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Unisextoiletten an der BOKU

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Trude Trautsich

Trude Trautsich

Unisextoiletten für mehr Inklusion an der Universität für Bodenkultur!

Autor*innen: Jay Kollegger und Nora Vogel (Queer-Referat) / Fotos: Nora Vogel

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«Ich muss mal.» - Ein alltägliches Bedürfnis, das für viele ohne große Aufregung befriedigt werden kann - aber nicht für alle. Menschen, die sich klar als weiblich oder männlich identifizieren und deren persönliche Geschlechtsidentifikation mit dem biologischen Geschlecht übereinstimmt, müssen nicht bei jedem Toilettengang überlegen, wo sie aufs Klo gehen und wer sich eventuell noch in der Toilettenanlage befinden könnte. Denn für diese Personengruppe gibt es geschlechtergetrennte Toiletten. Für Menschen, zu deren Erscheinungsbild die gängigen Geschlechterbilder nicht passen, kann es jedoch zu diskriminierenden und ausgrenzenden Erlebnissen kommen. Trans-, intergeschlechtliche und nicht-binäre Menschen erfahren nicht selten Beleidigungen, Raumverweise und sogar Gewaltandrohungen. Die Frage „Wie gut gehe ich als Mann oder Frau durch?“ sollte nicht ausschlaggebend für die Entscheidung sein, welches Klo benützt wird.

Außerdem würden nicht nur Menschen außerhalb des binären Geschlechtersystems von einem neuen Konzept der „Toilettenpolitik“ profitieren. Zum Beispiel ist bei Veranstaltungen oft zu beobachten, dass sich vor dem Frauenklo eine kilometerlange Schlange bildet, während es am Männerklo oft leer bleibt. Es ist unklar, wieso dies logistisch nicht gelöst wird und es bei jedem Anlass zum selben Problem kommt.

Längst ist bekannt, wenn auch noch nicht flächendeckend gesellschaftlich akzeptiert, dass es mehr als nur zwei Geschlechter gibt. Doch dies wird in der Sprache, in der „Toilettenpolitik“ und überall sonst vernachlässigt und unter den Teppich gekehrt. Ein gutes Beispiel ist die Begrüßung des Bundeskanzlers, der am Nationalfeiertag seine Mitbürger*innen mit «Sehr geehrte Damen und Herren» begrüßte und somit der ganzen Bevölkerung Binarität unterstellt. Wenn wir von Unisextoiletten reden, geht es nicht nur um die Toiletten per se. Natürlich sind sie extrem wichtig für mehr Inklusion an der BOKU, aber für die Queer Community und Verbündete sind sie oft nur der Gipfel des Eisberges.

In der Debatte um Unisextoiletten geht es um weit mehr, insbesondere um sprachliche Inklusion im Universitätsalltag. Beinahe jedes Formular der BOKU verfügt über ein Feld, in dem das Geschlecht angekreuzt werden muss, fast jede Mail beginnt mit «Sehr geehrte/r Frau/Herr...» Diese Anrede wird oft aufgrund des Vornamens gewählt, ohne zu hinterfragen, ob sich jemand dadurch diskriminiert fühlen könnte. Bei der Anwesenheitsliste im Hörsaal wird so manche Person unfreiwillig geoutet, sei es, weil der Name auf dem Pass nicht mit dem selbstgewählten Namen übereinstimmt, weil das biologische Geschlecht nicht mit der eigenen Geschlechtsidentifikation übereinstimmt oder weil sich eine Person mit keinem Geschlecht identifiziert, d.h. nicht-binär ist, und somit weder als Frau M. Muster noch als Herr M. Muster aufgerufen werden möchte.

Gesetzlich erging in Österreich am 20.12.2018 ein Erlass des Innenmi-

nisteriums an alle Ämter der Landesregierung inkl. MA 35 und 63 in Wien, dass es möglich sein muss, beim «Geschlecht» die Kategorie «divers» und «offen» anzugeben. Dies kann jedoch nur unter Vorlage eines medizinischen Gutachtens gewährleistet werden. Diese Anpassung erfolgte aufgrund eines Gerichtsbeschlusses des österreichischen Verfassungsgerichtshofs kriminierende Lösung gibt. Dazu zählen Trans*Personen genauso wie nicht-binäre Personen. Jeder Versuch, diese queeren Geschlechtsidentitäten in eine Schublade zu pressen, wird solange scheitern, bis die Binarität unserer Gesellschaft sich verflüchtigt und die Grenzen zwischen männlich, weiblich und divers ineinander verschwimmen und verschwinden.

Worterklärungen:

Nicht-Binär: : Eine Person, die sich weder als männlich noch weiblich identifiziert. Oft auch mit den englischen Bezeichnungen «genderqueer», «genderfluid» oder «non-binary» bezeichnet. Binär: Eine Person, die sich dem weiblichen oder männlichen Geschlecht zugehörig fühlt. Trans*Person: Eine Person, die sich nicht mit dem bei der Geburt zugewiesenen Geschlecht identifiziert. Queer: Ein Überbegriff für alle Geschlechteridentitäten, alle Personen, die sich der LGBTQIAA+ Community zugehörig fühlen. LGBTQIAA+/LSBTQIA+: L = Lesbian/Lesben, G/S = Gay/Schwul, B = Bisexuell, T = Transgender/Trans*Person, Q = Queer, I = Intersexuell*, A (1) = Asexuell, A (2) = Ally, Heteropersonen, die sich für die Queer Community einsetzen, + = Alle nicht erwähnten Geschlechteridentitäten, als Zeichen der Inklusion für alle

(VfGH) und ist nur für intersexuelle Personen zulässig, «für Menschen mit einer Variante der Geschlechtsentwicklung», welche medizinisch keine eindeutige Zuordnung einer Person zum männlichen oder weiblichen Geschlecht erlaubt. Bei der Geburt eines intersexuellen Kindes darf der Geschlechtseintrag «divers» hingegen nicht verwendet werden. Hier wird die Formulierung «offen» verwendet, was als unvollständige Eintragung gilt und ergänzt werden muss, «sobald eine Zuordnung zu einem Geschlecht möglich ist».

Wir befinden uns nun in einer Situation, in welcher wir Frauen*, Männer* und intersexuelle* Personen gesetzlich einordnen können. Zum Glück ist das „Schubladisieren“ für die Behörden diesmal glimpflich verlaufen. Jedoch bleiben immer noch zahlreiche Geschlechtsidentitäten auf der Strecke, da es für sie bis heute keine nichtdisDeshalb sind Unisextoiletten an jeder Universität, in jedem Lokal und überall ein Muss. Sie sind das Mindeste, das getan werden muss, um dieser Diskriminierung entgegenzuwirken und den Studierenden* sowie Mitarbeitenden* ein sichereres Umfeld zu bieten. Auch sind sie eine Möglichkeit, nicht von dieser Art der Diskriminierung betroffene Personen zu sensibilisieren und somit diskriminierenden Situationen entgegenzuwirken.

Während Geschlechterdiversität die Realität ist, bleiben Unisextoiletten an der BOKU weiterhin ein Traum. Im neueröffneten Ilse-Wallentin-Holzbau finden sich Ansätze einer Unisextoilettenanlage, indem beim barrierefreien Klo ein «All-gender»-Zeichen hinzugefügt wurde. Jedoch gibt es daneben ein Männer- und ein Frauen-WC, wodurch die Toiletten weiterhin eine klare Binarität aufweisen und die «Pseudoinklusion» umso spürbarer wird. Denn nun haben wir ein Frauen*/Männer*klo für die «Normalen» und ein Klo für die «Anderen, die nicht ins Bild passen». Hier wurde eine Chance verpasst, zusätzlich Unisextoiletten direkt beim Bau miteinzuplanen und aktiv gegen die anhaltende Diskriminierung vorzugehen. Bei schon vorhandenen WC-Anlagen wäre die einfachste Maßnahme die Umbenennung von Einpersonenanlagen in „WC für alle Geschlechter“ oder einfach nur in „WC“, ggf. mit einem Hinweis, dass das WC mit einem Urinal ausgestattet ist. Sind mehr Kabinen in einem Raum für Männer* oder Frauen* vorhanden als gesetzlich vorgeschrieben, kann der Rest mit einer baulichen Anpassung zu „Toiletten für alle“ umgebaut werden. In einem Universitätsgebäude, in dem es in jedem Stockwerk mehrere Toilettenanlagen gibt, wäre es ein Leichtes, zumindest in einem Stockwerk Unisextoiletten auszuschreiben und darauf hinzuweisen. (Erst kürzlich so vorgefunden an einem Institut der Universität Wien.) Dass ein WC für Menschen mit Mobilitätsbeeinträchtigung von Menschen, die diese Bedürfnisse nicht teilen, besetzt wird, kann auf lange Sicht keine Lösung sein. Wo sollen trans* und nicht-binäre Menschen Platz zum Leben haben, wenn nicht mal ein geschützter Ort, um sich zu erleichtern, geschaffen werden kann?

Dass Toiletten auch ohne Diskriminierung funktionieren, kann immer öfter in skandinavischen Ländern, Australien, einigen US-Staaten, in Flugzeugen und Bahnen, sowie an barrierefreien Toiletten gesehen werden.

Selbst wenn die jetzige Ausführung noch nicht optimal ist, gibt es zumindest im neuen Gebäude Toiletten für alle Geschlechteridentitäten. Auch wenn wir bezweifeln, dass wir künftig, wenn wir dringend aufs Klo müssen, vom Mendelhaus ins Wallentinhaus rennen werden, um uns zu erleichtern. Das Queerreferat ist beständig in Kontakt mit dem Rektorat, um solche Probleme aus der Welt zu schaffen und einen geschützten Raum für alle zu ermöglichen.

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