OpernSaisonal 2018/19

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Salome: Die ganze Stadt zittert! 1906 erlebte Graz eine musikalische Sensation „Richard Strauss weilt seit Samstag in unserer Stadt, um die letzten Proben zu seinem Werke selbst zu leiten. Graz kann stolz sein, so rasch in der Reihe der Städte zu erscheinen, welche das Werk des großen, ja größten lebenden Komponisten aufführen.“

Wenige Monate nach ihrer skandalumtosten Uraufführung in Dresden unter der Leitung des aus Graz gebürtigen Ernst von Schuch stand „Salome“ nun österreichweit zum ersten Mal auf der Bühne! Und das nicht in Wien, denn dort hatte die Hofzensur die Aufführung aus moralischen und sittlichen Bedenken verboten, sondern in Graz, und Komponist Richard Strauss reiste zum Dirigat persönlich an, im Gepäck das Who is who der Künstlerwelt: Gustav Mahler mit seiner Frau Alma, Weltstar Giacomo Puccini, Arnold Schönberg, Alban Berg und Alexander Zemlinsky. Man schlief im Hotel Elefant. Auch die heimische Kultur war vertreten durch den Komponisten des „Evangelimann“, Wilhelm Kienzl, und nach langem Widerstreben auch durch Peter Rosegger. „Es war Jubel über Jubel gewesen“, erinnert sich Alma Mahler an die Vorstellung, nach der sofort hitzige Debatten entflammten. Die ganze Welt blickte nach Graz und diskutierte heißblütig über die halbnackte Frau, die den Kopf des Sehers Jochanaan fordert. „Ist das Kunst oder darf das weg?“ – wurde von der Herrengasse bis Schloss Eggenberg, vom Geidorf-Platz bis zur Mur gefragt. Mittendrin die Crème de la Crème der Musikwelt, die gespannt war, wie die Grazerinnen und Grazer das neue Werk Richard Strauss’ aufnehmen würden. Die Presse spekulierte, die Damen erröteten und man summte heimlich den Tanz der sieben Schleier …

Grazer Montagszeitung, Morgenausgabe, 16. Mai 1906

„Als sich der Vorhang unter den schrecklichen Schlägen des Orchesters über die nervenerschütternden Vorgänge rasch senkte, verharrte das Publikum sekundenlang in Erstarrung.“ Grazer Wahrheit 36, 20. Mai 1906

„Der Beifallssturm am Schlusse war ein geradezu enthusiastischer und der Komponist musste immer wieder erscheinen.“ Neue Freie Presse (Wien), Morgenblatt, 17. Mai 1906

„Es handelt sich hier nicht um gesunde Sinnlichkeit, sondern um die Ausgeburt der Phantasie einer sexuell perversen Natur. Dieser Stoff hat keine Seele.“ Grazer Tagblatt, Morgenausgabe, 18. Mai 1906

„Es war ein Ehrenabend der Grazer Bühne.“ Wiener Abendpost (Beilage zur Wiener Zeitung), 17. Mai 1906

„Wir sind Deutsche. Und bis jetzt noch nicht soweit semitisiert, um an dieser syrischen Wüstenpoesie Geschmack zu finden. Diese Poesie ist uns fremd. Dem Syrer mag sie verständlich sein.“ Grazer Tagblatt, Morgenausgabe, 30. Mai 1906

„Im Grazer Theater geht’s jetzt über die Frau los. Im ‚Erdgeist‘ [Wedekind] ist sie die Hyäne der Liebe, die Männermörderin. In ‚Salome‘ begnügt sie sich mit dessen schwarzem Kopf. Und wer sich bei solchen Stücken am besten unterhält, das sind die Frauen.“

Was alles im Hotel Elefant los war, zeigt mit einem Augenzwinkern der gleichnamige Abend im Hotel Wiesler! Infos auf S. 51

Oper | Salome

Heimgarten 30, 19. Mai 1906, hrsg. von Peter Rosegger

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