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Wohnen mitten im Wald: Die Forest Citys

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Autofreie Städte

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Wenn Donald Trump etwas kann, dann als großartige Meme-Vorlagen dienen. Vergangenen September ließ er die österreichischen Social Media Plattformen mit seinem Forest-City-Sager zum Explodieren bringen. Dass bereits in einigen Architekturkreisen Forest Citys in aller Munde sind, dürfte sogar Trump überraschen.

Autorin: Christiane Hörmann / Fotos: wikimedia.org, Dovas – boredpanda.com, tefano Boeri Architetti

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Mit Wien als Vorzeige-Waldstadt zog Trump einen Vergleich zu den damals aktuellen Bränden im Kalifornischen US-Bundestadt. Laut Proholz sind ca. 20 % der Fläche Wiens mit Bäumen überdeckt, was allerdings einem Großteil dem Wiener Wald und der Lobau am Stadtrand zu verdanken ist. Dass Wien wächst, liegt auf der Hand: Auf 2,15 Mio. soll die Zahl der Einwohner*innen bis 2050 zunehmen – das sind ca. 250.000 Menschen mehr als 2020. Das passt auch zu den allgemeinen Prognosen, laut derer 70 % der Menschen bis 2050 in den Metropolen dieser Erde leben sollen. Der große Bedarf an Wohnfläche steht demnach in Konkurrenz zur Stadtnatur, die nach und nach zurückgedrängt wird. Wie der Wohnraumbedarf mit der Erhaltung des Stadtgrüns Hand in Hand gehen könnte, zeigte bereits Friedensreich Hundertwasser in den 80er Jahren, der mit seinem begrünten Hundertwasserhaus im 3. Wiener Gemeindebezirk seinem Zeitgeist lange voraus war. In der Gegenwart angekommen beweisen weitere Projekte, wie sich das Stadtbild wieder mit der Natur vereinen lassen kann.

Der vertikale Wald in Mailand

Mit dem Pflanzen von Tausenden von Bäumen in den Straßen Wiens möchte die Stadt unter dem Motto „Cooles Wien“ Maßnahmen gegen Hitzeinseln setzen. Mailand hingegen sorgt mit seinem Vorzeigeprojekt, dem „Bosco Verticale“, regelrecht für Dschungel-Feeling und bringt kühlende Bäume direkt in die Häuser. Mit zwei Wohnhäusern zu je 80 u. 112 Metern Höhe brachte der italienische Architekt Stefano Boeri ein großes Stück Natur inmitten der Metropole, indem er die beiden Türme mit 800 Bäumen an den Außenfassaden errichten ließ. Weitere 5.000 Sträucher und 15.000 mehrjährige bzw. bodendeckende Pflanzen sorgen zusammen mit den Bäumen für einen 30.000 Quadratmeter großen vertikalen Wald. Das gleicht in etwa einer Fläche von vier Fußballfeldern. Mittlerweile ist das Bauprojekt sechs Jahre alt und bietet neben einem angenehmen Mikroklima und sauberer Luft ein Zuhause für Menschen und Artenreichtum.

Bosco Verticale in Mailand von Stefano Boeri Luciano Pia’s Baumhaus in Turin

Ein Baumhaus in Turin

Laut dem Psychiater Meyer-Lindenberg seien Städte große Risikofaktoren für die seelische Gesundheit. Einer US-Studie zufolge sollen dagegen Bäume in der Stadt psychischen Krankheiten wie Depressionen entgegenwirken. Menschen in Städten einen grünen Wohnraum zu geben, hat sich auch der Architekt Luciano Pia gedacht. In Turin ließ er ein Gebäude errichten, das die Träume eines jeden Kindes wahr werden lässt. Das 2012 fertig gestellte Baumhaus mit etwa 60 Wohnungen umfasst 150 Bäume und eine Holzfassade aus Lärche. Die aus Metall und Holz bestehende Konstruktion wirkt, als hätte man sich mitten im Stadttrubel plötzlich in einen Wald verlaufen. Auf den Terrassen sind Bäume verwurzelt und üppige

Gärten bedecken die Dächer. Weitere 50 Bäume spenden im Hof angenehmen Schatten. Der Architekt betont die Wichtigkeit für die Lärmreduktion der anliegenden Industrie, die Sauerstoffproduktion sowie die Verringerung der Luftverschmutzung. Das Mikroklima, das durch die Gebäude geschaffen wurde, soll die Temperaturänderungen in den Sommer- u. Wintermonaten schmälern. Außerdem wird das Regenwasser vom Dach für die Bewässerung genutzt sowie Geothermie zum Heizen eingesetzt.

Grüne Zukunftsmusik

Auch der Architekt Vincent Callebaut hat sich mit seinem grünen Turm bei dem Designwettbewerb Imagine Angers beim Publikumsvoting durchgesetzt. Arboricole, was so viel heißt wie Baum und Kultivierung, nennt er seinen Konzeptentwurf für die Stadt im Westen Frankreichs. Der Entwurf gibt sowohl Büroräumen als auch Restaurants und Wohnungen Platz, inmitten einer Baumfassadeaus begrünten Gartenbalkonen. Sonnenkollektoren am Dach sollen die Energieeffizienz des Gebäudes unterstreichen. Vielfalt, Flexibilität sowie ein besseres Zusammenleben mit den hängenden Gärten seien ihm dabei wichtige Ziele gewesen.

Es ist unbestritten, dass die klimatischen Veränderungen in den nächsten Jahrzehnten insbesondere das Stadtklima stark treffen werden. Begrünte Fassaden können die gefühlte Temperatur in den Straßen um bis zu 13 °C senken. Die zusätzliche Säuberung der Atemluft ist ein schöner Nebeneffekt, der auch der südchinesischen Stadt Liuzhou künftig zugutekommen könnte. Mit Forest City Liuzhou hat nämlich Stefano Boeri einen Stadtteil geplant, der durch und durch aus vertikalen Wäldern besteht: Eine Stadt, in der Büros, Häuser, Hotels, Krankenhäuser und Schulen mit 40.000 Bäumen und 1 Mio. Pflanzen bedeckt werden sollen. Nach ihrer Fertigstellung wird der neue Stadtteil 30.000 Menschen beherbergen, fast 10.000 Tonnen CO2 und 57 Tonnen Schadstoffe pro Jahr absorbieren sowie 900 Tonnen Sauerstoff produzieren. Das Großprojekt ist für die nächsten Jahre angesetzt und wird damit als erste Forest City die Wälder zurück in die Stadt bringen. Dass damit eine neue Ära der Stadtarchitektur eingeläutet werden könnte, bleibt zu hoffen. Die Projekte grüner Architekten und Architektinnen bestätigten auf jeden Fall, dass sich die Bedürfnisse nach Wohnraum und Natur nicht ausschließen müssen.

Interessante Links

Studie – Bäume u. Psyche

www.t1p.de/ddf8

Stefano Boeri

www.stefanoboeriarchitetti.net

Luciano Pia www.lucianopia.it

Vincent Callebaut

vincent.callebaut.org

Quellen: wikimedia.org, https://en.wikipedia.org/wiki/Bosco_Verticale | Dovas – boredpanda.com, https://www.boredpanda.com/urban-treehouse-green-architecture-25-verde-luciano-pia-turin-italy/ | Stefano Boeri Architetti, https://www.stefanoboeriarchitetti.net/en/project/liuzhou-forest-city/

Forest City Liuzhou von Stefano Boeri

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