Quintett

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HOMMAGE AN DAS LEBEN William Forsythe im Gespräch mit Michael Küster

Bill, während viele deiner Choreografien einen festen Platz im Repertoire der renommierten internationalen Ballettcompagnien gefunden haben, ist das 1993 beim Ballett Frankfurt entstandene Quintett eines der selten gespielten Stücke. Warum? Für Quintett wird eine besondere Art von Compagnie benötigt. Rein klas­sisch geprägte Tänzer hätten ihre Schwierigkeiten mit dem Stück. Das Vergnügen für sie, aber auch für das Publikum hielte sich in Grenzen. Quintett braucht jene Hybridtänzer, die zwar klassisch ausgebildet sind, jedoch über eine grössere technische und stilistische Bandbreite verfügen. In Dresden, Zürich, Miami und seinerzeit in Antwerpen habe ich diese Bedingungen vorgefunden. Dort sind ausserdem Ballettdirektoren am Werk, die das geistige und körperliche Wohlbefinden ihrer Compagnie im Auge haben. Für mich war es immer wichtig, an Orten zu arbeiten, an denen man dieses Berufsethos spüren kann. Darüber hinaus sollte sich die Intimität, die Quintett prägt, im Raum der Aufführung spiegeln. In dieser Hinsicht ist das Opernhaus Zürich geradezu ideal, weil man von fast überall die Gesichtsausdrücke der Tänzer erkennen kann. Seit der Uraufführung ist fast ein Vierteljahrhundert vergangen. Quintett entstand zu einer Zeit, als deine Frau, die Tänzerin Tracy-Kai Maier, im Sterben lag. Wie schaust du heute auf das Stück und die unglücklichen Umstände seiner Entstehung zurück? Der Begriff des Unglücks wäre zu einfach. Es wird leichter, wenn man auch jene traumatischen Situationen, in die man überall und zu jeder Zeit geraten kann, als natürlichen Teil eines Lebens begreift. Als eine Chance, das eigene Verständnis von Leben zu hinterfragen. Der Zeitpunkt, an dem du mit dem Tod eines Menschen konfrontiert wirst, der dir sehr viel bedeutet,

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