NZZone (D)

Page 1


FESTIVAL DA JAZZ

Vom 3. bis 27. Juli 2025 wird St. Moritz zum Hotspot

SCHWERPUNKT | NZZ AM SONNTAG, 1. JUNI 2025

Von Jazz bis Gospel und Soul: Der charismatische Sänger Gregory Porter verzaubert mit seinem tiefen Bariton. (Foto: Erik Umphery)

EDITORIAL

Ein Habitué schwärmt …

Vielleicht bin ich gerade ganz in Ihrer Nähe, während Sie in dieser Beilage blättern. Schauen Sie von Ihrem Platz auf der Hauser­Terrasse einmal hinüber zur hintersten Tischreihe. Der braun gebrannte Herr im Polohemd mit dem Ginger ­ Spritz vor sich, der Ihnen gerade zuwinkt: Das bin ich. Ich bin zeitig gekommen, denn ich will den Auftritt von My Lena nicht verpassen. Ich liebe die Songs von Irving Berlin. «Blue Skies», «Cheek to Cheek» und «Alexander’s Ragtime Band»! Wissen Sie, ich bin ein Festival­ daJazz­Habitué. Ich gehe an jedes Konzert. Natürlich war ich gestern auch am Eröffnungsabend mit dem Jakob Manz Project. Meist enden meine St. Moritzer Abende im Dracula Club, manchmal auch in der Sunny Bar, aber beginnen tun sie fast immer auf der HauserTerrasse. Morgen und übermorgen zum Beispiel spielen hier ChaChaMania. Das Trio des Gitarristen Michael Bucher führt mich in ein buntes Märchen­Kuba. Besonders gespannt bin ich sodann auch auf die rätoromanische Sängerin Chiara Jacomet, die am 11. Juli auf den Flumser Flügelhornisten und Trompeter Samir Rachide sowie den Urner Gitarristen Elia Aregger trifft. Das Wiedersehen mit der afrikanischen Sängerin Justina Lee Brown, die 2024 den Swiss Blues Award gewonnen hat, wird am 13. Juli mein Herz höherschlagen lassen, wie auch vier Nachmittage später Eliane Amherd, die Pendlerin zwischen Jazz und Latin, dem Wallis und New York. Ja, die Frauen werden auch dieses Jahr besondere Akzente am Festival setzen. Zum Beispiel am 25. Juli Ursina, die Bündner Singer­Songwriterin, die im Englischen ebenso zu Hause ist wie im Rätoromanischen.

Ich gerate ins Schwärmen. Habe ich erwähnt, dass die Apéro ­Konzerte hier auf der Terrasse alle gratis sind? Aber keine Bange, später am Abend werde ich mein Geld schon noch los! Jetzt bin ich aber gleich still; die Musiker stimmen schon ihre Instrumente. Allegra!

Manfred Papst, Kulturjournalist und Jazzexperte

Das Scannapieco-Geremia-Quintett entwickelt den Hardbop der 1960er Jahre weiter.

Alle Türen offen

2021 hat das Festival da Jazz einen Wettbewerb für junge Musiker aus aller Welt lanciert. Heute ist das «New Generation #JazzLab» nicht mehr wegzudenken. Erstmals treten Mentoren und Sieger am gleichen Abend im Dracula Club auf. Von Manfred Papst

Die Idee ist so bestechend wie einfach: Das Festival da Jazz will nicht nur den Stars von heute, sondern auch jungen Talenten, die vielleicht die Stars von morgen sein werden, eine Bühne bieten. Deshalb lanciert es seit dem Jahr 2021 mit dem Hauptsponsor Jaguar das Projekt «New Generation #JazzLab». In seinem fünften Jahr hat sich der Wettbewerb fest in der internationalen Szene etabliert. Nicht weniger als 111 Bands aus 24 Nationen und fünf Kontinenten haben sich diesmal mit ihren DemoVideos und Dossiers um die beiden begehrten Plätze beworben; aus Europa, Nord­ und Südamerika, aus Asien und Australien kam elektronische Post in die Schweiz.

Die Cats von morgen

Die Ausschreibung richtet sich an junge Musikerinnen und Musiker im In ­ und Ausland, die Jazzschulen besuchen oder absolviert haben, sowie an Bands, deren Mitglieder im Durchschnitt nicht älter als dreissig Jahre sind und noch am Anfang ihrer Karriere stehen.

Neben dem Preisgeld in der Höhe von 5000 Franken und einem Auftritt am Festival, der professionell aufgezeichnet wird und somit zukünftig als Visitenkarte dienen kann, steht für die Nachwuchstalente eine fünftägige Masterclass mit erfahrenen Jazzgrössen im Vordergrund. Dort wird nicht nur Musikunterricht im engeren Sinn erteilt: Es geht auch darum, Strategien für eine erfolgreiche Karriere zu entwickeln, Erfahrungen auszutauschen und sich zu vernetzen. Als Mentoren für die Ausgabe 2025 konnten vier Persönlichkeiten von

internationalem Rang gewonnen werden: die italienische Sängerin Roberta Gamberini, der US ­amerikanische Pianist Aaron Goldberg, der italienische Bassist Dario Deidda und der US ­ amerikanisch ­ italienische Drummer Gregory Hutchinson. Die vier unterrichten in St. Moritz aber nicht bloss, sondern geben am 18. Juli im Dracula Club auch ein gemeinsames Konzert, erstmals am gleichen Abend wie die beiden Siegerbands. Aufgabe der achtköpfigen Jury –Namen und Funktionen sind auf der Festival­Website einzusehen – war es, die Bewerbungen in einem mehrstufigen Verfahren auf zehn hinunterzubrechen. In der Endrunde wurden die Punkte der Jurymitglieder zusammengezählt. Dabei wurde wiederum bewusst auf eine abschliessende Diskussion verzichtet, um zu vermeiden, dass ausserkünstlerische Argumente ins Spiel kamen und gruppendynamische Prozesse an die Stelle des individuellen, einzig auf dem Musikerlebnis beruhenden Entscheids traten. Ein wichtiger Punkt der Ausschreibung ist der, dass von den Bewerberinnen und Bewerbern ungeschnittene Videos von Live ­Auftritten verlangt werden: Die Jury will sehen und hören, wie die Musiker auf der Bühne agieren. Hightech­Tricksereien sind ausdrücklich unerwünscht.

Das Rennen gemacht haben diesmal ein Quintett aus Italien und ein Trio aus Indonesien. Das ScannapiecoGeremia­5et wurde im Jahr 2024 von zwei Freunden gegründet: dem Trompeter Antonio Scannapieco und dem Tenorsaxofonisten Pascale Geremia. Scannapieco ist 24, Geremia 22 Jahre alt. Ihre Rhythmusgruppe besteht aus dem 23­jährigen Pianisten Guglielmo Santimone, dem 22­jährigen Bassisten

Angelo Gregorio und dem 27­jährigen Schlagzeuger Vincenzo Nigro. Die Band hat sich dem Hardbop verschrieben, so wie er auf den zeitlos klassischen Blue ­ Note ­Alben der 1960er Jahre verewigt ist, folgt aber nicht sklavisch den historischen Vorbildern, sondern entwickelt deren Musik weiter. Deshalb spielt sie sowohl Standards als auch Eigenkompositionen. Die Musik des Quintetts klingt frisch und energisch. Beim Hören kommen einem Aufnahmen von Sonny Rollins mit Kenny Dorham, Lee Morgan mit Joe Henderson oder Wayne Shorter mit Freddie Hubbard in den Sinn. Die Spielfreude der jungen Italiener reisst einen unweigerlich mit.

Globale Sprache Jazz

Ganz anders gelagert, aber nicht minder faszinierend ist die zweite Preisträger­Band: Der Pianist Rio Manuel, der Bassist Kevin Yosua und der Schlagzeuger Hansen Arief zählen zu den vielversprechendsten Namen der jungen Jazzszene Indonesiens. Sie sind der lebende Beweis, dass der Jazz zur globalen Sprache geworden ist: Auf YouTube findet man integrale Mitschnitte von Clubkonzerten des Trios. Die drei Musiker spielen intensiven, swingenden Modern Jazz, als hätten sie nie im Leben etwas anderes getan. Besondere Beachtung verdient ein gut einstündiges «Tribute to Ray Brown». Die Aufnahmen zeigen übrigens nicht, wie zu erwarten wäre, den Pianisten, sondern den Bassisten Kevin Yosua als Leader und Sprecher der Band. Fest steht jedenfalls: Das Quartett der Mentoren wird sich tüchtig ins Zeug legen müssen, um diesen beiden hoch motivierten Formationen Paroli bieten zu können!

Jazzlab Jam Session: Murütsch Bar, Hotel Laudinella, 17. Juli, 23 Uhr. Konzert der Mentoren und Preisträger: Dracula Club, 18. Juli, 20.30 Uhr.

HightechTricksereien sind unerwünscht. Es geht um Spielfreude und Interaktion auf der Bühne.

Swingender Modern Jazz (von links): Kevin Yosua, Hansen Arief, Rio Manuel.

Ein grosser Pianist –und Fan des Engadins

Ludovico Einaudi gehört zu den erfolgreichsten Komponisten der Neo-Klassik. Live zieht er sein Publikum vor allem mit eleganter Zurückhaltung in seinen Bann. Von Frank Heer

Es gibt ja kaum mehr einen Flughafen oder Bahnhof, auf dem nicht ein Klavier zur öffentlichen Nutzung steht. Da setzen sich dann Leute hin, die einen Boogie ­Woogie zum Besten geben oder die ersten Takte von «Für Elise». Beliebt im Repertoire für Strassenklaviere dürften auch die Stücke des italienischen Komponisten Ludovico Einaudi sein, zum Beispiel «Una Mattina» oder «Nuvole Bianche». Auch wenn einem diese Titel auf Anhieb nichts sagen, dürften sich ihre Melodien dennoch klammheimlich im Hippocantus unseres Endhirns eingenistet haben, gleich neben Mozarts «Kleiner Nachtmusik» und Beethovens «Für Elise».

Das allein ist schon eine Leistung, vor allem, wenn man damit auf Spotify oder Apple Music eine halbe Milliarde Klicks erzielt. Doch Ludovico Einaudi ist nicht nur unter dem Kopfhörer unglaublich populär. Mit seiner so schlichten wie tröstlichen Pianomusik füllt der Mann, meist ganz allein am Flügel, Konzerthäuser wie die Scala in Mailand oder die Royal Albert Hall in London, aber auch Sportarenen, in denen normalerweise Popstars auftreten.

Wie ist das möglich? Zum Teil hat es damit zu tun, dass der Turiner mit Filmmusik sein erstes Geld verdiente – und damit bis heute sehr erfolgreich ist. «Una Mattina» schrieb er für die französische Tragikomödie «Intouchables», die von der ungewöhnlichen Freundschaft zwischen einem querschnittsgelähmten Mann und seinem Pfleger erzählt. Überhaupt bringen Melancholie und Heiter­

keit, die Zutaten jeder guten Tragikomödie, Einaudis Musik gut auf den Punkt. Auch im Film «Nomadland», in dem sich Frances McDormand auf eine nomadische Reise durch die USA begibt, passen die einfachen Melodien so gut zur Landschaft wie der Horizont zum Highway.

Zurück zur Einfachheit

Der Musikwissenschaftler Maximilian Leonhardt sagte der «Süddeutschen Zeitung»: «Es gibt Scharen von Studierenden, die Ludovico Einaudi meinen, wenn sie Klaviermusik sagen. Sie ‹benutzen› diese Art von Musik, um runterzukommen oder beim Lernen nicht den Fokus zu verlieren.»

Kurz: Musik, die möglichst nicht ablenkt, sondern im Gegenteil sich ganz zur Konzentration auf etwas Anderes eignet: auf einen Film, ein Buch, einen inneren Monolog, die Vorbereitung auf eine Prüfung. Gleichzeitig lauscht das Publikum an Einaudis Konzerten in sich versunken einer Miniatur im Dreivierteltakt oder einer flüchtigen Melodie, die man von irgendwoher zu kennen glaubt, aber nicht mehr weiss, woher. Auch darin besteht die Kunst des Komponisten und Pianisten: Er zieht das Publikum mit Zurückhaltung in seinen Bann, weckt Ahnungen und Erinnerungen.

Ludovico Einaudi wurde 1955 in Turin geboren und wuchs in einer grossbürgerlichen Familie unter Kulturschaffenden und Politikern auf. Der Grossvater väterlicherseits war Staatspräsident von Italien, der Grossvater mütterlicherseits Komponist und Dirigent.

Konzerttipps

Jesus Molina Tastenlöwe aus Kolumbien

2024 begeisterte er bereits mit seinem Quartett am Festival da Jazz; für die Osterausgabe 2025 kehrte er an den Tatort zurück, jetzt beweist er, dass aller guten Dinge drei sind: Jesus Molina, das kolumbianische Wunderkind, das am Berklee College studierte und von dort aus die Jazzszene eroberte, ist ein atemberaubender Virtuose und origineller Kopf. Mit seinem Sextett stellt Molina das gefeierte neue Album «Saleh» vor.

Dracula Club, 4. Juli, 21 Uhr.

Sein Vater leitete einen bedeutenden Literaturverlag, die Mutter brachte ihm das Klavierspiel bei. Später studierte er am Giuseppe ­Verdi­Konservatorium in Mailand Komposition. Einer seiner Lehrer war Luciano Berio, ein Vertreter der Avantgarde und Pionier der elektronischen Musik. Einaudi vertiefte sich erst in die Zwölftonmusik und schrieb Kompositionen, die als besonders schwer zu spielen galten. Mit seiner Arbeit für den Film begann sich sein Stil zu öffnen. Er verknüpfte den Minimalismus von Erik Satie und Philip Glass mit Einflüssen von Radiohead, Björk oder Coldplay, die er schätzte. In einem Interview mit der «NZZ am Sonntag» sagte der Komponist vor ein paar Jahren: «Irgendwann stellte ich mir die Gretchenfrage: Spüre ich diese Musik überhaupt in mir? Es war nicht mehr möglich, eine wirkliche Verbindung zwischen meiner Vision und meiner musikalischen Sprache zu finden. Ich tendierte schon damals zu einer tonalen Musik: Da, wo ich mich von der abstrakten Musik entfernt hatte, war mir das Resultat viel näher. Und ich erinnere mich, wie mir Luciano Berio damals sagte: ‹Du bist daran, die Schafe in den Stall zu bringen.›»

Hommage ans Engadin

2017 trat Ludovico Einaudi nicht nur zum ersten Mal am Festival da Jazz auf, er gab auch das allererste Konzert am Lej da Staz. Festivalgründer Christian Jott Jenny soll dem Star als Köder erst Fotos des mitten im Naturschutzgebiet gelegenen idyllischen Sees zugeschickt

China Moses Eigenständige Tochter

Die Sängerin China Moses ist die Tochter der Jazz­Diva Dee Dee Bridgewater, geht musikalisch aber eigene Wege. Die in Paris aufgewachsene Künstlerin, die sich auch als Moderatorin bei MTV France einen Namen gemacht hat, bewegt sich als begnadete Geschichtenerzählerin zwischen Jazz, Soul und R&B. Mit ihrer warmen AltStimme und ihrer Bühnenpräsenz räumte sie in St. Moritz schon mehrfach ab, zuletzt 2022.

Dracula Club, 6. Juli, 21 Uhr.

Von grösster Komplexität zu eleganter Nahbarkeit:

haben – prompt sagte Einaudi zu. Nun, sieben Jahre später, kehrt er nach St. Moritz zurück, diesmal auf die Bühne des Embassy Ballroom in Badrutt’s Palace Hotel, auf der schon Marlene Dietrich, Josephine Baker und Percy Sledge gestanden haben. Dort wird er – zusammen mit Federico Mecozzi an der Violine, Redi Hasa am Cello und Francesco Arcuri an der Perkussion – neben seinen bekannten Stücken zusätzlich auch Kompositionen seines jüngsten Albums «The Summer Portraits» spielen, einer Sammlung von Liedern, die an goldene, längst vergangene

Sommer erinnern. «Einaudi ist nicht nur ein grosser Pianist, sondern auch ein grosser Fan des Engadins», verriet Christian Jott Jenny kürzlich dem «Bündner Tagblatt». «Lange hatte er hier oben eine Wohnung. Und er ist ein grosser Anhänger unseres Hallenbads, das wir leider bald sanieren müssen, weil es leckt.» Darum sei sein diesjähriger Auftritt in St. Moritz nicht nur eine Hommage ans Engadin – sondern auch ans Hallenbad.

Embassy Ballroom at Badrutt’s Palace, 15. Juli, 21 Uhr.

Wer ihn 2023 bei Sonnenaufgang am Lej da Staz erlebt hat, schwärmt noch heute davon. Nun kommt der charmante, aus Biel stammende Singer/Songwriter und Keyboarder, der sich auf eingängige Popsongs ebenso versteht wie aufs zungenbrecherische Scatten, mit seiner Band in den Dracula Club, um sein neues Album «Blink Twice» vorzustellen. Sicher wird er aber auch Hits aus seinem Erfolgsalbum «Belvedere» spielen.

Dracula Club, 5. Juli, 21 Uhr.

Die aus Detroit stammende Sängerin Dianne Reeves gehört zu den Grossen ihres Fachs. Ob sie sich das Great American Songbook vornimmt oder Pop ­Hits in Jazz verwandelt: Stets ist sie mit ihrer ausdrucksstarken Stimme, ihrer Phrasierung und ihrem Timing unverwechselbar. Nach St. Moritz kommt die fünffache Grammy­ Gewinnerin, für die schon Harry Belafonte schwärmte, mit ihrem perfekt eingespielten Quartett.

Club, 10. Juli, 21 Uhr.

James Gruntz Begeisternder Bieler
Dianne Reeves Grand Lady des Jazz
Dracula
Ludovico Einaudi.

Nachts sind alle Katzen grau, sagt der Volksmund – und das gilt sogar für Katzen in St. Moritz. Ganz ähnlich ist es mit der klassischen Musik, nur dass es dort nicht die Katzen, sondern die Musiker sind, die alle in Schwarz gekleidet und erst noch in Frack oder Festkleidung sind, genau wie schon vor 200 Jahren. Und das ist noch nicht alles. Auch für das Publikum scheinen in der Klassik besondere Codes zu gelten, sodass schon ein Mitwippen oder das Klatschen an der falschen Stelle einen als Banause enttarnen kann.

Es ginge auch anders. Wie, das zeigen am Festival da Jazz zwei der bekanntesten Geiger der Welt: Nigel Kennedy und Daniel Hope. Und vielleicht ist es kein Zufall, dass beide in Grossbritannien aufgewachsen sind, wo man die Ernsthaftigkeit schon immer mit Entertainment zu verbinden wusste – und das so selbstverständlich, als würde man sich auf der Strasse freundlich guten Tag sagen.

Jedenfalls sind die beiden Geiger ebenso grosse Virtuosen auf ihren Instrumenten wie Vollblutshowmaster –und gerade dafür berühmt, anders zu sein, als es die Klassikwelt gemeinhin erwartet. Wo Kennedy und Hope auftreten, da haben es Grenzen schwer – stattdessen sind neue Musikstile von Jazz bis Folk genauso willkommen wie ein neues Publikum. Nur, dass Daniel Hope bei seinen Auftritten am liebsten als dandyhaft charmanter Entertainer durch den Abend führt, während Nigel Kennedy der berühmteste Punk der klassischen Musik ist, mit Frisuren fast so legendär wie er selbst.

Als Erstes zu Menuhin

Dabei begann die aussergewöhnliche Karriere des 1956 in Brighton geborenen Kennedy einst mit einer Pilzfrisur à la Beatles. Nur wenige Jahre zuvor hatte der legendäre Geiger Yehudi Menuhin den Siebenjährigen in seine Schule aufgenommen, um ihn kostenlos zu unterrichten. Damals spielte dieser erst seit wenigen Monaten Geige und kratzte beim Vorspiel für Menuhin eine Eigenkomposition. «Sein Geigenspiel war damals noch im Embryonalstadium», sagte Menuhin später dazu. Aber er erkannte im Spiel des Siebenjährigen sofort die Feinheit der musikalischen Gestaltung und das hervorragende Gefühl für Rhythmus.

Bald galt Nigel Kennedy als das britische Wunderkind der 1960er Jahre schlechthin. Die BBC begleitete seinen Werdegang mit der Kamera, ob es sich

dabei um sein Studium an der Juilliard School bei der vielfach preisgekrönten Violinpädagigin Dorothy Delay handelte, um sein Debüt mit dem Dirigenten Riccardo Muti und Mendelssohns Violinkonzert, seine frühen grossen Auftritte mit den Berliner Philharmonikern oder seine ersten Jam Sessions mit dem Jazzgeiger Stéphane Grappelli. Doch so selbstverständlich sich Nigel Kennedy in der Musik bewegte, so sehr ging ihm das ganze Drumherum in der Klassik auf den Keks: die Anzüge, die Fräcke, die Attitüde, die er als gestelzt empfand. «Pinguine» schimpfte er lautstark über Musiker und Publikum. Er selbst hielt sich lieber im Fussballstadion als im Konzertsaal auf und begann als erklärter Arsenal­Fan im Mannschaftstrikot aufzutreten. Weil er wollte, dass sich auch seine Fussballfreunde von der klassischen Musik nicht ausgeschlossen fühlten. Also tauschte er die Bügelfaltenhose gegen Baggy Pants, drückte sich bevorzugt in Kraftausdrücken aus – kategorisch in sämtlichen «Shituations» –und rasierte sich eine Punkfrisur. Die Klassikwelt war geschockt.

Klassik, Punk und Pop

Aber Kennedy war es ernst mit der Öffnung für ein neues Publikum und neue Stile. Er spielte nicht nur mit seinem Jazztrio Midnight Blue, sondern auch mit Popsängerin Kate Bush, stand mit der Band «The Who» auf der Bühne und war mit Paul McCartney im Studio (da hatte nur noch McCartney einen Pilzhaarschnitt). 1989 nahm Nigel Kennedy mit dem English Chamber Orchestra Vivaldis «Die vier Jahreszeiten» auf. Die LP wurde zum meistverkauften klassischen Album der Welt und brachte dem Geiger einen Eintrag ins Guinness Buch der Rekorde ein. Spätestens seither gilt Kennedy als der Popstar der Klassik mit einem – wie es sich für einen Popstar gehört – ausgeprägten Hang zur Exzentrik. Doch in seinen Konzerten ist der Brite vor allem eines: ein Gastgeber mit Haut, Haar – und Herz. «Wenn Menschen den Effort auf sich nehmen, zu meinem Konzert zu kommen, dann sind sie für mich Freunde und dann verhalte ich mich ihnen gegenüber auch so», sagte er in einem Dokfilm. Das ist auch am diesjährigen Festival da Jazz zu spüren, wenn Nigel Kennedy gemeinsam mit der polnischen Cellistin Beata UrbanekKalinowska eigenhändige Transkriptionen von Bach, Händel und Jimi Hendrix spielt. In intimer Besetzung für Geige und Cello – und für seine zuhörenden «Freunde» und «Freundinnen». Denn

Coole Klassik mit Nigel Kennedy und Daniel Hope

Der eine ist für seine Punkfrisur berühmt, der andere für seine Auftritte als charmanter Dandy. Am Festival da Jazz zeigen beide Stargeiger, wie erfrischend Musik von Bach bis Gershwin sein kann. Von Anna Kardos

eigentlich ging es Kennedy schon immer darum: «Einfach nur Musik zu spielen, und zwar nicht nur eine Art von Musik». Dass Musik manchmal nicht «einfach nur Musik» ist, sondern im Gegenteil: viel mehr als Musik, das hat der Stargeiger Daniel Hope schon als Kind erfahren. Als für seine Familie die Musik buchstäblich zur praktischen Lebenshilfe wurde – und das ganz konkret. Daniel Hopes Eltern verliessen 1974 ihre Heimat Südafrika, weil sie gegen das Apartheidsystem waren. Als sie mittellos in England ankamen, fand der Vater zunächst keine Arbeit.

Schliesslich heuerte die Mutter halbtags als Sekretärin von Yehudi Menuhin an (ja, genau bei dem Jahrhundertgeiger, der zehn Jahre zuvor auch Nigel Kennedy unterrichtet hatte), was dazu führte, dass die Familie endlich ein festes Einkommen hatte. Und nicht nur das: Der dreijährige Daniel Hope setzte sich in den Kopf, Geiger zu werden, und schliesslich konnte sich sogar sein Vater in England als Schriftsteller etablieren, nachdem er zwei erfolgreiche Bücher über Menuhin publiziert hatte. So viel musikalisches Glück bleibt nicht ohne Folgen: «Alles, was ich tue, tue ich

inspiriert von der Musik», sagt Daniel Hope heute – und es ist allerhand, was er tut. Denn der Stargeiger mit irischdeutsch­jüdischen Wurzeln ist nicht nur Music Director des Zürcher Kammerorchesters (ZKO) und ab 2026 neuer Intendant des Gstaad Menuhin Festivals. Er war jahrelang Moderator beim WDR und bei Arte Lounge und hat daneben vier Bücher geschrieben.

Von Eminem zu Bach Mit seinem angeborenen Talent als Showmaster engagierte sich der Geiger schon früh dafür, die klassische Musik einem jüngeren Publikum zugänglich zu machen. Einem Publikum, das beim Wort «Komponist» an Eminem oder 50 Cent denkt, aber mit etwas Anleitung durch Daniel Hope merkt, wie cool auch Musik von Johann Sebastian Bach sein kann. Genauso sehr engagiert sich Hope auch für das Gedenken an den Holocaust, schliesslich mussten einst seine eigenen jüdischen Grosseltern von Berlin nach Südafrika auswandern.

Für Daniel Hope ist Musik immer auch ein Teil der Geschichte. Darum bringt er gemeinsam mit dem ZKO und den Jazz­

musikern Joscho Stephan, Johannes von Ballestrem und Dimitri Monstein den musikalischen Glanz der 1930er bis 1950er Jahre in den USA ans diesjährige Festival da Jazz. Mit Musik von Komponisten wie George Gershwin, Kurt Weill, Ernest Bloch und Leonard Bernstein, die damals einerseits geniale Musiker waren, aber andererseits eben auch Immigranten. Doch durch ihre schwierigen Lebensgeschichten und ihre geografisch unterschiedliche Herkunft bereicherten sie nicht nur die Klangvielfalt Hollywoods und des Jazz, sondern verhalfen der Musik der USA zu einer neuen Grösse. Womit wir wieder bei Nigel Kennedy angelangt wären. Der sagte in einem Interview mit dem britischen TVSender ITV vor zwei Jahren: «Wenn wir nicht einmal in der Musik verschiedene Stile zusammenbringen können, wie wollen wir es in der Zukunft als globale Gesellschaft schaffen?»

Daniel Hope: Reine Victoria, 11. Juli, 21 Uhr.

Nigel Kennedy: Dracula Club, 16. Juli, 21 Uhr.

Versteht sein Publikum als Freunde, die es zu unterhalten gilt: Nigel Kennedy.
Musik ist für ihn immer auch Geschichte: Daniel Hope.

WE AR ET HE

CR EATO RS OF FI NE WATE RS .

Exaktheit und Feuer

Die brasilianische Pianistin und Sängerin Eliane Elias verbindet die Eleganz eines Bill Evans mit der Glut des Latin Jazz. Von Pauline Prêtre

Manchmal wird sie mit Diana Krall verglichen –und tatsächlich hat die brasilianische Sängerin, Pianistin und Komponistin einiges mit ihrer kanadischen Kollegin gemeinsam: Beide sind charismatische Musikerpersönlichkeiten, die nicht nur Hardcore­Jazzfans ansprechen, sondern mit ihrer stilistischen Offenheit Grenzen überwinden. Beide kombinieren ihr virtuoses Klavierspiel mit subtilem, sinnlichem Gesang. Zudem führen beide Künstlerehen mit prominenten Partnern: Diana Krall ist seit 2003 mit dem britischen Musiker Elvis Costello verheiratet, Eliane Elias seit 1999 mit Marc Johnson. Der renommierte US­amerikanische Bassist ist festes Mitglied ihrer Band und Koproduzent ihrer Platten. Zuvor war sie mit dem Trompeter Randy Brecker verheiratet; das Album «Amanda» ist der 1984 geborenen gemeinsamen Tochter gewidmet, die sich mittlerweile als Singer­Songwriterin einen Namen gemacht hat.

Virtuos und kultiviert

Geboren wurde Eliane Elias 1960 in São Paolo. Ihre Mutter, dem Jazz zugetane klassische Pianistin, förderte die begabte Tochter früh. Mit sechs Jahren begann sie, Klavier zu spielen. Nach dem Besuch des Centro Livre de Aprendizagem Musical in São Paulo leitete sie dort als 15­Jährige schon die Klavierklasse. Sie begann, eigene Stücke zu schreiben, trat in Jazzclubs auf und trieb gleichzeitig ihr klassisches Studium voran. Als 21­Jährige ging sie mit zwei Landsleuten, dem Gitarristen Toquinho und dem SängerPoeten Vinicius de Moraes, auf Tournee. In Paris bestärkte der Bassist Eddie Gomez sie, ihr Glück in New York zu versuchen. Sie folgte seinem Rat, bildete sich an der Juilliard School of Music weiter und schaffte es, als Pianistin in die Band

Steps Ahead aufgenommen zu werden, in der Michael Brecker, Peter Erskine, Mike Mainieri und Eddie Gomez mittaten. Auf die Frage, ob sie dieses prominente Line ­up nicht eingeschüchtert habe, sagte sie: «Überhaupt nicht. Ich ruhte in mir selber, die Musik verband uns als gemeinsame Sprache. Ich wusste, dass ich Talent habe, aber ich arbeitete auch sehr hart. Ich gab mich ganz der Musik hin, übte unermüdlich, komponierte, arrangierte. Das alles trug zur Persönlichkeit bei, die ich wurde.» 1986 begann ihre Zeit als Leaderin verschiedener erfolgreicher Gruppen. Ihr Debütalbum «Illusions» und das Nachfolgeprojekt «Cross Currents» wurden gut aufgenommen; starkes Echo fand auch ihr 1994 veröffentlichtes, mit keinem Geringeren als Herbie Hancock eingespieltes Blue ­Note ­Album «Solos and Duets». Im gleichen Jahr wirkte Eliane Elias auf dem Album «Double Rainbow: The Music of Antonio Carlos Jobim» des Saxofon ­ Giganten Joe Henderson mit. Ein eigenes JobimAlbum hatte sie bereits 1989 vorgelegt; dieses ist auch insofern wichtig, als es ihr erstes Auftreten als Sängerin markiert. Seither ist sie immer wieder als originelle Interpretin von Standards in Erscheinung getreten. Ihr virtuoses, kultiviertes Klavierspiel orientiert sich an ihren Vorbildern Bud Powell und Bill Evans, doch sie verleugnet ihre besondere Affinität zum lateinamerikanischen Jazz keineswegs. Sie hat mit Chick Corea zusammengearbeitet, aber auch mit Chucho Valdes. 2016 wurde ihr Album «Made in Brazil» mit dem Grammy für das beste Latin­Jazz­Album ausgezeichnet. Inzwischen besitzt sie schon vier Grammys in verschiedenen Kategorien. Sie hat 32 Alben unter ihrem Namen veröffentlicht und ist in 78 Ländern aufgetreten; ihre Plattenverkäufe werden mit zweieinhalb Millionen beziffert. Im Pop

Bildlegende Bildlegende

Ravel bis Bach, Bob Marley, Santana oder The Doors –für die vielseitige Elias ist alles eine Wundertüte.

werden Zahlen dieser Grössenordnung öfters erreicht, im Jazz sind sie aussergewöhnlich. Ihre jüngste Produktion «Time and Again» (2024), zeigt Eliane Elias erneut in bestechender Form – mit lauter Eigenkompositionen, die sie teils auf Englisch, teils auf Portugiesisch singt.

Von Klassik bis Pop

Ihre Vielseitigkeit hat Eliane Elias schon oft bewiesen. Sie hat Trio ­Alben eingespielt, die in ihrer Geschlossenheit selbst Puristen begeistern, aber auch mit Grossformationen wie der Danish Radio Big Band unter Leitung des legendären Posaunisten Bob Brookmeyer und mit Sinfonieorchestern zusammengearbeitet. Dass sie ihre klassische Ausbildung nicht vergessen hat, beweisen ihre Aufnahmen von Kompositionen Bachs, Ravels und Villa­Lobos’. In ihrer Musik

fliessen Jazz, Latin, Pop und sogar Rock zusammen. Wer sich ein bisschen umschaut, entdeckt Aufnahmen , auf denen Eliane Elias etwa «Oye Como Va», den Santana ­ Hit aus der Feder von Tito Puente, «Jammin’» von Bob Marley oder sogar «Light My Fire» von den Doors singt. Eins haben diese Aufnahmen gemeinsam: Die Pianistin und Sängerin gibt sich immer ganz. Halbheiten mag sie gar nicht.

Seit bald vier Jahrzehnten ist Eliane Elias ein gern gesehener Gast an Jazzfestivals rund um die Welt. Allein in Montreux ist sie schon fünf Mal aufgetreten. Nach St. Moritz kommt sie mit ihrem Gatten Marc Johnson am Bass, Leandro Pellegrino an der Gitarre und Mauricio Zottarelli am Schlagzeug.

Sechsfaches Wunder

Das US-amerikanische Vokalensemble Take 6 beweist, dass es kein faszinierenderes Instrument gibt als die menschliche Stimme. Von Lilo Bischof

Keine A­ cappella­ Gruppe hat so viele Auszeichnungen eingeheimst wie Take 6: Je zehn Grammys und Dove Awards sind dabei; ausserdem kürte die Zeitschrift «Downbeat» das Sextett sieben Mal in Folge als bestes Jazz­Vokalensemble. Seit über vierzig Jahren gibt es sie, doch von Ermüdungserscheinungen ist nichts zu spüren – obwohl von den sechs Gründungsmitgliedern immerhin noch vier dabei sind: die Tenöre Claude Knight, Mark Kibble und David Thomas sowie der Bass Chris Chea. Der Tenor Joey Kibble, ein jüngerer Bruder von Mark, ist 1991 dazugestossen, der Bariton Khristian Dentley 2011. Das Ensemble hat etliche Welttourneen absolviert; im Blue Note in New York kennt man es ebenso wie beim Montreux

Jazz Festival, in Konzertsälen Südamerikas ebenso wie in Asien und Australien. Take 6 kennen keine musikalischen Grenzen. In von ihnen selbst geschriebenen, umwerfenden Arrangements singen sie bekannte Gospel­, Jazz­, Soul­ und Popsongs. So erstaunt es nicht, dass sie schon mit dem Who is who der Musikszene zusammengearbeitet haben: von Ella Fitzgerald, Ray Charles und Stevie Wonder bis zu James Taylor, Patti Austin und Sheryl Crow reicht das Spektrum. Gegründet wurde das Ensemble 1980 an einer adventistischen Schule in Huntsville, Alabama. Die Mitglieder gehören bis heute der entsprechenden Freikirche an. Den Durchbruch schafften Take 6, als der legendäre Produzent Quincy Jones sie 1989 für sein Album «Back on the Block» engagierte. Seither

reiten sie auf der Welle des Erfolgs. Dieser ist ihnen jedoch nicht in den Kopf gestiegen. Vielmehr sehen sie es als ihre Aufgabe an, mit ehrlicher Musik Menschen zu verbinden und gute Stimmung zu schaffen. Kennzeichen ihres mehrstimmigen Gesangs sind Melismen, ornamentale Tonfolgen, die auf einer Silbe gesungen werden. Der Gruppenklang ist verblüffend homogen, sodass die sechs Individuen oft wie ein einziges polyphones Instrument klingen. Im Studio lässt sich solche Perfektion dank technischen Tricks erreichen; das Erstaunliche an Take 6 ist jedoch, dass sie die Mischung aus Virtuosität und Innigkeit, Perfektion und Leichtigkeit auch live darbieten.

Dracula Club, 19. Juli, 21 Uhr.

Dracula Club, 12. Juli, 21 Uhr.

Fingerfer tigkeit ist Lebensqualität

Gelenke machen Musik – Gelenke machen uns beweglich Bei der Arbeit, im Spor t, im Alltag oder beim Spielen eines Instruments

Gelenkbeschwerden können

Schmerzen verursachen und die Beweglichkeit einschränken

Bei uns sind Ihre Gelenke in den besten Händen – seit 1929 sind wir Ihre Spezialklinik für Or thopädie und Traumatologie.

Engagierter Entertainer

Der US-amerikanische Sänger Gregory Porter verbindet in seiner Kunst Jazz, Blues, Gospel, Soul und Pop. Mit seinem sonoren Bariton und seinem Eintreten für humane Werte hat er die Welt erobert. Von Lea Guthirt

An zwei Merkmalen erkennt man ihn: am mächtigen, dabei schmiegsamen Bariton und an der Ballonmütze mit Schlauchschal, ohne die er nie an die Öffentlichkeit tritt. Sie bedeckt Narben, die von Operationen in seiner Kindheit zurückblieben. Seit seinem Durchbruch mit dem Album «Liquid Spirit» im Jahr 2013 ist Gregory Porter ein Star: Er hat Millionen von Tonträgern verkauft und Hunderte von Konzerten rund um den Globus gegeben. Damit ist ein Traum für ihn in Erfüllung gegangen, seit seiner Kindheit wollte er Musiker werden. Er sieht jedoch auch die Gefahren, die Ruhm und Reichtum mit sich bringen. «Meine früh verstorbene Mutter hat mich zum Glück gelehrt, immer bescheiden zu bleiben», sagt er dazu.

Anstand und Respekt

Der 1971 im kalifornischen Sacramento geborene Künstler versteht sich nicht bloss als Entertainer. Er hat auch eine Botschaft. Respekt und Toleranz sind Werte, für die er eintritt. In frühen Jahren hat er krassen Rassismus erlebt, wurde beschimpft, sein Bruder sogar angeschossen. Subtileren Formen von Diskriminierung begegnet er bis heute. Und wenn es um das Regime Donald Trumps geht, nimmt er kein Blatt vor den Mund. «Donald Trump hat den Menschen einen Freipass gegeben, ihre Bigotterie und ihren Rassismus auszuleben. Es gibt so viele Beweise für seine kriminellen Machenschaften, und seinen Wählern ist das einfach egal. Das ist doch unglaublich! Ich dachte immer, unsere Prinzipien seien Freiheit und Aufrichtigkeit. Wir haben eine Verfassung, in der der Satz ‹All men are created equal› steht. Darauf konnte sich auch die Bürgerrechtsbewegung berufen. Aber wir leben nicht mehr nach diesen Grundsätzen.»

Porter denkt jedoch, es ergebe keinen Sinn, Hass mit Hass zu begegnen. «Ich weiss», sagt er, «dass es Zeit braucht, bis

Respekt und Gleichberechtigung selbstverständlich werden. Mit der Emanzipation der Frauen ist es das Gleiche. Und in dem ganzen Prozess geht es nicht nur um die anderen. Auch ich selbst muss erst lernen, mich in meiner Haut wohlzufühlen und überzeugt zu sein, dass ich überall hingehen kann, wo andere Leute hingehen.»

Gregory Porter ist mit Gospel und Swing grossgeworden, mit Platten von Mahalia Jackson und Nat King Cole. Am

Anfang seiner Karriere wurde er hauptsächlich als Jazzsänger wahrgenommen, bevor er seine Palette in Richtung Soul, R&B, Blues, Funk und Pop erweiterte. «Die Stilrichtungen gehören für mich alle zusammen», sagt er. «Weder den Jazz noch den Gospel habe ich je aufgegeben. Sie alle sind Mittel, die ich in meinen Songs einsetze, um das Publikum so gut wie möglich zu erreichen. Ich will mich nicht auf Swing im Viervierteltakt beschränken, sondern die verschiedensten

Elemente in meine Musik einspeisen.»

Die Botschaft ist ihm wichtiger als das Genre. Aber die Kraft und Energie stammen seiner Überzeugung nach in jedem Fall von den schwarzamerikanischen

Predigern, die während ihrer Gottesdienste stets Antworten der Gemeinde fordern: «Schau deinen Nachbarn an, sag ihm, dass du ihn liebst, klatsch in die Hände, tu dies, tu das.» Als Gregory Porter etwa dreissig war, begann er, Songs über seinen meist abwesenden Vater zu

Im Gleichgewicht

Sschreiben. Damals merkte er, dass er als Komponist dann am besten war, wenn er sich Themen vornahm, die ihn wirklich bewegten, unerschütterliche Liebe zum Beispiel. Zu diesem Thema hat er Songs geschrieben, die man in mehrfachem Sinn verstehen kann. «A Consequence of Love» etwa kann man auf die Liebe im Allgemeinen, aber auch auf die Liebe zwischen Menschen verschiedener Hautfarbe oder auf die Liebe zwischen Menschen gleichen Geschlechts beziehen.

Gelebte Authentizität

Wenn Porter Songs wie «Everything Is Not Lost» oder «When Love Was King» interpretiert, verwandelt er seine Botschaften in tanzbare Musik. Menschen bewegen sich, sind fröhlich, und gleichwohl erreicht sie der Text. Man spürt, dass seine Songs authentisch sind. «Ich flunkere ein bisschen, wenn ich sage, sie fielen mir einfach so ein», meint er lachend. «Es stimmt zwar in dem Sinn, dass die Musikalität und der Sinn für Poesie in mir drin sind. Deshalb habe ich diese spontanen Einfälle. Aber hinter ihnen steckt lange, auch unbewusste Arbeit. Es ist wie bei einem Maler, der seinen Pinsel in die Farbe taucht und mit einer spontanen Bewegung etwas auf die Leinwand setzt. Das geht schnell und kommt einem unglaublich leicht vor, aber vielleicht musste jahrelang etwas im Künstler arbeiten, bis es zu diesem einen Strich kam.» In den Dracula Club kommt Gregory Porter mit seiner bewährten Band: Chip Crawford am Klavier, Tivon Pennicott am Saxofon, Jahmal Nichols am Bass, Ondrej Pivec an der Hammond und Emanuel Harrold am Schlagzeug. «Chip kenne ich schon seit zwanzig Jahren», sagt er. «Wir sind eine Familie. Und a propos: Ich bin auch privat ein Familientier. Wenn immer möglich kommen meine Frau und die beiden Kinder mit auf Tournee.»

Dracula Club, 9. Juli, 21 Uhr.

Konzerte von Nduduzo Makhathini grenzen an mystische Seancen. Der Pianist aus Südafrika nutzt Musik zur Seelenreinigung und inspiriert damit Mitmusiker und Publikum. Von Frank von Niederhäusern

ein Name bleibt hängen, nur schon der zungenbrechenden Phonetik wegen. Weit stärker aber erinnert sich, wer denn Nduduzo Makhathini einmal live erlebt hat, an seine Performance. Eine wuchtige Erscheinung am Piano, bespielt er dies mit einer Emphase, die an Klangmagier von Keith Jarrett bis Cecil Taylor erinnert, weil sie sich stets auch zur Ekstase steigert. Dabei bleibt Makhathini aber immer einer Harmonik verbunden, der auch europäische Ohren mühelos zu folgen vermögen. Einer musikalischen Botschaft mithin, die auf Gemeinsinn und Gleichgewicht abzielt. Die Transzendenz und Mystik dieser Musik lässt sich aber nicht nur mit dem Label des «spirituellen Jazz» begründen, das mit Musikern wie US­Saxer Kamasi Washington wieder in Mode gekommen ist. Nduduzo Makhathini praktiziert seine Musik als eine Art Naturheilkunde, die ihm, seinen Kollegen und letztlich dem Publikum zugutekommen soll.

Worin diese Kraft gründet, verdeutlicht der Titel seines aktuellen Albums «uNomkhubulwane» (Blue Note 2024), benannt nach einer Göttin, die Regen, die Natur an sich und das Licht reguliert. Eine Göttin des Gleichgewichts eben. Dass Nduduzo Makhathini seine Alben seit 2020 beim US ­Edellabel Blue Note veröffentlicht, ist eine Sensation, ist er doch der erste Jazzer aus Südafrika, dem dies gelang. Als Pianist, Komponist und Produzent hat sich der heute 42­Jährige damals freilich längst einen funkelnden Namen gemacht.

1982 in eine Musikerfamilie in der Zulu­Hauptstadt uMgungundlovu in der Provinz KwaZulu­Natal geboren, erhält Nduduzo Makhathini von seiner Mutter früh Klavierunterricht. Sein Musikstudium in Durban schliesst er 2005 ab und ist sogleich in allerlei Konstellationen zu hören – unter vielen anderen mit dem auch in der Schweiz bekannten Perkussionisten Kesivan Naidoo oder dem britischen Holzbläser Shabaka Hutchings.

In Europa seit Mitte der 2010er Jahre ein häufiger Gast, weilt Makhathini immer wieder auch in der Schweiz. 2016 etwa als Artist in Residence in Basel, letztmals Ende Mai als Gast im Zürcher Moods. Eine stilistische Verwandtschaft mit legendären Landsleuten wie Abdullah Ibrahim oder Louis Moholo, die ihre Exiljahre in der Schweiz verbrachten, lässt sich bei ihm aber nur am Rand ausmachen. Ibrahims Hymnik prägt zuweilen seine minimalistischen Loops und Akkordschachtelungen, die den hypnotischen Boden seiner Sessions legen. Die Virtuosität seiner linken Hand aber, die die Klaviatur wie einen Katzenpelz krault, sowie sein Gesang vereinen die Urmusik des Kaps mit aktueller Free Music. Im St. Moritzer Dracula Club ist Nduduzo Makhathini mit seinem Trio mit Dalisu Ndlazi am Bass und Kabelo Mokhatla am Schlagzeug zu hören.

Dracula Club, 13. Juli, 21 Uhr.

Virtuosität über hypnotischem Boden: Nduduzo Makhathini. ERIK UMPHERY
Der Mann mit der grossen Kappe und dem noch viel voluminöseren Bariton: Gregory Porter.

Unter freiem

Nicht nur im Dracula Club, auf der Hauser Terrasse, in den Prachtsälen der Es schwärmt auch hinaus ins Grüne und lädt dort zu spektakulären

Der Stazersee oder Lej da Staz, wie die Engadiner ihn nennen, liegt in einer Waldlichtung im Hochmoorgebiet zwischen St. Moritz und Pontresina. Gemessen an den vier grossen Gewässern der Engadiner Seenplatte, dem Silser­, Silvaplaner­, Champfèrer­ und St. Moritzersee, ist er eher ein Teich, doch einer von ganz besonderem Zauber. Gespeist wird er mit dem Wasser, das von den Gletschern der Bernina fliesst. Es ist kristallklar; deshalb ist der See im Sommer als Badeort beliebt. Auch Wanderer schätzen ihn als Ausflugsziel. Sie erreichen ihn vom Ufer des St. Moritzersees in zwanzig Minuten oder von Pontresina aus durch den Wald in einer Stunde. In satter Farbenpracht zeigt sich ihnen die Landschaft. Im Wasser spiegeln sich die Bergriesen Piz Lagrev, Piz Albana und Piz Julier. Ein spektakuläres Bild! Kein Wunder, drängen sich an sonnigen Tagen auf dem Steg Touristen mit ihren Handys und Kameras.

Man kann sich schwerlich einen schöneren Ort für musikalische Darbietungen im Freien vorstellen als den Lej da Staz. Das ist auch den Veranstaltern des Festival da Jazz nicht verborgen geblieben. Seit Jahren organisieren sie hier Konzerte – notabene bei freiem Eintritt, obwohl sie internationale Grössen für den Anlass verpflichten. Dem Publikum soll Gelegenheit geboten werden, Musik im Zauber der Landschaft vom Aufgang der Sonne bis zu ihrem Untergang zu erleben.

Frühaufsteher sollten nicht versäumen, am 20. Juli auf 5.30 Uhr zum Vokalensemble Shavnabada zu pilgern. Der 2005 in Tiflis gegründete Männerchor, der im Engadin in zwölfköpfiger Besetzung auftritt, hat sich dem mehrstimmigen georgischen Gesang verschrieben. Dieser wurde 2001 von der Unesco ins Verzeichnis des immateriellen Kulturerbes der Menschheit aufgenommen. Der Name des Ensembles bezeichnet sowohl einen Vulkan als auch ein Kloster und passt deshalb sehr gut zu seiner Musik. Diese nämlich vereint beides: Kontemplation und Energie, weltliche und geistliche Lieder, und nirgends passt sie besser als zum anbrechenden Tag.

Weltmusik–Weltstar

Wenig später, genau gesagt, um 8.08 Uhr, verzaubert ein Schweizer von Weltrang das Publikum am Ufer: der Harfenist Andreas Vollenweider. Als Magier und ewiges Kind im Wunderland der Musik ist er schon beschrieben worden, als Wanderer zwischen Klassik, Pop und Weltmusik. Zu Beginn der 1980er Jahre konnte die Schweiz mit ihm ihren ersten internationalen Superstar feiern. Vollenweiders sphärischer HarfenPop erreichte ein drei Generationen umspannendes Publikum. Der 1953 geborene Sohn des Zürcher GrossmünsterOrganisten Hans Vollenweider, der selbst schon ein weltoffener, kommunikativer Musiker war, komponierte Theater­ und Filmmusik, bevor er mit seinem ersten Album als Harfenist trotz des sperrigen Titels «Eine Art Suite in XIII Teilen» einen Überraschungserfolg landete. Der versonnene junge Mann mit dem Wuschelkopf spielte kein herkömmliches Instrument, sondern eine elektroakustische Harfe mit kräftigem Bass und diversen Effektgeräten. Seine in rascher Folge veröffentlichten Alben trugen in den 1980er Jahren wesentlich zum Welterfolg des New­Age ­Pop bei. Von Verächtern als Säusel­Esoteriker abgetan, feierte Vollenweider Triumphe

von Montreux bis Moskau, von New York bis Sydney und kannte keinerlei Berührungsängste: Mit dem Italo ­ Rocker Zucchero trat er ebenso auf wie mit der amerikanischen Singer/Songwriterin Carly Simon und dem Startenor Luciano Pavarotti. Erst ab Mitte der 1990er Jahre wurde es etwas stiller um Vollenweider. Er wirkte als Komponist fürs Musiktheater und engagierte sich in Hilfswerken. 2022 indes brachte er gleich zwei neue, komplementäre Alben heraus, «SlowFlow» und «Dancer», und ging mit seiner kleinen Formation «Vollenweider and Friends» auf Tournee. Diese führte ihn 2023 auch ans Festival da Jazz, wo er im «Reine Victoria» ein stimmungsvolles, umjubeltes Konzert gab.

Nun kommt er mit seiner Musik, die unzählige Menschen mit Hoffnung, Kraft und Zuversicht erfüllt, erneut ins Engadin: Ins Zentrum seines Auftritts stellt er diesmal sein legendäres Album «Caverna Magica» aus dem Jahr 1983; er ergänzt es jedoch mit berühmten Melodien aus allen seinen Schaffensphasen. Begleitet wird er bei seiner FreiluftMatinee von vier Musikerinnen und Musikern, die alle Multiinstrumentalisten sind: Walter Keiser ist vor allem für die Schlag­, Daniel Küffer für die Blasund Oliver Keller für die Saiteninstrumente zuständig; die Lörracher Cellistin und Komponistin Isabel Gehweiler ist am Cello, den Keyboards sowie mit ihrer Stimme zu vernehmen.

Den späteren Vormittag sowie den Nachmittag können die Musikliebhaber rund um den Lej da Staz mit Wandern oder Chillen verbringen. Spätestens bis um 19.07 Uhr sollten sie sich jedoch

wieder vor der Bühne eingefunden haben: Dann beginnt nämlich das Konzert von Zaz. Man kann es entweder bei freiem Eintritt geniessen oder sich im Priority­Bereich einen Sitzplatz samt Picknickkorb sichern. Die französische Sängerin, die 1980 in Tours geboren wurde und mit bürgerlichem Namen Isabelle Geffroy heisst, verbindet die Kunst des Chansons mit Stilmitteln des Jazz. Sie trat im Kabarett sowie als Strassenmusikerin im Pariser Künstlerviertel Montmartre auf, bevor sie 2009 überraschend bei einem Talentwettbewerb gewann und im Jahr darauf ihr Debütalbum herausbrachte. Es erreichte Platz eins in den französischen Albumcharts und behauptete sich dort sechs Monate. Damit begannen die Jahre des Erfolgs.

Chart- und andere Gipfel

Etwas Besonderes liess sich die Sängerin im Herbst 2012 einfallen: Mit dem Gitarristen Benoît Simon und dem Kontrabassisten Ilan Abou bestieg sie den Mont Blanc und spielte mit ihnen auf dem Gipfel, unplugged und nur in Anwesenheit der Bergführer und der Aufnahmecrew, das Lied «Je veux». Der über dieses Abenteuer entstandene Kurzfilm «Zaz, l’histoire d'une ascension» wurde von ZDF und arte koproduziert. In den darauffolgenden Jahren veröffentlichte Zaz vier weitere Studioalben – eines davon hat die Stadt Paris zum Thema –, engagierte sich in ökologischen Projekten und gründete in Saint­Péraix ein Musikfestival. Gegenwärtig arbeitet sie an ihrem sechsten Album.

«Für die einen gipfelt die Darbietung im Tanzrausch.

Für die andern auch.»

Am Lej da Staz ist die Stimmung stets entspannt, das Bild zeigt den Auftritt von Nubya letztes Jahr.
Idylle pur in berauschend schöner Natur.

freiem Himmel

der Hotels und in zwei Kirchen lässt das Festival da Jazz die Musik spielen: spektakulären Gratiskonzerten ein. Von Nathalie Engel und Manfred Papst

Wenn da jemand mosert, das sei doch kulturelle Aneignung, so kann man nur entgegnen: «Hoffentlich!»

Sollte das Wetter am 20. Juli – was niemand hofft – so schlecht sein, dass die Konzerte von Andreas Vollenweider und Zaz nicht im Freien durchgeführt werden können, werden sie ins Hotel Reine Victoria verlegt. Für diese Variante sind kurzfristig Tagestickets erhältlich. Neben dem Lej da Staz ist der Taiswald, sozusagen der Stadtpark von Pontresina, der zweite traditionelle Open­Air­Spielort des Festival da Jazz. Er kann auf eine reiche Konzerttradition zurückblicken: Inmitten der Arven und Lärchen, auf denen Vögel zwitschern und Eichhörnchen herumflitzen, lädt die Camerata Pontresina, das offizielle Kurorchester, seit 115 Jahren zu kostenlosen Freiluftkonzerten mitten im Taiswald ein. Bei guter Witterung verbinden sich hier während der Sommersaison täglich um 11 Uhr die Klänge der Natur mit den Kompositionen von Bach, Verdi, Strauss und anderen Grössen der klassischen Musik. Bereits seit 1910 gibt es diese schöne Tradition am Eingang zum Val Roseg. Auf dem Arvenweg erkunden Wanderlustige die Natur – inzwischen können sie das sogar mit einer HandyApp tun und zwischen dem «Speed Trail», einer Art Schnitzeljagd durchs Grüne, dem über Fauna und Flora informierenden «Explore Trail» oder dem «Wellness Trail» wählen, der an besonderen Punkten des Pfads zu Yoga­ und Atemübungen einlädt.

Lüpfiger Burgzauber

Auf der Bühne des Taiswalds gibt der von Martinique stammende französische Pianist Grégory Privat am 9. Juli ein Gratiskonzert. Der 1984 geborene Spross einer Musikerfamilie genoss während zehn Jahren eine klassische Musikausbildung, bevor er selbst zu improvisieren und zu komponieren begann. Neben seinem Studium der Ingenieurwissenschaften in Toulouse trat er als Jazzpianist in verschiedenen Clubs auf, und bald nach dem Studienabschluss entschied er sich, ein Trio zu gründen und Berufsmusiker zu werden. 2011 veröffentlichte er sein Debütalbum «Ki Koté»; inzwischen hat er bereits sechs Alben unter seinem Namen herausgebracht und mit zahlreichen Musikern zusammengearbeitet. Seit 2015 ist er Mitglied im LiberettoQuartett des schwedischen Bassisten Lars Danielsson. Als Solokünstler verbindet Grégory Privat Elemente des Jazz mit den karibischen Klängen seiner Heimat zu einer melodisch, harmonisch und rhythmisch faszinierenden Weltmusik. Dieses Jahr kommt ein neuer Satellit zu den Spielorten des Festival da Jazz hinzu: die Ruinen der im 13. Jahrhundert erbauten Burg Guardaval oberhalb von Madulain. Sie liegt knapp 1800 Meter über Meer auf einem Felssporn; vom Bahnhof aus ist sie in einem viertelstündigen Fussmarsch zu erreichen. Ursprünglich diente die Burg als Zollstation und zur Stärkung des Bistums Chur. Dieses übergab sie im 14. Jahrhundert den aus Zuoz stammenden Herren von Planta als Lehen. 1409 musste der Bischof die Anlage aus Geldnot dem Gotteshausbund verpfänden, um 1500 wurde sie aufgegeben und verfiel zur Ruine. Von 1880 bis 1935 stand auf dem Areal ein Ausflugsrestaurant, das später wieder abgerissen wurde. Düstere Sagen ranken sich um die Überreste der mittelalterlichen Burganlage. Diesen wird jedoch der Garaus gemacht. Am 26. Juli um 13 Uhr ist es nämlich so weit: Dann tritt die Blaskapelle Traktorkestar in den Ruinen der Burg Guardaval auf. Nicht ohne Grund steckt

im Namen des elfköpfigen Ensembles sowohl der Traktor als auch das Orchester: Mit seinen neun Bläsern und zwei Perkussionisten sorgt es für einen vollen orchestralen Klang und bewegt sich zudem mit der Kraft eines Traktors. Seit 15 Jahren begeistert die Grossformation aus der Region Bern mit ihrer rauschhaften Musik, die Balkan­Brass mit Balladenschmelz verbindet. Die wilde Truppe kann grooven, dass einem Hören und Sehen vergeht – und dann unvermittelt das sehnsuchtsvolle Guggisberg­Lied anstimmen. Sechs Alben (das jüngste heisst «Möwe auf Tuba, schwimmend») und zahlreiche Kollaborationen – von Schmidi Schmidhauser über Steff La Cheffe bis zu Stephan Eicher – bezeugen die Vielseitigkeit und Qualität der Band. Sie bietet Multikulti ­ Musik, brillant, witzig, unerschrocken, und wenn da jemand mosert, das sei doch «kulturelle Aneignung», so kann man nur entgegnen: «Hoffentlich!» Ein witziger Kopf hat über Traktorkestar den Satz geschrieben: «Für die einen gipfelt die Darbietung im Tanzrausch. Für die andern auch.» Unser Spaziergang durch Wald und Feld wäre unvollständig ohne die Erwähnung der Via Maistra in Pontresina: Die sonnenverwöhnte, windgeschützte Strasse ist die längste Dorfpromenade im Engadin. Sommers wie winters lädt sie zum Flanieren und Verweilen ein, zum Essen, Trinken oder Einkaufen. Deshalb widmet ihr das Festival da Jazz eine kleine Liebeserklärung: Im Rahmen des Dorffests «Viva la Via» veranstaltet es ein Gratiskonzert der Killin’ Jivers. Das Sextett aus Freiburg im Breisgau spielt jazzige Tanzmusik im Stil der Roaring Twenties und nimmt sich dabei selbst nicht zu ernst. Den Kern der Formation bilden Thias Salhab (Gesang, Bass), Tim Schicker (Gesang, Gitarre) und Werner Englert (Gesang, Saxophon); kräftig unterstützt werden die drei Vokalisten von Jörg Paul Weidlich am Schlagzeug, Posaunist Valerio Lepori und Wolfgang Zumpe an der Trompete. Ziel der Killin’ Jivers ist es, das Publikum in gute Laune zu versetzen. Wer lieber griesgrämig zu Hause sitzen will, als sich tanzend, klatschend, mitsingend und lachend über die Via Maistra zu bewegen, ist fast ein bisschen selber schuld.

Shavnabada:

Lej da Staz, 20. Juli, 5.30 Uhr.

Andreas Vollenweider: Lej da Staz, 20. Juli, 8.08 Uhr.

Zaz: Lej da Staz, 20. Juli, 19.07 Uhr.

Grégory Privat: Taiswald, 9. Juli, 16 Uhr.

Traktorkestar: Burgruine Guardaval, 26. Juli, 13 Uhr.

Killin’ Jivers: Via Maistra, Pontresina, 17. Juli, 18 Uhr.

Alles klar, das Publikum liebt die Open-Airs am See.
HENRY SCHULZ

Die Vorausdenkenden

Immer einen Zug voraus für Ihren Immobilienerfolg walde ch

Sommer-Festival2025

Martha Argerich | Daniel Barenboim |

Lisa Batiashvili | Berliner Philharmoniker | Riccardo Chailly | Isabelle Faust |

Janine Jansen | Patricia Kopatchinskaja |

Lang Lang | Igor Levit | LucerneFestival Contemporary Orchestra(LFCO) | LucerneFestivalO rchestra | K laus Mäkelä | Anne -SophieMut ter |

Yannick Nézet- Séguin | Orchester des Teatro alla Scala | Kirill Petrenko | SirS imon Rattle | RoyalConcertgebouw Orchestra | SirA ndrásSchif f |

Mitsuko Uchida | FranzWelser- Möst | West-Eastern DivanO rchestra | WienerPhilharmoniker |

Tabea Zimmermann u.v. a.

TICKETS AB 30CHF

Sanfte Musik, starker Charakter

Katie Melua überzeugt mit ihren betörenden Songs ebenso wie mit ihrer Bühnenpräsenz. Von Ignaz Küster

ls Katie Melua 2003 ihr Debütalbum «Call Off The Search» veröffentlicht, ist sie scheint genau das zu sein, waches Geschöpf, das mit samtweicher Stimme eingängige

tiker, die sie als zwar sehr talentiert, aber allzu willfährig, gar

gewaltig. Die gebürtige Georgierin, die als Kind Belfast Anfang an alles richtig: Sie veröffentlicht unter der ten Mike Batt drei betörend sanfte Alben, die ihr wie ihm und nicht zuletzt seiner bringen. Und im Gegensatz zur ein Jahr School in London besucht hatte,

sie mit dem Motorradrennfahrer und hält

schöpf ihres Entdeckers und Förderers sönlichkeit, Temperament und Mut: Im ausverkauften Zürcher Hallenstadion etwa beginnt sie 2008 ein Konzert mit

Konzerttipps

Kurt Elling & Yellowjackets Originelle Hommage

Der aus Chicago stammende Jazzsänger Kurt Elling schafft es, komplexe moderne Jazz­Tunes in packende Songs zu verwandeln. Um der stilbildenden Fusion­Band Weather Report die Reverenz zu erweisen, hat er sich mit den Yellowjackets aus Kalifornien zusammengetan, die seit gut vierzig Jahren einen cleveren Mix aus Jazz, Rock, Pop und Latin pflegen. Das Gipfeltreffen verspricht tanzbare Musik für kluge Köpfe.

Uhr.

vier Songs, auf denen sie sich nur an der akustischen Gitarre begleitet, bevor die Band einsetzt. «Man ist nie zu jung, um den Blues zu singen», sagt sie damals. Ein Haus für die Eltern Ehrgeiz ist in der Familie Melua nichts Unbekanntes: Katies Vater bewirbt sich zu Beginn der 1990er Jahre als Herzchirurg von Georgien aus in etlichen Ländern, um der Familie einen höheren Lebensstandard zu ermöglichen. Die Mutter, von Beruf Pflegefachfrau, unterstützt ihn dabei. So zieht die Familie 1993 nach Nordirland und vier Jahre später nach Südengland. Obwohl Katie Melua diszipliniert an ihrer Karriere arbeitet und gesund lebt, mutet sie sich in den ersten Jahren zu viel zu. Am Ende einer Tournee im Jahr 2010 bricht sie zusammen und sagt für ein halbes Jahr alle Termine ab. Das Popgeschäft sei gnadenlos, gibt sie der «NZZ am Sonntag» damals zu Protokoll – Hunderte von Interviews und PR­Termine vor und nach den Konzerten, das ständige Lächeln dabei, das sei unglaublich anstrengend. Zudem wird ihr die Grossfamilie in Georgien, mit der sie stets in engem Kontakt blieb, zur Bürde: Die Verwandtschaft sieht in ihr einen Haupttreffer im Lotto. Melua tut, was sie kann – und genügt allen Ansprüchen trotzdem nicht. Ihren Eltern kauft sie jedoch schon nach dem Erfolg ihres ersten Albums ein sündhaft teures Haus in Londons gehobenem Quartier Kensington. Musikalisch bleibt sie ihrem Erfolgsrezept, das sie geschickt variiert, treu: Sie verbindet Softpop mit Jazz und Folk, wie etwa ihr Welthit «Nine Million Bicycles» auf dem Album «Piece by Piece» zeigt. Melua mischt eigene Songs mit klug gewählten Covers von Louis Armstrong bis zu The Cure. Oder sie arbeitet mit Sinfonieorchestern oder Chören zusammen: Im Jahr 2016 veröffentlicht Melua

das Album «In Winter»; eingespielt hat sie es mit dem 24­köpfigen Gori Women’s Choir in Georgien. Einen Einschnitt in ihr Leben stellt danach die Trennung vom 35 Jahre älteren Mike Batt dar: «Ich bleibe ihm dankbar dafür, was er für mich getan hat», sagt sie damals, «er hat mich mit bedeutenden Musikern wie Bob Dylan, Eric Clapton und Phil Spector zusammengebracht. Das war unglaublich. Aber als ich 30 wurde, spürte ich, dass ich mich emanzipieren und neu orientieren muss.»

Mit «In Winter», das sie auf einer ausgedehnten Europatournee vorstellt, wechselt sie nach sechs Alben auch von Dramatico zu BMG. Seither sind dort fünf ihrer Tonträger erschienen, zuletzt «Love and Money» (2023).

Nationalheldin

Als Vorbild nennt Katie Melua die USamerikanische, schon mit 33 Jahren an Krebs verstorbene Sängerin Eva Cassidy (1963–1996), doch sie hat sich längst zu einer eigenständigen Künstlerin entwickelt. In Georgien wird sie heute als eine Art Nationalheldin gefeiert, zur Heimat ist ihr aber inzwischen London geworden. Mit einem neuen Partner, mit dem sie seit 2020 zusammen ist und dessen Identität sie geheim hält, hat sie seit November 2022 einen Sohn. Am Festival da Jazz tritt Melua, die sich selbst an der Gitarre begleitet, mit dem Keyboarder Piers Manel, der auch als ihr Musical Director fungiert, mit Billie Adamson an der Gitarre, How Foster am Bass und Toby Couling am Schlagzeug auf. Nur selten ist sie in einem so intimen Rahmen zu erleben; wer ein Ticket ergattert hat, darf sich gleich doppelt freuen.

Christian Sands Den Schmerz überwinden

Der 1989 in New Haven (Connecticut) geborene Pianist Christian Sands zählt zu jenen Musikern, die mit ihrer Persönlichkeit Dutzende von Studioaufnahmen prägen, aber auch als Leader überzeugen. Ins Zentrum seines Auftritts in St. Moritz stellt Sands sein Album «Embracing Dawn», ein bewegendes Werk über gescheiterte Liebe, Trauer und Neubeginn. Begleitet wird er von Jonathon Muir Cotton (Bass) und Tyson Jackson (Drums)

Dracula Club, 25. Juli, 21 Uhr.

Iiro Rantala Hel Trio Finnischer Humor

Gab es schon einmal ein Festival da Jazz ohne Iiro Rantala? Gefühlt nicht. Es gibt auch keinen Grund, den Finnen nicht Jahr für Jahr wieder einzuladen: Denn erstens präsentiert er sich immer anders, mal solo, mal mit Streichern – oder wie heuer im Trio mit Conor Chaplin (Bass) und Anton Egger (Drums). Und zweitens gehen dem 1970 in Helsinki geborenen Musiker, dem stets der Schalk im Nacken sitzt, die Ideen niemals aus.

Bunter geht es kaum: Camille O’Sullivan, die Tochter einer französischen Künstlerin und eines irischen Rennfahrers, ist eine diplomierte Architektin und Schauspielerin mit Liebe zum Gesang. Ihre Spezialität sind die Liedkomponisten der Weimarer Republik: Eisler, Hollaender, Weill. Sie singt aber auch Chansons von Edith Piaf und Jacques Brel sowie Songs von David Bowie und Nick Cave: immer mit Esprit und Herzblut.

Kronenhof, Weinkeller, 19. Juli, 21.30 Uhr.

Embassy Ballroom at Badrutt’s Palace, 17. Juli, 21 Uhr.
Dracula Club, 8. Juli, 21
Dracula Club, 26. Juli, 21 Uhr.
Camille O’Sullivan Chansons im Weinkeller
FOTOS: PD
Star mit Herz für Familie: Katie Melua.

Wirloben unsn ic ht in denhöc hstenTönen, sonder nfördern sie.

Mitdem GKBEngagement setzen wiruns fürdas Festival da Jazz undunsereRegionein.

gkb.ch/engagement

Unverkennbare Stimme im Eurojazz

Matthieu Michel kann in St. Moritz den Franco Ambrosetti Jazz Award entgegennehmen. Dafür bedankt sich der Bläser aus Fribourg mit einem vielversprechend besetzten Apéro-Konzert.

Von Frank von Niederhäusern

Wer sich durch die Annalen des Schweizer Jazzschaffens der letzten 40 Jahre liest oder hört, wird regelmässig auf denselben Trompeter stossen, dessen Ton sich, einmal erlebt, für immer im Gehörgang festsetzt. Matthieu Michel bleibt auch erkennbar, wenn er von der Trompete zum Flügelhorn wechselt oder von einer Band zur anderen. Und es waren und sind sehr viele Bands, die sich um den kürzlich 62 Jahre jung gewordenen Fribourger bemühten – und bemühen. Er gilt als einer der begnadetsten Balladenbläser Europas, macht aber auch mit durchaus wilderen Weisen und in komplexeren Konstellationen eine gute Figur.

Karriere in Wien

Unentbehrlich, ja, nicht wegzudenken war Michel aus dem Vienna Art Orchestra, dem er von 1992 bis zu dessen abrupten Ende 2010 nicht nur angehörte, sondern eben wesentliche Impulse gab. In Wien lebte Michel auch für einige Jahre; er entwickelte sich dort zum bedeutenden Eurojazzer. Zuvor schon hatte er in Berlin gelebt, wo er 1986 auch sein erstes

Album «Blue Light» eingespielt hatte. Bis heute folgten nur sechs weitere Alben unter eigenem Namen, doch auf anderen rund 250 Platten und CDs ist Matthieu Michel zu hören.

Dieses «Missverhältnis» liegt daran, dass Michel derart begehrt war und ist, dass darunter seine eigenen Projekte zuweilen etwas litten. Dabei ist Michel von jeher auch als Songschreiber aktiv und hat seine Alben stets als Balance aus eigenem Material und Standards konzipiert. Aber: Matthieu Michel war nie eine «Rampensau», sondern von bescheidenem Auftreten. Auf der Bühne nimmt er sich zurück, spielt in sich gekehrt und versonnen, und so ist er – auch wegen seiner eher kleinen Statur – kein Eyecatcher. Er setzt Massstäbe mit seinem Spiel und begeistert damit sein Publikum, aber eben auch Kollegen, die gar nicht anders können, als mit ihm spielen zu wollen. Das Palmarès von Michels «Arbeitgebern» reicht von Landsleuten wie Pianist Thierry Lang oder Bassist Heiri Känzig über Pianistin Susanne Abbuehl bis zum in Paris lebenden Drummer Daniel Humair und mit diesem bis weit hinein in den Eurojazz. Michel spielte mit den Franzosen Richard Galliano (Akkordeon) und Franck Tortiller

(Marimba), dem österreichischen Pianisten und Posaunisten Christian Muthspiel oder dessen deutschen Kollegen Joachim Kühn. Aber auch US­Jazzer wie Bassist Steve Swallow, Pianist Walter Norris und andere mehr hatten sich in den Ton des kleinen Schweizers verhört.

Poesie und Raffinesse

Was unterscheidet Michel von seinen Kollegen? Zum einen seine Vielseitigkeit, die wohl durch seine breite Sozialisation sowohl im frankophonen Impressionismus als auch im avantgardistischen Expressionismus des Vienna Art Orchestra gewachsen ist. Dann ist Michel sowohl ein fantastischer und kreativer Melanomane als auch ein virtuoser und tiefgehender Improvisator. Und eben: Sein Ton, sein Klang, sein oft beschworenes «Timbre» ist voller Poesie und Raffinesse.

Diesbezüglich klingt eine Verwandtschaft mit Franco Ambrosetti zumin ­

dest an. Und wenn der 83 ­ jährige Tessiner, der längst als Grandseigneur der Trompete gilt und seine letzten Alben auch in New York eingespielt hat, nun seinen «jungen» Kollegen als siebten Preisträger seines «Award» ehrt, ergibt dies ohrenfällig Sinn. Auch weil Michel dieser Ehre insofern gerecht wird, als er selbst an die Jüngeren denkt. Als Professor an der Haute École de Musique Vaud Valais Fribourg sowie an der Jazzfakultät der Fachhochschule Nordwestschweiz in Basel gibt er sein Können und Wissen an nachkommende Generationen von Jazzschaffenden weiter. Preise übrigens hat Michel schon früher erhalten: 2016 etwa einen Schweizer Musikpreis, und 2022 ehrte ihn die französische Académie du Jazz mit dem «Prix du Musicien européen». Am Festival da Jazz wird sich Mathieu Michel für den Ambrosetti Award mit einem Konzert in besonderer Konstellation bedanken. Er reist nicht mit seinem

Zurück aus der Dunkelheit

gewohnten Quartett an, dem Bassist Heiri Känzig, Pianist Marc Méan und Drummer Elmar Frey angehören. In der Église au Bois, der französischen Kirche von St. Moritz, hat er einen anderen langjährigen Freund am Bass: Patrice Moret. Zudem wird mit Elina Duni und Rob Luft ein interessantes Gespann der aktuellen Musikszene zwischen Jazz und Pop mittun. Die aus Albanien stammende und seit Langem in der Schweiz lebende Vokalistin und der englische Gitarrist arbeiten seit 2017 zusammen und haben auch schon gemeinsame Alben eingespielt. Gut möglich also, dass Matthieu Michel diesem attraktiven Paar Platz machen und sich selbst einmal mehr an den Bühnenrand zurückziehen wird, von dort aber das neugotische Kirchenschiff effektvoll zum Klingen und Schwingen bringt.

Église au Bois, 6. Juli, 17 Uhr.

Acht Jahre lang sah sich der Zürcher Pianist Stefan Rusconi nicht mehr in der Lage, sich an ein Klavier zu setzen. Nun kehrt er mit einem wunderbaren Album auf die Bühne zurück. Von Frank Heer

Manchmal muss man durch die Dunkelheit gegangen sein, um das Licht zu finden. 2016 riss der Tod eines Freundes Abgründe im Leben des Pianisten Stefan Rusconi auf. Er stürzte in eine tiefe Krise, alles zerbrach: Familie, Beziehungen, Karriere, Träume. Selbst Musik ertrug er keine mehr, schon gar nicht seine eigene.

Anfang der 2010er Jahre gehörte der Zürcher zu den spannendsten Akteuren der jungen Schweizer Jazzszene. Mit Fabian Gisler und Claudio Strüby hatte er die Band Rusconi gegründet. Die Antennen des Trios waren weit ausgefahren: Jazz, Indie ­Rock, freie Improvisation, Kammermusik – alles fand Eingang in ihren Sound. Für sein Album «A Sonic Life» interpretierte Rusconi Songs der amerikanischen Noise­Rockband Sonic Youth. Stefan Rusconi manipulierte seinen Flügel mit Plastikbesteck, Nieten und Schrauben. Manchmal unterbrach die Band ein Konzert, um eine Platte aufzulegen und einen Song zu hören, der sie inspirierte. «Odd Rock» nannten sie ihre Musik. 2015 zog Stefan Rusconi nach Berlin. Er spannte mit Musikern wie dem Violinisten Tobias Preisig, dem Gitarristen Fred Frith oder Thomas Wydler, Schlag­

«Solace» ist ein introspektives, doch überaus zugängliches Album.

zeuger bei Nick Cave and The Bad Seeds, zusammen und komponierte Musik fürs Theater. Dann passierte die Tragödie, «die eine Kettenreaktion verdrängter Gefühle» in ihm auslöste. Acht Jahre lang setzte er sich an kein Klavier mehr – bis er 2024 angefragt wurde, die Musik für den Film «Köln 75» von Ido Fluk zu komponieren. Dieser erzählt die Geschichte des sagenumwobenen Konzerts von Keith Jarrett in der Kölner Oper von 1975, das als «The Köln Concert» in die Jazzgeschichte einging. Stefan Rusconi zögerte, schliesslich sagte er zu: Nach Jahren der Stille setzte er sich an sein Klavier und begann zu spielen. Die Arbeit am Soundtrack, aber auch die Auseinandersetzung mit Jarretts Musik, die ihn seit Kindheitstagen begleitet, ermutigten Rusconi schliesslich, ein

eigenes Soloalbum aufzunehmen, das im Herbst vergangenen Jahres erschienen ist. «Solace» ist ein introspektives, meditatives und trotzdem überaus zugängliches Album geworden, melodisch und zart, mit fast sakralen Strukturen. Die magische Einfachheit der teils komponierten, teils improvisierten Passagen macht uns glauben, dass jeder Note, jedem Hauch einer Melodie ein tieferer Sinn zukommt.

Vielleicht hat es mit dem Plattencover zu tun, einer Berglandschaft, über der die Wolken tief hängen, dass man beim Hören des ersten Stücks das Gefühl hat, die Töne kletterten ans Licht. Wobei die linke Hand in den tieferen Registern so etwas wie ein Fallnetz bildet (man weiss ja nie), während sich die rechte Hand nach oben tastet; langsam, ohne Anstrengung, aber doch vorsichtig und behutsam. Dann bricht die Sonne durch, und ein Regenbogen zieht sich über den Himmel. «Solace» ist ein Herantasten –oder genauer: ein Zurücktasten. Nicht nur ans Licht, sondern auch zur Musik. Damit vollzieht Stefan Rusconi die Rückkehr in ein Haus, dessen Fensterläden über Jahre geschlossen waren.

Chiesa San Pietro Stampa, 13. Juli,

11.00 Uhr.
Matthieu Michel ist als begehrter Sideman auf rund 250 Tonträgern zu hören.
Bei Stefan Rusconi hat jede Note einen tieferen Sinn.

Volle Kraft

voraus

Das Jakob Manz Project eröffnet im Dracula Club das diesjährige Festival. Von Angela Santi

Als der deutsche Altsaxofonist Jakob Manz im Sommer 2022 erstmals am Festival da Jazz auftrat, war er gerade 21 Jahre alt geworden. Auf Anhieb begeisterte er bei seinem Mitternachtsgig im Dracula Club das Publikum. Nach den Yellowjackets aufzutreten, ist nicht die einfachste Sache der Welt. Doch mit seiner Mischung aus jugendlichem Schwung, ausgebuffter Technik und Abgeklärtheit schaffte Manz das. Wie kann jemand, so fragte man sich, der noch ganz am Anfang seiner Laufbahn steht, derart souverän auftreten?

Drei Jahre später zählt der in der Nähe von Stuttgart aufgewachsene Musiker zwar immer noch zu den jüngsten Künstlern, die in St. Moritz auftreten, aber vorstellen muss man ihn niemandem mehr. Ihm fällt die Ehre zu, mit sei­

ner seit dem Jahr 2017 bestehenden Band The Jakob Manz Project das Festival zu eröffnen. Mit dieser Formation hat er auf Act Records schon mehrere vielbeachtete Alben vorgelegt; das gleiche Label bot ihm auch die Chance, mit der hochbegabten Pianistin Johanna Summer, einer Grenzgängerin zwischen Jazz und Klassik, die von Igor Levit schon drei Mal ans Klavierfest von Lucerne Festival eingeladen wurde, zwei Duo ­Alben einzuspielen.

Dass seine Zukunft in der Musik liegen könnte, wurde Jakob Manz tatsächlich schon an der Wiege gesungen: Seine Mutter ist Opernsängerin, sein Vater Musiklehrer. Mit fünf Jahren begann er Schlagzeug zu spielen. Um die Blockflöte kam auch er nicht herum, bevor er das Saxofon für sich entdeckte. Seinen Lehrern wurde zum Glück früh klar, dass sie es mit einem Ausnahmetalent zu tun

hatten. Schon als 15­Jährigen schickten sie ihn an die Musikhochschule Stuttgart. Im Bundesjazzorchester konnte er sodann wichtige Erfahrungen sammeln; unter anderem trat er mit Randy Brecker in der Elbphilharmonie auf; die Grossformation war auch auf Tournee in den USA sowie in Osteuropa. Von 2019 bis 2023 absolvierte Manz schliesslich an der Hochschule für Musik und Tanz Köln das Bachelorstudium Jazz/Pop. Für seine stilistische Offenheit sprechen unzählige Kollaborationen mit so verschiedenen

Dean Martin kommt aus Chur

Der Sänger Hampa Rest alias Luigi Panettone begeistert mit seinem Tribute an die Dean-Martin-Show. Von Viola Vescovo

Was für den St. Moritzer Gemeindepräsidenten, Festivalgründer und Entertainer Christian Jott Jenny der Gesellschaftstenor Leo Wundergut ist, das ist für den Churer Sänger Hampa Rest die Kunstfigur Luigi Panettone: Beide Künstler lieben es, in verschiedene Rollen zu schlüpfen. Hampa Rest, der kürzlich sein 40 ­jähriges Bühnenjubiläum feiern konnte, hat als Luigi Panettone seit Jahren mit grossem Erfolg Elvis­Presley­Programme interpretiert und sein Repertoire um eine fulminante Hommage an die Dean­Martin­Show erweitert. Mit Empathie und Humor verkörpert er den grossen US­amerikanischen Entertainer italienischer Herkunft, der eigentlich Dino Crocetti hiess. Mit Frank Sinatra und Sammy Davis jr. bildete Dean Martin (1917 – 1995) das Rat Pack. Er trat in über 50 Spielfilmen auf, hatte seine eigene Show und sang unsterbliche Hits wie «That’s Amore», «Memories Are Made Of This» und «Buona Sera». Im Gegensatz zu «Dino» zählt Hampa Rest alias Luigi Panettone zwar nicht zu den bestbezahlten Entertainern der Welt, aber das Prädikat «King of Cool» hat er zweifellos auch verdient. Im Cresta Palace tritt er mit seinem bewährten Trio auf, das aus Benno Bernet am Klavier, Pit Noi am Bass und Prisca Schmid am Schlagzeug besteht; hinzu kommt ein veritables Streichquartett mit Susanne Dubach und Barbara Kubli an den Geigen, Olga Niklikina an der Bratsche und Chantal Steiner am Cello. Rests Rezept ist so einfach wie bestechend: Als Luigi Panettone sowie mit seinen Formationen Chili Con Carne (in der er auch Schlagzeug spielt) und The Mountain Rat Pack singt er Lovesongs von Elvis Presley, Rockabilly­Klassiker und Broadway­Hits.

Seine Spartenprogramme haben Erfolg, weil

das Publikum weiss, was es erwarten darf, und das Bestellte in bester Qualität sowie mit viel Charme serviert bekommt. Dem Crooner ist klar, wie wichtig der Wiedererkennungswert für den Erfolg ist. Er bringt indes nur Songs auf die Bühne, von denen er selbst begeistert ist und die er deshalb überzeugend zu gestalten weiss. Entscheidend dabei ist: Luigi Panettone ist ein Interpret, kein blosser Imitator. Für sein Schaffen wurde er übrigens mit dem Churer SchparzOrden 2025 ausgezeichnet. In der Begründung der Jury heisst es: «Der Schparz verleiht seinen diesjährigen Orden an den Musiker Hampa Rest. Er erhält die begehrte Auszeichnung, weil er seit 40 Jahren nicht nur mit verschiedenen Bands auf der Bühne steht, sondern mit seiner Leidenschaft auch den Nachwuchs inspiriert.»

Cresta Palace, Celerina, 12. Juli, 17 Uhr. Dieses Konzert ist auch kombiniert mit einem Dinner (Asiatisches Drei-Gang-Menu) und einem Ticket für das anschliessende Konzert des Joscho Stephan Trios buchbar.

IKünstlern wie dem Sänger Max Mutzke und der mongolischen Pianistin Shuteen Erdenebaatar. Jakob Manz hat als Saxofonist einen warmen, farbenreichen Ton. Er versteht sich auf quirlige Läufe ebenso wie auf lyrische Töne, und seine Rhythmusgruppe groovt richtig. In St. Moritz tritt der Musiker mit seiner erprobten Band The Jakob Manz Project auf. Von der Gründungs formation sind Hannes Stollsteimer am Klavier und Frieder Klein am E­Bass dabei. Am Schlagzeug

Dass seine Zukunft in der Musik liegen könnte, wurde Jakob Manz schon an der Wiege gesungen.

sitzt seit 2023 Leo Assal, als fünfter Mann ist der Keyboarder Ferdinand Schwartz hinzugekommen. Seit ihrem Debütalbum «Natural Energy» (2020) sind die Musiker nicht ohne Grund zur international gefragten Live ­Band zusammengewachsen. Zweifellos werden sie sich der Aufregung, die am Eröffnungsabend unweigerlich herrscht, souverän gewachsen zeigen.

Dracula Club, 3. Juli, 21 Uhr.

«Dat wird nix mehr»

Helge Schneider ist ein genialer Komiker, aber auch ein begnadeter Jazzmusiker. Von Manfred Papst

nzwischen ist es schon eine Tradition, dass Helge Schneider den krönenden Abschluss des Festival da Jazz bildet. Er mag, wie er sagt, den Dracula Club mit seiner Verbindung von rustikalem Ambiente und perfektem Equipment, er schätzt die Nähe zum Publikum, die es in den riesigen Mehrzweckhallen, die er sonst füllt, kaum gibt, und er versteht sich bestens mit Christian Jott Jenny. Irgendwie sind die beiden seelenverwandt. Vor allem aber geniesst es der geniale Komiker und Multiinstrumentalist, dass er in St. Moritz ungehemmt seiner Liebe zum Jazz frönen kann – zu Count Basie, Duke Ellington und Thelonious Monk zum Beispiel.

Bei seinen ersten Auftritten im Engadin mochte das Publikum noch überrascht sein, dass da kein Kabarettist auf der Bühne stand, der seine herrlich absurden Geschichten mit dem einen oder anderen schrägen Song garniert, sondern ein Vollblutjazzer, der konzentriert aufspielt und bei dem der Humor sich nicht rund um die Musik, sondern in ihr selbst ereignet. Im Gespräch mit der NZZ am Sonntag hat Helge Schneider betont, dass der Jazz schon in sein Leben kam, als er zehn, elf Jahre alt war und unter der Bettdecke englische Radiosender hörte, die Louis Armstrong und Glenn Miller brachten.

Klavierunterricht hatte er bereits mit sechs Jahren, später kam das Cello hinzu. Saxofonspielen brachte er sich als glühender Roland­Kirk­Fan mit vierzehn selbst bei. Zwei Semester studierte er klassisches Klavier. Dann zog es ihn jedoch zum Improvisieren. Lange bevor er als Komiker auftrat, arbeitete er als Studiomusiker. «Das Klavier ist eine gute Vorschule für andere Instrumente», sagt er. «Es lehrt einen, in harmonischen Strukturen zu denken. Das hilft, wenn man Saxofon oder Trompete, Gitarre oder Marimba spielt. Für mich

ist jedes Instrument ein neues Abenteuer, eine neue Welt, und es fällt mir nicht schwer, mir auf ihm eine gewisse Fertigkeit anzueignen.» Helge Schneider kennt sich in der Jazztradition gründlich aus, doch es interessiert ihn nicht, zu spielen, was andere vorgeben. «Man darf nur nicht zu viel über den magischen Moment nachdenken», sagt er, «sonst ist der Augenblick des seligen, selbstvergessenen Improvisierens sofort futsch.» Ob Helge Schneider in St. Moritz auch die eine oder andere Geschichte erzählen oder sich ganz auf die Musik konzentrieren wird? Bei ihm kann man nie wissen. Im Mai dieses Jahres, kurz nach dem Tod von Papst Franziskus, sagte er bei einem Konzert in Ostfriesland, er habe dem Pontifex noch Mut zugesprochen, und zwar mit den Worten «Dat wird nix mehr». Seine Gitarre habe er Bob Dylan abgekauft, «weil der gerade Geld brauchte», und auch über die Frage aller Fragen denke er nach: «Warum hat der Schöpfer sich gerade mich ausgesucht?»

Dracula Club, 27. Juli, 21 Uhr.

Qualität und Charme: Luigi Panettone.
Auch in der Musik mit Humor: Helge Schneider.
Der Altsaxofonist Jakob Manz (2. v. r.) zählt zu den jüngsten Stars am Festival da Jazz.

3. –27. JU LI 2025

MAIN CONCERTS

Do 3.7. JAKOBMANZPROJECT

Fr 4.7. JESUSMOLINA

Sa 5.7. JAMESGRUNTZ

So 6.7. MATTHIEU MICHEL QUARTET

So 6.7. CHINAMOSES

Di 8.7. KURT ELLING &YELLOWJACKETS

Mi 9.7. GREGORYPORTER

Do 10.7. DIANNE REEVES

Fr 11.7. DANIEL HOPE &ZÜRCHER KAMMERORCHESTER

Sa 12.7. LUIGIPANET TONE

Sa 12.7. JOSCHO STEPHANTRIO

Sa 12.7. ELIANE ELIAS

So 13.7. STEFAN RUSCONI

So 13.7. NDUDUZOMAKHATHINI

Di 15.7. LUDOVICO EINAUDI

Mi 16.7. NIGELKENNEDY

Do 17.7. KATIEMELUA

Fr 18 7 NEWGENER ATION#JAZZLABNIGHT

Sa 19.7. CAMILLEO’SULLIVAN

Sa 19.7. TAKE 6

So 20.7. ZAZ

Mi 23.7. JAZZRAUSCH BIGBAND

Do 24.7. EARTHWIND&FIREEXPERIENCEBYALMCK AY

Fr 25 7 CHRISTIANSANDS

Sa 26.7. IIRO RANTAL AHEL TRIO

So 27 7 HELGESCHNEIDER

FR EE CONCERTS

Fr 4.7. MY LENA

Fr 4.7. EGOPUSHER

Sa |So5.| 6.7. CHACHAMANIA

Mi 9.7. GRÉGORYPRIVAT

Do 10.7. TOBIAS JENSEN

Fr 11.7. IDANIELSEN &THE FUNKBOTS

Fr |Sa11. |12.7. CHIARA JACOMET, SAMIRR ACHIDE, ELIA AREGGER

So 13.7. JUSTINALEE BROWN

Do 17.7. THEKILLIN’ JIVERS

Do 17.7. JAZZLABJAM SESSION

Do |Fr17. |18.7. ELIANE AMHERD

Fr 18.7. MILLIVANILLI

Sa |So19. |20.7. INFINITE SOUL ART

So 20.7. SHAVNABADA CHOR

So 20.7. ANDREASVOLLENWEIDER

Do 24.7. GIULIO GR ANATI

Fr 25.7. URSINA

Fr 25.7. FATCAT

Sa 26.7. TR AK TORKESTAR

Sa 26.7. MANONMULLENERTRIO

So 27.7. LILLYMARTIN

Herr Jenny, heutzutage geben alle kreativen Köpfe damit an, dass sie

ADHSler seien. Wie ist das denn bei Ihnen selbst?

CHRISTIAN JOTT JENNY: Das sind alles «Copy Cats»! Angeber. Wie fürchterlich langweilig. Meine Diagnose liegt rund 40 Jahre zurück. Ich bin gemäss meinem Amtsarzt «Patient zero». Vielleicht war das der Anfang des Übels.

Waren Sie in der Schule das Klassenkalb? Der Zappelphilipp?

Vielleicht das Zweitere. Aber ich hatte eine tolle Primarlehrerin aus einem alten Engadinergeschlecht: Paravicini. Eine Grande Dame alter Schule. Sie wusste, wie sie meine Energie nutzen bzw. rauslassen konnte. Meist gab sie mir Zusatzaufgaben oder schickte mich dreimal ums Schulhaus herum. Dann war die Energie genutzt

Als Junge haben Sie in den «Pumuckl»Hörspielen von Jörg Schneider mitgewirkt. Wie viel von dem rothaarigen Kobold steckt in Ihnen?

Welch poetische Frage! Nun, der Kleine bringt zwar ganz schön viel Durcheinander an den Tag. Aber letztendlich ist er ein Hilfskobold, ein feiner Typ. Ja, da ist was dran.

Sie haben in Berlin klassischen Gesang und Schauspiel studiert. Was wollten Sie damals werden: ein Heldentenor?

Oder hatten es Musical und Operette Ihnen schon damals angetan? Heldentenor! Wagner! Oder aber allermindestens Cavaradossi in Puccinis «Tosca».

Man sieht Sie immer fröhlich. Fehlt es Ihnen am nötigen Ernst? Oder finden Sie Ernst unnötig? Ernst ist das Leben, heiter die Kunst. So sagte Loriot. Ich meine, dass das eine ohne das andere nicht geht. Meine Heiterkeit ist meistens sehr ernst gemeint. Humor hilft immer. Auch bei ganz ernsthaften Dingen. Aber im Ernst: Ja, ich bin meistens eher auf der fröhlicheren Seite. Das heisst nicht, dass ich es nicht ernst meine.

Wie haben Sie es geschafft, als Zürcher im Engadin Fuss zu fassen, ja sogar Gemeindepräsident von St. Moritz zu werden? Ich wurde gewählt.

«Künstler und Unternehmer haben viele Ähnlichkeiten»

Christian Jott Jenny, Gründer des Festival da Jazz und schon im verflixten siebten Jahr Gemeindepräsident von St. Moritz, beantwortet fiese Fragen. Interview: Manfred Papst

Ist das eigentlich ein Ganzjahresjob, oder können Sie in der Zwischensaison den Laden auch einfach mal zumachen?

So einen «Laden» kann man nie so einfach «zumachen». Entweder sind Sie Gemeindepräsident oder eben nicht. Und das auch morgens um drei, wenn Sie in den Ferien im Hotel aufs Klo müssen und über ein Baugesuch nachdenken.

Sie arbeiten als Magistrat im Engadin, Ihre sechsköpfige Familie lebt aber im «Unterland». Warum ist das so, und wie schaffen Sie den Spagat?

Meine Frau hat einen ganz vernünftigen Beruf als Ärztin erlernt und dazu noch einen tollen Job im Unterland. Wir sahen damals nicht wirklich ein, weshalb wir den ganzen «Karsumpel» auf die Alp verlegen sollten, nur weil ich für eine befristete Zeit in ein Amt gewählt wurde. Zudem sind sämtliche Grosseltern, Cousinen, Verwandte und Betreuungspersonal im Unterland. Nun ist die befristete Zeit bereits im verflixten siebten Jahr … Aber wir haben uns alle gut daran gewöhnt. Wir erkennen unterdessen sogar enorme Vorteile darin. Ich bleibe damit nämlich immer etwas Gast in meinem eigenen Dorf. Und die Sicht des Gastes ist an so einem Ort wie St. Moritz doch des Pudels Kern.

Wie geht es Ihrem Alter Ego, dem Gesellschaftstenor Leo Wundergut? Kommen Sie noch zum Singen?

Konzerttipps

Ida Nielsen & The Funkbots Funk vom Feinsten

Prince ­ Fans lieben Ida Nielsen: Die dänische E­Bassistin hat den Star auf mehreren Alben und Tourneen begleitet. Auch bei Zap Mama tat sie mit. Zudem ist sie selbst eine begnadete Sängerin, Komponistin und Bandleaderin, wie ein halbes Dutzend Alben beweist. Ihre Funkbots sind eine Wucht; der schweisstreibende Mix aus Funk, Hip ­ Hop und Reggae wird die Sunny Bar zu nächtlicher Stunde zum Kochen bringen.

Sunny Bar, 11. Juli, 23.30 Uhr. Eintritt frei.

Dem geht’s hervorragend. Und er singt noch ganz üppig, wenn es die Zeit erlaubt. Das hohe C ist durchaus noch vorhanden. Falls wirklich gebraucht.

Sie sind Künstler, Unternehmer und Politiker. Geraten Sie sich da nicht oftmals selbst in die Quere?

Künstler und Unternehmer haben sehr viele Ähnlichkeiten. Sie müssen Risiken eingehen, um Erfolg zu haben. Ideen, Visionen, Durchhaltewillen. Und sich ständig neu erfinden. Alles Attribute, die einem Politiker auch nicht schaden würden. Leider gibt es zu viele Berufspolitiker, die vom realen Leben weit entfernt sind.

Was unterscheidet Sie von Ludwig XIV., dem Sonnenkönig?

Ich kleide mich vermutlich etwas bunter als der bescheidene König. Hingegen funktioniert meine Frisur mit weniger Puder. Falls Sie suggerieren, dass ich ein Alleinherrscher bin, muss ich Sie enttäuschen. Ich bin zu sprunghaft für Thronarbeit.

Ein knappes Vierteljahrhundert wirken Sie nun bereits als Impresario des Festival da Jazz. Ist Ihnen der Job noch nie verleidet?

Nie! Das Festival verändert sich mit jedem Jahr. Einerseits bewusst, weil man Neues ausprobieren will.

Andererseits auch ganz organisch, weil die Situation nie gleichbleibt. Meine grundsätzliche Aversion gegen Routine hilft da auch ein wenig.

Zur Person

Christian Jott Jenny (*1978 in Zürich) ist Tenor, Entertainer, Kulturproduzent und Politiker. 1997 gründete er das «Amt für Ideen», eine Produktionsfirma im Bereich Musiktheater, 2008 das Engadiner Festival da Jazz. Und seit 2019 ist er Gemeindepräsident von St. Moritz.

Was waren die drei schönsten Momente in dieser Zeit?

Die Zugabe «Poinciana» von Ahmad Jamal 2011, Richard Galliano mit J. S. Bach im Dracula­ Club und meine meistgehasste Melodie zu meinem Geburtstag: «Happy Birthday», neu harmonisiert von Dave Grusin.

Und die drei schlimmsten?

Drei Damen, leider: Natalie Cole, Diana Krall, Norah Jones. Sie haben sich ganz und gar nicht auf den Dracula­ Club eingelassen, sondern wollten einfach «ihr Ding» durchziehen. Damit hat man schon verloren.

Was würden Sie anders machen, wenn Sie nochmals 20 wären?

Mein Klavierstudium abschliessen.

Welche drei Songs möchten Sie am kommenden 8. August, Ihrem 47. Geburtstag, hören? «Libertango» von Astor Piazzolla, «Flight to Freedom» von Arturo Sandoval und «100 000 Rosen schick ich dir» von Helge Schneider.

Nehmen wir an, Sie kommen in die Hölle. Dort gibt es nur Capuns, Maluns oder Pizokel. Für welches Gericht entscheiden Sie sich?

Subventiuns! Ich bin unterdessen ein echter, eingebürgerter Bündner. Und mit welchem Bündner Getränk spülen Sie es herunter?

Auf keinen Fall mit Röteli!

Milli Vanilli Wiedergutmachung

Milli Vanilli? Das war doch das von Frank Farian produzierte Disco ­ Pop ­ Duo, das 15 Millionen Platten verkaufte, bis 1990 herauskam, dass alles nur Playback war: ein Riesenskandal. Inzwischen hat der französische Sänger Fab Morvan jedoch gezeigt, dass er auch selber singen kann. In der Sunny Bar wird er Hits von damals wie «Girl, You Know It’s True» darbieten ­ mit sechsköpfiger Begleitband und garantiert ohne Tricks.

Sunny Bar, 18. Juli, 23.30 Uhr. Eintritt frei.

Jazzrausch Bigband Münchner Urgewalt

Sie gehören zum Festival da Jazz wie der Röteli zum Birnbrot: Die 2014 vom Posaunisten Roman Sladek gegründete Münchner Grossformation war hier schon oft zu Gast, und sie wird geliebt, weil sie Phantasie und Kraft, Witz und Tiefsinn verbindet. Ihr Umgang mit der Tradition ist so frech wie originell. Letztes Jahr nahm sie sich Anton Bruckner vor, heuer wird Gustav Mahler in einen bunten Jazzrausch versetzt – ganz ohne Kater!

Reine Victoria, 23. Juli, 21 Uhr.

Man kann dem aus New Orleans stammenden Gitarristen Al McKay nicht dankbar genug dafür sein, dass er diese Truppe weiterhin zusammenhält: Seit Anfang der 1970er Jahre sind Earth, Wind und Fire eine der mitreissendsten Livebands auf dem Planeten. Ihr mit umwerfenden Bläsersätzen garnierter Mix aus Funk, Soul, R & B und Jazz lässt niemanden kalt. Hits wie «September» und «Boogie Wonderland» kennen kein Verfallsdatum.

Reine Victoria, 24. Juli, 21 Uhr.

Earth, Wind and Fire Soulfeuerwerk mit Al McKay
FOTOS: PD

Authentische Produkte, klassisches Design

Die Metzgerfamilie Hatecke steht seit über 100 Jahren für Engadiner Spezialitäten von höchster Qualität. Von Gaudenz Probst

Zu dieser morgendlichen Stunde ist es noch ruhig in der Bar Boucherie am Zürcher Löwenplatz. Bald aber wird sich das Etablissement füllen: zum einen mit Leuten, die im Geschäftsviertel einen gepflegten Lunch mit geschmorten Gerichten, Roastbeef, handgeschnittenem Rindstatar, Suppen oder Salaten geniessen und das Mahl mit einem Glas Wein oder einem Cappuccino abrunden, zum anderen mit Stamm­ und Laufkundschaft, die sich an der imposanten Fleischtheke beraten lässt. Bis es so weit ist, nimmt sich Ludwig Hatecke (*1954), der mit seinem Sohn David die Geschäfte führt, Zeit für ein Gespräch.

Die Boucherie Hatecke ist ein Familienbetrieb in vierter Generation. Mit strengen Handwerksprinzipien und höchsten Qualitätsansprüchen produziert sie Salsiz, Bündnerfleisch (die dreieckige Form hat sie schützen lassen) und anderes mehr aus heimischen Tieren und ohne Zusatzstoffe. Der Hauptsitz des Unternehmens mit seinen 55 Mitarbeitenden ist in Scuol; Filialen gibt es in Zernez, St. Moritz sowie in Zürich: seit 2017 am Löwenplatz und seit November 2024 auch im Seefeld an der Dufour­

strasse. Die in kühler Eleganz gehaltenen, seit 40 Jahren vom gleichen Architekten gestalteten Lokalitäten sind eine Kombination aus Fleischtheke und Bistro.

Anfänge in Scuol

«Ursprünglich stammen die Hateckes aus Freiburg an der Elbe in Niedersachsen», erzählt der alerte Bündner. «Mein Ururgrossvater Claus Ludwig Hatecke kam 1864 als Zimmermann ins Engadin, als die grossen Gründerzeithotels gebaut wurden. Als diese fertiggestellt waren, hat er in Scuol ein grosses Engadinerhaus aus dem 13. Jahrhundert erworben und dort die Pension mit Restaurant zum Felsenkeller betrieben. Mein Grossvater war ab 1909 Metzger in St. Moritz, bevor er in Ramosch am Dorfplatz eine eigene Metzgerei eröffnete. Um zwei Familien zu ernähren, erwies sie sich als zu klein; mein Vater hat deshalb ein zweites Geschäft in Zernez eröffnet. Dort bin ich aufgewachsen.»

1978 konnte die Familie das Haus in Scuol, das einst dem Ururgrossvater gehört hatte, zurückkaufen und die ganze Produktion dorthin verlagern. «Natürlich hatte ich als Vierzehnjähriger auch aller­

«Papi, warum machen wir den Sonntagsbrunch unseres Hotels nicht mal draussen auf der Terrasse?», fragte einst die neunjährige Nina ihren Vater Markus Hauser. Der ging vor knapp 30 Jahren auf den Vorschlag ein – und etablierte so den Sonntagsbrunch auf der Hauser­Terrasse als festen Bestandteil eines Aufenthalts in St. Moritz. Dabei stand von Anfang an die Region Oberengadin im Zentrum. Auch für Nicolas und Nina Hauser, die

2015 den Familienbetrieb mit all seinen Traditionen übernommen haben, war klar, dass Lokales präsentiert wird, ob kulinarisch auf dem Teller oder kulturell, durch die Auftritte von diversen Bündner Kulturschaffenden. Beim ersten Festival da Jazz bot sich den Hausers sodann die perfekte Gelegenheit, den Fokus auf Lokalität und gute Musik grösser zu denken – mit Brunch ­ und Apéro ­ Konzerten sowie

lei Träume», fährt Hatecke fort. «Bergführer wäre ich zum Beispiel gern geworden. Aber als mein Vater mich fragte, ob ich Metzger werden wolle, war der Fall für mich doch klar. Die Lehre habe ich im Toggenburg gemacht, in Wattwil, weil mein Vater sagte, ich müsse lernen, richtig gute Bratwürste zu machen.»

Nach der Lehre absolvierte Hatecke die Juventus­Handelsschule in Zürich und arbeitete zwei Jahre in Genf. Auch im Militär war er aktiv: Über 1000 Diensttage stehen in seinem Büchlein. Nachdem ein Onkel 1984 an der Hauptstrasse in Scuol das Center Augustin gebaut hatte, zog das Ladengeschäft dorthin. 1993 wurde die Filiale in St. Moritz eröffnet, die erste mit Bistro. «Diesen Bereich hat vor allem unser Sohn David, der gelernter Koch ist, ausgebaut», erzählt Ludwig Hatecke.

Das Festival da Jazz unterstützt er schon seit einigen Jahren. «Es ist ein sehr wichtiger Posten in der Engadiner Kulturagenda», sagt er, «die Verantwortlichen denken langfristig und haben auch während der Corona­Zeit durchgehalten. Sie setzen auf Exklusivität und Konstanz.» Das gefällt ihm, denn es trifft sich mit seiner eigenen Geschäftsphilosophie.

«Wir stellen die gleichen Produkte her, die schon mein Grossvater gemacht hat», sagt Hatecke, «auch wenn wir sie vielleicht etwas anders präsentieren. Damit man gutes Fleisch bekommt, muss man bei der Aufzucht sowie der Fütterung der Tiere sehr sorgfältig vorgehen und auch auf den Freilauf achten, aber das Abhängen des Fleischs nach dem Schlachten ist mindestens so wichtig. Rind, Kalb, Schwein und Lamm muss einfach drei, vier Wochen gelagert werden, möglichst am Knochen, denn all die kleinen Sehnen, die Fleisch zäh machen, zersetzen sich erst mit der Zeit.» Das passiert gemäss Hatecke vielerorts nicht mehr, weil das Fleisch durch die Lagerung natürlich an Gewicht verliert.

Keine Heidi-Folklore

Neben der Qualität der Produkte selbst ist für Hatecke auch die Präsentation wichtig. Das Einzelstück muss in seiner Wertigkeit sichtbar sein. «Ein Juwelier stapelt ja auch nicht Hunderte von Diamanten in der Auslage», sagt er mit einem Lachen. Bei der Verpackung setzt er wie bei der Innenarchitektur auf schnörkellose Eleganz. Die künstliche

Heidi ­ Folklore mit Hirschgeweihen, Kuhglocken und karierten Tischtüchern, die man im Bündnerland oft antrifft, ist nicht sein Stil.

Das A und O seines Erfolgs sind indes die engagierten Mitarbeitenden. «Man muss die Kunden und die Angestellten gleich gut behandeln», sagt er. «Beide müssen die Gewissheit haben, dass sie wichtig sind. Beiden muss man mehr geben, als sie erwarten; dann kann man auch etwas verlangen.»

Die Hateckes sind keine Chefs, die nur kontrollieren und abkassieren. Sie arbeiten mit und packen an; dabei merken sie intuitiv, an welchem Standort sie gerade am meisten gebraucht werden. «Ich liebe meine Berufung über alles und zähle die Stunden, die ich im Betrieb verbringe, nicht», sagt Hatecke.

Dass er Edelboutiquen betreibe und gleichsam der Sprüngli unter den Metzgern sei, hört er nicht nur gern. «Die Confiserie ist zwar schon ein Vorbild», sagt er, «und wenn man von den Rohstoffen bis zur Verpackung auf bestmögliche Qualität setzt, hat das nun einmal seinen Preis. Aber wir verkaufen im Grunde nichts Überfeinertes, sondern schlichte, authentische Produkte.»

Wenn die Hotelterrasse zur Konzertbühne wird

Ein gemütlicher Brunch und ein Jazzkonzert zur selben Zeit? Auf der Terrasse des Hotels Hauser geht das. Von Marco Cousin

einem regional und international repräsentativen Lineup, alles auf ihrer Terrasse. Das Ergebnis: 15 Gratiskonzerte verteilt über gut drei Wochen – ein regelrechter Konzertmarathon. Und obgleich es auf der Terrasse der Hausers ganzjährig lebhaft zu und her geht, bedeutet das Festival für die Familie Hauser alljährlich einen Organisationsaufwand der Sonderklasse: «Fürs Festival da Jazz krempeln wir eigentlich alles um», erklärt Nicolas Hauser. «Neue Mitarbeiter müssen eingestellt, die Terrassentische umplatziert und die Arbeitszeiten anders geplant werden. Wenn die ApéroKonzerte starten, hätte die ganze Belegschaft eigentlich Zimmerstunde. Aber da wir ein hochmotiviertes Team sind, bereitet uns der Mehraufwand keine Probleme. Die Montage und Bedienung von Bühne und Technik übernimmt dabei glücklicherweise das Festival.»

Dass hinterher nicht zwangsläufig das grosse Geld winkt, tut der grossartigen Atmosphäre der Konzerte keinen Abbruch, sagen die Hausers. Es ist und war schon immer eine Investition, nicht nur in den Betrieb, auch ins Dorfleben: Die Gratiskonzerte stehen allen offen, die Plätze auf der Terrasse ergattern können. Eine bescheidene Haltung für den Nobelort St. Moritz, die die unterschiedlichen Ansprüche der Sommer­ und Winterklientel erfüllen soll. Der Winter steht ganz im Zeichen der berühmt­berüchtigten High Society, es gibt Après­Ski­Konzerte bis spätabends und viel internationales Publikum. Im Sommer sind viele Gäste mit dem Glacier­Express auf der Durchreise oder verbringen den Tag aktiv in den Bergen, da braucht es ein entspannteres Programm. Das gilt allerdings nicht für alle Festival­Stammgäste: «Bei einigen Gästen fragen wir uns

schon, wie die das schaffen: Frühmorgens ein Act beim Lej da Staz, dann über Mittag im Taiswald bei Pontresina, am Nachmittag das Apéro ­Konzert bei uns, und spätabends gehen sie noch ins Dracula. Die sind länger auf den Beinen als wir!», scherzt Hauser. Doch in der Hektik des Festivalalltags stehen die Konzerte vom Hotel Hauser im Zeichen intimer, zeitenthobener Momente, sogar bei Starkregen: «Daran erinnern wir uns lebhaft: ein Brunchkonzert im strömenden Regen. Wir holten kurzerhand die Winterdecken aus dem Keller und verteilten heisse Schoggi, während die Gäste es sich unter den Schirmen bequem machten – vom Regen hat nachher niemand gesprochen.» Der Gedanke der Hausers scheint aufzugehen: Ob bei Regen oder Sonnenschein, an guter Musik und an feinen Bündner Spezialitäten haben alle Freude.

Chefs an der Arbeit: Vater Ludwig Hatecke und sein Sohn David.
Ruhepol im Festivalrummel: Konzerte auf der Terrasse Hauser.

Hier spielt die Musik!

Was? Wo? Wer?

Der Kurzguide zu den Schauplätzen des Festival da Jazz beantwortet die drängendsten Fragen.

Von Christina

Hubbeling

Prächtiger Saal, noch prächtigere Musik: Hotel Reine Victoria.

1 Dracula Club

Er ist das Herzstück des Festival da Jazz: Der legendäre «Dracula’s Ghost Rider Club» wurde von Gunter Sachs gegründet und wird heute von dessen Sohn, dem Künstler und Designer Rolf Sachs, geführt. Im Winter Dreh­ und Angelpunkt des schillernden St. Moritzer Partylebens, verwandelt sich der Club während des Festival da Jazz in eine kleine, feine Bühne. In intimem Rahmen und in einer urchigen Atmosphäre geht man hier mit den Stars der internationalen Musikszene auf Tuchfühlung und kommt so in den Genuss von ganz besonderen Konzerterlebnissen.

Plazza Gunter Sachs, Via Maistra 54, St. Moritz

Hauser-Terrasse

2

Jeweils von Donnerstag bis Samstag von 17 bis 19 Uhr bringen Künstler wie Giulio Granati, Eliane Amherd, Infinite Soul Art oder Tobias Jensen im Rahmen der Apéro ­Konzerte den Festivalgroove ins Dorfzentrum –an der Sonne, unter schattenspendenden Bäumen oder Sonnenschirmen. Und an vier Sonntagen im Juli finden jeweils von 10 bis 13 Uhr die legendären Brunch­Konzerte statt. Eine Tisch­

reservation ist dringend empfohlen (Tel. 081 837 50 50).

Via Traunter plazzas, St. Moritz

3

Embassy Ballroom at Badrutt’s Palace Der traumhafte Ballroom des Hotels Badrutt’s Palace gehört seit Jahren zu den beliebten Festivalbühnen. Etwa mit dem italienischen Pianisten Ludovico Enaudi kommt man hier am 15. Juli um 21 Uhr in den Genuss einer berührenden, beinahe meditativen Musik, die minimalistische Kompositionen mit emotionaler Intensität verweben – als fände jede Note ihren eigenen Atemrhythmus.

Via Serlas 27, St. Moritz

4

Sunny Bar Kurz vor Mitternacht, wenn im «Dracula» die letzten Töne ausklingen, schlägt die Stunde der Nachtschwärmer in der Sunny Bar im Kulm­Hotel: Wie in den coolen Clubs in New York oder Paris swingt die Stimmung hier zu später Stunde. Die Konzerte von Egopusher, Ida Nielsen & The Funkbots, Milli Vanilli («Girl You Know It’s True») und Fatcat sind kostenlos und beginnen jeweils um 23.30 Uhr. Via Veglia 18, St. Moritz

5 Reine Victoria Der prachtvolle Jugendstilsaal des «Reine Victoria» in St. Moritz Bad, geschmückt mit Deckenmalereien von Antonio De Grada, bietet einen stimmungsvollen Rahmen für musikalische Höhepunkte. In diesem Jahr erwecken unter anderem der charismatische Geiger Daniel Hope und das Zürcher Kammerorchester Werke von Weill, Gershwin und Bernstein zum Leben. Für mitreissende Rhythmen sorgen ausserdem die energiegeladene Jazzrausch Bigband sowie die legendären Funkikonen von Earth, Wind and Fire Experience by Al McKay. Via Rosatsch 18, St. Moritz

6 Murütsch-Bar, Hotel Laudinella In den atmosphärischen Tiefen des frisch vollendeten Murütsch–Barkellers im Hotel Laudinella entfaltet sich am Freitag, dem 18. Juli, ab 23 Uhr ein musikalisches Erlebnis von seltener Unmittelbarkeit. Hier wird nicht gespielt, was auf dem Notenblatt steht – hier wird improvisiert, was das Zeug hält. Denn Improvisation ist nicht nur eine Ausdrucksform des Jazz, sie ist sein innerstes Prinzip. Auf die Bühne treten die prämierten Talente des New Generation Jazzlab,

Konzert. Der Zürcher Pianist und Komponist, bekannt für seine innovative Mischung aus Jazz, Noise und improvisierter Musik, wird die intime Atmosphäre der barocken Kirche mit seiner experimentellen Klangkunst bereichern.

Kronenhof-Weinkeller

9

Camille O’Sullivans Weg zur Bühne war alles andere als geradlinig: Tochter einer bildenden Künstlerin und eines Rennfahrers, begann sie ihre Karriere als Architektin. Doch bald zog es sie in die Welt der Musik und des Theaters. Ihre Auftritte sind wie kleine Theaterstücke – geprägt von einem faszinierenden Wechselspiel zwischen Verletzlichkeit und eruptiver Kraft. Am 19. Juli um 21.30 Uhr bringt sie ihre unverwechselbare Bühnenpräsenz in den stimmungsvollen Weinkeller des Hotels Kronenhof in Pontresina. Via Maistra 175, Pontresina

Taiswald

10

Der in Martinique geborene Pianist Grégory Privat zählt zu den herausragenden Künstlern der modernen Jazzszene. Er verbindet einfühlsame Pianomelodien mit karibischem Charme und kraftvollen Vocal Parts. Am Festival da Jazz wird er auf der zauberhaften Lichtung im Taiswald auftreten, wo bereits seit 1910 die legendären Kurkonzerte der Camerata Pontresina stattfinden.

11

Viva la Via Wenn Viva la Via durch die Via Maistra in Pontresina, die längste Dorfpromenade des Engadins, zieht, sorgt das Festival da Jazz für unvergessliche Momente: Mit Swing und Energie bringen The Killin’ Jivers am 17. Juli ab 18 Uhr die Tanzbeine in Bewegung – eine Hommage an den frechen Jazz der 1920er und 1930erJahre. Via Maistra, Pontresina

12

Église au Bois

Zum siebten Mal verleiht das Festival da Jazz den renommierten Franco Ambrosetti Jazz Award. In diesem Jahr geht der Preis nun an Matthieu Michel, der als eine der herausragendsten Stimmen Europas auf Trompete und Flügelhorn gilt. Der preisgekrönte Musiker wird sein Spiel am 6. Juli um 17 Uhr präsentieren. Plazza Paracelsus 3, St. Moritz

deren frische Perspektiven und kreative Spiellust den Geist der Freiheit atmen lassen.

Via Tegiatscha 17, St. Moritz

7. Lej da Staz Der idyllische Stazersee – Lej da Staz auf Romanisch – ist ein beliebtes Naherholungsgebiet der Region. Am 20. Juli stehen hier drei Konzerte im Zeichen der Sonne: Pünktlich zum Sonnenaufgang um 5 Uhr 30 läutet das georgische Volksensemble Shavnabada den Tag ein. Es hat sich auf die Fahne geschrieben, den mehrstimmigen, von der Unesco zum Kulturgut erhobenen Gesang seines Landes zu bewahren. Darauf folgt um 8 Uhr 08 Andreas Vollenweider mit seinen sphärischpoetischen Klängen. Zum Sonnenuntergang um 19 Uhr 07 sorgt Zaz mit ihrem mitreissenden Mix aus Chanson, Jazz und Gipsy­Swing für eine zauberhafte Atmosphäre.

8 Chiesa San Pietro, Stampa Am 13. Juli um 11 Uhr präsentiert Stefan Rusconi in der Kirche in Stampa, die aus dem 18. Jahrhundert stammt und mit einem grossen Wandgemälde von Augusto Giacometti geschmückt ist, ein einzigartiges

13

Ruina da Guardaval Am 26. Juli um 13 Uhr verwandelt sich die alte Burgruine von Madulain in eine pulsierende Tanzfläche: Die Berner Band Traktorkestar kombiniert HochgeschwindigkeitDiscogrooves, fanfarige Sirenenklänge und melancholische Heimwehmelodien zu einem einzigartigen Klangteppich, der Balkantradition mit Schweizer Volksmusik und modernen Einflüssen vereint. Mit ihrem energiegeladenen Auftritt schlagen sie Brücken zwischen Stadt und Land, zwischen Tradition und Moderne.

14

Cresta Palace Dean Martin, eine Ikone des legendären Rat Pack, prägte schon Generationen mit seiner unverwechselbaren Stimme und seinen Interpretationen des «Great American Songbook». In seiner Hommage lässt Hampa Rest alias Luigi Panettone diese Klassiker mit Band und Streichern im Hotel Cresta Palace in Celerina aufleben (17 Uhr). Das Konzert ist auch als Dinner­Kombi mit einem asiatischen 3 ­ Gang­Menu und anschliessendem Konzert des JoschoStephan­Trios (21 Uhr) buchbar. Via Maistra 75, Celerina

Der Dracula Club ist ein Stimmungsgarant: Marcus Miller (2024).
Kulm Hotel St. Moritz is the proud host of Festival da Jazz 2025.
KULM.COM

Turn static files into dynamic content formats.

Create a flipbook
Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.