stattgefunden, die Gemein­ demitglieder setzen sich mit viel Begeiste­ rung ein. Unsere Vision ist es, das ganze Land mit dem Evangelium zu durchdringen und zu beeinflussen. In der Evangelisation, der Veröffentlichung von christlichen Bü­ chern und der Weiterbildung von Laien spie­ len wir in Mazedonien eine führende Rolle. Viele mazedonische Pastoren und Gemeinde­ verantwortliche haben bei uns Kurse und Ver­ anstaltungen besucht und wir haben sie als Mentoren betreut. Eine grosse Ermutigung für uns ist die Part­ nerschaft mit der Christlichen Ostmission. Seit Jahrzehnten ist sie uns eine treue Part­ nerin, wir schätzen ihr Engagement für Ma­ zedonien sehr. Unser Volk lebt in der Dun­ kelheit, aber miteinander können wir Sa­ men der Hoffnung säen. Als Geschwister im Glauben arbeiten wir zur Ehre Gottes zu­ sammen und kümmern uns um Menschen in Not. Die Partnerschaft mit der Christlichen Ostmission passt perfekt zu unseren Werten und unserer Vision. Dies ist bei jedem Unter­ nehmen wichtig, ganz besonders aber in der Arbeit für das Reich Gottes. Bitte beten Sie für unsere Familie, für unsere Gemeinde und unser Land.


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Kinder

in not H

C U A R MISSB

ZUERST DER STIEFVATER, DANN DER ONKEL KAMBODSCHA Nervös rutscht die 15-jährige Sreilia* auf dem Stuhl hin und her. Mit beiden Händen sucht sie Halt am schlichten Holztisch, der vor dem pfahlbauartigen Haus ihrer Pflegeeltern steht. Sie will über ihre Vergangenheit reden, denn das helfe ihr beim Verarbeiten. «Ich komme aus einer armen Familie, meine Mutter ist Saisonarbeiterin. Meinen Vater hab ich nie gekannt. Er starb, als Mutter mit mir schwanger war. Zuerst lebte ich allein mit ihr. Als ich dreijährig war, fand sie Arbeit in Thailand. Dort lernte sie meinen zukünf­ tigen Stiefvater kennen. Er war kein netter Mann: Manchmal wurde er aggressiv gegen Mutter und auch gegen mich. Nach fünf Jah­

ren kehrten wir nach Kambodscha zurück, aber nicht für lange. Bald reisten wir wieder nach Thailand. Ich war nirgendwo zu Hause. Als ich dreizehn war, hörte das Hin- und Her­ reisen endlich auf. Wir liessen uns in Kam­ bodscha bei der Familie meines Stiefvaters nieder. Wohl war mir dort nie, denn er fing an, mich zu belästigen. Mit der Zeit wurde es schlimmer. Eines Tages fiel er über mich her und vergewaltigte mich. Ich war wie gelähmt, wusste nicht, was mir passierte. Schmerz stieg in mir hoch und drohte mich zu erdrü­ cken. Um von diesem Mann wegzukommen, zog ich zur Familie eines Onkels. Aber bald merkte ich, dass ich auch dort nicht sicher war. Ein Jahr später wurde ich vom Onkel vergewaltigt.»


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Hilfe für missbrauchte Kinder Seit Jahrzehnten setzt sich die Christliche Ostmission in Kambodscha für sexuell aus­ gebeutete Mädchen und Buben ein. Die meis­ ten dieser Kinder werden in Familien betreut und therapeutisch begleitet. Sie erhalten Hilfe bei der Verarbeitung ihrer schlimmen Erleb­ nisse und werden in ihrer persönlichen und schulischen Entwicklung gefördert. Opfer, die ihre Täter anzeigen, erhalten auch juris­ tische Unterstützung. Um die Betreuung im Familienrahmen zu er­ möglichen, sucht die Mission christliche Pfle­ gefamilien und schult diese für ihre Aufgabe. Die Kinder bleiben in Kontakt zu ihren eige­ nen Familien, wenn ihre Sicherheit garan­ tiert ist. Brauchen Opfer eine besonders in­ tensive therapeutische Begleitung, kommen sie in ein Schutzhaus. Um die 150 Kinder und junge Erwachsene erhalten so jährlich Hilfe, viele von ihnen haben ähnliches erlebt wie Sreilia.

Sreilia unterbricht ihre Geschichte. Der Schmerz ist zu gross, um weiterzusprechen. Der lange Weg in ein normales Leben Seit zwei Jahren lebt Sreilia bei einer Pfle­ gefamilie im Westen Kambodschas. Sie ver­ sucht, mit ihrer Vergangenheit fertig zu wer­ den und ein normales Leben zu führen. Sie geht in die Dorfschule, holt den Schulstoff nach. Im Dorf weiss niemand, warum sie da ist – zu ihrem Schutz. Ihre Pflegeeltern sind Christen. Das kinder­ lose Paar hat beschlossen, Kindern in Not ein Zuhause zu bieten. Neben Sreilia haben die beiden noch drei weitere Pflegekinder, einen Jungen und zwei Mädchen, die ebenfalls ver­ gewaltigt wurden.

Die verbreitete Korruption und eine Kultur der Straflosigkeit verhindern, dass Opfer Gerechtigkeit erfahren.

Abertausende Opfer 20 % von 1863 anonym befragten Kambod­ schanern gaben an, schon einmal eine Frau vergewaltigt zu haben, meist vor ihrem 15. Lebensjahr. Das berichtete die UNO 2013. Gruppenvergewaltigung ist in Kambodscha die häufigste Form ausserhalb der Partner­ schaft. Die Täter – oft Personen aus dem nä­ heren oder weiteren Familienkreis – werden selten angezeigt oder vor Gericht gebracht. Die verbreitete Korruption und eine Kultur der Straflosigkeit verhindern, dass Opfer Ge­ rechtigkeit erfahren. Laut UNICEF sind etwa 37 % der Opfer Kin­ der. Sie sind wegen ihrer Jungfräulichkeit begehrt, diese soll gesund machen bzw. vor Aids schützen, glauben manche. Aber nicht nur Einheimische vergreifen sich an Kin­ dern: Pädophile aus aller Welt reisen in gros­ ser Zahl nach Kambodscha, weil ihnen dort für den Missbrauch von Kindern kaum Strafe droht.

* Name und Bild wurden zum Schutz der Betroffenen geändert.


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GEHÖRLOSE WOLLEN DIE BIBEL VERSTEHEN USBEKISTAN

In Usbekistan kommen immer mehr Gehörlose zum Glauben an Jesus Christus. Die Christliche O ­ stmission unterstützt die Herausgabe eines Buches, das ihnen die Bibel näherbringen und damit geistliches Wachstum fördern will. Christen in Usbekistan haben es schwer. Das zentralasiatische Land gehört zu jenen 20 Län­ dern, die Christen am stärksten unterdrücken. Doch trotz aller Repressalien haben in den letz­ ten Jahren mehr und mehr gehörlose Usbeken zum Glauben an Jesus Christus gefunden. Die Behörden, die Christen überwachen, tun sich schwer mit ihnen. Gehörlose telefonieren nicht und können daher nicht abgehört wer­

den. Wenn sie das Evangelium in Gebärden­ sprache verkünden, versteht die Polizei nichts. Bei Gefahr macht einer eine leichte Handbewe­ gung, worauf alle in verschiedene Richtungen verschwinden und sich unter die Passanten mi­ schen. Bilder und eine einfache Sprache Die meisten Gehörlosen haben keine gute Schul­ bildung und mit ihrem beschränkten Wort­ schatz ist es für sie schwierig, die Bibel zu lesen und zu verstehen. Abhilfe schaffen könnte das in Russisch verfasste Buch «Kenne die Bibel». Es enthält 365 biblische Geschichten in einfa­ cher Sprache, dazu Bilder und Landkarten. Ge­ hörlose schätzen das Buch, es hilft ihnen, die Bi­ bel zu verstehen, und lässt sie im Glauben wach­ sen. Allerdings darf das Buch nicht nach Usbe­


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Fast 90 Prozent der Usbeken sind Muslime (Registan-Platz in Samarkand, Usbekistan).

kistan eingeführt werden, sondern muss Stück für Stück ins Land geschmuggelt werden. Riskantes Vorhaben In Usbekistan wird die eigene Landessprache stark gefördert, immer weniger Usbeken ver­ stehen Russisch. Deshalb soll nun «Kenne die Bibel» in usbekischer Sprache erscheinen. Eine Gruppe einheimischer Linguisten, alles enga­ gierte Christen, hat die Übersetzung in Angriff genommen. Sie riskieren damit Kopf und Kra­ gen. Entdeckt der Staat, was sie tun, drohen Ver­ haftung und Gefängnis. Die Übersetzung ist nur der erste Schritt. Danach folgen Redaktion und Korrektur, Satzherstellung, Druck und Vertei­ lung. Das ganze Projekt muss geheim bleiben, alle Beteiligten riskieren grosse Probleme mit der Justiz, bis hin zu Gefängnisstrafen. Im Um­

gang mit Andersdenkenden und Christen ist Us­ bekistan so repressiv wie einst die Sowjetunion, auch wenn das Land aus Russlands Schatten tre­ ten und die eigene Identität fördern will.

«Alle Beteiligten riskieren grosse Probleme mit der Justiz.» Um das Buch herauszugeben, braucht es Geld. Mit Spenden aus der Schweiz unterstützt die Christliche Ostmission das Vorhaben finanziell. Ebenso wichtig sind Gebete für den Schutz der Beteiligten. Sie engagieren sich trotz grösster Gefahren voller Freude und Eifer. Möge Gott es schenken, dass das Buch zum Segen wird für Christen, insbesondere für Gehörlose.


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DER ARMUT ENTKOMMEN KUHBANK VIETNAM

Arm und von den anderen Dorfbewohnern verachtet lebte Ha Thi Nyoc am Rand der Gesellschaft. Ihre Heirat änderte daran nichts. Das Ehepaar bekam zwei Kinder und freute sich darüber, auch wenn eine Tochter schwerstbehindert ist. Not und Mühsal prägten den Alltag der Fami­ lie. Nach einigen Jahren suchte der Mann das Weite und damit wurde das Leben von Ha Thi Nyoc und ihren Kindern noch schwieri­ ger. Besonders schlimm war der Hunger. Der Reis vom eigenen Feld reichte einfach nicht für das ganze Jahr und der kärgliche Lohn, den die Mutter als Taglöhnerin erzielte, ge­ nügte nicht, um die Familie zu versorgen. Vom Vater der Kinder kam keine Unterstüt­ zung, der hatte sich längst eine andere Frau genommen. Eine Kuh bringt die Wende Dann aber änderte sich das Leben der allein­ erziehenden Mutter. Die Wende kam durch eine Kuh, finanziert mit Spenden aus der Schweiz. Ha Thi Nyoc wurde ins Kuhbank­ programm der Mission aufgenommen und lernte, wie sie das Tier artgerecht und ge­ sund halten musste. Das erste Kalb, das ge­ boren wurde, musste sie der Kuhbank geben. Als die Kuh ein zweites Kalb geboren hatte, berieten Vertreter der Mission die Frau, wie sie es verkaufen und den Erlös investieren konnte, um sich eine Existenz in der Land­ wirtschaft aufzubauen. Seither leiden Ha Thi Nyoc und ihre Töchter nicht mehr Hun­ ger. Dank der Kuhzucht und dem Anbau von Pomelos ist ihre Existenz gesichert. Die In­ vestitionen dafür stammen aus dem Verkauf des Kalbes. Unterstützende Beratung und nötigenfalls Kleinkredite für den Aufbau eines Landwirtschaftsbetriebs sind ein fes­ ter Bestandteil des Kuhbankprojektes.

Dank der Kuhbank hat Ha Thi Nyoc gut lachen.

Heute wird Ha Thi Nyoc nicht mehr verach­ tet und gemieden. Die Dorfbewohner be­ wundern sie für ihren Fleiss und dass sie es geschafft hat, der Armut zu entkommen.


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Kuhbank – ein wirksames Mittel gegen Armut Das Kuhbankprojekt befähigt arme Familien, einen eigenen, existenzsichernden Bauernbetrieb aufzubauen. Damit leistet es einen wichtigen Beitrag zur Reduktion von Armut. Wer am Kuhbankprojekt teilnimmt, ist kein Hilfsempfänger, sondern aktiv mitarbeitender Partner. Er wird beim Aufbau eines nachhaltigen Landwirtschaftsbetriebs unterstützt. Wer eine Kuh erhält, muss deren erstes weibliches Kalb der Kuhbank geben. Dieses kommt dann zu einer Familie, die neu am Projekt teilnimmt. Durch diese Form der Multiplikation entkommen immer mehr Menschen der Armut. Das Kuhbankprojekt stärkt Dorfgemeinschaften, denn es ermutigt Menschen zu weiteren gemeinschaftlichen Aktivitäten und Initiativen.

500.–

Startkapital

500 Franken Startkapital für die Kuhbank – in Form von Spenden aus der Schweiz – sind nötig, um eine Familie ins Projekt aufzunehmen.


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MEINE WEIHNACHTSGESCHICHTE «Endlich konnten wir reden und erzählen, was wir Schlimmes erlebt hatten. Es tat so gut, dass jemand uns zuhörte, uns verstand und uns tröstete.»


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Als ich geboren wurde, waren meine Eltern noch sehr jung. Sie hatten kurz zuvor gehei­ ratet, aber das wohl nur, weil Mutter schwan­ ger war. Liebe habe ich zwischen den beiden nie gespürt, im Gegenteil: Mutter sagte im­ mer, sie werde Vater eines Tages verlassen. Er war gewalttätig. Oft erwachten meine jün­ gere Schwester und ich in der Nacht, weil wir die Eltern schreien hörten. Dann rann­ ten wir verängstigt ins andere Zimmer, weil wir glaubten, dass er sie umbringen könnte. Es waren grauenvolle Momente. Lange hörten wir jeweils noch Mutters Wimmern. Gewalt prägt den Alltag An einen Sommerabend spielten wir mit ande­ ren Kindern. Da erschien plötzlich ein Mann – ich weiss nicht mehr, wer es war – und sagte, dass er unseren Vater mit blutigen Händen gesehen habe. Ich erschrak und rannte so schnell ich konnte nach Hause. Dort fand ich ihn. Er war betrunken und seine Hände waren blutig. Die Verletzung stammte vom Fensterglas, das er zerbrochen hatte. Meine Mutter fand ich im Nachbarhaus, wo sie – wie so oft – Schutz gesucht hatte. Ich war sehr er­ leichtert, dass sie unversehrt war. Einmal wollte Vater sie verbrennen. Andere Male kam er mit einer Axt oder einem Messer ins Haus und drohte, uns zu zerstückeln. Ein­ mal würgte er Mutter so fest, dass Blut aus ihrem Mund quoll. Ein Onkel, der am Ende des Dorfes wohnt, kam uns damals zu Hilfe. Hunger und Kälte Zu essen gab es bei uns nicht viel. Und wenn etwas Vater nicht schmeckte, warf er es Mut­ ter an den Kopf. Sogar dann, wenn es die al­ lerletzten Erbsen waren, die wir hatten. Noch schlimmer für uns war, dass wir selbst im tiefsten Winter manchmal kein Holz zum Hei­ zen hatten, obwohl Vater im Wald arbeitete. Als ich neun war, packte Mutter ihre Habse­ ligkeiten und verliess mit uns Kindern das Haus. Wir zogen zu unserer Grossmutter. Die Atmosphäre dort war zwar nicht viel besser,

aber wenigstens mussten wir uns nicht vor Gewalt fürchten. Grossmutter verlor zwar hie und da den Verstand und wurde aggressiv, doch dabei blieb es. Grossvater war dem Al­ kohol verfallen. Von Vater hörten wir nicht mehr viel. Eines Tages erhielten wir die Nachricht, dass er in unserem Haus verbrannt sei. Was genau pas­ siert war, weiss niemand so genau. Endlich Hilfe Dann hörten wir von einer Organisation, die Kindern und Familien hilft, die in Not sind. Voller Hoffnung nahm Mutter Kontakt auf. Von da an änderte sich unser Leben Schritt für Schritt. Zuerst erhielten wir materielle Hilfe: Mutter konnte Kleidung und Schul­ material für uns Kinder kaufen. Danach gin­ gen wir wieder zur Schule. Zudem konnten wir endlich einmal reden und erzählen, was wir Schlimmes erlebt hatten. Es tat so gut, dass jemand uns zuhörte, uns verstand und uns tröstete. Die Frau, die uns besuchte, be­ tete immer für uns. Durch sie erkannten wir, dass es einen Gott gibt, der uns liebt und uns helfen möchte. Langsam konnten wir den Schmerz verarbeiten. Ich glaube, Gott hat auf Mutters Gebete geantwortet. Dank der Hilfe, die wir bekamen, ist unser Leben wieder ins Lot gekommen. Ich konnte die Schule abschliessen und studiere heute sogar Jura. Wenn ich das Studium abgeschlos­ sen habe, möchte ich in Moldawien bleiben, denn mein Land braucht qualifizierte Arbeits­ kräfte. Zum Vater im Himmel gefunden Heute weiss ich, dass ich einen himmlischen Vater habe, der sich um mich sorgt. Oft braucht er Menschen dazu. Es bedeutet mir sehr viel, dass ich Hilfe bekommen habe. Vorher war alles aussichtslos, aber dann konnte ich ein neues Leben anfangen. Das erfüllt mich mit tiefer Dankbarkeit und Freude. Mihaela

Vor 14 Jahren hat die Christliche Ostmission in Moldawien mit lokalen Partnern ein Projekt begonnen, das sich Heim­ kindern und zer­ rütteter Familien annimmt und ihnen hilft, ein geregeltes Leben aufzubauen.


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«Ich freue mich sehr und danke dem Herr­ gott, dass ich hierher in das Tageszentrum kommen darf. Hier spielen wir, machen unsere Schulaufgaben und lesen in der Bibel. Und das wunderbare Essen! Ganz besonders liebe ich die Hack­ tätschli, so etwas habe ich vorher nie gegessen. Sie sind so gut, dass ich den wunderbaren ­Geschmack tagelang auf der Zunge spüre.» Adelina, 10, Moldawien (Name geändert)


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