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Bernhard Göschlberger

Social MicroLearning: Lernen außerhalb formaler Bildung Social MicroLearning versucht, in Zeiten des Social Web neue Formen informellen Lernens sichtbar zu machen. Bernhard Göschlberger ist seit September 2014 Doktorand für Technische Wissenschaften – Computer Science an der Johannes Kepler Universität Linz (JKU). Er hat sowohl ein Masterstudium für Recht und Wirtschaft für Techniker an der JKU abgeschlossen als auch für Software Engineering an der Fachhochschule Oberösterreich, Campus Hagenberg. Göschlberger ist seit 2011 auch für die Research Studios Austria FG tätig, wo er unter anderem in dem von der Forschungsförderungsgesellschaft (FFG) unterstützten Projekt »SOIL – Social Interactions in E-Learning« mitarbeitet. Göschlberger absolviert derzeit im Rahmen eines Marietta Blau-Studiums einen siebenmonatigen Aufenhtalt an der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule in Aachen. Weitere Infos unter www.goeschlberger.com

© Mikhail Fominykh

In unserem Kulturkreis wird der Begriff Bildung im Zuge von Bildungsdebatten regelmäßig auf Schule und Hochschule reduziert. Die Diskussion um die Digitalisierung der Bildung stellt hierbei keine Ausnahme dar. Das Für und Wider und die potenziellen Folgen der Nutzung von Tablets in Schulklassen, digitalen Schulbüchern und freien »Massive Open Online Courses« (sogenannten MOOCs) renommierter internationaler Universitäten stehen im Fokus der Aufmerksamkeit. Weder wird dies dem umfassenden Bildungsbegriff gerecht, der weit über Wissenserwerb hinausgeht, noch dem enger gefassten Begriff des Lernens. Schule, Universität und Weiterbildungseinrichtungen gehören jenem Bereich der Bildung an, den man unter dem Begriff formales Lernen zusammenfasst. Der überwiegende Teil menschlichen Lernens ist jedoch informell: Die Bandbreite reicht vom Lernen aus sozialer Interaktion über das Lernen aus Erfahrungen bis hin zum selbstgetriebenen Lernen. Letzteres findet oft spontan, aus einem unmittelbaren Bedürfnis nach einem bestimmten, in der aktuellen Situation benötigten Wissen statt. MicroLearning nutzt oftmals diesen Impuls und stellt Lernenden kleine, interaktive Lerninhalte (Wissens-Nuggets) zur Verfügung, die den akuten Wissensbedarf stillen, und koppelt diese Lernaktivität mit Mechanismen zur Festigung des Wissens im Langzeitgedächtnis. Diese Form des Lernens erfreut sich auch in Unternehmen als »Workplace Integrated MicroLearning«

wachsender Beliebtheit. Längst findet dort die digitale Transformation statt und digitale Lernformen erweitern und ergänzen das Bildungsangebot im Unternehmen. Lernende Communities Doch auch hierin lässt sich eine zu enge Sichtweise auf das Thema Lernen erkennen. Meist werden qualitätsgesicherte Inhalte von zentralen Stellen erstellt und Wissen hierarchisch von »oben« nach »unten« ausgerollt. Social MicroLearning folgt einem anderen Paradigma und stellt das Wissen aller in den Vordergrund. Anstelle klar verteilter Rollen von Lehrer/innen und Schüler/innen treten lernende Communities, die gemäß den eigenen Interessen voneinander lernen. Im Unternehmenskontext soll so ein integriertes Wissensmanagement gelingen, während im offenen globalen Einsatz sogenannte »Communities of Practice« frei Expertise und Wissen austauschen. George Siemens führt in seinem 2005 veröffentlichten Artikel »Connectivism: A Learning Theory for the Digital Age« dazu das Konzept des persönlichen Lernnetzwerks ein. Zentrale These dabei ist, dass menschliches Lernen in Netzwerken stattfindet: Menschen treten miteinander in Beziehung und Lernen voneinander. Meist geschieht dies über Artefakte (z. B. ein Buch oder einen Blog-Post), die als Mittler fungieren und Teil des Netzwerks sind (i. e. Akteur/in-Artefakt-Netzwerk). Social MicroLearning setzt interaktive Micro-Lerninhalte (z. B. Multiple-Choice-Quizfragen mit Erklärung) als Wissensartefakte ein. Lernende erstellen diese Inhalte, teilen sie oder suchen nach ihnen. Aus der Beobachtung der Interaktionen der Lernenden mit diesen Artefakten kann ein Teil ihres Lernnetzwerks modelliert werden. Social MicroLearning nutzt Bernhard Göschlberger ist als Forscher und Entwickler im MobileKnowledgeLab in Linz tätig.


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