Katalog16 06 2018

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Lot 38 1‘280 Fahrzeuge (Touring) 6 Zylinder Boxer 2‘687 cm3 210 PS bei 6‘300/min Schätzpreis / Estimate CHF 550‘000 - 650‘000 Story www.autobild.de Fotos Daniel Reinhard

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Porsche 911 Carrera RS 2.7, 1973 Chassis # 9113600584 Nur ein halbes Jahr hatte die Entwicklung des RS gedauert. Der Motor war aufgebohrt und der prägende Heckspoiler, der „Bürzel“, nach ein paar Tagen im Windkanal fertig geworden: Ingenieure und Designer hatten ihn in schlichter Modellbau-Handarbeit gemeinsam entworfen. Für jedes Einzelteil hatte die Vorgabe gegolten, dass das Gesamtpaket siegfähig sein musste. Dass der neue Elfer den Alltag in Art und Weise eines Rennwagens bewältigte, wurde akzeptiert. Die Stammkundschaft war ja einiges gewöhnt. Es gab einen Kofferraum, zwei Sitze und 210 PS aus 2,7 Liter Hubraum. Die standen 960 Kilogramm Leergewicht bei der Leichtbau-Version gegenüber. Damit ging der pure RS 240 km/h Spitze und tankte trotzdem nur Normalbenzin, wenn auch davon reichlich. Aber rauchten und soffen damals nicht alle? Es war eben alles der Zweckmäßigkeit unterworfen, wer einen Carrera RS 2.7 fahren wollte, musste sich einfügen. Den 911 Carrera RS 2.7 baute Porsche nicht zum Angeben, sondern um damit Rennen in der Gruppe 4 (Spezial-GT) zu gewinnen. Seine Siege sollten auf die Serie abstrahlen und den Verkauf der zahmeren Modelle ankurbeln, aber um starten zu dürfen, musste er erst einmal in Serie gefertigt werden. 1‘000 Stück in zwölf Monaten. Kompliziert.

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Um die Homologation, die Zulassung für den Rennsport, nicht zu gefährden, haute Porsche den Carrera RS 2.7 quasi zum Selbstkostenpreis raus. Gerade einmal 2‘500 Mark Aufpreis waren im Vergleich zum 911 S zu bezahlen. Ein Rennwagen mit Straßenzulassung, das hatte es seit dem Porsche 356 mit dem Vier-NockenwellenMotor des 550 Spyder nicht mehr gegeben. Schnell, bezahlbar, verfügbar – die Renn- und Herrenfahrer griffen begeistert zu. 1580 Carrera RS 2.7 wurden gebaut, und der Kreis derer, die einen besitzen oder auch nur fahren durften, blieb zeitlebens klein. Aber es ist wahr: Der alte Alpha-Elfer gewinnt Zuneigung allein durch seine schiere Präsenz. Auch ein 300 SL Flügeltürer besitzt diese faszinierende Bedingungslosigkeit, es ist die Mischung aus technischer Kompetenz gepaart mit der Reduzierung aufs maximal Nötige und dem Mut des Gestalters, der Betrachter wissen lässt: Das ist was ganz Großes. Ein Rennwagen, der zum Brötchenholen taugt und einen seltsamen Plastikschwanz spazieren fährt – diese Kombination hat sich wie die signalfarbige Negativ-Beschriftung in die kollektive Wahrnehmung eingebrannt. Der Entwurf von Chef-Designer Anatole Lapine hat Vorbild-Charakter. Bis heute.


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