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Klimarettung durch Holz

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Super, Holz

Super, Holz

Wie ein Industriezweig zum Klimaretter werden kann

Ein Gedankenexperiment zur Nutzung nachwachsender Rohstoffe

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Autor: Richard Fitzthum Mitautor: Stefan Ebner / Fotos: Freepik.com

1m³ Holz bindet 1 Tonne CO2. Diese etwas saloppe Aussage dürfte jeder und jedem Studierenden auf der BOKU wahrscheinlich bekannt sein. Natürlich bindet Holz eigentlich kein CO2 sondern Kohlenstoff – aber zur Synthese von 1 m³ Holz im Zuge der Photosynthese muss ein Baum rund 1 Tonne CO2 aus der Atmosphäre aufnehmen. Bäume sind also das wohl einfachste und effizienteste CO2 Filtergerät, welches wir aktuell, und vermutlich auch in naher Zukunft, haben. Der Haken an der Sache ist, dass dieses aus der Atmosphäre entfernte CO2 im Zuge der Verbrennung von Holz wieder in die Atmosphäre zurückgegeben wird. Dasselbe passiert auch beim Abbau der Holzmasse im Wald durch Destruenten. Damit wird klar, dass die CO2 Bilanz von außer Nutzung gestellten Wäldern grundsätzlich nicht besser ist als jene von unter Nutzung stehenden Wirtschaftswäldern. Ganz im Gegenteil, langfristig gesehen haben „Urwälder“ eine CO2 Bilanz von 0.

Wie kann also die Nutzung von nachwachsenden Rohstoffen wie Holz eine positive Wirkung auf unser Klima haben? Die Antwort ist recht einfach – es geht um den „Stock“ – also um die Speicherwirkung von sich im Umlauf befindlichem Holz. Wie kann man sich das alles vorstellen? Wir haben seit dem Jahr 1850 ca. 2400 Gigatonnen CO2 in die Atmosphäre ausgestoßen [1]. Diese sind, unter anderem, für die aktuell herrschende Klimakrise verantwortlich. Kohlenstoff, der in Form von Erdöl, Erdgas und Kohle in der Erdkruste gebunden war, wurde von der Menschheit in den letzten knapp 200 Jahren verbrannt und damit der Atmosphäre in Form von CO2 zugeführt. Wenn wir die Klimakrise also bewältigen wollen, müssen wir einerseits unseren CO2 Ausstoß stark verringern oder/und CO2 wieder aus der Atmosphäre entfernen und in einen langfristigen CO2-Speicher überführen. Holz ist so ein Speicher und Bäume übernehmen für uns die Arbeit der Umwandlung von CO2 in das Speichermedium. Wie können wir aber einen derartigen Holzspeicher aufbauen?

Grundsätzlich könnte man die immer wieder diskutierte Maßnahme der großflächigen Aufforstung von Nichtwaldflächen in Betracht ziehen. Wir können eine kurze (sehr vereinfachte) überschlagsmäßige Berechnung durchführen wie viel wir aufforsten müssten, um die gesamten von uns ausgestoßenen Mengen an CO2 (2400 Gigatonnen) wieder im zusätzlichen Speicher Wald zu binden: Annahmen: 337 VFm/ha mittleres Holzvolumen eines österreichischen Waldbestandes [2]; 1m³ Holzmasse = 1 Tonne CO2; globale Waldfläche aktuell = 4 058,1 Mio ha [3] Damit wären zusätzlich

2400 Gigatonnen CO2 (337 VFm/ha*1 Tonne CO2/m3 Holz = 7121,66 Mio ha globale Waldfläche notwendig, damit die gesamte von uns ausgestoßene CO2 Menge im Speicher Wald gebunden werden könnte. Das sind ist etwa das 1,75-fache der aktuellen global vorhandenen Waldfläche! Dabei müsste wohl selbst die Umsetzbarkeit einer 25%igen Erhöhung der globalen Waldfläche in Frage gestellt werden. Und die Zeitspanne, die ein Wald braucht, um einen solchen Holzvorrat aufzubauen, ist dabei noch gar nicht berücksichtigt. Von der dazu benötigten Dauer will ich hier noch gar nicht reden.

Eine weitere mögliche Speichermaßnahme wäre die vermehrte Verwendung von Holzprodukten. Denn es macht für die langfristige Kohlenstoffspeicherung keinen Unterschied, ob dieser in Bäumen oder in verarbeiteten Holzprodukten steckt. Man stelle sich vereinfacht vor, jedes Gebäude und jedes Fahrzeug auf dieser Erde würde zu 50% aus Holz bestehen. Das wäre eine Riesenmenge an Holz und damit an gebundenen Kohlenstoff, der da weltweit an der Erdoberfläche „herumliegenherumstehen und herumfahren“ würde. Synthetisiert wäre dieser gebundene Kohlenstoff im Holz irgendwann aus CO2 aus der Atmosphäre geworden. Weiters würden wir damit große globale CO2 Emittenten wie die Zementproduktion Zement- oder die Stahlproduktion einbremsen können.

Mit der Verwendung von Holzprodukten können wir also „zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen“. Grundvoraussetzung dafür ist natürlich eine nachhaltige Nutzung des Rohstoffes Holz, was bedeutet, dass in einer Zeitperiode nicht mehr Holz entnommen werden darf als in derselben Zeitperiode nachwächst. Wieder können wir eine sehr einfache und überschlagsmäßige Berechnung zur Veranschaulichung durchführen:

Annahmen: 2 800 Mio. Tonnen CO2 Emissionen/Jahr weltweit durch Zementproduktion [4]; 36 441 Mio. Tonnen Emissionen/Jahr weltweit gesamt [5] Die vereinfachte Berechnung zur Ermittlung des zukünftigenaktuellen CO2 „Stocks“ in der Atmosphäre beginnend bei 2400 Gigatonnen: x(i) = CO2 „Stock“ in Atmosphäre in bestimmtem Jahr x(i-1) = CO2“ „Stock“ in Atmosphäre des vorherigen Jahres c = CO2 Emissionen/Jahr weltweit ohne Zementproduktion (eine jährliche Verringerung um 10% lt. EU-Ziel ist miteinberechnet lt. EU-Ziel [6]) e = CO2 Emissionen/Jahr durch Zementproduktion v = Anteil der Verdrängung Substitution von Beton durch Holz w = Waldfläche global gesamt n = Anteil Ertragswald an der gesamtenr Waldfläche z = Zuwachs in VFm / ha und Jahr a = Ausbeute nutzbares Holz aus VFm k = Anteil des jährlichen nutzbaren Holzes, das jährlich verbrannt wird (zur Berechnung des Netto-Zuwachses des „Holz-Stocks“)

x(i)=x(i-1)+c+(e*(1-v))-(w*n*z*a*(1-k))

Als veränderbare Entscheidungsvariablen setzen wir dabei v, n, z, a und k. Da wir wissen wollen, welches Potential ein Kohlenstoffspeicher durch Holzprodukte hat, werden wir nun sehr optimistische Werte für die Entscheidungsvariablen wählen – und zwar: v = 0.75, n = 0.9, z = 20, a = 0.85, k = 0.1 Simuliert man die Entwicklung mit diesen statischen Werten, und durch Verwendung dieser sehr vereinfachten Berechnung zum Beispiel mithilfe eines Python-Codes, dann können die 2400 Gigatonnen CO2 in nur 51 Jahren vollständig im langfristigen Speicher Holzprodukte in Form von Kohlenstoff Holzprodukten gebunden werden. Das heißt nicht nur, dass wir damit eine Klimakatastrophe verhindern können, sondern dass in 51 Jahren die CO2 Konzentration in der Atmosphäre auf vorindustriellem Niveau (Jahr 1850) liegen würde. Oder anders gedacht: wir könnten damit vielleicht auch eine Klimakatastrophe wahrscheinlich recht leicht vermeiden, wenn das Ziel der jährlichen Reduktion des CO2 Ausstoßes um 10% nicht erreicht wird.

Nun betrachten wir die Gesamtsituation sehr pessimistisch (keine forcierte Nutzung des nachhaltigen Rohstoffes) und rechnen mit folgenden Entscheidungsvariablen: v = 0.25, n = 0.5, z = 5, a = 0.5, k = 0.9 In diesem Fall würde das CO2-Niveau in der Atmosphäre laufend steigen, obwohl eine jährliche Reduktion der CO2-Emissionen um 10% (mit Ausnahme jener bei der Zementproduktion) hier eingerechnet ist. Der gleichbleibende Ausstoß der Zementproduktion allein würde demnach die CO2 Konzentration in der Atmosphäre weiter steigen lassen. Zum Abschluss eine eher moderate Einschätzung: v = 0.5, n = 0.7, z=10, a=0.7, k=0.5 Mit diesen Entscheidungsvariablen würde es gelingen, die 2400 Gigatonnen CO2 in 322 Jahren vollständig aus der Atmosphäre zu entfernen und in Holzprodukte zu binden.

Diese experimentellen Berechnungen sollen keineswegs einen Anspruch daraufstellen, in wissenschaftlichem Sinne korrekt zu sein oder die realen Gegebenheiten detailgetreu abzubilden. Jedoch kann dieses rechnerische Gedankenexperiment einen wichtigen Beitrag

Abbildung 1: Entwicklung der gegenüber dem Jahr 1850 erhöhten CO2-Konzentration in der Atmosphäre bei starker Forcierung der Nutzung nachwachsender Rohstoffe wie Holz (stark vereinfacht)

y-Achse: menschengemachter CO2 „Stock“ in Teratonnen; x-Achse: Jahre ab heute (0) Abbildung 2: Entwicklung der gegenüber dem Jahr 1850 erhöhten CO2-Konzentration in der Atmosphäre bei ausbleibender Forcierung der Nutzung nachwachsender Rohstoffe wie Holz (stark vereinfacht)

y-Achse: menschengemachter CO2 „Stock“ in Teratonnen; x-Achse: Jahre ab heute (0)

Abbildung 3: Entwicklung der gegenüber dem Jahr 1850 erhöhten CO2-Konzentration in der Atmosphäre bei moderater Forcierung der Nutzung nachwachsender Rohstoffe wie Holz (stark vereinfacht)

y-Achse: menschengemachter CO2 „Stock“ der Atmosphäre in Teratonnen; x-Achse: Jahre ab heute (0)

dazu leisten, die Wirkung der Nutzung von Holzprodukten anschaulich vorzuführen. Mit der, dafür verwendeten, recht einfachen Berechnungsformel wird auch sofort klar, welche Entscheidungspunkte für uns in dieser Hinsicht bestehen:

• Damit „v“ möglichst hoch wird, muss es gelingen den Klimasünder Beton durch klimafreundlichere Baustoffe wie Holz zu substituieren. Hier sind neben politischen Rahmenbedingungen (im EU-Green Deal wird bereits eine

Überarbeitung der Bauprodukteverordnung zugunsten von nachhaltigen

Baumaterialien angekündigt) auch eine stärkere Innovationsfreudigkeit in der Holzverarbeitenden Industrie unbedingt notwendig. Erst dadurch kann der Baustoff Holz auf breiter Ebene konkurrenzfähig werden und auch bleiben. Gut ausgebildete Absolvent*innen unserer Universität für Bodenkultur leisten dazu einen wichtigen Beitrag.

• Damit „n“ steigt, muss die Waldfläche von nachhaltig genutzten Wirtschaftswäldern erhöht werden. Je größer die Rohstoffquelle, desto größer ist auch der jährlich mögliche Speicherzuwachs an Holzprodukten im Umlauf.

• Damit „z“ möglichst hoch wird, muss der globale Holzzuwachs erhöht werden. Von der richtigen Baumartenwahl bis hin zum professionellen Waldmanagement gibt es zu diesem Punkt vielerlei verschiedene Ansätze. In Österreich sind etwa 50% der Waldfläche im Eigentum von Kleinwaldbesitzer*innen [7]. Eine Unterstützung dieser bei der fachlich korrekten und nachhaltigen Bewirtschaftung ist beispielsweise ein zentrales Aufgabengebiet der österreichischen Forst- und Holzbranche. Auch die allgemein eher negativ behaftete Plantagenwirtschaft auf äußerst produktiven Standorten mit Zuwächsen von 20 bis 40 VFm pro ha und Jahr [8] könnte zur ökonomischen Entlastung von Wäldern beitragen.

• Damit „a“ möglichst groß wird, sind neben der Baumartenwahl vor allem die forsttechnischen Aspekte entscheidend. Die standortsangepasste

Ernte- und Bringungsverfahren sowie die Ausformung der Bäume zu einzelnen, transportfähigen Einheiten sind ausschlaggebend für einen niedrigen

Ernteverlust.

• Damit „k“ möglichst hoch wird, ist eine möglichst kaskadische und effiziente Nutzung des Rohstoffs das oberste Ziel. Holz und andere Produkte aus nachwachsenden Rohstoffen sollen erst dann verbrannt werden, wenn keine andere Verwendungsmöglichkeit mehr besteht. In jedem Verarbeitungsschritt muss das Maximum an Wertschöpfung erreicht werden. Wiederverwendung sowie intelligentes Recycling sind hier genauso wichtig wie technologischer Fortschritt in der gesamten Verarbeitungskette von Holzprodukten. Dazu braucht es Unternehmen, die erfolgreich auf Innovation setzen und damit zu „Role Models“ für die gesamte Holzbranche werden können. Genauso sind staatliche Investitionen in universitäre Holzforschung notwendig, um (anwendungsorientierte) Grundlagenforschung in diesem wichtigen Bereich zu fördern.

Zur Erreichung oben erwähnter Maßnahmen sind Aktionen von politischer Seite unerlässlich. Trotzdem kann jede und jeder von uns seinen Beitrag dazu leisten, wenn sie oder er die Relevanz von Holzprodukten zur Bekämpfung der Klimakriese verinnerlicht hat und eine klimafreundliche und nachhaltige Lebensweise verfolgt. Ohne einer Forcierung der nachhaltigen Nutzung des Rohstoffes Holz im Sinne der Bioökonomie werden wir den globalen Klimawandel nicht ansatzweise bekämpfen können.

Quellen: [1]: https://www.theworldcounts.com/challenges/climate-change/global-warming/global-co2-emissions/story | [2]: https://www.proholz.at/zuschnitt/51/der-oesterreichische-wald | [3]: https://de.statista.com/statistik/daten/studie/37118/umfrage/waldbestand-weltweit/ | [4]: https://www.handelsblatt.com/unternehmen/energie/klimaschutz-klimakiller-beton-so-will-die-deutsche-zementindustrie-co2-neutral-werden-/26652040.html?ticket=ST-8208198-TWafUcnNEKukFfcy64ki-ap3#:~:text=Global%20werden%20j%C3%A4hrlich%20 %C3%BCber%204,Flugverkehr%20und%20Rechenzentren%20zusammen%20aussto%C3%9Fen. | [5]: https://de.statista.com/statistik/daten/studie/37187/umfrage/der-weltweite-co2-ausstoss-seit-1751/ | [6]: https://ec.europa.eu/clima/policies/strategies/2030_de | [7]: http://bfw.ac.at/cms_stamm/050/PDF/folder_wem_gehoert_oesterreichs_wald_end.pdf | [8]: https:// www.winterkolloquium.uni-freiburg.de/WK-Vortraege/2014/pircher_kurzfassung.pdf

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