
3 minute read
Das neue Ilse Wallentin Gebäude
from ÖH Winter Magazin
by ÖH_Magazin
Das neue Wallentin Haus, ein Bauwerk der Gleichberechtigung?
Die Türkenschanze hat mit dem Wallentin Haus ihr erstes nach einer Frau* benanntes Gebäude. Auszeichnungen und Lobpreisungen hat es bereits erhalten. Was dahinter steckt und was das Ganze mit der Gleichstellung von Frauen und Männern zu tun hat, erfahrt ihr hier.
Advertisement
Autor: Daniel Doublier
Benannt nach Ilse Wallentin, der ersten Dissertantin der BOKU im Jahre 1923/24, stehen im neuen Gebäude der BOKU ab sofort etwa 3200 m² an zusätzlichen Flächen für Lehre und Forschung zur Verfügung. Auch die BOKU FoodCoop hat sich bereits erfolgreich im Haus eingerichtet. Das von außen hauptsächlich aus unbehandeltem Lärchenholz konstruierte Gebäude, in welchem im Innenbereich nicht auf den „Klimakiller“ Beton verzichtet wurde, hat von der Initiative „klimaaktiv“ des neuen „Umweltministeriums“ den Goldstatus erlangt, und zwar mit 965 von 1000 möglichen Punkten. Das Gebäude stellt zudem eine weitere Besonderheit dar: erstmalig an der Türkenschanze wurde kein Mann* zur Namensgebung herangezogen.
Um der bisherigen, männlich geprägten Gebäudetradition des Rektorats zuvorzukommen, nutzte ich nämlich als Senatsmitglied mein Vorschlagsrecht bei Gebäudebenennungen gegenüber dem Rektorat. Der vermeintlichen Begründung, dass es einfach keine geeigneten Frauen* gäbe, kam ich damit zuvor, dass eine Handvoll Frauen* mit Bezug zur BOKU an das Rektorat kommuniziert wurde. Durch diese nachdrückliche Initiative der studentischen Mitglieder im Senat und die Unterstützung des restlichen Senats wurde das Rektorat schließlich überzeugt, endlich das erste Gebäude an der Türkenschanze nach einer Frau* zu benennen. Nach dem Inge Dirmhirn Haus in Tulln, ist das Wallentin Gebäude damit überhaupt erst das zweite Gebäude der BOKU, das nicht nach einem Mann* benannt wurde. Dieser Umstand kommt jedoch nicht ganz überraschend.
100 Jahre Frauenstudium, doch von Gleichberechtigung weit entfernt
Diskriminierung ist in unserem Gesellschaftssystem noch immer tief verankert. Auch an der BOKU ist die Ungleichheit von Frau* bis Mann* institutionell verankert. Ein Beispiel dafür ist die Ehrung der Gebäudebenennung, die in der Satzung der BOKU (§158) geregelt ist. Laut dieser werden Gebäude vom Rektorat nur nach verstorbenen Personen, die an der BOKU gewirkt haben und „auf Grund ihrer wissenschaftlichen Leistungen anhaltend hohes Ansehen genießen“, benannt. Da Männer* schon wesentlich länger an der BOKU zum Studium zugelassen sind, ist es natürlich wesentlich leichter, einen toten Mann* zu finden, um ihm diese Ehre zuteilwerden zu lassen. Das, obwohl heute lebende Frauen* in der Forschung ganz offensichtlich ebenfalls großartige Leistung erbringen. Doch laut Satzung ist an der BOKU offenbar weiter nur eine tote Frau* eine ehrenvolle Frau*.
So gab es in der Vergangenheit bereits die Überlegung, das damals noch nicht benannte „Tüwi-Gebäude“ nach Em.O.Univ.Prof.in Dr.in phil Helga Kromp-Kolb zu benennen. Dies scheiterte aber wohl auch u.a. an der oben beschriebenen Regelung. Hinzu kommt, dass bei Männern die Voraussetzung des Wirkens an der BOKU nicht immer ernst genommen wurde. Gregor Johann Mendel, nach dem bekannterweise unser Hauptgebäude benannt wurde, war nie an der BOKU. Zwar an der BOKU gewirkt hat Adolf Ritter von Guttenberg, ob die BOKU allerdings ein Gebäude nach einem Burschenschafter der Silvania Wien benannt haben möchte, die mit Jörg Haider ein weiteres prominentes Mitglied hatte, ist äußerst fragwürdig.
Aber zum Glück lassen sich selbst trotz der strukturell diskriminierenden Regelung herausragende, bereits verstorbene Frauen* finden, nach denen zukünftig neue Gebäude benannt werden können. Darunter sind zum Beispiel Helvig Schütte, Österreichs erste Diplomingenieurin, die 1936 ihr Studium an der BOKU abschloss, sowie weltweit überhaupt die erste Frau* war, die das Studium der Forstwirtschaft erfolgreich absolvierte. Oder die erste außerordentliche Studentin der BOKU, Hermine Stadler, aus dem Jahre 1877, und viele mehr.
Das alles zeigt, dass es noch ein weiter Weg sein wird, bis Gleichstellung auf allen Ebenen an der BOKU erreicht ist. Feiern wir also gemeinsam das Ilse Wallentin Haus und bleiben dabei aber widerständig und lästig, um auf die vielen offenen Problematiken weiterhin hinzuweisen.