Liederabend Michael Volle

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EINE WELT IN MUSIK Zum Liedschaffen von Franz Schubert

Franz Schubert war, darin Mozart und Beethoven ähnlich, einer der ersten freien Künstler, niemandem verpflichtet, nur dem eigenen inneren Auftrag. Aus den letzten Lebensmonaten ist ein Brief bekannt, in dem sich Schubert als den «elendsten Kerl» bezeichnet: Krankheit, Hunger, ständige finanzielle Sorgen hatten ihn bereits ausgehöhlt, ihm die Lebenskraft geraubt. Noch jünger als Mozart, was oft übersehen wird, ist er gestorben. Als Genie und «leiser Rebell» (Härtling) gab er Stoff für manche Verzeichnung ins Kleinbürgerliche. Frühzeitig wurden dem zu Lebzeiten Übersehenen Denkmäler gesetzt. Schubert, der rätselhafte Mann, wird noch lange zur Erforschung eines unfassbaren Lebenswerkes aufrufen, unter dem die 660 Lieder nur ein mittlerer Teil sind. Schubert war der erste Komponist von Rang, der im Lied, das er aus inhaltlicher Erstarrung löste, literarisch dachte, sich grosser Dichtung anvertraute, sein kompositorisches Talent an namhaften Poeten mass. Wohl hatte der unscheinbare Spielmeister aus dem Himmelpfortgrund in Wiens Vorstadt die Mühe, sich Anerkennung zu verschaffen. Doch die fast wahllos entstandenen Liedkompositionen nährten sein Selbstbewusstsein, dass er sich für bessere Tage aufzuheben habe. «Mich soll der Staat erhalten», äusserte er einmal zu Freunden, «ich bin für nichts als das Komponieren auf die Welt gekommen» – diese überlieferte Aussage zeugt nicht von Untertänigkeit und kritiklosem Obrigkeitsdenken. Wie sonst hätte er die «Winterreise» komponieren sollen, eine der grossen Anklage-«Reden» der Musikgeschichte, gerichtet, im Gewande einer scheinbar ganz persönlichen, gescheiterten Liebesbeziehung, gegen den restaurativ-feudalen Metternich-Staat, dessen argwöhnische, auf die Disziplinierung gesellschaftskritischer Personen abgerichtete Beamte mit ihrer Lust der Denunziation auch Schubert das Leben verkürzten. Musikgeschichtlich steht Franz Schubert einzig in Raum und Zeit seiner Generation, zerrieben von unglaublichen gesellschaftlichen Zuständen, in denen in der Kunst nur


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